Tragödie des Alkohols. Oer Tod des Arbeiters Noack. Der geheimnisvolle Tod des SOsährigen Georg Iloack, der gestern abend, wie wir berichteten, am Aenster- kreuz in seiner Wohnung, waßmannstratze ZZ. erhängt auf- gefunden wurde, beschäftigt seht in erhöhtem Zilahe die Berliner Mordkommission. Es besteht noch wie vor der dringende verdacht, daß Noack eines gewaltsamen Todes gestorben ist. Der verschwundene Hausfreund, der ZZjährige Alex Z y l i n s k i, wurde bis in die spät« Nacht hinein von der Kriminalpolizei gesucht. Gegen IVh' Uhr wurde Z. in einem Lokal am Strausberger Platz völlig betrunken angetroffen. Er ließ sich ohne Widerstand festnehmen und wurde nach dem Präsidium gebracht. Bei seiner Vernehmung gab er an, aus Posen zu stammen. Er habe Medizin studiert und wollte seine Apotheterprüsung ablegen. Während des Krieges, der seinem Studium ein Ende setzte, war er Reserveoffizier. Er geriet bald auf die schiefe Bahn, und seine Familie sagte sich von ihm los. Vor etwa sechs Jahren führte ihn der Alkohol mit Frau Jtoad zusammen, und aus einer flüchtigen Bekanntschast entwickelte sich bald ein engeres Verhältnis. Zylinski war zuletzt in einem Theaterbureau im Westen beschäftigt, wo er durch Kartenaustragen 40 M. wöchentlich verdiente. Noack hatte Arbeit in einer Papierfabrik, und sein Lohn betrug gleichfalls etwa 40 M. Beide gaben davon SO M. für di« Wirtschaft ab. Der größte Teil des Geldes wurde jedoch in Alkohol umgesetzt. Der Freundschaft, die sich zwischen Zylinski und Frau Noack entwickelte, sah Noack untätig za. Dos Paar nahm das einzige Bett in der unsauberen ungepflegten Stube in Anspruch, für den Ehemann wurde aus Lumpen unter dem Fenster ein notdürftiges Lager zurechtgemacht, auf dem er seit Iahren schlief. Am letzten Sonntag war das Trio zusaminen ausgegangen, suchte eine ganze Reihe von Lokalen auf und kam erst morgens um 0 Uhr stark betrunken nach jfKmse. Noack, der bald hätte zur Arbeitsstelle aufbrechen müssen, weigerte sich, zu gehen.» Es kam zu einem heftigen Streit zwischen ihm und der Frau, in dessen Verlauf er ein« Lampe nach ihr warf. Zylinski schlichtete den Streit, und um 6 Uhr verließen alle wieder das Haus,»m das Trinken fortzusetzen. Erst gegen 12 Uhr mittags kamen sie zurück. Die Frau legte sich nun ins Bett, Noack bezog sei» jämmerliches Lager, und Zylinski setzt« sich mit einem Buch an den Tisch. Er bleibt nach wie vor bei seiner Behauptung, daß er von dem Selbstmord de» Noack nichts gemerkt habe. Als der Tote aufgefunden worden war, ging Zylinski fort, um, wie er der Frau gesagt hatte, Geld zu besorgen. Von dem Arbeit- geber in Eharlottenburg erhielt er30M. Unterwegs kehrt« er wieder in Lokalen ein und hatte, als man ihn spät nachts aufgriff, schon wieder einen Teil des Geldes für Schnaps und Bier ausgegeben. Im Hause hielten ihn die Leute alle für den Bruder der Frau, von dem eigentlichen Ver- haltnis wußte niemand. Der alte Noack, der verwachsen war, hatte sich, wie die Besichtigung ergab, mit einem Bindfaden erhängt. Dieser war an einem Bettpfosten befestigt und diente zusammen mit einer angebundenen Zeitung der Katze als Spielzeug. Noack hotte den Bindfaden gelöst und sich damit aufgeknüpft. Sein Kopf war nur wenig vom Fußboden entfernts Die Leiche des Noack wird wahrscheinlich im Laufe des Nach- nnttags von Prof. Dr. Strauch obduziert werden. Am Halse des Toten wurden Nämlich Strangulationsmale festgestellt, die eine genaue g-richtsärztliche Untersuchung not- wendig erscheinen lassen.
