Abschied von Hermann Schulz.|
Im Berliner Krematorium in der Gerichtstraße hatte sich am Montag nachmittag eine große Trauergemeinde zusammengefunden, um den so plötzlich in Berlin verstorbenen Reichstagsabgeordneten Genossen er mann Schulz( Königserg) die letzte Chre zu ermeisen. Nicht nur zahlreiche Kollegen aus der Reichstagsfraktion und starke Deputationen aus seinem engeren Wirkungskreise hatten sich eingefunden, sondern auch viele Berliner Genossen ließen es sich nicht nehmen, dem fern von der Heimat Berstorbenen die letzte Ehre zu geben. Zahlreiche Kränze in den Farben der Partei und der Republik schmückten den Garg, und die Banner der Sozialdemokratie vereinigten fich mit denen der republikanischen Wehrorganisation, des Reichsbanners, zu wirkungsvollem Scheidegruß.
Der Vorsitzende der Partei, Genosse Otto Wels , hielt dem verstorbenen Freunde eine ergreifende Abschiedsrede. Wie der Sturm die Eiche fällt, so fiel dieser scheinbar Riesenstarte plötzlich und unerwartet. Mitten aus der. Arbeit wurde er herausgerissen, in den Sielen ist er gestorben. Das nennen die Leute mohl einen schönen Tob. Es mag sein, daß viele, die im Siechtum den Tod ersehnen und die doch quaivoll um ihr Leben fämpfen müssen, ihn um dieses schnelle Scheiden beneiden dürfen. Und doch liegt eine her be Tragit darin, daß er, der in der Bollkraft des Schaffens stand, so plöglich dahingerafft murde. Aus seinem inapp bemessenen Urlaub war er nach Berlin gekommen, um für eine neu erstehende Arbeiter und Kleinbauernsiedlung Geldmittel zum Weiterbau zu besorgen. Aus dieser im besten Sinne des Wortes helfenden und sorgenden Tätigkeit wurde er so plöglich abberufen.
Hermann Schulz stammte aus der Arbeiterschaft. In Elbing geboren, wurde er metallarbeiter, tam auf der Wanderschaft auch nach Berlin , wo er dem Metallarbeiter- Berband beitrat. Von 1911 bis 1919 war er Geschäftsführer des Verbandes in Elbing , seit 1913 dort auch Stadtverordneter. 1918 murde er in die National versammlung gewählt. 1921 berief ihn die Partei zur Zeitung des Bezirkssekretariats und zum Borsigenden, des Bezirksverbandes Ost preußen . Aus der Zerrissenheit, in der er die dortige Partei nach dem Kriege vorfand, wurde er ihr ein Führer zur heutigen stolzen Höhe. Im Reichstag war er Borsitzender der Petitionskommission, der Zufluchtsstätte der Notleidenden. Ihre Notschreie drangen zu ihm, der ihnen immer ein Helfer und Freund war. Er war als Mensch und Rämpfer selbstlos und treu. Sein Leben zeichnet den Werdegang eines Arbeiters, der mit der Partei und in ihr wuchs. Immer voll Hoffnung und immer optimistisch trug er sozusagen den Erfolg mit sich. So lebt er fort bei uns als einer von denen, die Blut vom Blut der Arbeiterklasse und Bein von ihrem Bein waren. In ihm hat die Arbeiterschaft einen ihrer Besten verloren. Sie wird ihres treuen Kameraden nicht vergessen.
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Als Vertreter des ostpreußischen Bezirksverbandes der Partei sprach Genosse Larsen dem Verstorbenen tief empfundene Worte des Gedenkens, als Bertreter des Metallarbeiterverbandes widmete Genosse Grunewald , Königsberg , dem langjährigen Führer einen ehrenden Nachruf und im Namen des Gauvorstandes des Reichsbanners Schwarz- Rot- Gold rief Kamerad Raleffe, Rönigsberg, dem treuen Freunde herzlichen Abschiedsgruß nach. Die Fahnen senkten sich über dem Sarg, als er unter den Klängen eines Trauermarsches langfam versant.
An Stelle des verstorbenen Abgeordneten Hermann Schulz tritt der Lehrer Genoffe Arthur Mertins in Gutenfeld bei Königsberg i. Pr. in den Reichstag ein.
Ein symbolischer Borgang.
Die Rommuniffenpreffe befingt in hohen Tönen den Erfolg ihres ,, Sport und Kulturtages". Alles war natürlich wunderschön, ungeheure Menschenmassen beteiligten sich, der ganze Norden Berlins stand unter dem Eindruck der gewaltigen Demonstration usw.
Sicher ist an diesen Berichten vieles übertrieben. Aber soviel ist richtig: Die KPD. hat am letzten Sonntag in Berlin N. demɔnstriert, niemand hat es ihr verboten, niemand hat fie dabei gestört.
Und das ist auch ganz richtig und in Ordnung. Nur mit der fommunistischen Logit stimmt es nicht ganz überein, Nach der kommunistischen Logit ist nämlich die Deutsche Republik der gemeinste Polizeistaat, den es gibt. Die Arbeiter" werden auf das schamloseste unterdrückt. An der Spize des Reiches und des Freistaates Preußen stehen Sozialfaschisten ", die alle Arbeiterrechte niedertrampeln und nach Proletarierblut dürften.
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Wie erklärt es sich dann, daß die KPD. fahnentragend, liederfingend, brudschriftenverbreitend durch die Straßen Berlins ziehen fann unter dem Schutze der sozialfaschistischen" Polizei? Ist die KPD . vielleicht schon zu mächtig, daß man sich fürchtet, ihr entgegenzutreten?
Wenn es aber nicht so ist ist dann nicht das ganze Treiben der Kommunisten eine grenzenlose Unverschämtheit? Mit der größten Selbstverständlichkeit machen sie Gebrauch von dea Freiheitsrechten der Republik , die sie aber anderen nicht gönnen wollen, am allerwenigsten denjenigen, denen sie diese Rechte verdanten. Am 11. Auguft haben sie die große Verfaffungsfeier Berlins vergeblich zu stören versucht, als kleine Minderheit blieben sie ohnmächtig. 3wei Wochen darauf haben sie felber ungestört demonstriert und gefeiert auf einem Festplatz, der von einer schwarzrotgoldenen Fahne überweht war. Sie haben ungestört demonstriert und gefeiert unter der schwarzrotgoldenen Fahne, das heißt unter dem Schuße der Republit.
Und das war die schönste, würdigste Revanche der Republit für die dummen und ohnmächtigen Störungsversuche vierzehn Tage zuvor!
Berurteilte Stahlhelmer.
Der Ueberfall auf eine Friedensversammlung.
Wegen schweren Landfriedensbruches hatten sich gestern drei Angehörige des Stahlhelms vor dem hiesigen Erweiterten Schöffengericht zu verantworten. Sie betätigten fich nach der Anklage am 28. April als Rädelsführer bei dem Ueberfall auf die von der Friedensliga abgehaltenen Berfammlung, in der u. a. General von Schönaich über die deutsch polnischen Friedensverträge sprach. Nach der Versammlung wurden Reichsbannerleute von Angehörigen des Stahlhelms be schimpft, auch wurde der Versuch gemacht, dem Träger der Reichsbannerfahne diese zu entreißen. Von den drei Angeklagten wurde einer zu a cht Monaten Gefängnis, der zweite wegen einfachen Landfriedensbruchs zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt, der dritte, ein Justizwacht metter( 1), wurde freigesprochen.
Hahnenschwänzelei.
A
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„ Die Belange der Heimwehr erfordern eine ganz spezielle geistige Vorbildung!?" Aber jo, Herr Baron! 3 bin zwelf mol zwegn Kerperverlegung und fünpf mol zwegn Zuhälterei vorbestroft." Hm, dann fannst du gleich bei unserm Ausbildungspersonal dein Effen faffen!"
Schlechte Aussichten für Heimwehrputsch.
Landbund und Polizeipräsident Schober winken ab.
Wien , 26. August.( Eigenbericht.) Vizekanzler Schumh hat sich auf einer Tagung des Landbundes in Deutsch - Freistrik( Steiermark ) sehr scharf gegen die Heimwehr ausgesprochen.
Schumh erklärte, man müsse unbeschadet der Sympathie gewisser Seite für die Heimwehr feststellen, daß schon jedes Kobettieren mit dem Rutsch- und Bürgerkrieg Deutschösterreich und seine Bevölkerung auf das schwerste schädige. Die Bauernschaft lehne ent schieden jede Diktatur ab und halte unbedingt an der Selbstverwaltung fest. Die fatastrophalen Folgen eines Putsches müßten von der Regierung Bei der inneren Bes gewissenhaft beachtet werden. friedung müßten Regierung und Parlament zusammen arbeiten.
Der Wiener Polizeipräsident Schober erklärt in einem Montagsblatt, er erachte keinerlei Butschgefahr für gegeben, weil die staatlichen Machtmittel jeden Putih Putschversuch schon im Reime erstiden würden. Auch die Heimwehrführer wüßten ungeachtet ihrer rednerischen Uebertreibungen, daß ein solches Experiment, von welcher Seite immer es unternommen würde, mit einer ver. nichtenden Niederlage der Unruhestifter enden müsse.
Ein zweites Todesopfer.
Wien , 26. August.( Eigenbericht.) Am Montag ist im Krankenhaus in Bruck a. d. Mur der zweite Schutzbündler, der bei den Vorfällen in St. Lorenzen verwundet worden war, gestorben. Es ist der 61 Jahre alte Arbeiter Hübel, der bei den Heimwehrüberfällen einen Schuß in den Schenkel und drei schwere Hiebwunden am Kopfe davongetragen hatte.
Heimwehrführer Steidle hat in einem Interview erklärt, mit dem Bundeskanzler Streerumis rede die Heimmehr nicht, wohl aber mit dem Wiener Polizeipräsidenten Schober, und der habe die Heimwehr nicht zur Zurückhaltung ermahnt. In positiver Hinsicht äußerte diese Marionette des Schwerverbrechers Pabst und des Hauses Wittels bach zwischen der Situation in Deutschösterreich und der in Italien vor dem Marsch Mussolinis auf Rom beständen gewiffe Analogien; er hat die Bundesregierung mit jener Regierung Facta verglichen, die damals Italien regierte und es dem Faschismus ohne Gegenwehr überließ. Die Regierung Streerumit ist allerdings in ihrer Abwehr auch gehemmt; der Kanzler wollte nach dem Trauerspiel von St. Lorenzen ein allgemeines Aufmarschverbot im ganzen Staat erlassen, aber er fonnte damit in einem Ministerrat nicht durchbringen, dem Seipels Gehilfe Bangoin, der famose Wehrminister, mit ungehinderter Machtfülle angehört. Steidle hat in der gleichen Beröffentlichung auch verkündet, die Heimwehr werde nach wie vor nur das tun, was sie für gut halte und mit dem Widerstand der Marxisten, die abzutreten hätten, sonst würden sie dazu gezwungen", gegen den Marsch auf Wien werde man schon fertig werden.
Die Verwaltungsbehörden unterstehen zum größten Teil den Landesregierungen, und für diese ist bezeichnend, daß der Tiroler Landeshauptmann Dr. Stumpf, ein Priester, die Heimwehr öffentlich gepriesen hat und der steierische
Landeshauptmann Dr. Rintelen der Aufforderung des Bundeskanzlers, ihn wegen der Ereignisse von St. Lorenzen aufzusuchen, nicht gefolgt, sondern zwar nach Wien ge fahren ist, aber nur mit Seipel und Steidle vera
handelt hat.
Seipel als Friedensengel. Der militante Priester für das neue Europa ". Frankfurt a. M., 26. Auguft.( Eigenbericht.)
Am Vorabend des Kongresses des Friedensbundes deutscher Ratholiten sprach der frühere österreichische Bundeskanzler Dr. Seipel in einer öffentlichen Versammlung. Ihm vorausgeeilt waren zahlreiche Proteste der österreichische Friedensbünde und der freisinnigen Ratholifen Desterreichs, die in einem Aufruf den Prälaten Seipel als den denfbar ungeeignetsten und zwiespältigsten Vertreter des Friedens gedankens bezeichnet haben.
Der Bortrag Seipels hatte eine große Zuhörerschaft herbei gezogen. Sie fonnte jedoch nicht warm und nicht falt werden; ob wohl Seipel während seiner Rede den Nationalisten aller Länder einige derbe Bahrheiten sagte und obwohl er gelegentlich sehr gute europäische Worte sand. Sich selbst stellte Seipel als unbedingter Friedensanhänger vor, der von den Katholiten regsame Arbeit für den Frieden und für ein neues Europa forderte. Seipel will aber nicht den Stab über die Bergangenheit und ihre verantwortlichen Männer brechen, meil vor 1914 die Zeit für den Frieden noch nicht reif gewesen sei. Jetzt aber sei sie es und das neue Europa müsse in Angriff genommen werden. Zum Aufbau des neuen Europas feien Kompromisse erforderlich und gegenseitiges Vertrauen. Die Bazifisten müßten Vertrauen auch zu jenen haben, die nicht in ihrem Bager stünden. Mut zur Wahrheit und Mut zur Berantwortung den eigenen Leuten gegenüber seien erforderlich und erst, wenn sich jene aus allen Ländern zusammengefunden hätten, die das Vertrauen ihrer eigenen Landsleute befäßen, könne der Frieden gesichert wer den. Es müsse der Ehrgeiz der Völker sein, alles hinwegzuräumen, was einem Aufstieg der Menschen entgegenstehe.
Das Kolonialamt veröffentlicht einen Bericht
des stellvertretenden Oberkommissars für Palästina über die Lage am Sonntagmorgen; darin heißt es: In der Alte stadt von Jerusalem herrschte zu der angegebenen Zeit Ruhe, aber in dem neuen Viertel fielen gelegentlich Schüsse und es famen Brandstiftungen vor. Zu den jüdischen Außenvierteln und Vorstädten von Jeru salem ereigneten sich noch Plünderungen und Gewalttätigkeiten. Die jüdische Gartenstadt Talpioth nahe der Eisenbahnstation ist von den Einwohnern zeitweilig geräumt worden. In Hebron griff am Sonnabend ein arabischer Pöbelhaufen das kleine Judenviertel an. Soweit bisher bekannt, wurden 45 Juden getötet, 59 schwer verwundet. Die Araber hatten 8 Zote und 10 Verwundete. 450 Juden sind zurzeit in der Polizeikaserne untergebracht. Jeht wird gemeldet, dah in der Stadt Ruhe herrscht. In Jaffa , Nablus , Satad, Gaza , Berseba und Telaviv herrscht große Aufre gung, doch kam es nicht zu Ruhestörungen.