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Morgenausgabe

Nr. 407

A 205

46.Jahrgang

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Vorwürts

Berliner Bolksblatt

Sonnabend

31. August 1929

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

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Die Vorteile des Young- Plans. Bom Haag nach Genf .

Snowden erhofft Wirtschaftsbefferung für Deutschland .

2oudon, 30. August.( Eigenbericht.) Schatzkanzler Snowden betont in einem Interview mit dem Berichterstatter des Daily Serald", daß die Annahme des Young- Planes eine Reihe bitterer Nach. wirkungen des Krieges beseitigen werde. Der Plan biete Deutschland und seinen Gläubigern gleicherweise be Einer der größten Vorteile für Deutschland sei der Wegfall jeglicher aus. ländischen Kontrolle der deutschen Finanzen und der deutschen Wirtschaft; man fönne berechtigte Foffnung auf eine Besserung der wirtschaftlichen Konjunktur in Deutschland setzen.

deutende Vorteile.

Henderson beruhigt Frankreich .

V. Sch. Saag. 30. August.( Eigenbericht.) Außenminister Henderson gab vor seiner Abreise nach Genf eine Erklärung ab, in der er den Behauptun gen scharf entgegentritt, wonach die englisch - französischen Beziehungen fünftig weniger vertrauensvoll und herzlich sein würden als zuvor. Die Erklärung sagt:

Man dürfe aus der Tatsache, daß man im Haag sehr offen gesprochen habe, nicht schließen, daß die Beziehungen zwischen den Regierungen beiber Länder fühler geworden seien. Er finne in feinem eigenen und im Namen aller seiner Kollegen von der Arbeiteregierung ohne Ausnahme erklären, daß sie den Wunsch haben, ihre Politif auf die

engfte internationale Zusammenarbeit mit den anderen Regierungen der Welt

zu gründen. Dies sei aber nur möglich und erfolgversprechend, wenn die allgemeinen Beziehungen zwischen den Regierungen auf Offen heit, Bertrauen und Herzlichkeit beruhten. Solche Beziehungen heit, Bertrauen und Herzlichkeit beruhten. Solche Beziehungen

wünsche England mit je der Nation zu unterhalten, aber vor allem mit seinem nächsten Nachbarn Frankreich , dessen Verdienste um die westliche Zivilisation die Engländer gebührend anerkennen. Eng­land vergeffe nicht, daß es durch Frankreich mit dem Kontinent ver­bunden sei und daß beide Länder in der ganzen Welt gemein same Interessen haben. Henderson zollt dann

der Arbeit Briands hohe Anerkennung. Wenn Europa die Krisis der Nachkriegszeit überwinde, so sei das nicht zulegt ein Berdienst Briands. Er, Henderson, betrachte das Wert vom Haag, besonders die gemeinsam beschlossene Rhein­landräumung, nur als den Beginn der Zusammenarbeit mit Frankreich und hoffe, daß diese Zusammenarbeit in Genf fort gesetzt werde. Ich hoffe auch, so fügte er hinzu, daß wir gemeinsam mit den französischen Kollegen ebenso wie mit den Bertretern aller mit uns befreundeten Staaten zusammenwirken werden, um die all­seitige Annahme der obligatorischen Schieds gerichtsbarkeit zu sichern sowie des allgemeinen Ab. rüftungsvertrages den abzuschließen wir uns verpflichtet haben, endlich, um aus dem Bölkerbund die le bendige Macht zu machen, die er sein sollte. Nur so werden wir die Nationen von den erdrückenden Lasten, unter denen sie seufzen, und von den Gefahren, unter denen sie leben, befreien tönnen."

Briands Erfolg.

Paris , 30. Auguft.( Eigenbericht.) Das glückliche Ende der Haager Konferenz wird auch in Frankreich mit einem Aufatmen der Erleichterung begrüßt.

