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Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Mittwoch

4. September 1929

Die

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

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Labours Friedensziele.

Programmatische Rede Macdonalds in der Völkerbundsversammlung.

W. Schw. Genf  , 3. September.  ( Eigenbericht.) Washington bekanntgeben zu können. Die britische Regie: Für diejenigen Delegationen, die 1924 die Londoner rung wird zur Revision der längst überholten Artikel 12 und Dawes- Konferenz mitgemacht hatten, dann zur fünften 15 der Bölkerbundsatzung( nur Versuch, nicht Zwang zur Völkerbundversammlung gefahren waren und dort mitein schiedesgerichtlichen Regelung) Anträge einbringen. Die ander das Genfer   Protokoll abgeschlossen hatten, begann britische Regierung hat sich entschlossen, die Schieds­heute die zehnte Bundesversammlung, die sich unmittelbar pflicht des Haager internationalen Gerichtshofes, d. h. die an die Haager Reparationsfonferenz anschließt, in einer sogenannte Fakultativklausel zu unterzeichnen, eine ähnlichen Stimmung. Hatte man soeben seine Fähigkeit be- Ankündigung, die mit stürmischem, immer wiederholtem Bei­wiesen, Den Weltfrieg in fiquibieren, to entfaltete, in the fall begrüßt wurde. Er hoffe, daß jedes der Dominien mehr ein Wetteifer, zu zeigen, daß man am Aufbau im Laufe der Tagung eine gleiche Erklärung abgeben könne. des Friedens hinter feinem anderen zurückstehen will. Dann hat Macdonald im flaren Gegensatz zu den nichtigen Aus dieser Stimmung heraus begann heute die politische Borwänden der tonservativen Regierung fich im Namen des Debatte, die formell über den Bericht des Getre britischen Weltreiches dazu bekannt, daß es in Zukunft bei tariats über die im vergangenen Jahr geleistete Arbeit Rechtsstreitigkeiten nicht mehr sein britisches Uebergewicht in stattfindet, mit der Erinnerung des von stürmischem Beifall die Wagschale werfen, sondern sich einem unparteiischen begrüßten britischen Premierministers Ramsay Mac   Schiedsgericht beugen wolle. Ueber diese Einzelankündi­donald an seinen ersten Genfer   Besuch vor fünf Jahren. gungen hinaus ging Macdonald zu programmatischen Ziel­Er stellte fest, daß sich vieles gebessert hat. Deutsch  - fegungen über. Er wandte sich gegen die Versuche, den land ist Mitglied des Wölferbundes gewor- Minderheiten ihr Eigenleben zu verkürzen mit der den, die allgemeine Sicherheit, weitgehend eine psycholo- Formel von den zusammengesezten Staaten". