Fünfzig gegen zwei. Propaganda für„revolutionären Klassenkampfs heule morgen erschienen aus der Redaktion des..V o r-, rnärfs" zwei Zugendgenossen von der SAZ.. Erich Bock ' und Ollo V i l l w o ck au» Neukölln, mit Pflastern und blauen Klecken im Gesicht und Wunden aus dem Rücken. Sie gaben uns folgende Schilderung: Wir standen in der Siedlung am Dammweg zwischen Sisinbock- und Widder st rast«, um uns den Zug des Kammunistischen Jugend Verbandes anzusehen. Es war gegen 18.30 Uhr. Wir haben in keiner Weise provoziert, im Gegenteil, wir begrüßten uns sreundschastlich mit kommunistischen Jugendlichen, die wir von früher her kannten. Als dann gegen Schluß des Zuges die Abteilung der Kommunistischen Jugend, Bezirk W e d d! n g, kam, stürzte sich einer der Kommunisten völlig ohne Grund auf den Genossen Billwock, um ihm seinen roten Schlips mit dem Abzeichen des holländischen Jugendoerbandes, das er auf dem Wiener Jugendtag ausgetauscht hatte, abzureißen. Dies wurde als Signal ausgefaßt, und aus der ganzen Breile des Zuges stürzten sich etwa öl) bis 100 Mann aus die beiden Zugendgenosscn und schlugen auf sie ein. Eine Wund« an der Schläfe zeigt deutlich, daß ein harter Gegenstand, wahrscheinlich ein Schlagring, benutzt worden ist. Erwiesen ist weiter die Benutzung von Koppelzeug und Stöcken. Nur mit Mühe gelang es unseren Genossen, sich von den Rowdys zu befreien. Wenige Häuser weiter wurde ein Uebersall aus die Wohnung eines kriegsbeschädigten Genossen versucht. Auf zwei Genossen, die dem Bedrängten zur hilf« eilen wollten, wurde gleich- falls roh und rücksichtslos«ingeschlagen. Ermöglicht wurde der Uebersall vor ollen Dingen dadurch, daß in d«r Siedlung allgemein bekannt ist, wer Sozialdemokrat und wer K o m m u n i st ist. 50 gegen 2, das ist kommunistisches Heldentum, das ist„revolutionärer Klassen. kämpf"!
Zeppelin auf der Heimreise. Ein Drittel der Ozeanroute bewältigt. New Bork. 1. September. (TU.j DaS Luftschiff„Graf Zeppelin " ist heute morgen um 8,18 Uhr amerikanischer Zeit(13,18 Uhr MEZ.) nach Friedrichöhafen aufgestiegen. Der Start des Luftschiffes war ursprünglich auf 5 Uhr morgen» MEZ. angesetzt, mußte aber wegen widriger Bodenwinde verschoben werden. Da» Luftschiff steuerte direkt ostwärts dem Meere zu, ohne New Bork zu berühren. Kaution zur Verhinderung der Beschlagnahme. Die Anwälte der Goodlear eppelin Company hinterlegten beim höchsten Gericht von New Jersey eine Bürgschast in höhe von 25 000 Dollar, um die Beschlagnahme de» Luftschiffes zu verhindern. Die ihnterlegung der Bürgschaft erfolgte, nachdem der Unterjheriss die Absicht bekanntgegeben hatc, den„Gras Zeppelin" durch den früheren Zeppelin-Piloten Anton heinen in Besitz nehmen zu lassen
Heimfahrt des„Graf Zeppelin*
heinen war vom Sheriss dazu angeworben, dos Luftschiss aus dem Schuppen herausbringen zu lassen und e? an einem großen Paum z u befestigen. Da» Wetterbureau in Washington sagt für den Wflvg des„Graf Zeppelin" leichte Nordwest winde und klaren bis teilweis« bewölkten Himmel voraus. In der Nähe der amerilonischen Küste jedoch würden stark« bis frische Südwestwinde auftreten, verbunden mit Bewölkung und stellenweise einsetzenden Regenschauern. Wieder zwei blinde Passagiere. wei in der Passagiertabine de»„Gras Zeppelin" oersteckte jugend- liche blinde Passagiere wurden entdeckt und der Polizei Übergeben. Kapitän Lehmann hosst, wie es heißt, den„Gros Zeppelin" 20 Tage noch dem Abflug von Friedrichshasen dort wieder in die hall« zu bringen, was reichlich zwei Tage weniger wäre als der Lakehurst— Lakehurst-Flug und ein, Verbesserung des Weltrekords bedeuten würde. Vie letzte Standortmeldung de»„Graf Zeppelin" stamm« von heule früh 8 Uhr. Danach befand sich das Luftschiff um diese eil auf 4g Grad, 30 Minuten westlicher Länge und 30 Grad nördlicher Breite. An Bord sei alle» wohl. „Graf Zeppelin' wurde beim Uebersliegen der Dampferroute um etwa 6 Uhr(MEZ.) vom belgischen Passagierdampfer„Laplond" und bald daraus von den Dampfern„Roma" und„Präsident Johnson' gesichtet. Das Luftschiff hat«inen südlicheren Weg einschlagen müssen, da in der Gegend von Neufund- land ein Schlechtwettergebiet herrscht.
Streik der �eparationsarbeiter. Schlechte Behandlung durch deutsche Firmen. Pari». 2. September. (Eigenbericht.) Unter den deutschen Arbeitern beim Bau des auf Reparation»- konto zur Ausführung gelangenden Eifenerz-Kanals von Metz nach Diedenhofen ist am Sonnabend ein Streik aus- gebrochen. Ungefähr 200 Arbeiter haben sich am Sonntag in Perl , der ersten Eisenbahnstation aus deutschem Gebiet oersammelt, um ihre Forderungen zu formulieren. Di« deutschen Firmen zahlen den Arbeitern nur ein kleineres Taschensgeld aus. Der Rest gelangt nach Abzug der Berpflegungskosten an ihr« Familien in der Heimat zur Auszahlung. Die Arbeiter wollen über einen größeren Teil ihre» Berdienste« verfügen können, da die Verpflegung in den Kan- tinen zu schlecht und den Verhältnissen entsprechend, viel zu teuer ist. Reich»prälidenl von hindenburq wird morgen Dietrainszell, wo er seinen Urtaub verbrachte, verlassen und sich nach Berlin zurück- begeben. UNI der Beerdigung seiner einzigen Schwester, die heut« in Potsdam verstorben ist, beizuwohnen.
„OantonsTod"i Vierundzwanzigjährig starb Georg Büchner , der Dichter von„W o z z e ck" und„Dantons Tod ". In diesen Werken gipfelt das Drama der ersten hälft« de» Jahrhunderts. Es sind Werke eines Knaben. Jung und blutvoll geht die Handlung über uns hinweg und selbst wo Rede und Gegenred« des Volkes, wie in „Dantons Tod ", unverkennbar pathetisch hämmern, ist es das Pathos der Junge», die durch das Wort Brücken schlagen wollen über alle Stromschnellen des Blutes. Karl Heinz Martin , der uns„Dantons Tod " am Sonnabend in der Volksbühne vorführte, bringt neuc Lust. Der Umfang des Stückes bedingt Streichungen hier zeigt sich sein Talent, Ungleiches maßvoll oneinander zu reihen, ein festgesllgtes Mosaik zu stellen, das dem Ansturm der tausend ungeduldigen und hungrigen Augen im Zuschauerraum standhält. Das wogt und funkelt in den Straßen von Paris . Wirklichkeit. Bürger, Arbeiter. Neureiche, Sansculotten, Straßendirnen Ein Wort fliegt auf, rottet die Mosten zusammen und löst sie. Der Sturm einer Hetzrede rauscht über das lauschende Mhricht der Masse. Ein ausgestreckter Arm bändigt die wogenden Gesichter, die sich starr dem Worte entgegenbäumen, das ihnen, den Entfestellen, neu« Fesseln an- schmiedet, sie antreibt zur Tot gegen ihr eigenes Fleisch. Volt von Pari»! Grausom-gutes, störrisch-mildes, gefestelt-freies Volk von Paris . Gefangen im Taumel selbster, zeugter Freiheit. Volk von Paris , Welt- volk. Kindervolt! Träg-eisriger Koloß, der sich selbst köpft, selbst erschlägt, immer wieder. Das Beil fällt, ein Kopf rollt in den Korb, Dontons Kopf, der Kopf von Paris , der Kopf der Revolution, der Kopf des freiesten Volkes der Welt. Das danken wir Martin: Wir sahen nicht, wir erlebten. hansRehmann— Danton . Ein Mensch, keine Marionette. Ein Kerl. Ein gefallener Engel, eine sich selbst verzehrende Flamme. Ein Koloß, dessen ungeheure Vitalität in das Nichts verpufft. Danton , menschlich-nah, in sein unterstrichener Selbstironie, grobem Rednerpathos, männlicher Todesfurcht und dann wieder in prophetischem Schauen erdenfern, Donton aus Dreck und Feuer, ein Mensch!
Georg- Springer- Gedenkfeier. Die Volksbühne hielt in ihrem Haufe am Bülowplatz Ge- dächtni»fcier für ihren verstorbenen Vorsitzenden Georg Sprin» ge r ab. Springer segnete vor sechzehn Iahren den Grundstein zu dem Kunschaus der arbeitenden Masten. Mit Begeisterung, Klug- heil und Ausdauer hütete er das Wert, während Krieg und Inflation das Vollendete erschütterten. Nun kamen am Sonntag allc, die er einst geleitet hatte, um ihm die große Totenehrung zu bereiten. Mit Mozartscher Klage- musik wurde begonnen. Man endete mit einem Beethovenschen Adagio, das wohl die Dunkelheit der Trauer erklingen ließ, aber auch Wehmut und Schmerz linderte, um die Phantasie zum Gedanken der Freude überzuführen. Denn dieser fleißige, fröhliche Mann des Volkes, der aus dem Volke stammte und sich aus der proletarischen Tiefe zur geistigen und ökonomischen Freiheit emporgerungen hatte, sollte noch einmal als«in Beispiel der demokratischen Tüchtigkeit und der energischen Organisationslust gepriesen werden. Die Schauspieler Frank, Ginsberg und K a r ch o w las«» aus dem„P h c i d o n" Platos jene Stellen, die von der Unoergäng- lichkeit der. seelischen Kräfte handeln und bedeuten, daß der Tod nicht Untergang eines Menschen ist, daß der Tod vielmehr das neue Leben zeugen wird, wofern der Verstorben« ausgefüllt war mit Ideen und Idealen. Diese Ideen und Ideale wurden wieder sichtbar und hörbar, als Karlheinz Martin , heute künstlerischer Direktor der Volksbühne, Georg Springers Reden und Schriften aufblätterte. Da osfenbarte sich wiederum das herz des Verstorbenen, der für das Bestehen der Volksbühne feine hohen Koufmannstalent« stets erfolg- reich eingesetzt hotte. Denn es gehörte zu der Bedeutung dieses Mannes, daß er nicht nur gefühlvoll über den bedrückenden Alltag der arbeitenden Masten zu klagen pflegte:«s war ihm auch gestattet, den Ausweg aus dieser sozialen und geistigen Engni» zu zeigen und zu ebnen. So wurde er zugleich der praktischste und der väter- lichste Führer der Volksbühne. Julius Bab , der mit psycho- logischer hellsichtigteit und feurigem Schwung das Leben des Buch- Händlers Georg Springer erzählte, berichtet« vom äußeren Aufstieg und vom inneren Wachstum dieses wahren Volksmannes. Georg Springer oernahm die Sehnsucht des Volkes nach der feierlichen Kunst, und er war einer von jenen seltenen Menschen, die Sehnsucht in Erfüllung verwandeln durften. Der Lorbeer, der die Buhne schmückte, die Tön«, die das Andenken de» Toten verewigten, endlich die besonnenen, festlich«rwogenon Worte, die sein Wesen erleuchteten, alle dieser würdige Prunk, all diese andachtsvolle Innigkeit, sie ver- rieten den Wunsch, die Volksbühne künftig so weiter auszubauen, wie es die schönen Träume und die klaren Gedanken Georg Springer» verlangten. dl»x HocKdork.
»T»N.« Städtische Oper. Tyll Ulenspiegel — Till Eulenspiegel , Schalk. Schelm, Narr, Spötter, Spaßmacher und Taugenichts, Genießer und Verächter des Lebens, Menschenfreund und Gesellschastsseind. unsteter, sorglos un- bekümmerter Vagabund, lustiger Rebell, ewiger Empörer, Aufrührer wider geistliche und bürgerliche Obrigkeit, Schwindler und Prophet, Lügner und Weiser, Kämpfer für Freiheit und Wahrheit—: die Figur, historisch-mythologische Spur des späten Mittelalters, ist lebendig geblieben durch die Jahrhunderte, sie lebt, weit über den Bezirk ihrer noch westdeutschen Heimat, vielfältig abgewandelt, in der Literatur, im Volksbewußtsein. Nun steht sie. nicht zum ersten- mal übrigens, als Opernhcld vor uns. Als Volksopernheld, es läßt sich kein glücklicherer Stoff für eine heitere deutsche Volksoper denken. Und etwas wie eine Dolksoper hat uns der junge Mark Lothar in diesem seinem ersten Buhnenwerk gegeben, in Gemein- schast mit seinem AUersgenosten, dem Dichter Hugo F. Koenigsl garten. Er gibt mehr Epos als Drama: in fünf Bildern keine gestaltete entwickelte Handlung, sondern eben nur— Bilder, Ausschnitte: muffig-muckerisches Spießbürgertum, Psassenherrschast und höfische Dumpfheit als Hintergrund und(luftig karikierte) Welt des Gegenspiels, von der Tyll sich als einsame Mißgestalt wirkungssicher abhebt. Und Mark Lothar musiziert« sich frisch und beherzt durch den bunten Wechsel der Situationen und Stimmungen, um charokte- ristische Einfälle und lyrische Eingebung nicht verlegen, wenn auch ohne persönlich starke Note, mit Volksliebantlängen und Straußischem Orchesterklang, sympachisch, freundlich, melodisch, ein wenig im Ton Humperdincks und nicht gerade, wie wir es heute von einem Sieben- undzwanzigjährigen erwarten. Der innere Aufruhr, an dem es dem Komponisten mangelt, fehlt auch seinem„Tyll". Ein rebellisches Werk ist es noch nicht geworden.
, derVottsbühne. Walter Francks Robespierre, ein würdiger Gegenspieler. Bleich, fanatisch, unerbittlich. Das Schicksat. Von zwingender Krast im Monolog. Erwin Faber vollkommen in Spiel und Geste, vielleicht zu schwer In der Aufsassung. Sigurd Lahde» Legendre ein Volksaufwiegier, ein pathetischer, skrupelloser Winkel- adookat, von fahriger Selbstgefälligkeit, ein Mensch, der aus seiner Nichtgesinnung Gesinnung macht. Man glaubt es ihm. Gleisnerisch-molluskenhoft, mit den weichlichen Gesten eines ver- wähnten Kindes ist Peter L o r r c St. Just. Kalt, grausam. despotisch. Sein Können gipfelt in der Rede zum Volk. Gut waren: Ernst Karchow (Lacroix), Erich Thor, m a n n(Herault-Sechelles), Heinrich Greller(MercieO, Josef K a r m a(Barrere), Otto SauterSarto(Eollot d'Herbois), Karl Etlinger (Souffleur Simon): Claus Clausens Philippeau schien mir etwas übertrieben in den Gesten. Von den weiblichen Rollen wirkt« Lotte Lenja als Lucille echt im Kindlich-Vissinören, aber schulmäßig In der Wahnsinnszene. Eine ganze Leistung: Fränze Ralofis altes Weib- Mai, staunt über das durchgeistigte, fein und leidenschaftlich er- faßte Spiel einer noch wenig Bekannten, Helene Sieburg (Julie, Dantons Gattin), und beklagt hier zum ersten Male den Fortfall der Selbstmordszene, da man dieiem Talent gerne Raum zum Lösen einer größeren Aufgab« wünschen würde. Unter den weiblichen Rollen ist die ihre am stärksten erlebt. Therese G i e h se(Weib des Simon), kernig und urwüchsig. Edward Suhr leistete mit dem Entwurf der Bühnenbilder und Kostüm« ganze Arbeit. Hans Eislers Musik paßt in das große Format der Inszenierung. In der Enthauptungsszene am Schluß siel das Beil zu früh. Es ist anzunehmen, daß? die Hände des Henkers wegen des großen Erfolges der Ausführung vor freudiger Erregung zitterten. Aber dieser Zwischenfall konnte den starken Erfolg nicht gefährden. Wir erlebten in der Volksbühne eine Revolution. Di« Marseillais« donnerte, ein Hammer ewigen Kampfes um Freiheit, uns entgegen, die im Schatten des Zuschauerraumes saßen, trägen Blütes. Sie hat uns aufgerüttelt. .Alexander von Sacher-Masodi.
Die Städtische Oper hat sich beeilt, die erfolgsichcre Ro- ostät herauszubringen: ein paar Proben mehr hätten der Aufführung vermutlich nicht geschadet. Sehr gut in der Titelrolle Josef Burg- winkel und in der einzigen größeren weidlichen Rolle M a r g u e- rite Perras, deren persönlich-inniger Sopran sich immer schöner entfaltet. Daneben EduardKandl, Gerhard Pechner, Edwin Heyer. Robert Denzler dirigiert und der neu« Regisseur, O t t o K r a Ii s z, führt sich vorteilhaft ein. Xlaus Prinssheirn
Kammerspiele. „Oer LLnwiderstehliche" von Gäraldy und Spitzer. Madeleine erfährt, daß ihr Gatt« Fernand auch mit der Schau- spielerin Gaby Bettkameradschaft hält. Deshalb klammert sich Made- leine an Henri, der den Ruf genießt,«in unwiderstehlicher Eroberer aller Frauen zu sein. Henri führt mit kaufmännischer Umsicht über seine gesamten Liebesunternchmen Buch und hat für diese Buch- halterei ein wundervolles Altweiblein, n'-dzt minder prächtig von Frau Richard gespielt, engagiert. Vor Madeleine versagt der Unwiderstehliche vorläufig. Ein Kuß, den er in Biarritz stahl, mußte wirklich nur auf das Liebeskonto geschrieben iverden. Aber die ver- botene Frucht schmeckte süß, so daß Henri sich vollkommen in den Dienst Madeleines stellt. Das Frauchen ist nämlich verzweifelt über die Untreue ihre» Gatten. Sie will ihn um jeden Preis von der galanten Gaby los- lösen. Strahlend und siegesgewiß nimmt Henri das Besreiungs» wert auf sich. Spielend gewinnt er auch diese Partie. Wie immer, hilft ihm auch diesmal der Zufall. Denn die Gaby, die er gewinnen soll, hat er schon vor drei Jahren gewonnen, und sie wünsch! jetzt nichts sehnlicher, als wiederum in feinen Netzen zu schmachten. Nun jedoch, da Ferand zerknirscht heimkehrt, bat auch die bisher kühle und artige Madcleine Feuer gefangen. Sie wurde auch bis Opfer de» Unwiderstehlichen. Sie legte sogar den Hut im Junggesellen- zimmer des Unwiderstehlichen ab. Und auf dem Diwan--- Al« sie deshalb mit der Füll« ihres wiedererwachten Herzens und Kör» per» weiter sündigen will, redet ihr Henri höchst moralisch ein, daß sie zum Abenteuer gar nicht geeignet, und daß die Ehetreue allein ihre Pflicht sei. Dieser sittsame Dialog wird hauptsächlich von dem mondainen Witz Geraldy» beherrsdst, den Frankreichs literarische Jugend mit Recht zu ihren angenehmsten Gescllschastsplauderern rechnet. Man freut sich über die Darsteller, über die Zungenfertigkeit de» Fräulein Mosheim, über die galante Anmut der Frau M e w« s. über die rührende Altjüngferlichkeit des Fräulein Tony vanEyck, die einen früh vertrockneten Backfisch darstellt. Harald Paulsen spielt den unwiderstehlichen erotischen Seiltänzer so, als wenn das Ideal der Pariserinnen nur«in verliebter Operettenschnellläufer wäre. Wie überhaupt Herr Gründgen, der Regissour, der auch die Rolle de« ungetreuen Gatten übernahm, seine Künstler zum schauspielerischen Eilmarsch anfeuerte. Durch diese Hast wird manche Pointe ins Leer « und Unverständliche geschleudert, doch es Ist besser, daß diese Komödie vorwärts rast, als daß die Künstler auf ihren Worten einrosten. Max Hochdorf . Lustspielhaus. „Grand Hotel" von Hanl Krank. Das Lustspielhaus existiert jetzt seit 26 Jahren. Jubiläuwsstück ist der Schwank vom armen Schlucker, der mit unerhörter Courage die schönste Frau aus dem Herzen des reichsten Mitteleuropäers ent- führt. Diese» Märchen begibt sich natürlich, indem viele Sünden gegen den guten Geschmack und gegen die Logik begangen werden. Paul Frank häuft all« alten und erprobten Possenmotive. Wir sehen, daß die Gcldmagnatcn viel leichter an Magenkolit erkranken als die übrigen Söhn« der Republik Deutschösterreichs. J» diesem unter Finanznot und Sentimentalität leidenden Lande spielt das Stück, dessen nabelst« Herzensheroine Frl. N o r a G r e g o r ist. Di« Dame verschwendet ihre Reize. Sie wirft dem Zuschauer mit vollen Händen alle Anmut ins Gesicht, die ihr das Schicksal gab. Wir würden ihr auch glauben, wenn sie sich wentggr auffällig anböte. Georg Alexander ist der Empfänger dieser Gabe. Auch er gebärdet sid) allzu laut, all zu selig. C» würde dem Stücke nicht» schaden, wenn Berfasscc und Schauspieler und Regisseur die drei Dutzend der verfügbaren Pointen etwas enthaltsamer über da» sehr dankbare Parkett hinausstreuten. hl. H.