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Nr. 399 46. Jahrgang

13 nou allende so dndisi Dienstag,

2. Beilage des Vorwärts 27. iugulf 1929

Eine sterbende Stadt.

Arbeitslosigkeit und Not in Pirmasens.  - Die Stadt schafft's nicht mehr.

Aus Pirmasens   erreicht uns folgender Notruf:

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Fern vom Zentrum der deutschen   Wirtschaft, ganz unten in der füdwestlichen Ecke. der Rheinpfalz nur zwei Stunden von der französischen   Grenze liegt die Stadt Birmasens, die sich stolz die Schuhmetropole Deutschlands   nennt. Die Schuh industrie ist nahezu die einzige Trägerin des Wirtschaftslebens der Stadt. Von ihren 45 000 Einwohnern hat jeder dritte oder vierte mit der Schuhindustrie etwas zu tun, ist von ihr abhängig. Das gleiche gilt von dem Landbezirk Pirmasens  , wo sich auch eine Reihe von fleinen Schuhfabriken befinden. Eine solche einseitige Entwic lung einer Industrie tann einer Stadt große Nachteile bringen. Bricht eine Krije aus, entsteht Erwerbslosigkeit, fo liegt die ganze Wirtschaft darnieder. Die gesamte Bevölkerung wird in Mitleiden schaft gezogen und alles droht zu einer Katastrophe zu treiben. In einer solchen Lage befindet sich gegenwärtig Stadt und Landbezirk Pirmasens. Beide leiden unter einer doppelten Not: unter der Not eines Grenzlandbezirkes und unter der allgemeinen

Krije der Schuhindustrie. htt Die Grenzlandnot ist für Birmasens vor allem eine Frage des Absages und des Transports von Schuhwaren. Durch die Grenz­ziehung des Friedensvertrages von Versailles   wurde Pirmasens  seiner Verbindungen mit Elsaß- Lothringen   und dem Saargebiet beraubt. Beide Gebiete fommen für den Absatz von Pirmasenser  Schuhwaren mur noch wenig in Betracht. Noch schwieriger ist die Frage des Transports. Pirmasens   ist nur mit einem kleinen cingleisigen Bähnlein mit dem Beltverkehr verbunden. Doch viel schwerer lastet die Krise der Schuhindustrie auf der Pirmasenser   Bevölkerung. Ein Fünftel aller deutschen  Schuhwaren kommen aus Pirmasens  . Diese werden meistens in Klein- und Teilfabriken hergestellt. Die Fabriken arbeiten mit Sredit, sind auf sofortige Zahlung angewiesen und kommen selten zu einer eigenen Kapitalbildung. Kommt dann eine Krise, so ver id; winden die Kleinbetriebe von der Bildfläche, die Stillegungen häufen sich, die Zahl der Konkurse und Vergleiche steigt. Von der

allgemein einsehenden Konjunkturmelle im Jahre 1927 wurde auch die Schuhindustrie in Birmasens ergriffen. Doch schon Ende 1927 beginnt der Abstieg. Konnte man in anderen Industrien noch von ciner Verlangsamung der Konjunktur sprechen, so begann in der Schuhindustrie nun die Krise. Im Jahre 1928 verschlechterte sich die Geschäftslage von Monat zu Monat. Waren im Januar 1928 noch 21 728 Arbeiter in 346 Betrieben beschäftigt, so waren es im Dezember 1928 nur noch 15 002 Arbeiter in 266 Betrieben. Dabei maren zwei Drittel aller Beschäftigten nur Kurzarbeiter. Ende des Jahres 1928 gab es 12 459 Erwerbslose in Pirmasens  aiso nahezu die Hälfte aller erwerbsfähigen Arbeiter waren arbeits­los. Nach amtlicher Darstellung hatte Pirmasens   im Verhältnis zu seiner Bevölkerung-