Tod der Alten. Sie schieden gemeinsam aus dem Leben. Erst gestern mußten wir von dem Freitod eines b e- tagten Ehepaares berichten. Eine ähnliche er. s ch ü t t e r n d e Tragödie hat sich in der vergangenen Nacht in der Sächsischen Straße 44 in Witmers- d 0 r s abgespielt. Heute früh lief auf dem Polizeirevier in der Wilhelinsaue ein Brief ein, in dem der 71jährige Kaufmann Heinrich Schneider aus der Sächsischen Straße mitteilt«, daß er mit seiner um sieben Jahre jüngeren Frau Fernande im gegenseitige» Einoerständ- ni» aus dem Leben scheiden werde. Sein Vermögen habe er in der Inflation restlos eingebüßl, und alle Möglichkeiten, sich eine neue Existenz zu schaffen, seien sehlgeschlagen. Wie aus dem weiteren Inhalt des Briefes hervorging, hat sich das greise Ehepaar schon längere Zeit mit Selbstmordgedanken getragen.— Kriminalbeamte des Reviers eilten sofort nach der Sächsischen Straße. Wie im Briefe noch angedeutet war, lag der Wohnungsschlüssel unter der Fußmatte. An der Tür fanden die Beamten einen Zettel an- geheftet mll den Worten:„Vorsicht! Gasgesahr! Kein Licht machen! Schnell Haupthahn zudrehen!" In der Küche wurden die alten Leute dann tot ausgefunden, sie hatten ihre im Brief angekündigte Absicht wahr gemacht. Bezeichnend für die Denkungsart des alten Ehepaares ist, daß sie, obwohl sie selbst mit dem Leben abgeschlosien hatten, noch an di« übrigen Hausbewohner dachten und nicht versäumten, ihnen eine Warnung wegen der Gasgefahr zu geben. 4- Zu der Tragödie erfahren wir kvrz vor Redaktionsschluß, daß es der Feuerwehr nach stundenlangen Bemühungen ge- lungen ist. Frau Schneider in» Leben zurückzu- rufen. Sie fand im wilmersdorfer krankenhau» Aufnahme.
Russisches Flugzeug ins Meer gestürzt. Sowno, 27. August. Das auf der Strecke Moskau — Baku verkehrende Passagier- f lug zeug ist bei Sotschi in» Meer gestürzt, wobei drei Per. sonen. darunter der Kommandeur der kaukasischen Roten Armee. Fabriciuv, tödlich verunglückten. Der Flugzeugsührer und die übrigen Mitreisenden konnten gerettet werden.
vMv voller Iaht vertan hat die Völkerbundkommission zur Aus- ■ r eines Kontrollsystems für Waffenherftellung. Belgien hotte "!! mg einer neuen Kriegsmaterialliste gefordert, jetzt hat die rmmijsion sie nach Jahresfrist zur Kenntnis genommen und es lt— die alle Liste!
Ueber den Kampf um die Arbeitslosenversicherung sprach gestern abend im Gewerkschaftshaus vor den Funktionären der Baugewerk- schaft Berlin des Deutschen Baugewerksbundes der Ver- treter des Bundesvorstandes des ADGB. , Spliedt. Er ver- breitete sich zunächst über die Borgefchtchte dieses Kampfes, die Ur- fachen der Finanzkalamität der Reichsanstalt und über die Beschlüsse des Sachverständigenausschusses, die auf der Annahme von 1,1 Will. tnirchschnittlicher Arbeitsloser beruhen. Bei der Besprechung der Abbauoorschläge wandte sich Spliedt besonders denen zu, die sich auf die Saisonarbeiter beziehen und die die Versammelten begreiflicherweise am meisten interessier- ten. Sehr beachtlich ist zum Beispiel der Vorschlag in dem ver- langt wird, daß die Unterstützung für die Arbeiter, deren Wohnort «in anderer ist, als der Arbeitsort, entsprechend der Lohnhöhe ihres Berufes am Wohnort— auch wenn es eine Dorfgemeinde ist— gewährt werden soll. Gegen diesen Plan, der aus einer völligen Verkennung der Verhältnisse in den Saisonberufen entstanden ist, werden sich die Gewerkschaften und die Partei energisch zur Wehr setzen. Ein ganz besonders wichtiges Kapitel in dem Kampf um die Arbeitslosenversicherung ist die beabsichtigte Neuregelung der Saisonarbelkerunterstühung. Alle diese Vorschläge basieren auf der völligen Ver- k e n n u n g der augenblicklichen und zukünftige» Verhältnisse aus dem Arbeitsmarkt. Es ist dabei nicht berücksichtigt worden die tatsächliche Zahl der durchschnittlichen Arbeitelosen, ferner die bald in Erscheinung tretende Auswirkung des Geburtenrllck- ganges während des Krieges unk» auch nicht die dringend notwendige Arbeitszeitverkürzung. Fest steht jedenfalls, daß, u m Schlimmeres zu verhüten, eine Sonderregelung für die Saisonarbeiter gefunden werden muß. Die dem Reichstag vorliegenden Anträge können von den Ge- werkschaften und der Partei nicht gebilligt werden. Die Gewerk- schaftsvertreter find jedoch bereit, einer Regelung zuzustimmen, wo- nach für die Unter st ützung der Saisonarbeiter während der Zeit der berufs üblichen Arbeitslosigkeit all- gemein die Sätze der K vi s e n f ü r s 0 r g e maßgebend sein sollen, jedoch unter Fortfall der Bedürftigkeitsprüfung.
