Sonnabend 31. August 1929
Unterhaltung unö �Bisten
Beilage des Vorwärts
Sdgar Wähnewald: SlSiji IVl
Während der Schnellzug vom Fichtelgebirge herunterrollt, ent- rollt sich die andere, die bayerische Landjchost Aus der schwarzen Nacht quillt ein Morgen, grau und naß. Hinter den schrägen Strichen des Regens kreisen Berg« und Hoch- flächen. Wiesen mit weißflockigem Wollgras, Teiche mit Binsen- ufern, Wälder, über denen der Himmel wckcr wird. Der Zug rollt aus naßblanken Schienen, und als ob es die notwendige Folge der Fahrt wäre, vollzieht sich die Verwandlung von Wetter und Land- schaft. Die Berg« versinken rückwärts hinter dem steigenden Horizont. Die Sonne dringt durch zerfließende Wolken. Der grau- beschlagene Wald wird grün, von Goldlichtern durchsprengt. Die Fahrt geht in gleichmäßiges Rollen über. Die Verwandlung der Landschaft hat sich vollzogen. Wir sind in Bayern . Ein geräumiges Tal öffnet sich. Ein Fluß glänzt auf: die Raab . Die Räder schlagen den Takt zu einem alten Schuloers: Alt- mühl, Raab und Regen fliehen der Donau entgegen; Jller, Lech , Isar . Inn fließen nach der Donau hin. Die Donau — der Name klingt hell und offen wie ein Ruf der Wändertage, die vor uns liegen. Wir werden erst nach langer Wa»> derung an der Donau stehen, aber diese Naablandschaft ist schon ihr Gebiet. Die kleinen spitzen Silberwellen des jungen Flusses eilen zu ihr hin. Der Zug gleitet schneller als der blanke Fluß, dessen Wellen In kleinen Sprüngen mit dem Zuge um die Wette zu eilen scheinen. Bon Zeit zu Zeit ergießt sich der Fluß über ein glattes Wehr. Der schäumende Gischt hält ihn auf. Es dauert eine Weile, bis sich die Wellen wieder aufraffen und weiterspringen. Bon Zeit zu Zeit verschwindet der Fluß im Bogen hinter Gras und Gebüsch. Dann kommt er hinter einer Mühle oder im Gewirr eines Dorfes wieder zum Vorschein und zerrt vor lauter Eiser die Angelschnur eines frühzeitigen Anglers auf altsilberner Holzbrücke ganz schräg. Weih schäumend schießt er auf die Schienenstrecke zu, jede Well« erfüllt von Eifer und Zuversicht, den Wettlaus doch noch zu gewinnen. Und wenn der Zug einmal hält, springt der Fluß hurtig davon. In der weiten Aue, manchmal bis an die roten Dächer in Grünes gebettet, liegen Dörfer mit weiße» Zwiebelturmkirchen vor flachen blauen Bergen. In der Morgensonne glänzt die Landschaft hell und durchsichtig. Im Gange des Zuges, über die schwankenden Plattformen zwischen den Wagen balanzieren die übernächtigen Fahrgäste kleine Tabletts mit Kaffee, den der bayerische Wärter in der Kochnische des Schlafwagens bereitet. Schwandorf— Lichtwark schildert« entzückt das bayerische Städt» chen. Wir haben gerade Zeit, in den gegenüberstehenden Zug ein- zusteigen. Dann rollen beide Züge gleichzeitig weiter, der Schnellzug nach Regensburg und München , der unferige nach Cham und Furth im Wald . Die Strecke durchschneidet das Bodenwöhver Becken, eine sandige Kiestrrtheide mit eingelassenen Teichspiegeln. Dann öffnet sich dos grün« Talbecken von Eham. Durch breit« Diesen- auen fließt der Regen, nicht der vom Himmel, sondern der Fluß des Derses: Altmühl . Raab und Regen... In Cham bleibt eine knappe Stunde Zeit für«inen Spaziergang in die Stadt. Am Schalter, an dem wir die Karten für die Weiter» fahrt nach Kötzting lösen müssen, erleben wir eine kleine bayerische Szene. Ein steinaltes Mütterlein und ein Wäldler stehen am Schalter. In einer Minute soll der Zug nach Furth abgehen. Aber der blaue Schalterbeamte erledigt seelenruhig seine Hantierung. Die Ungeduld der beiden beschwichtigt er gelassen und tröstend: Glei' hamm'r's.* Und noch einmal, unerschütterlich und voller Zuversicht:„Glei' hamm'r'sl* Dann erst wendet er sich dem Schalter zu mit dem sanften Vorwurf:„Raa, wos is? Erfcht war loa Mensch da, und jetzt pressierts!* Das war kein Scherz. Der Mann hinterm Schalter drückte nur fein Erstaunen aus über soviel unnütze Be- schwer, und der Wäldler und das Mütterchen nahmen die Fahr. karten und den Ausspruch hin, beide sichllich benommen von der widernatürlichen Eile, zu der sie der Fahrplan zwang. Aber der Zug stand noch da, die Lokomotive schnaufte in oller Gemütsruhe, während der Zeiger der Stationsuhr gelassen noch eine und noch eine Minute zu der schon vorhandenen Verspätung hinzuzählte. In das holprige Städtchen guckt man nur eben mal hinein. Es ist zwischen zwei Zügen ein beschaulicher Blick ins Bayerische. Hinter einer schweren Tür öffnet sich das Innere der Kirch« St. Jakob wie ein Barocktheater in Weiß und Gold und Malerei. Weiße Stukkatur, Altäre in Gold, die Kanzel in Gold, dunkelrote, grüne, blau«, brennend rote, weiße, karminrote Kirchenfahnen über braunem Schnitzgestühl. Halbwelk« Birken rascheln im Chor über rotem Samt. Em herber Duft nach Birken und Weihrauch schwebt im Schiff, ein Duft wie nach einem Fest: der Rutengeruch läßt aber auch an brennende Geißelungen denken. In den engen Gassen um die steilwandige Kirche, um den Markt hantiert der Alltag. Vor grauen Mauern leuchten die Gurkenberge der Marktfrauen. Bon hohen Bretterstapeln streicht der üppig« Duft des frischen Holzes,.mit dem das Städtchen Handel treibt. Im Durchblick glänzt der helle Fluß im Grünen . Dom Redemptoristen - kloster bimmelt eine Glocke. Ochsengespanne lenken durch enge. sollende Gassen. Ein Christus hängt am Kreuz. Und über alles sprengt die Sonne den weißen Glanz eines viel ferneren Südens. Von Cham nach Kötzting fährt die Bahn am Regen auswärts durch ein« erquickende Landschaft. Lockere Hügelgruppen ziehen lau und grün am Tale hin. Der Regen windet sich zwischen flachen Ufern durch saftige Wiesen, auf denen Hahnenfuß, Glockenblumen und Kuckucksnelken als lockere, buttergelbe, blauviolett« und kormin- rote Teppich« vor der blaulasierten Ferne prangen. Cham bleibt noch lange farbenblank am Flusse sichtbar. Und immer wieder leuchten weiße Kirchen mit Zwiebeltürmen in der Landschaft, in die die Chamb. das Flüßchen, das in Cham in den Regen mündet, ihren Namen mehrfach verstreut hat: Chammünster , Chameregg, Cha- merau. Der Zug nimmt sich Zeit. In Runding . Chamerau . Millach. Blaibach , Pulling— überall wird �rst ein Weilchen rangiert, denn es ist zugleich«in Güterzug. Und überall riecht es nach frischen Bretterstapeln. Wasserglanz, Holzduft und Wiefenfrische— das sind die Elemente dieser Landschaft. Bei Pulling fließen der Weiße und der Schwarze Regen zu- sammen. Am Weißen Regen liegt Kötzting ,«in Marktflecken auf grünem Hügel mit steigenden und fallenden Steingassen. Am recht- winkligen Knick der steilsten Straße steht ein helles Rathäusel mit einer länglichen Zwiebelkuppel und einem Glockenblumendachel dar-
über, auf dem der schiefe Blitzableiter wie der Stiel der Glocken- blume sitzt, lieber Schweizerdöcher weg ragt hoch und blau der Kaitersberg. Die Kirche steht auf einer Grasbastei. Durch die allen offenen Türen weht Sommerluft. Unten rmischt und glänzt der Fluß um altes Mühlenholzwerk und frische Bretterstöß«. In Fa- briken werden die Heidelbeeren des bayerischen Waldes eingekocht; im Spätsommer sammell sich hier Tag für Tag die Pilzernte zum Export. Im Gasthaus am schrägen Markt läßt man sich die erste bayerische Mahlzeit schmecken: Rahmsuppe mit Brotschinken, Lamm- schlegel mit Kartoffelnudeln in Rahmsauc«. Und dann ist es noch lange nicht Zeit, zum Bahnhof zu gehen. Unten am Regen sitzt man lange, sieht auf das wiegende, blitzende Wasser, auf violette Salbeiwälder, hinter denen der hohe blaugrüne Kaitersberg steht,
schläft«in, wacht wieder auf, sieht auf die Uhr— der Zug geht immer noch nicht. Dann aber, als man schon eine Viertelstunde im Wagen sitzt, legt die Lokomotive auf die Minute mit Energie los— um erst noch 20 Minuten lang mit dem ganzen Zuge zu rangieren. Und so geht es Station um Station— überall wird erst ein Weilchen ran- giert. Ohne all« Nervosität. Die Bahnbeamten mit ihren hell- bläuen Mützen stehen an den Gleisen und schauen zu— jeder eine Verkörperung des Wortes: Glei' hamm'r's. Man rastet, indem man reist. Die Lokalbahn Kötzting— Lam fährt nur zweimal am Tag, da- für aber gründlich. Und jedesmal, wenn ein Weg die Schienen kreuzt, langt der Lokomotivführer nach dem Klöppelriemen der Glocke, die außen an der Lokomotive hängt. Sie klingt wie eine Schiffsglocke, und bei ihrem Geläut schauen die gelben Kühe auf den hängenden Wiesen auf, käuen, schütteln behaglich die guten Köpfe und schicken dem läutenden Züglc das irdene Geläut ihrer Herden- glocken nach.
Walte SSeUerHröm: TOcUtalS dich
f
Das Ideal früherer Generationen zeichnete sich mehr durch Füll« als durch Beweglichkeit aus. Das hat mir manchen Kummer eingebracht.„ Als ich noch ein Junge war, war ich nämlich sehr mager. Meine Kameraden nannten mich„Das Gerippe", und das erste Mädchen, das ich liebte, zog sich jedesmal erschrocken zurück, wenn sie mich sah. Ich habe später von ihrer Freundin gehört, daß sie glaubte, ich könnt« ihr vielleicht weh tun, wenn ich ihr zu nahe käme. Natürlich hörte ich sofort auf, dieses Mädchen zu lleben, denn per- sönliche Beleidigungen habe ich nie vertragen können. Als ich einige zwanzig Jahre war, hörte ich indessen auf, moger zu sein. Ich wurde plötzlich in ein paar Iahren dicker, und mein Gewicht stieg von 6t) Kilogramm aus 70, auf 80, auf 90 Kilogramm. Da hielt ich erschrocken inne. Ich«ntdeckte nämlich, daß es im höchsten Grade lästig ist, fett zu sein. Außer daß es, woran ich früher nie gedacht hätte, lächerlich wirkt. Eines Tages, als ich auf der Straß« ging, hörte ich ein Individuum van wahrscheinlich sehr tiefer Ungebildetheit zu seinem Genossen über mich sagen: „Sieh dir bloß die Masse bleiches Fett an!" Und dann sah mich der Genosse an und erwidert«: „Ja, der sieht zum Piepen aus!" Ich begann, mir die Sache zu überlegen. Und ich fand, daß dick« Leute immer lächerlicher aussehen als dünne dito. Ein dünner Mensch kann zwar lächerlich wirken und dadurch die Leute zum Lachen bringen, qtzer i» diesem Kapitel.kann:§r ni« mit einem dicken wetteifern. Ein dünner.Komiker,.iy einem Possentheater amüsiert wähl die Zuschauer, aber gewöhnlich nicht nur durch sein« Magerkeit. Er muß«ln paar Extratricks haben, ntft denen er sein« Magerkeit aufrechterhäll. Ein« piepsig« Stimme ist gut, und wenn ihm außerdem Gelegenheit gegeben ist, in Unterhosen aufzutreten, so ist sein Erfolg für den Abend sicher. Aber mit einem dicken Komiker sst es ganz anders. Er hat stets Erfolg. Es ist ganz gleich, was für eine Stimm« er Hot und wie er gekleidet ist. Die Zuschauer fangen an zu lachen, sobald sie ihn sehen. Man lacht über seint Korpulety, denn etwas Drolligere» als einen dicken Komiker gibt es nicht. Die dicken Komiker selber sind indessen nicht so fröhlich. Als Menschen sind sie gewöhnlich sehr trübselig und melancholisch. Einer von ihnen, den ich kenne, und der nux im Privatleben Komiker ist, klingelte vor ein paar Tagen bei mir an und erzählte. daß er sich zwischen 8 und 8 Uhr erschießen würde. Natürlich hat er«s nicht getan, denn er ist nicht nur dick, sondern auch feige. Aber ich komm« auf mich selber zurück. Als ich es bis auf 92 Kilogramm gebracht und entdeckt hatte, daß ich nicht mehr einer Elektrischen nachlaufen oder ein« Treppe steigen konnte, ohne Sehnsucht noch einem Sofa und einem Glos Bier zu verspüren, beschloß ich, mager zu werden. Noch einer anstrengenden Kur, deren Rezept ich aber nicht ohne weiteres preisgebe, gelang es mir auch, wie alles, wos ich mir energisch vornehme. Ich sank wieder auf 6Z Kilogramm. Und da bin ich jetzt. Und ich fühle, daß das ongnehmer ist als mit 92 Kilogramm. Zwar friert man«in bißchen mehr als sonst, besonders im Winter, aber dagegen schwitzt man im Sommer weniger. Wärme ist etwa» für uns Magere. Wenn
man dagegen einen dicken Mann oder eine dick« Frau sieht, wenn es warm wird! Einem Dicken kann kein größers Leid zugefügt werden als ZS Grad Celsius im Schatten. Aber dann wir Magere in unserer Luft! Trocken und fröhlich. Und für jeden Spaß mit den Dicken zu haben. Kennnen Sie die alle Geschichte: Der Ehemann:„Meine Frau wiegt 80 Kilogramm. Sie nimmt jedes Jahr in Karlsbad 10 Kilogramm ab,— in acht Jahren bin ich sie los! Hahaha!" Was für eine traurige Ehe! Wie unheimlich für beide Teile! Für den, der verschwindet, und den. der wartet. Acht lang« Jahre! Ich wage nicht, daran zu denken. Ich kenne«in anderes Ehepaar, bei dem die Frau sehr dick sst. Zwei Landungsbrücken für kleiner« Dampfer, drei Dez>malwogen und ein Parkettstuhl in einem Theater sind unter ihr zusammen- gebrochen. Ich war dabei, als der Partellstuhl zerbrach. Es war in einer Posse. Mtten im ersten Zlkt, und dabei war dos Stück nicht besonders amüsant. Aber die achte Replik des 15. Auftritts war so komisch, daß die dicke Dame plötzlich so auflachte, daß der Stuhl zerbrach. Die Dam« sank gerade hinunter und saß auf dem Fuß- boden. Und da blieb sie im Dunkeln sitzen. Um sie wieder in die Höh« zu bringen, wäre«ine Dampfwinde nötig gewesen. Sie saß ganz still und guckte unter dos Parkett. Sie sah«ine Menge Beine und Füße von Herren und Damen. Nie in chrem Leben halle sie so...viel? Beine, und Füße glrichzeftig gesehen.. Und fa verschiedest�..Einzelne hotten Löcher, ür den Strümpfen- und die meisten schiefe Absätze, Ein Herr, der vielleicht Hühneraugen hatte. hott« sich den. einen Stiefel ausgezogen. Das sah zu komisch aus! Wenn es die dicke Dame gewagt hätte, so würde sie gelacht hoben. Aber sie dachte: dann bricht vielleicht der Fußboden durch, und ich falle in den Keller hinunter. Der Mann der dicken Dame war durch das langweilige Stück derart in Anspruch genommen, daß er nicht merkte, daß seine Frau verschwand. Er ging so selten ins Theater, daß er jeden Sog buchstäblich verschlang. In der Pause wurde das Licht eingeschaltet, und die dicke Dame starb aus Scham und Schande, mitten im Parkett, zwischen eleganten Herren und Damen, aus dem Fußboden zu sitzen. Wie traurig war ihr Schicksal! Natürlich gibt es auch Geschichten von dünnen Leuten. Aber die sind nicht so komisch. Ich kann mich eigentlich nur auf eine bc- sinnen. Don Sarah Bernhardt . In einer französischen Zeitung stand: „Ein gedeckter Mietswagen fuhr beim Theater vor. Aus dem Wagen stieg nichts. Das war Sarah Bernhardt ." Diese Geschichte ist sehr boshaft und außerdem nicht wahr. Denn ich habe Sarah Bernhardt selbst gesehen, und sie war erheb, lich mehr als nichts. Geistig und körperlich. Uebrigens ist es so leicht, üb«r Körperschwächen der Menschen zu spötteln. Ich habe mal von einem Neger gehört, der so große Füße hatte, daß er sich die Hosen über den Kopf anziehen mußte... Aber wir wollen lieber zu ernsteren Dingen übergehen. <Slu» dem Schwedisibe« oon Aee«vcnstrmi und Ttisadeld Treltel.)
fflaffenpfychofen und SEeugeneide lieber einen sellsamen Fall von Massenpsychose wird aus dem Pariser Vorort Levallois-Peret berichtet. Ein Bäcker namens Haugmar halle mll feiner Frau eine heftige Auseinandersetzung, in deren Verlauf er sie mll dem Tode bedroht haben sollte. Später wußten Hausbewohner und Nachbarn der Polizei zu berich- ten, daß der Bäcker in seiner Wut mehrere Flintenschüsse durch die Tür des Schlafzimmers seiner Frau abgefeuert habe. Au guter Letzt beschwor«in Dutzend Leute, sie seien in das Haus eingedrungen und hallen Frau Haugmar und ihre fünfjährige Tochter durch ein Fenster gerellet, da die Tür des Zimmers verschlossen gewesen sei. Auf diese alarmierenden Nachrichten hin umzingelt« ein großes Polizeiaufgebot das Haus und richtete sich zu einer regelrechten Belagerung«in. Angesichts der Gemeinfährlichkeit des wütenden Bäckers hatten die Polizisten selbst Gasbomben mitgebracht, um erforderlichenfalls den Wüterich unschädlich zu machen. Die ganze Nockst wurde das.Haus belagert. In aller Frühe stieg der Bäcker ruhig in feine Backstube hinab und fragte angesichts des gcwalligen Polizeiaufgebots ahnungslos nach dem Grunde dieses Aufwandes. Als man ihm seine Missetat vorhielt, erklärte«r lochend, daß er eine Feuerwaffe überhaupt nicht besitz«, und daß die Geschichte der angeblichen Schüsse durch die Tür nur in der Einbildung seiner Nachbarn existiere. Die genaue Durchsuchung des Hauses erbrachte denn auch den Beweis für die Richtigkeit seiner Angaben. Der ganze Vorfall stellte sich als völlig harmlos dar. Man fand weder eine Feuerwaffe, noch Patronen: auch zeigte sich die Schlafzimmertür völlig unversehrt. Der Bäcker gab folgende Darstellung der Vorgänge. Er halle sicl� mit seiner Frau gezankt, die sich in dem Wohnzimmer eingeschlossen hatte, während er selbst ins Schlafzimmer zu Bell ging. Bevor er sich jedoch schlafen legte, habe er wiederholt an di« Tür des Zimmers geklopft, um feine Frau zum Aufmachen zu bewepen.
Diese Klopftöne hatten die aufgeregten Nachbarn, die durch den Strell zum Horchen veranlaßt worden waren, für Flintenschüsse gehalten, woraus sie die Polizei alarmierten.
JCaleinifche und griech/f che Familiennamen Unter den deutschen Familiennamen treffen wir auf eine ganz« Anzahl, die auf us endigen und die demgemäß ein lateinisches Gepräge tragen. Entstanden sind diese Namen im 16. Jahrhundert. In dieser Zeit gelangte die klassische Bildung zur höchsten Wert- schätzung und die Kenntnis oder Unkenntnis derselben führte zu einer Trennung unter d«r Bevölkerung. Auf der einen Seite standen die, welche Lateinisch und Griechisch gelernt hatten, auf der anderen Celle die, welche diese Studien zu treiben nicht in der Lage waren. So schieden sich die Gebildeten von den Ungebildeten. Die Sprache der Gebildeten bei ihren gelehrten Arbellen war das Lateinische, und um ihr« Zugehörigkeit zur Klasse der Gelehrten auch äußerlich zu kennzeichnen, suchten sie ihre Namen durch die lateinische Endung us zu verbrämen oder sie übersetzten sie in das Lateinische. Auf diese Weise wurde aus einem Meier ein Meierus einem Krüger Krügerus, einem Buhl ein Buhlius oder Bulius, einen« Busch ein Buschius, einem Kurtz ein Curtms. Durch die Uebersetzung in da» Lateinische ging hervor aus einem Schulz ein Prätorius, einem Kraus««in Crustus, einem Schuster ein Sutor oder Sutorius, einem Schneider ein Sartor oder Sartorlus. einem Weber ein Textor oder Textorius, einem Schütz«in Sagittarius, einem Schmied ein Faber oder Fabricius. Besonders gelehrte Leute begnügten sich aber nicht mit dem Lateinischen, sondern übertrugen ihr- Namen in das Griechische. Durch solche Uebertragung ist aus dem Namen Schwarzerd Melanchton, Hausschein Oekolampadius, Volkmann Leander , Neu- man» Neander und Eichmann Dryander entstanden.