föeiloge IMensiag, 3. September 1929
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Jean Jaure« Ein GedenkblaM/ Eon Bracke
Schon im Gymnasium in Paris , dann im Scminär für Hoch- schullshrrr, wo Iaures dem Schreiber dieser Erinnerungszeiien zwei Jahrs voraus war, hörte er diesen älteren Schulgenossen, den er von Zeit zu Zeit sah, und dann mit einem ganzen Kreis der jhoch- schule mit Sympathie und Neugierde folgte, als einen ganz außer- ordentlichen Geist loben, und er war stolz, sich zu sagen:„Es ist einer der Unseren, und er wird es weit bringen: ober wohin?" Schon damals konnte man voraussehen, daß seine schon b e- rühmte rednerische Begabung bald in der Politik in der Deputiertenkammer sich betätigen würde. Diese Voraussage ent- sprang der politischen Situation. Um 18811, zehn Jahre nach dem Dcutsch�Fronzösischcn Krieg, begann die Republik in Frankreich sich zu stabilisieren, umgeben von der Aureole der Rückkehr zur revolu- tionären Tradition, die bald vom Königtum, bald vom Kaiserreich unterbrochen war, während die alten Parteien und der Klerikal!-- mus, die nur schlecht die kapitalistischen Interessen verbargen, gegen die Republik Sturm liefen. Eine Reihe junger Leute, die der mittleren Schicht der Bour- geoisie angehörten und eben erst die Schule verlassen hatten, traten in den politischen Kampf unter der Fahne der Republik . Die Vor- aussage war chjo ganz natürlich. Jaures gehörte dieser sozialen Schicht an durch seinen Großvater, der dem Textilhondel in der kleinen Stadt Castres oblag, durch seinen Vater, einen ideenreichen Mann, der vom Glück nicht begünstigt war»nd in wenigen Jahren vom.fjandel zur Industrie, dann zur Bewirtschaftung eines kleinen Landgutes hinübergewechselt und im Jahre 1882 gestorben war. Man konnte voraussehen, daß dieser junge Student, der mit Leich- tigkeit immer der erste war, seinen Horizont erweitern und über den Kreis der Freunde hinaus nach und nach in einer ganz natürlichen Entwicklung die Zuneigung aller Schichten der Arbeiterschaft er- obern würde, um schließlich gewissermaßen in der Liebe des Welt- Proletariats zu enden. Eamiel Huysmans , der Sekretär der Zweiten Inter - nationale, sagte die einfache Wahrheit, als er am 4. August 1914 ausrief, als daß große Massaker begann, als das Volk von Paris Jaures, der für den Frieden gefallen war, zum Begräbnis geleitete: „Jaures bat nicht nur Frankreich gehört. Er gehörte allen Na- tionon." Wenn heute das Zcntralorgan der deutschen Sozialdemo- kratie liebevoll sich des 70. Geburtstages von Jaures erinnert, so ist das ein Beweis mehr, wie wahr Huysmans gesprochen hat. Wenn man de Geschichte eines großen Mannes studiert, begeht man gewöhnlich den Fehler, seinen Geist gewissermaßen in einen unbeweglichen Rahmen einzuspannen, als ob dieler Geist mit einem Male sich geformt hätte. Die Ersahrungen des Lebens ändern auch i-ei den»nbeugfanistkn Charakteren die Leitmotive, nicht immer in der Richtung, aber in der Tiefe. Wie sehr erst bei Jaures , dessen «Geist allem Neuen immer offen war, immer bereichert von den Früchten der Beobachtung und der Lektüre. Ein derartiger Intel - lckt ist notwendig ein Dvens xceametricu!: der Gegensätze, die aber durch die Bewegung der Gedanken in Harmonie gebracht werden. Wenn ich versuchen soll, durch ein Wort zu kennzeichnen, was diesen einzigartigen Menschen unter allen Aposteln und Lehrern des kämpfenden Sozialismus auszeichnete, so möchte ich sagen, daß-r ein Mann der sortgesehken Xit war. Ich will damit sagen, daß er jede Neuerwerbung, die ihm die Tatsachen oder die Bücher lieferten, sofort verband mit der vorher- gehenden Tatsachen- oder Jdeenreihe, um sofort angewandt zu werden. Daher erklärt sich auch, daß er niemals seinen Einfluß auf eine bestimmte Gruppe, so groß sie auch sein mochte, beschränken wollte. Wie die Natur in ihrer Gesamtheit in seiner Beredsamkeit einhalten war, so wandte er sich immer an die Menschheit in ihrer Gesamtheit, wenn er sprach, wenn er schrieb, wenn er handelte. Er lebte sozusagen in dem flüchtigen Augenblick der Gegenwart und gleichzeitig in der ununterbrochenen Kette, die die Gegenwart ver- bindet mit der Vergangenheit und der Zukunft In Südfrankreich , seiner engeren Heimat, wo er damals wohnt«, war die Republik getragen von den Bauern, die damals sich zu ver- einige» begannen, um der Ausbeutung durch die„Großen" sich zu widersetzen. Jaures der das flache Land liebte und kannte und zu dem er immer wieder zurückkehrt«, so daß er von sich selbst sein ganzes Leben lang sagte:„im Grunde bin ich ein Bauer", beschäf- tigte sich zunächst mit den sozialen Problepien des Schutzes der Bauern. Als er in> Jahre 1885 bei den Kammerwahlen eine Kan- didatur annahm und gewählt wurde, tritt er keiner der Fraktionen der Deputiertenkammer bei. Schon damals hatte er wiederholt Gelegenheit, die soziale Tragweite der Gesetze zu erwägen, so daß Rouanet in einem Artikel der„Revue Soeialiste " dem jungen Abgeordneten, der neben den„Liberalen " des Zentrums saß, zurufen konnte:„Sie gehören zu uns, niein Herr!" 1889 wird Jaures nicht wiedergewählt. Aber die vier Jahre Profesforot sind nicht verloren für seine Annäherung an den Kampf des revolutionären Proletariats. Stadtverordneter von Toulouse und zweiter Bürgermeister mit dem Schuldezernat, Mitarbeiter der radikalen Zeitung„La Depeche", hatte er Gelegenheit, das Wachsen der sozialistischen Bewegung zu beobachten. Eine der Thesen seines Doktorats aus dem Jahre 1891 sührte ihn dazu, den Ursprung des deutschen Sozialismus in der religiösen und philo- sophischen Vergangenheit Deutschlands zu suchen. Aber«s war vor allen Dingen der große Streik der Bergarbeiter von E a r m a u x. der die Ocffentlichkeit tief aufrüttelte und wo Innres zu den Arbeitern sprach, der ihm die Wirklichkeit des Klassenkampfes in seiner modernsten Form vor Augen führte. Die Hilf«, die er damals den Arbeitern zuteil weichen ließ, haben zuerst jene Band« geknüpft, die erst der Tod unterbrach. So wurde Jaures auf Be- lchluß der sozialistischen Delegiertenkonferenz der Nachfolger des Minenbesitzers Marquis de Solages, der sein« Demission gegeben hotte(Januar 1898). Die Sozialisten von Earmaux gehörten der französischen Ar- bciterpartei an(Guecdisten). Man hat in der Folge öfter behauptet. daß Jaures -damals dieser Organisation beigetreten wäre. Das ist nicht richtig. Natürlich wurde die Wahlkampagne mit dem Pro- gramm der Französischen Arbeiterpartei geführt und Jaures sst dadurch in nähere Beziehungen zu Jules Guesde und Paul Lafargue
gtreten und hat auch im Jahre 1894 an dem Parteitag von Nantes teilgenommen und sich an der Diskussion über das Agrarpragromm beteiligt. Aber schon damals erschien ihm die Notwendigkeit der joziolistischen Einigkeit wichtiger als der Fortschrtt der einen Organi- sation gegenüber den anderen. Er blieb unabhängig, als er im selben Jahre bei den allgemeinen Wahlen wiedergewählt wurde. Der Deputiertenkammer gehörten damals zum erstenmal ein« größere Anzahl von Sozialisten an. Neben Guesde und V a i l l a n t hat Jaures dem Sozialismus gedient mit dem Glanz seiner Beredsamkeit, durch die Fruchtbarkeit seiner Erfindungskrast als parlamentarischer Taktiker, so daß man wohl sogen kann, daß, wenn er nicht den Sozialismus selbst, so doch die Hoffnungen in eine soziale Erneuerung durch die proletarisifye Aktion populär machte. Vielleicht war es nicht so sehr auf das Regime der Deputierten- tammer, sondern in den zahllosen öffentlichen Versammlungen, daß seine Beredsamkeit am wirksamsten war und seine außerordentlichen Gaben in ihrem ganzen Reichtum sich kundtaten. Fruchtbar- k« i t ist der einzige Ausdruck, der dem redneris6)en Genius von Jaures entspricht. Wir sagten manchmal, daß eine Idee, die von
außen in sein Gehirn eindrang, wie ein Korn auf einem wunder- baren Boden sich entfaltete. Im Augenblick keimte sie, wuchs zu einem Baum mit seinen Zweigen, zwischen denen die Sonne ihre Lichter warf und in denen-die Vögel sangen. Dieser Redner der Redner hatte niemals die Redekunst studiert. Er modulierte nickst seine mächtige, leicht etwas heiser werdende Stimme. Er regierte nicht seine Geste, die manchmal monoton, manchmal überquellend war, indem er die Arme zum Himmel reckt« und sich um sich selbst drehte. So wie er seinen ganzen Geist, so gab«r auch seine ganze Person derart dem ver- sammelten Volk. Er gab so ganz seine reiche und vielseitige Natur der Sache hin, daß er dadurch seine Zuhörerschaft wie in einem Wirbel des Lichts mit sich riß. So hat er die Herzen aller derer erobert, die in der ganzen Welt die Stunde der Befreiung erwarten. Sein Erfolg, sein Sieg war nicht begründet auf Konzessionen, die er dem Geschmack des Publikums gemacht hätte, auf Schmeicheleien und Kniffe. Nein! Jaures brachte immer mst einfachem Mut seine Ideen vor, auch mit ihren Zweifeln und Erwägungen, mit ihren Kühnheiten, ohne Rücksicht auf Vorurteile und Beschimpfungen. Es genügt hier, nur ganz kurz daran zu erinnern, daß infolge des Beschlusses des Internationalen Kongresses von London (1898) die zerstreuten„unabhängigen" Sozialisten gezwungen wurden, sich in einer Organisation zusammenzufinden und daß dies der Anfang des großen Feldzugs für dieEinigkeit war, den Jaures mit gewohnter Leidenschaft und Hartnäckigkeit führte. Die Dreyfus-Affäre spaltete die Sozialisten vor ollem durch ihre politischen Folgen. Getreu seinem Gefühl, immer an alle Schichten zu appellieren, die durch ein wenn auch nur vorübergehendes In- teresse am Befreiungskampf vereinigt waren, hat Jaures ein ganzes System des Kampfes damals herausgebildet, das ihn zu Koalitio- nen mit bürgerlichen Fraktionen führte. Ich erwähne nur kurz, daß damals der Eintritt von Millerand in das Ministerium Wal- deck-Rousseau erfolgte: daß sich daran die Auseinandersetzung über die Beteiligung an einer bürgerlichen Regierung knüpfte: daß der Revisionismus von Deutschland nach Frankreich und in die ganze Ilsternationale getragen wurde: daß dann 1899 und 1999 die sran- zösischen Einheitstongresse stattfanden, wo die sozialistische Einheit sich zu bilden und wieder auseinanderzufallen schien, um schließlich In dem Beschluß des Internationalen Kongresses von Amsterdach (1994) zu enden, wo die srwnzösischen Sozialisten beider Richtungen f die Verpflichtung übernahmen, die proletarischen Kräfte Frankreichs in eine Partei zu verschmelzen. Niemals erschien die einfache Rechtschafseuheil. die alle Handlungen von Jaures bestimmte, so klar wie damals. Gegen seine eigenen Anhänger setzte or alle seine Kraft in den Dienst der Einheit. Gegen den Widerstand seiner An- Hänger hotte Jaures sich zu der Ileberzeugung durchgerungen, daß der„Block der Linken"", in dem Jaures eine gefährliche und gleich- zeitig so geschickte Rolle zu spielen vermochte, was für Jaures aber nur der Verfuch war, die bürgerliche Republik über ihre Grenzen hinauszutreiben, daß dieser Brock der Linken sich überlebt hatte. Die Dreyfus-Affäre. die ihn von 1898 bis 1992 aus der Kammer entfernt hatte, gab ihm dadurch Gelegenheit, durch die Feder und das Wort noch mehr der Sache zu dienen. Damals begann er seine Geschichte des Sozialismus, von der ich hier nur erwähnen will, ivie sehr seine„Erwägungen" über die Geschichte bezeichnend sind für die Gewissenhaftigkeit dieses großen Arbeiters und die Fähigkeit, die Elemente zu verarbeiten, die seinem Hirn durch die Tatsachen zugeführt wurden. In diesen Seiten, die wie unter einem mächti- gen und regelmäßigen Impuls geschrieben sind, sind die tiefften Studien konzentriert. Besoirders die erste Hälfte des ersten Bandes, der den Ursprung des bürgerlichen Reichtirms vor 1789 aufzeigt, ist auf unveröffentlichte und außerordentlich interessante Dokumente S
zurückzuführen. Jaures lebte so sehr die Kämpf«, die er schilderte, daß er es sich nicht verkneifen tonnte, Mirobeau, Robespierre und dem Kardinal Maury vorzuhalten, was sie eigentlich damals noch hinzufügen hätten müssen, um wirklich die Interessen der Klaffen zu. vertreten, die sie damals verteidigten. Damals war es auch, wo er der eben geeinigten Partei die Waffe einer Tageszeitung gab. Gegründet im Januar 1994 mit Geldern, die ihm von„Sympathisierenden" zur Verfügung gestellt wurden, drohte die.„Humanitä" trotz ihrer ausgezeichneten Redaktion bald wieder zu verschwinden. Jaures gelang es in einer Reihe von Bersominlungen in Gemeinschaft mit den Sozialisten aller Rich- tungen, die Opferbereitjchaft der Arbeiter zu wecken, denn es war ja endlich dos Natt der geeinten Partei, es war ja„ihr Blatt", da es doch das Blast„ihres Mannes", das Blast Jaures' war. Tag um Tag hatte Jaures in der.�humanste" die Ereignisse analysiert und daraus für dos Proletariat olle LehrM gezogen. Dieses Studium der alltäglichen Dinge führt« Jaures mehr noch als die international« Idee dazu, von 1995 ab den größten Teil feiner Tätigkeit der Bekämpfung oller kriegerischen Elemente zu widmen,„die der Kapitalismus in seinem Innern trägt, wie di« Wolke das Gewitter". Zunächst ist es der russisch-japanisch« Krieg, der ihm die Gelegenheit bietet, den Betrug der Bündnisse mit Ruß- land aufzuzeigen und als natürliche Folge das Interesse, das die gesamt« Welt hat an der Annäherung von Deutschland und Frankreich . Dann kamen die Gefahren, die aus der ständigen Spannung zwischen Deutschland und Frankreich in Marokko entstanden. Gegen dies« Gefahren appellierte Jaures an die Solidarität des französischen und des deutschen Proletariats, wodurch er sich gleich- zeitig den Zorn der kaiserlichen deutschen und der republikanischen französischen Regierung zuzog. Wenn der deutsche Botfchafter Fürst Radolin im Juli 1995 im Nomen der deutschen Regierung Jaures verbot, in Berlin -eine Rede zu halten, di« der„Vorwärts" übrigens veröffentlicht hat. so haben die Delcasse und Konsorten mit Unter, stützung aller nationalistischen Zeitungen Jaures ständig angeilogt, der„Advokat Deutschlands " zu sein. In der Kammer Hot er nicht aufgehört, mit immer schärferer Klarheit die Unfähigkeit, Untätigkeit und Doppelzüngigkeit der Diplo. maten Und der Regierungen festzunageln und zu verlangen, daß Frankreich die Initiative für eine wahre Friedenspolitik ergreif«. Als«r im Jahre 1911(19. bis 29. Dezember) die deutsch -sranzösische Verständigung forderte, hat er mit prophetischem Scharfblick voraus, gesehen, was der Krieg fein wird, den er nicht gesehen hat:„Man darf sich nicht einbilden, daß der Krieg kurz sein und sich in einigen Blitzschlägen auslösen wird. Man wird in den gegenüberliegenden Gebieten ungeheure und langsame Zusammenstöße erleben, wie dort in der Mandschurei . Menschenmassen werden gären in der Krankheit» in der Not, im Schmerz unter den verheerenden Wirkungen der viel- fach gesteigerten Geschosse...." Für dieses Werk des Friedens, zu der er die gesamte Internatio- nale aufruft, bekämpft er in Frankreich alles, was den Militarismus begünstigt und unternimmt er 1912/13 den hartnäckigen Kampf gegen die dreijährige Dienstzeit, wie er 1919 sein Buch„Di« bewaffnet« Nation" geschrieben Hot. Dieses Buch ist der ganze Jaures . Es war geschrieben als Begründung einer Gesetzesvorlage für die Organi- sierung der Miliz. Man hotte Jaures seine geschichtlichen„Ab- schweifungen", sein« politischen Erwägungen, die in keiner-'Beziehung zu dem Gegenstand stünden, vorgeworfen. Dieser Vorwurf beruht auf der Verkennung dieses Geistes, der immer di« Verbindung zwischen allen Elementen der menschlichen Befreiung suchte. Das Buch gibt nicht nur«inen Entwurf einer militärischen Organisation, die durch ihre Funktion den Militarismus zur Ohnmacht verurteilt. Es zeichnet auch dem internationalen sozialistischen Proletariat ein Programm vor, das dem Kriege Hindernisse entgegenstellt. Für Jaures gibt es für die Internationale nur eine möglich« Politik, und zwar, wenn sie durch ein Kennzeichen den für den Krieg Verantwortlichen feststellt. Dieses Kennzeichen ist für Jaures die Weigerung, den Konflikt einem Schiedsgericht zu unter- werfen. Bis heute hat man wohl kein besseres Kennzeichen gefunden. Niemand hat es besser verstanden als Jaures , in der Oeffenllich- keit das Bedürfnis wachzurufen, di« Außenpolitik der Regierung zu überwachen. So hat Jaures seine Studien immer mehr auf andere Länder ausgedehnt. Man befand sich damals in der Periode der Balkankonflikte, die schon den großen Weltkrieg ankündigten, als die Internationale in Bafel Jaures' Appell an die Proletarier ver- nahm, daß ihre Revolution weniger Blut als der Krieg kosten würde." Dann kam die Krise Im Juli 1914. Obwohl er in seiner Rede vom 25. Juli die Folgen des österreichischen Ultimatums an Serbien in ihrer ganzen Tragweite voraussah, wollte Jaures doch die Hoff« nung auf den Frieden nicht aufgeben. Auf die Regierung in Pari«, in Brüssel , im Internationalen Sozialistischen Bureau, dann wieder in Paris , ohne sich eine Minute Zeit zu gönnen, treibt er alle Ele- mente des Friedens an. um sie zu vereinigen. Mit verstärkter Kraft bekämpft er di« Nervosität, die ganz Europa befällt und selbst pazi» fistische Neigungen lähmt. Er wußte wohl, daß«r in diesem Kampf sein Leben riskierte, Die anonymen Morddrohungen häuften sich feit Monaten, und der direkte Anreiz zum Mord war immer weniger verhüllt in der natio- nalistifchen Press«. Aber Jaures hatte sein Leben ein für allemal dem Proletariat gegeben. Am Abend des 31. Juli wurde diese Hetz« und wurden dies« Drohungen zur Wirklichkeit. Unter dem Revolver- schuß eines verhetzten Narren fiel Jaures gewissermaßen an der Schwelle der großen Katastrophe, und dos Proletariat..der ganzen Welt ist beraubt um di« Jahre, die er noch in seinen Dienst stellen kannte. Zehn Jahre nach Kriegsausbruch hat das republikanisch, Bürgertum Frankreichs die sterblichen Ueberreste von Jean Jaures zwischen seinen großen Männern im Pantheon beisetzen lassen. Eine höhere Ehrung wird ihm zuteil durch die Arbeiterklosse, für die Jaures noch lebt und die sich der Lehre Jaures '«rinr/ert, daß nur durch ihre übereinstimmende Anstrengung in ollen Ländern der Welt auf dem Wege des Sozialismus eine Gesellschaft errichtet werden kann, wo sein Hoffnungsruf zur Wahrheit wird: Nie wieder Krieg I