..G r a f Z e p p e l i n" ist heute vormittag um st Uhr 16 Minuten mitteleuropäische Zeit vom Flug- Platz in Los Angeles nach Lakehurst- dem Endziel der vierten und letzten Etappe der Weltreise, gestartet. Oer Start. N e w Z 0 r k, 27. August. Trotz der mitternächtlichen Stunde— 9 Uhr vormittags mitteleuropäischer Zeit ist in Los Angele » 12 Uhr Miller- nacht— hatte sich zum S t a r l des„Graf Zeppelin" eine schier u n- übersehbare Menschenmenge eingesunden. Alle Zufahrtslraßen waren mit Automobilen, Kraftsahrrädern und sonstigen Fahrzeugen verstopft. Eine Zeitlang sah es so aus, als sollte sich der Start noch längere Zeit ver- zögern, um so mehr, al» au» Tursoa im Staate Arizona Gewitter stürme gemeldet wurden. Kurz nach Mitternacht Ortszelt wurde dann das Luftschiff zur Mitte de» Flugfeldes ge- gezogen und die Spitze nach Osten, der Ziel- ri ch t u n g. gedreht. Nur mit Mühe konnten die Wachmannschaften die immer wieder herandrän- genden Zuschauermengen zurückhalten. Als sich dann gegen 12,1ö Uhr Ortszeil das Lustschiss langsam erhob, kannte die Begeisterung der Menge keine Grenzen. Nach dem Aufstieg. Los Angeles . 27. August. Der Zeppelin verschwand sehr bald im Dunkel des östlichen Horizonts. Die Verspätung bei der Abfahrt erklärt sich daraus, daß die Post und die Passagiere erst mit beträchtlicher Ver. spätung den Flugplatz erreiche« tonnten, da die Landstraßen kilometerweir von den Automobilen derer v e r st 0 p f t waren, die den Abslug miterleben wollten. Für die Nachfüllung des Luftschiffs mit Be- triebsstoff sind von einem Chemiekonzern West- virginiens 1000 Kubikfuß einer Mischung van Natur- und Kunstgas gestiftet worden. Die Flugroute. Los Angeles , 27. August. Die wetlerverhällnisse haben anscheinend Aenderuugen der beabsichtigten Flugroute des „Zeppelin" aus dem Wege nach E l P a s 0 ratsam erscheinen lassen. Es wird jetzt geplant, über den San-Gorgoni-Paß nach Imperial Valley zu steuern.! dann über Puma in Arizona entlang der an Mexiko stoßenden Grenze Arizonas durch Neu- Mexiko El Paso zu erreichen, wo. gutes Wetter vorausgesetzt, das Luslschlss neun Stunden nach dem Abflug von Los Angeles eintreffen soll. Die Passazierlisie umsagt 17 Personen, da die drei Japane-, die von kasumigaura mitgefahren sind, das Schiff vtrl~!'-n Statt ihrer wird Leutnant Settle an Bord kommen. pressestimmen. Paris , 27. August. Zum ,Zeppelin"-Flug Iezxzn— Amerika schreibt„M a t i n", der als einziges französisches Blatt einen eigenen Koliespandenten an Bord hat:„Auch die zweite Etappe des Fluges um die Welt ist so wie die erste prachtvoll zurückgelegt worden." Das Lmtsblatt
Das bedeutet zwar für die Arbeiter der drei höchsten Unter- stützungskasien eine Kürzung der Unterstützung, ist ober gegenüber den unannehmbaren Vorschlägen der Regierungsoorläge Sine ge- rechtere Regelung. Daß dieser Vorschlag den Bauarbeitern nicht genehm ist, ist menschlich durchaus begreiflich. Aber so wie die Ver- Hältnisse zurzeit liegen, sehen die Gewerkschaften keinen ande- ren Weg. um die weitergehenden verschlechlerungsanträge zu Fall zu bringen. die jetzt dem Sozialen Aussehuß des Reichstages vorliegen und die in kurzer Zeit den Reichstag beschüstigen werden. Die Gewerkschaften und die Partei sind bereit, den durch die klimatischen Der- hältniffe Deutschlands und die starke Wanderbewegnng bedingten Verhältnissen in den Saisongewerben Rechnung zu tragen und einer erträglichen Sonderregelung für die Saisonarbeiter zuzustimmen. Solchen Verschlechterungsanträgen aber, wie sie jetzt zur Debatte stehen, werden die Gewerkschaften und die Partei auf keinen Fall ihre Zustimmung gebe'!, möge kommen, was da wolle. Die Ge- werkschaften und die Partei sind bereit, offensichtliche Mißstände in der Arbeitslosenversicherung beseitigen zu helfen. Einem allgemeinen Abbau der Arbeitslosenversicherung werden sie aber den schärfsten Widerstand entgegensetzen. .Die Debatte, in der sich einige kommunistische Redner völlig deplazierte Angriffe gegen die Sozialdemokratie und die Gewerk- schoftsführer erlaubten, ließ klar erkennen, daß die Berliner Bauarbeiter in ihrer Mehrheit auch gegen die Vor» schlage sind, die Spliedt der Versammlung unterbreitete. Spliedt betonte in seinem Schlußwort, daß die verantwort- lichen Gewerkschaftsführer grundsätzlich der gleichen Auffassung sind, daß sie sich aber nach reislieher Erwägung zu dem Vorschlag ent- schlössen hätten, um größere Gefahren abzuwehren. Die Versammlung, die infolge dek planmäßigen Störungsversuche einiger Kommunisten sehr unruhig verlief, stimmte nach länge- rer Aussprache mit großer Mehrheit der Entschlie«- ß u n g zu, die der Bundesvorstand des ADGB. in seiner Tagung am 30. und ZI. Juli gefaßt hat, in der die Borschläge des Sachverständigenausschusses als unannehmbar bezeichnet werden.
„O e u 0 r e" steht diesen neuen Flug als nicht weiter erstaunlich an, da beim„Zeppelin" jede Tat normal erschein«.„Peuple " sagt: „Man weiß nicht, was man mehr bewundern soll bei dieser wundervollen Tat. di« Unerschrockenheit und Kaltblütigkeit der Lust- schifser oder den technischen Wert des Luftschifses. das den wieder- holten Angrisfen der Element« standgehalten hat. Was di« Fahrt noch erstaunlicher erscheinen läßt, ist die Sicherheit, mit der sie durchgeführt wurde. Die Fahrt wird«Ine der aussehen- erregendsten Beweise für das sein, was menschlich« Energie ver- wirklichen kann."„Amie du Peuple" spricht davon, daß Dr. Eckener eine neue, sehr hervorragend« Tat vollbrachte. London , 27. August. „Morning Post" sagt in einem Leitartikel:„Jules Verne ist in den Schatten gestellt worden. In der verhältnismäßig kurzen,
i aber ereignisreichen Geschichte der Luftfahrt ist durch den Flug de» „Gros Zeppelin" ein« neue hervorragend« Leistung zu verzeichnen." Ein Zwischenfall. Los Angeles , 27. August. Beim Slarl des„Graf Zeppelin" kam es zu einem Zwischenfall, da die Schwanzflosse kurz nach dem Aussteigen eine elektrische hochspannungslellung streisle. Als man im Luslschifs bemerkte, daß der Aufstieg sich nicht rasch genug voll- zog. wurde eine ziemliche Menge Proviant In Gestalt von vollen Konservenbüchsen, Tee und Gemüsen über Bord geworfen. Die Radio Eorporolion 0 f America hat eine' droht- lose M i l k e I l u n g de? Luflschisses oufaesangcn. wonach die Be- schädigüngca, die das Hängenbleiben an der Lellung verursachte. nur unbedeutend sind, und nicht die Absicht besteht, die Fahrt deshalb zu unterbrechen.
Auf der Fahrt nach Lakehurst. „Graf Zeppelin" startete heute morgen.