der Reichsanstalt ohne Leistungsabbau und ohne Reichs- Zuschuß genügt hätte. Parlamentarisch ist jedoch, wie es scheint, höchstens ein hol» bes Prozent durchsetzbar. Beschränkt man sich dann auf die Er- sparniss«, die durch die Beseitigung wirklicher Mißstände zu erzielen sind, so bleibt ein erheblicher Betrag, der auch bei normaler Entwicklung der Dinge ausderReichs- k a s s e zu decken ist. Die wirkliche fjöhe dieses Betrages hängt von Faktoren ab, über die eine sichere Boraussage nicht möglich ist. Be-� rzchnungen sind mit großer Vorsicht aufzunehmen. Unver- lennbar ist an gewissen Stellen die Absicht, durch eine finanzpolitische Panikmache eine gewisse Ver- zweiflungsstimmung zu erzeugen, in der sich der Reichstag auch zu härtesten Eingriffen verleiten lassen soll. Aber davon abgesehen ist zuzugeben, daß die Arbeits losenversicherung auch nach Erhöhung der Beiträge um ein halbes Prozent und nach Abstellung der wirklichen Mißstände roraussichtlich erhebliche Reichszuschüsse erfordern wird. Die Sozialdemokratie steht also vor der Frage, wofür sie die Verantwortung übernehmen will: für eine Minderung der Leistungen oder für ein Defizit der Reichsanstalt, das aus Reichsmitteln zu decken ist. Mit anderen Worten, sie steht vor der Frage, ob sie den finanzpolitischen Gesichtspunkt über den sozialpolitischen stellen oder ob sie umgekehrt die Finanz- Politik den sozialpolitischen Erfordernissen unterordnen will. Es ist zuzugeben, daß das zweite Verfahren theoretisch seine Grenze hat an der Fähigkeit des Reiches, finanziell zu leisten. es ist aber nicht zuzugeben, daß diese Grenze praktisch erreicht i st. Wenn man die Arbeitslosenversicherung, wie sie jetzt ist. unter dem D a w e s- Plan für finanziell möglich hielt, so wird schwer zu beweisen sein, daß sie unter dem V o u n g- Plan— der ja doch kommt— finanziell unmöglich ist. Mit dem Voung-Plan kommt die allgemeine Finanzreform. Es hieße ein Stück von ihr vorwegnehmen, wenn man jetzt soziale Leistungen mindern wollte, um den Reichsetat zu ent- I asten. Das hieße vorweg auf Kosten der Aerm- sten sparen, ohne daß man recht sieht, zu wessen Gunsten gespart werden soll. Ein finanzielles Chaos kann niemand wollen. Ein finan- zielles Chaos bringt gerade für die Arbeiter die furchtbarsten ivirtschaftlichen Schäden. Aber es heißt die Dinge t e n d e n» z i ö s entstellen, wenn man so tut, als ob der Zusammen- bruch der Reichsfinanzen nur durch Streichungen am Sozial- ekat, nur auf Kosten der Arbeitslosen und damst der ganzen Arbeiterklasie zu verhindern wäre. Da, wie schon gesagt, die Bildung einer Mehrheit gegen, die Sozialdemokratie sehr unwahrscheinlich ist, die Sozial- demokratie aber die Arbeitslosenversicherung nicht aus finan- 'ellen Gründen preisgeben kann, wird eine vorsichtige Finanzpolitik mit der Notwendigkeit, auch weitere Zu- schüsse zu gewähren, als mit einer Tatsache rechnen. Diese Notwendigkeit wird besonders auch bei der Planung der kommenden Finanzreform mit in Rechnung gestellt werden müssen— wenn sich nicht eine Fehlrechnung ergeben soll. Um es noch einmal zu sagen: Die Sozialdemokratie be- findet sich im Kampfe um die Arbeitslosenversicheruna taktisch und sachlich in einer günstigen Position. Sie ist ebenso in der Lage, an der Beseitiaung wirklicher Mißstände mitzu- arbeiten, wie einem augemeinen Leistungsabbau tatkräftigen Widerstand entgegenzusehen. Sie hat sich nur zu fragen, was sie vor ihrem Gewissen verantworten kann. Was sie vor ihrem Gewissen verantworten kann, das kann sie auch ?or den Massen verantworten!
„Graf 3eppelin"über Amerika . Den Erdball glücklich umflogen. In 10 Tagen weniger 11 Stunden ist das deutsche Luft- schiff„Graf Zeppelin" von Lakehurst nach Friedrichshafen , von da nach Tokio und schließlich nach Los Angeles geflogen. Es hat damit den Erdball in einer Flugstrecke von rund 23 000 Kilometern überflogen. In den Ruhm dieser wahrhaft großen Leistung teilen sich Führer und Besatzung des Luft- jchiffs mit den Herstellern und Monteuren der fünf Motoren und allen Mitarbeitern in Friedrichshafen und sonstwo. Der Jubel, der in Tokio wie in Los Angeles den„Graf Zeppelin" begrüßte, hallt in der Heimat wider. Wer würde nicht mit freudiger Genugtuung von dieser Tat hören, wen nicht der Gedanke erheben, daß es feine Landsleute sind, denen sie geglückt ist. Die Eignung des Zeppelinluftschiffs für den Weltverkehr wird durch diesen geglückten Weltflug sehr stark unterstrichen. Zum Massenverkehr im Luftschiff ist freilich noch ein weiter Weg, aber beizeiten sollten die Völker der Erde dieses zukunftsreiche Neue vor privater gewinnsüchtiger Ausnutzung sichern. Die Nachrichten über Fahrt und Landung stehen an anderer Stelle dieser Nummer.
Kamps um Thätmann. Oas Ringen hinter den KPO .'Knlissen. Augenblicklich sind, wie der„Toz. Pressedienst" erfährt, hinter den Kulissen der kommunistischen Zentrale die h e f t! g st e n F r a k- tions- und Cliquenkämpfe im Gange. Es geht um nichtz anderes als um die B e s e i t i g u n g T h ä l m a n n s. Dies- mal sind es nicht die„Rechten" und„Versöhnler", die„Teddy" das Genick brechen wollen, sondern seine bisherigen intimsten poetischen Freunde, die Heinz Re u m a n n und R e m m e l e. Diese treten nach ihrer Rückkehr von der Moskauer Ektitagung als unum- schränkte Herren und Gebieter im Karl-Liebknecht-Haus auf und versetzen Thälmanns Anhang durch Massenkündi- g u n g in Angst und Schreckcn. Zunächst begann der Säuberungsprozeß im Reich, wo die Reumann-Remmel« längst ihre Anti-Thälmann-Fraktionen oufgc- zogen haben. In der Essener Bezirksleitung sind bereits die ersten Thälmann -Leute aus den Stellungen geflogen. Thälmann zieht nun seine Jraktion zusammen, um zur Entscheidungsschlacht um die Stalinschcn Pfründen anzutreten. Es ist zu erwarten, daß die kommunistische Presse diese Mit- i eilungen in der üblichen Weise abzuleugnen und durch eine Schimps- kanonad« zu verdecken suchen wird. Aber man weiß schon, was davon zu halten ist.
Versteigerung der Sozialversicherung. Arbeitslose als Objekte privater Geschäftemacher?
Im Sozialen Ausschuß des Reichstag« wurden am Montag bei der Weiterberatung des Gesetzes über die Reform der Arbeitslosen- Versicherung zunächst einig« Bestimmungen von redaktioneller Bc- deutung ohne Debatte angenommen. Zu§ 115, der die sögenanntc Formaloersicherung regelte und nach der Regierungsvorlage gestrichen werden soll, oerlangte Abg. A u f h ä u s c r(Soz.), daß den- jenigen Versicherten, für die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden waren, obwohl sie nicht versicherungspflichtig sind, eine Rückerstattung der Beiträge gesichert wird. Ministerialdirektor Weigert kündigt« an, bis zur nächsten Sitzung eine entsprechende Vorlage zu machen. Alsdann entspinnt sich zu 8 119, dessen neue Formulierung«ine Kürzung des an die Krankenoersicherung zu leisten- den Beitrags um 30 Millionen Mark bringen soll,«ine mehr- stürtdigc Debatte. Abg. Dr. Pfeffer(DBp.) erachtet die Kürzung noch für zu gering und verweist auf dos Angebot des Verbandes privater Zkrankenversicherungsunlernehmungen Deutschlands , Sitz Leipzig , über dos die Presie berichtet hat und da»«ine Ersparnis von rund 60 Millionen bringen soll. Er verlangt von der Reich»- regierung Auskunft. Abg. Aushäuser(Sog.) stellt an die Re- gierung die Anfrage, ob die Kürzung um 30 Millionen Mark von den Krankenkassen getragen werden kann, ohne daß dadurch die Mit- glieder der Krankenkasse geschädigt werden. Aushäuser wendet sich weiter grundsätzlich gegen irgendwelche Einschaltung privater Erwerbsunternehmen in die Arbeitslosenversicherung. Die Vorgänge bei der Allgemeinen Frankfurter Verficherungs A. G. sprechen keineswegs dafür, anzunehmen, daß in der Privalversicherung eine rationelle Verwaltung und aus- reichende Aussicht besteht. Cr verlangt, daß den Ausschuhmitgliedern das private Angebot vor- gelegt wird. Die Prüfung seines Inhalts wird bald ergeben, daß die Billigkeit der privaten Gesellschaft nur auf Kosten der Versicherten ergehen kann. Ministerialdirektor Weigert er- läutert das Angebot, das nur die Regelleistungen der RDO. enthält, und für die Durchführung einen gemischtwirtschaftlichen Träger vorsieht, be! dem das Reich beteiligt werden soll. Es soll a u f 2000 Versicherte(in Großstädten) ein Pflegearzt(!) treffen. Der Reichsarbeitsminister stehe dem Angebot g r u n d s ä tz- lich ablehnend gegenüber. Ministerialdirektor Krön bittet den Ausschuß, es bei der Kürzung von 30 Millionen Mark zu belassen. Dieser Beirag stelle das ä u ß e r st e der Tragfähigkeit der Krankenkassen dar. Bei dieser Kürzung beziehen die Krankenkassen für die Krankenversicherung des Arbeitslosen einen Beitragseinsatz von 4,4 Proz, während für die normale Krankenversicherung nur 6 bis G'A Proz. Beitrag vom Grundlohn erhoben wird. Das Angebot müsse auf einem Irrtum beruhen. Abg. Lille (Soz.) weist nach, daß die Krankenkassen vielfach mehr Aufwand für die Arbeitslosen machen als sie
Beitrog einnehmen. So stehen bei der Maurerkrontenkasse zu Berlin im Jahr« 1928 eine Einnahme von 58 000 Mark einer Ausgabe von 65 000 Mark gegenüber. Wenn einzelne Krankenkassen an der Ar- beitslosenversicherung angeblich Gewinne gemocht haben sollen, so kann dieses Ergebnis nur auf Mängel in der Statistik zurückgeführt werden, weil nachgewiesenermaßen die Ausgaben der Krankenkassen für die ärztliche Behandlung der Arbeitslosen, für die Gewährung der Famiiienhilfc und der Sachleistungen nicht erfaßt wurden. Wenn der private Verband nur die Regelleistungcn gewährt, so müßten die Arbeitslosen auf die Gewährung der K ro n k« n h a us p s l e ge, der s a m i l i e n ä rz t l i ch e n Bc» h a n d l u » g, aus Zuschüsse bei kleineren und größeren Heilmitteln, auf ausreichende Zahnbehandlung, auf ein erhöhtes Slerbegelh für ihre Angehörigen, kurzum aus alle satzungsmäßigen Mehr» l e i st u n g e n der gesetzlichen Krankenkassen verzichten. Di« Er- sparnis von weiteren Millionen geht also nur auf Kosten der Krankenversicherung der Arbeitslosen. Die in dem Angebot vorgesehene Regelung, daß in jedem Arbeitsomtsbezirk nur e i n Vertragsarzt angestellt werden soll, und daß in Städten mit mehr als 200 000 Arbeitslosen auf 2000 Personen nur ein Pflegearzt angestellt werden soll, daß für die Arbeitslosen Zedefreie Arzt- wahlbefeitigt werden soll, diese Regelung ist unannehmbar. Abg. Huck(DBp.) will seiner Fraktion die endgültige Stellung- nähme zur zweiten Lesung vorbehalten. Abg. Karsten(Sog.) weist daraus hin, daß die Privatfirma für die versprochenen Leistungen nicht« bietet und polemisiert gegen� die Volksparte!, deren Vorgehen einer allmählichen Vcrauktio- nierung der Sozialoersicherung gleichkomme. Abg. Schwarzer(BVp .) wendet sich ebenfalls dagegen, daß die Arbeitslosen als Obsekl privater Geschästsunternehmungeu gebraucht werden sollen. Abg. A u f h ä u s e r(Soz.) verlangt, daß, nachdem der 9. Ausschuß ein nicht ernst' zu nehmendes Angebot öffentlich debattiert habe, nunmehr auch den Trägern der Sozial- Versicherung Gelegenheit zur Aeußerung gegeben werden müsse. Er beantragt eine besonder« Sitzung mit den Spitzenverbändcn der Krankenkassen. Selbst der kommunistische ellbg. Schröter nimmt Veranlassung, die deutsche Sozialversicherung gegen die unbegründeten Angriffe zu verteidigen. Nach einer längeren stürmischen Gsschäfts- ovdnungsdebatte wird der§ 119 in der Fassung der Regierungs - vorlag« angenommen. Es wird ferner beschlossen, die beantragte Sitzung mit den Krankenkassen Anfang September abzuhalten. Im Z 170 ist vorgesehen, daß künstig die Anzeige über die Beendigung eines Beschästigungsverhältnisses nur noch vom Arbeit- geber erfolgen soll. Wg. A u f h ä u s e r(Soz.) wendet sich gegen diese Aenderung und verlangt, daß die Bescheinigung dem Versicherten ausgehändigt wird. Ein entsprechender Antrag wird angenommen. Der Ausschuß vertagt sich alsdann auf Dienstag 10 Uhr.
Die polmsch« Regierung, der der Marschall Pilsudsti als Kriegs- minister angehört, will ihr Dasein nicht der Demokratie ve» danken. Sie vertritt den Standpunkt, daß e, in Polen weder eine Diktatur noch einen Diktator gibt, sondern lediglich einen Ikatlonalhelden. der sich durch die Ereignisse gezwungen sieht, etwas schärfere pol:- tische Maßnahmen zu ergreifen, von denen indes weder das durch Volkesstimme gewählt« Parlament noch der Präsident der Republik tangiert wird, der seinen Wohnsitz in der prächtigen ehemaligen Residenz der Könige von Polen ausgeschlagen hat. Um die Wahr- heil zu sagen, ist übrigens die in Warschau bestehende Regierungs- form kein faschistisches Regime, sondern eines, das in Faschismus zu enlarlen droht. Ein polnischer Sozialist sagte mir, Pilsudski sei ein Gariba&i. der sich in Cavour zu verwandeln suche. Bis zum Krieg« Revolutionär alten Schlags und Führer der polnischen Sozialisten, nahm Joseph Pilsudski am ersten Tag der Feindseligkeiten gütlichen Abschied von seiner Partei und trat an die Spitze einer polnischen Legion. Er überwarf sich mit den Oesterreichern, denen gegenüber er, einzig auf das Wohl seines Landes bedacht, volle Unabhängigkeit zu wahren suchte, wurde später in Magdeburg interniert und schließlich durch die deutsche Revolution befreit. Bei seiner Rückkehr nach Warschau wurde er, bis zur Abstimmung über die Verfassung, zum Ober- Haupt des polnischen Staates ausgerufen. In dieser Eigenschaft begab er sich im Jahre 1920 nach Paris . Damals war Alexandre Millerand Präsident der Republik , Aristide Briand Minister- Präsident. Es wirb berichtet, daß der Marschall bei seiner Ankunft auf dem Nordbahnhof nach den ersten Begrüßungsformalitäten ausrief: .Mir scheint, Herr Präsident, wir haben uns schon gesehen."— „Gewiß, Herr Marschall, lm Zahre ISSS bei dem sozialistischen Kongreß von London ." Es wäre übrigens ein Irrtum zu glauben, baß der Marschall in dem Augenblick, da er sich von der polnischen sozialistischen Partei trennte, mit jenen brach, deren geschätztes, beachtetes Oberhaupt er so lange Jahre hindurch gewesen war. Als Pilsudski vor zwei Iahren gegen Warschau marschierte, gal? dieser Marsch der äußersten nationalistischen Rechten, die sich mit den konservativen Bauern Witos ' vereint hatte, und als ihn seine„Obersten " in der Folge in antiparlamentarische Bahnen drängten, blieben ihm von 69 sozialistischen Abgeordneten 10— jene, die heute als Renegaten bezeichnet werden— bedingungslos ergeben. Sie setzen noch jetzt blindes Vertrauen in die Person Pilsudskis . Es steht jedoch außer Zweifel, daß die„Partei der Obersten ", die großen Einfluß auf den greisen Marschall übt. im Augenblick bezüglich der parlamentarischen Lerwaltungsreform nichts weniger als beruhigende Absichten verrät. Einer dieser tapferen Krieger erklärte vor nicht allzulanger Zest in einer öffentlichen Versamm- lung, man solle den Landtagsobgeordnetcn„die Knochen brechen", die sich im kommenden Oktober weigern würden, für die Revision der Verfassung zu stimmen(deren Zweck die Stärkung der Exekutivgewalt ist). In einem Prozeß, der dem Finaiizministcr kürz- lich(wegen militärischer Ausgaben, die im Budget nicht vorgesehen waren) anhängig gemacht wurde, erklärt« der Marschall zu Beginn
seiner Zeugenaussage(die er zuerst verweigert hatte), daß«r, Pilsudski , zur Stunde der größte Mann polen » sei. hierauf ließ er sich dazu hinreißen, die strengste Maßregelung jener Abgeordneten anzudrohen, denen die Verteidigung der parla- mentarischen Dorrechte zur Last gelegt würde. Muß man daraus schließen, daß Polen , abgesehen von der herrschenden empfindlichen Wirtschaftskrise, noch eine politische Krise unmittelbar bevorsteht, bei der die Gewalt das letzte Wort sprechen wird? Biel « sind dieser Meinung. Andere glauben noch immer, daß es nicht zum äußersten kommen wird. Es steht fast außer Zweifel, daß die Regierung im Oktober nicht über die zur Revision der Verfassung erforderliche Zweidrittelmehrheit verfügen wird. Als unmittelbare Folg« dürfte höchstwahrscheinlich das Parla- ment aufgelöst und ein Aufruf an die Wähler erlassen werden. Man wird kein Mittel verschmähen, um das Volk zu beeinslussen. Wird man auch Bajonette zu Hilfe nehmen? Wird Marschall Ptl- sudski gegen die Linke marschieren, wie er kürzlich gegen die äußerste Rechte marschierte, in deren Reihen er noch erbittert« Feinde zählt? Viele Männer seiner unmittelbaren Umgebung wünschen Und hoffen es. Wollte man die Reden Pilsudskis wörtlich nehmen, so müßte man es glmiben. Innnerhin aber hat der Marschall das Aller Vonaparles überschrillen. Es fällt schwer, zu vermuten, daß er seine politische Vergangenheit vergessen habe. Und, ganz abgesehen von diesem gefühlsmäßigen Faktor, besitzt er, nach allgemeiner Ansicht, politischen Spürsinn. Ueberdies würde sich ein faschistisches Polen im heutigen Europa neben einem Frankreich , einem England, einem Deutschland , dessen Machthaber— wenngleich zum Teil treue Anhänger des Konservativismus— Verfechter der parlamentarischen Einrichtungen sino, nicht sonderlich wohl fühlen. Anderseits muß man bezweifeln, daß sich der Mann, der Jahre hindurch an der Spitze des polnischen Sozialismus stand, zur gewaltsamen Vernichtung jener werte hinreißen lassen wird. zu deren Begründung er in so hohem Zsiaße beitrug. Der Zorn ist ein schlechter Ratgeber. Schließlich wird alles von der polnischen Demokratie, insbesondere von der Sozialdemokratie ab- hängen. Jedenfalls trachtet die polnische Regierung stets zu zeigen, daß Polen gegenwärtig keine Diktatur hat. All« ausrichtigen Freunde Polens müssen wünschen, daß dies nicht nur behauptet werde, sondern Wahrheit sei und bleibe.
Ltebeririii zur Gozialdemokraiie. Die KPD. ist unfähig. Zwickau . 26. August.(Eigenbericht.) Der kommunistische Stadtverordnete Max S t e m m l c r hat seinen Uebertritt zur Sozialdemo, kratie angemeldet und gleichzeitig um Aufnahme in die sozial- demokratische Stadtverordnetenfraktion ersucht. Stemmler erklärt, daß die KPD., besonders nach den Vorgängen vom 1» Mai in Berlin , weder für die Führung der Arbciterschast und noch weniger für deren Einigung in Frage komme. Die KPD.-Oppositlon aber sei zur Einflußlosigkeit verurteilt, da sie sich nur aus einigen Einsiedlern zusammensetze und nicht» hinter sich habe.