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die höchste Arbeitslosigkeit in ganz Deutschland  . In den ersten Monaten dieses Jahres hat sich die wirtschaftliche Lage in Pirmasens   nicht gebessert. In den falten Wintermonaten ftieg die Zahl der Erwerbslosen  ; zeitweise waren über 70 roz. aller Arbeiter in Pirmasens   arbeitslos. In den legten Monaten verringerte sich die Zahl der Arbeitslosen. Die Beschäftigung in den kleinen Betrieben von anderen Industrien nahm zu. Am 15. Juni wurden im Bezirk Pirmasens   20 369 2rbeiter beschäftigt. In der Schuhinduſtrie ist die Cage aber

ziemlich unverändert geblieben. Nur etwa 1500 Arbeiter wurden nun mehr beschäftigt.( Im Dezember 1928 waren 15 002 Arbeiter und am 15. Juni 1929 maren 16 752 Arbeiter in Schuhfabriken tätig.) Anfang Juli gab es immer noch über 9000 Arbeitslose im Bezirk Pirmasens  . Da kommt die neue Verordnung über die Krisenunterstützung. Durch sie werden allein im Monat Juli 2047

Arbeiter aus der Krisenfürsorge ausgeschieden.

Auf 1000 Einwohner entfallen in Pirmasens   49,8 krijen­empfänger, während im Reich die Zahl nur 3,1 beträgt. Bei der Arbeitslosenunterstützung fommen auf 1000 Einwohner in pir­ masens   39,7 Hauptunterstützungsempfänger, im Reich sind es jedoch nur 11,6,( 3ahlen von Juni und Juli.)

In den nächsten Wochen werden also noch mehr Arbeiter aus­gesteuert. Das heißt: Das Elend und die Not in Birmasens werden noch größer. Jetzt schon find ganze Familien dem Hunger nahe. Faft jede Woche nehmen sich Familienväter das Leben, meil sie ihre Familie nicht ernähren, nicht mehr länger das lang. fame Berhungern ihrer Kinder mit ansehen können. Junge Burschen unter 21 Jahre verlassen voller Verzweiflung das Elternhaus, die Stadt, wo ihnen nur noch Hunger und Entbehrung bleibt. Wie

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fann man diesen Aermsten unter den Armen helfen, wie sie vor dem Hunger retten? Das Reich hat seine Hand von ihnen ab gezogen. Von dem Staate Bayern   ist bis jegt, trotz aller Forde. rungen der Organisationen der Arbeiterschaft und der fommunalen Behörden, noch keine Hilfe gekommen. Bleibt nur die Kommune! Durch die lange Arbeitslosigkeit, die vielen Zusammenbrüche und Stillegungen von Betrieben, den wirtschaftlichen Niedergang, sind die Steuern zurückgegangen, damit auch der Anteil der Stadt an den Steuern.

Die Einnahmen der Stadt Pirmasens   sanken und die Durch neue fommunale Steuern, durch höhere Gas, Basfer. Ausgaben fliegen. bringen. Doch die Ausgaben steigen immer weiter. Vor allem ver­und Lichtpreise suchte man beide wieder ins Gleichgewicht zu schlingt das Wohlfahrtsamt große Summen, Burden im Jahre 1927 nur 483 000 m. für die Wohlfahrtsfürsorge ausgegeben, so steigert sich dies im Jahre 1928 auf 1061 000 m. Dabei betrugen die Gesamtumlagen der Stadt mur 560 000 m.; dieser Betrag reichte also bei weitem nicht für die Ausgaben des Wohl­fahrtsamtes. Im laufenden Jahr ist dies noch viel schlimmer.

Bereits in den ersten drei Monaten wurden die für das ganze Jahr vorgesehenen Mittel für die Wohlfahrtsfürsorge verausgabt. So gewaltig stiegen die Anforderungen an das Wohlfahrtsamt. Dabei können andere wichtige Aufgaben nicht mehr erfüllt werden. So wurde der Straßenbau meitgehend eingestellt, der Wohnungsbau stodt, ein Bad tann nicht beendet, eine neue Schule nicht hergestellt und viele andere soziale Aufgaben nicht in Angriff genommen werden.

Bon dieser Noilage der Stadt Pirmasens   wurden die Reichs­regierung und die bayrische Staatsregierung durch die Sozial. demokratische Partei, die Gewertschaften und

die kommunalen Behörden unterrichtet. Es wurde die Schaffung von neuen Arbeitsmöglichkeiten und, soweit dies nicht möglich, eine Sonderunterstützung gefordert. Doch bis heute wartet man hier vergebens. Wie lange noch? Sofortige Hilfe ist hier Pflicht!

Belebung in der Bankwirtschaft. Aber nicht in der Wirtschaft- Der Ausweis der Reichsbank. Die Reichsbant hat wieder für Ende Juli die Monats statistik über die deutsche Bankenentwicklung veröffentlicht. Im Juli ist eingetreten, was nach der erfolgreichen Been­digung der Pariser Berhandlungen zu erwarten war. Die seit mehr als zwei Monaten rüdgängigen fremben Mittel der Banten haben sich wieder vermehrt, nachdem die Unsicherheit über die Reparationen im Juli geschwunden war. Allerdings ist von einer wirtschaftlichen Belebung noch nicht viel zu merken. Leider fönnen auch die Kämpfe im Haag um die Berteilung der Young- Reparationen nur dazu beitragen, den angesichts der Arbeits. lofigkeit so notwendigen neuen wirtschaftlichen Aufstieg zu ver­schleppen.

Bei den berichtenden sechs Berliner   Großbanten sind die fremden Mittel( Kreditoren) gegenüber Ende Juni von 9,91 auf 9,99 Milliarden angestiegen. Bei sämtlichen 99 deutschen privaten Kreditbanken haben sich die Kreditoren von 13,18 auf 13,27 Milliarden erhöht. In der Hauptsache sind die neu zugeflossenen Gelder zur Gewährung von Krediten auf laufendem Konto und zur Erhöhung der Exportvorschüsse auf lagernde und schwimmende waren verwendet worden, während die zu Börsenzwecken ver­wendeten Gelder zurückgingen. Bei den sechs Großbanten erhöhten sich die Debitoren von 4,82 auf 4,96 Milliarden, die Warenvorschüsse find von 1,49 auf 1,50 milliarden gestiegen, während die Reports

und Lombards von 644 auf 638 Millionen zurückgingen.

auch in der driften Augustwoche die große Flüssigkeit des deutschen  Der Ausweis der Reichsbant vom 23. Auguft zeigt, daß fortgedauert hat. Diese Geldflüssigkeit ist freilich auch ein Zeichen Geldmarktes, trotz der Verschärfung der internationalen Situation, für die 11n fähigkeit der Wirtschaft, neue Kredite mit Nugen zu verwenden. Die Wechselbestände haben bei der Reichs bank um 136,9 auf 2020,4, die Bestände an Reichsschazwechseln um 18,0 auf 22,1 und die Lombarddarlehen um 42,1 auf 43,7 millionen abgenommen. Die Kundschaftsgelder auf Girofonto verringerten sich um 7,9 auf 444,8 millionen. Der Bantnoten umlauf fonnte um 138,6 auf 4153,1 Millionen finten. Auf der anderen Seite hat sich die Dedung der umlaufenden Noten weiter ver­bessert. Die Goldbestände sind um 26,8 auf 2177,0 Millionen, die Bestände an deckungsfähigen Devisen um 9,5 auf 312.2 Millionen

Protest im Humboldthain

Richtet sich gegen die vielen( leider leeren) Caid- Schachteln, die er jeden Morgen aufspießen muß.

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erhöht. Die Notendedung durch Gold murde gegenüber der Bor­woche von 50,1 auf 52,4, diejenige durch Gold und Devisen zu sammen von 57,2 auf 59,9 Proz. verbessert, das sind fast genau 50 Proz. mehr als die gefegliche Notwendigkeit.

Leipziger   Meffe- schlechter Beginn.

Die Kauffraft fehlt.

Die am Sonntag eröffnete Leipziger Herbstmesse, steht durchaus unter dem Einfluß der nicht befriedigenden Wirtschaftsentwidlung. Nach den Angaben des Meßamtes hat sich die Zahl der Aussteller gegenüber dem Vorjahre vergrößert. Auch die Beschichtung aus dem Ausland dürfte reichlicher sein. Besondere Hoffnungen hegen die Aussteller jedoch nicht. Im großen und ganzen bietet die dies­malige Herbstmesse das Bild eines ungemein mühseligen Kampfes eines zu großen Angebots um eine ungenügende das diesmal noch weniger als bei den sonstigen Herbstmessen für Rauftraft. Die Aussichten für das Inlandgeschäft werden ver. hältnismäßig günstiger beurteilt als das Geschäft mit dem Ausland, den Erfolg der Veranstaltung in Frage kommt.

Flauer Arbeitsmarkt.

Nur ganz geringe Befferung in Brandenburg  .

Die allgemeine Lage des Arbeitsmarttes im Bereiche des Landes arbeitsamtes Brandenburg   hat in der Woche zum 19. August eine weitere fleine Entlastung erfahren. Die erhöhten Zahlen der Krisenunterstüßungsempfänger feßten sich durchweg aus männlichen Personen zusammen, wie überhaupt fast ausnahmslos die männlichen Berufe ein Nachlassen des Beschäftigungs­grades aufzuweisen hatten. Aus der Landwirtschaft tamen infolge teilweiser Beendigung der Halmfruchternte Arbeitskräfte bereits darf an Kräften in größerem Umfange noch nicht angemeldet. Für wieder zur Entlassung; für die bevorstehende Hadfruchternte war Be­Bauflempner wird, da der Streif inzwischen beendet ist, in den nädysten Wochen mit einer Belebung des Beschäftigungsgrades ge­rechnet. Die Lage im Spinnstoffgewerbe blieb auch in der Berichts­woche uneinheitlich. Die Nachfrage im Baugewerbe hielt sich auf der Höhe der Vorwoche.

fuchen den um 607 auf 216 804, d. h. um 0,28 Pro 3., gegenüber In der Berichtswoche stieg die Zahl der Arbeit einer Zunahme von 939 gleich 0,44 Pro3. in der Vorwoche. Die Zahl der Hauptunterstüßungsempfänger in der ver­ficherungsmäßigen Arbeitslosenunterstützung betrug 108 728, in der Krisenunterstügung 21 170, 3 usammen 129 898 Personen.

Laßt den Pfropfen knallen! Am Sonntag murde der erste Kon greß des Deutschen Weinbauverbandes unter Teil­nahme des Reichs ernährungsministers Dietrich, sowie von Reichs- und Staatsbehörden eröffnet. Von den Referen­ten wurde die Niederschlagung der Winzertredite und baldige Verabschiedung eines Beingesetzes gefordert, das den Verschnitt deutschen   Weines mit ausländischen Sorten verbieten foll. Minister Dietrich führte in seiner Ansprache aus, daß der Weinbay. zu den intensivsten Kulturen der deutschen   Landwirtschaft gehöre und die Erhaltung der Kleinbauern für das gesamte Wirtschaftsieben von entscheidender Bedeutung set. So übersteige der Wert des Obst, Gemüse, Wein- und Labafbaues heute bereits die Erträge des Getreidebaues in Deutschland   und allein der Weinbau ernähre eine Million Menschen. Der deutsche Wein jei qualitativ etwas ganz anderes als die importierten Weine und man müsse die Kon zu trinten.. Bravo  , Herr Minister! Aber geben Sie den sumenten daran gewöhnen, nur einen naturreinen Wein Konsumenten auch das Geld dazu, sich naturreinen Wein leisten zu können!

Industriereparationen für 1929 bezahlt. Die am 25. Auguſt fällige zweite Halbjahrsraie der deutschen Industries belastung für das 5. Reparationsjahr von 150 Millionen Mart ist von der Bank für deutsche Industrieobligationen dem General­agenten für Reparationszahlungen überwiesen worden. Wenn es ginge, der auch im Young- Plan zum Ausdrud gekommen ist, dann nach dem Willen der deutschen   Unternehmer allein gung der Industriebelastung wird noch hart gefämpft werden die leẞte sein. Aber um die innerpolitische Beseiti. würde diese Teilzahlung aus der Reparationsbelastung der Industrie müssen.

Karstadt A.-G. hat jetzt mit dem führenden fanadischen Waren­Karstadt baut fein internationales Geschäft aus. Die Rudolph hauskonzern, der Metropolitan Chain Stores Comp. einen Vertrag abgeschlossen, der die Uebertragung des gesamten europäischen   Einkaufs der Metropolitan an Karstadt   por­sieht. Da der fanadische Konzern mehr als 100 Einheitspreis art erzielte, bringt dieses Abkommen für Karstadt   eine ganz be­geschäfte betreibt und 1928 einen Umsag von etwa 450 Millionen deutende Geschäftsausdehnung mit sich. Dieser internationale Ein­faufsvertrag der Karstadt A.-G. ist bereits der vierte seiner Art, denn ähnliche Abkommen hat Karstadt   bereits mit, franzö fischen, belgischen und schweizerischen Warenhäusern getroffen.

CAI

CAID

PAPIER