Die Kritik der Rechtspresse an Briands Konzessionen kann nich: barüber hinwegtäuschen, daß selbst Reaktionäre hellfroh über das Zustandekommen des Young- Planes find. Die Opfer, die Frankreich durch die Annahme der englischen Forderungen bringt, belaufen sich auf noch nicht zwei Prozent dessen, was es von Deutschland zu erwarten hat und so groß auch hier noch immer die Berärgerung über den persönlichen Erfolg Snowdens und mit ihm ber englischen Arbeiterregierung ist, so gibt es doch nicht ein Blatt, bas Briand darüber ernsthafte Vorwürfe zu machen wagte. Die Rechtspreffe bezeidynet

Briands Zufag: der vorzeitigen Räumung als die unfeligste Frucht der verhängnisvollen Polifit von Locarno . und prophezeit für den Augenblick, da die letzten französischen Sol. daten das Rheinland verlassen haben, die schlimmsten Folgen diefer unverantwortlichen Schwäche". Auf der Linfen herrscht restlose Genugtuung darüber, daß die endliche Bereinigung der Rheinland­frage, das Haupthindernis für eine fonsequente Fortführung der beutsch- französischen Verständigung, aus dem Wege geräumt ist. Jedenfalls wird Briand weder in der Reparations noch in der Räumungsfrage mit ernsthaftem Widerstand zu rechnen haben. In

der Kammer, die nicht vor dem Herbst zusammentreten wird, ist Briand , der sich durch die befriedigende Lösung der Rheinland frage die Stimmen der Linken wiedergenommen haben dürfte, einer Mehrheit von mindestens 400 Stimmen sicher. Nach seinen im Haag gemachten Ausführungen scheint das Parlament, das sonst seine Ferien bis in den November hinein auszudehnen pflegt, in diesem Jahre wesentlich früher zusammenberufen zu wollen, um die Ratif: fation der Haager Bereinbarungen zu beschleunigen. Er dürfte dabei ater auf einige Schwierigkeiten stoßen, da am 20. Oktober der Senat gewählt wird und bis zu diesem Termin die Mitglieder der beiden Kammern durch die Wahlkampagne in Anspruch genommen sein werden.

Macdonald besucht Briand .

Paris , 30. Auguft.( Eigenbericht.) Ministerpräsident Macdonald wird sich Sonnabend auf der Reise nach Genf in Paris aufhalten, um mit Briand über die Ergebnisse vom Haag und die Genfer Tagesordnung zu be­Keine öffentliche Schlußfizung.

raten.

Haag, 30. Auguft.

In der heutigen Nachmittagssigung des Finanzkomitees murde der Beschluß gefaßt, daß von der Abhaltung einer öffentlichen Schluß­figung der Konferenz abgesehen werden soll und vielmehr die auf morgen anberaumte Sigung des Finanzkomitees in eine nicht öffentliche Plenarsizung übergeleitet werden foll. Ihr Beginn ist für 11.30 Uhr in Aussicht genommen, er hängt jedoch davon ab, ob das Finanzkomitee dann seine Arbeit endgültig beendet haben

wird.

Das Finanzlómitee hat u. a. die Einsetzung eines besonderen Finanzausschusses für die Ueberleitung der Dames Organisation auf die Internationale Bant sowie eines Juristenausschusses für die Regelung der zahlreichen Rechts fragen beschlossen. Die Diskussion, an der sich deutscherseits die Reichsminister Dr. Curtius und Dr. Hilferding beteiligten, war sehr lebhaft. Ihr Fortgang war dadurch erschwert, daß noch ver schiedene neue Texte vorgelegt wurden, von denen eine Anzahl Delegationen bisher keine Kenntnis hatten. Da sich die Arbeiten sehr in die Länge gezogen hatten, wurde beschlossen, daß das Finanz fomitee morgen vormittags 10 Uhr wieder zusammentritt. Bis dahin soll der endgültige Text des Schlußprotokolls fertiggestellt sein. Zu seiner Herstellung trat heute abend 9.30 Uhr ein besonderer Juristenausschuß zusammen.

V. Sch. Haag, 30. Auguft.( Eigenbericht.) Am Freitagnachmittag arbeiteten die Finanzminister, ihre Sach­verständigen und die Juristen an der Fertigstellung jener Doku­mente, durch die die Annahme des Young Planes in der Schlußsigung am Sonnabend festgestellt werden soll. Es gab bei der Formulierung dieser Abmachungen noch allerhand juristische und technische Schwierigkeiten. Endlich haben die Hauptgläubiger noch Scherereien mit den Vertretern der kleinen Mächte, die sie 3% Wochen lang wie Luft behandelt und nun vor vollendete Tat­fachen gestellt haben. Sie müssen ihnen bei der interalliierten Schuldenregelung entsprechende Kompensationen für die Kürzung ihrer Einnahmen aus den deutschen Zahlungen gewähren. Die feste Vereinbarung zwischen Deutschland und Frankreich , über die Saarfrage zu verhandeln, um zu einer endgültigen Regelung möglichst bald zu gelangen, ist am Freitag in Briefen zwischen beiden Delegationen ausgetauscht worden.

Tommy zieht ab.

Condon, 30. Auguft. Wie das Kriegsamt anfündigt, wird der Abzug der Rheinarmee am 14. September b. 3. beginnen und binnen drei Monaten Dover erfolgen, der der Tiere über Antwerpen - Harwich . beendet sein. Der Rüdtransport der Truppen werde über Oftende

Die Kämpfe in Palästina.

Kairo über London , 30. Auguft.( Eigenbericht.) Durch die Intervention britischer Matrosen ist ein geplanter arabischer Ueberfall auf Gaza in letzter Minute vereitelt worden. Banden von Arabern hatten angeblich die Stadt umstellt, um von allen Seiten einzubringen und zu plündern. Als ein Panzerzug mit britischen Seeleuten eintraf, zogen sich die Araber zurück.

Etwa 20 Kilometer nördlich von Haifa in Acre ist es zu neuen Zwischenfällen gekommen, die zum Einsatz von Truppen führten. Die britischen Truppen haben überdies eine Straf. expedition in die Dörfer Surbaher und Lifta unternommen und von den Arabern geraubte Güter zurückgeholt. Zwölf Araber wurden getötet. Ein Angriff der Araber auf die jüdische Sied­Lung Safat in der Nähe Tiberius führte zur Tötung von sechs Juden. Falsch ist das Gerücht, daß der französische Konsul in Jerusalem getötet worden sei.

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I

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Weltschiedsvertrag und Pan- Europa .

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Das

Geschichtliche Situationen fehren ähnlich wieder. gilt von der Innen- mie von der Außenpolitik. Vor fünf Jahren führten in Deutschland die Nationalisten die gleichen Argumente gegen den Dames- Plan ins Feld, die sie heute gegen den Young- Plan gebrauchen. Damals siegte die ge­funde Vernunft der Volksmehrheit; es ist auch diesmal gewiß, daß sich gegen Deutschnationale und Kommunisten eine Mehrheit für Räumung und für Kürzung der Repara­tionen einsehen wird. Für die europäische Politik gilt das gleiche. Als vor fünf Jahren die Dawes- Konferenz in London abgeschlossen und die Teilnehmer damals noch ohne Deutsch­ land nach Genf gefahren waren, führte ihre Initiative zu der Abfassung jenes noch berühmten ,, Genfer Protokolls", das dann für Jahre hinaus im Mittelpunkt der Friedens diskussion stand und noch heute mitwirkt. Auch diesmal fahren die Führer der Reparationsländer wieder nach Genf : Briand ist schon unterwegs, Macdonald fährt morgen, Mitglieder der deutschen Delegation sind zum Teil schon auf dem Wege. Nachdem die Haager Reparationskonferenz außerhalb des Bölferbundes die Nachkriegsprobleme wieder zum Teil gelöst hat, ist es wahrscheinlich, daß die zehnte, am Montag be­ginnende Vollversammlung des Bölkerbundes den Bau des Weltfriedens wieder ein Stockwerk höher treiben wird. Briand hat bereits angekündigt, er werde in der Richtung der Bereinigten Staaten von Europa vorstoßen; von Macdonald und Henderson steht zu erwarten, daß sie sich für die Senkung der Zollschranken und für die General­afte aussprechen werden.

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someit dies die Um­

Die Generalatte stellen einen Weltschiedspertrag dar, wie er in dürftigen Anfängen gerade jezt vor dreißig Jahren, auf der 1. Haager Friedenskonferenz zum erstenmal zwischen den Regierungen vereinbart wurde. Damals, 1899, als die großen Militärmonarchien die Einschränkung ihres Recht es auf den Krieg sabotierten und die Arbeiter­Klasse noch nirgends außenpolitische Macht hatte, beschränkte sich das Haager Abkommen zur friedlichen Erledigung inter­nationaler Streitigkeiten" auf platonische Wünsche in der Form, daß es bei Streitfällen stände gestatten" die Vermittlung einer befreun deten Macht oder bei Rechtsstreitigkeiten soweit dies die Umstände gestalteten" ein Schiedsgericht einsetzen wollte, so daß 1914 die Serie der Kriegserklärungen zwar das Gewissen der Menschheit, aber feineswegs das Bölkerrecht ver­gewaltigte. Seit dem Sturz der Militärmächte und mit dem politischen Aufstieg der friedlich schaffenden Massen ist das freilich in mancher Hinsicht anders geworden. Seit zehn mancherles Blöterbundes vor, daß vor Aus­Jahren sieht die Sagung bruch eines Krieges unter allen Umständen der Ver­such einer Einigung gemacht werden muß; wer sich darauf nicht einläkt, würde flares Recht verlegen und sich als An­greifer selbst infamieren. Seit dem Kriegsverzichtvertrag. der vor fünf Wochen endgültig in Kraft trat, ist auch diese Lücke geschlossen. Aber wenn auch der Appell an die Waffen unter dem Völkerrecht der neuen Zeit einen Rechtsbruch darstellen würde und Konflikte nicht mehr auf diese barbarische Art beendet merden sollen: noch mögen Konflikte meiter­schwelen und die Beziehungen der Völker vergiften; noch ist feine Vorsorge dafür getroffen, daß Konflikte durch einen Schiedsspruch unter allen Umständen aus der Welt geschafft und erledigt werden.

Es war das Verdienst des Genfer Protokolls von 1924, daß es diesen Rechtsgedanken, der übrigens schon im Erfurter Programm von 1891 enthalten ist, zum erstenmal in der Form eines internationalen Vertragsentwurfes verdeutlichte. Seine Grundlinien sind nicht wieder aus dem öffentlichen Bemußtsein verschwunden gescheitert ist es nur deshalb, weil mit ihm Sanktionen verknüpft maren, die einen Welt­frieg zur Berhinderung eines Kleinfrieges hatten entfesseln fönnen. Die ,, Generalatte" von 1928 stellt die Erneue= rung des Genfer Prototolls, aber ohne die Sanktionen dar. Sie trägt diesen Namen ,, Generalatte", weil sie entstanden ist aus mehreren Spezialverträgen, die in dem Sicherheitsausschuß der Vorbereitenden Abrüstungs­tommission ausgearbeitet waren. Sie zerfällt in vier Kapitel: Rapitel 1 sieht für Streitigkeiten jeder Art ein Vergleichs­verfahren vor. Im Kapitel 2 wird bestimmt, daß für Rechts­streitigkeiten ein Schiedsgericht oder der Weltgerichtshof zuständig sein soll. Das dritte Kapitel unterwirft politische Streitigkeiten nach Scheitern eines Vergleichsverfahrens einem Schiedsgericht aus fünf Personen als lekter Instanz. Dieses Verfahren, würde dann auch auf han­dels politische Streitigkeiten anzuwenden sein.

So weit, so gut; aber wie so oft bei den Genfer Vertragsentwürfen werden auch hier die besten Grundsätze durch Vorbehalte entwertet. So fönnen die Staats­männer in Genf zwar ein Lippenbekenntnis zur Schieds= pflicht ablegen, im gleichen Augenblick aber, wo sie es aussprechen, fönnen- im Rahmen von Kapitel 4- ihre Füllfederhalter gerade die Streitigkeiten von der Schieds­pflicht ausnehmen, für die sie besondere Bedeutung hätte: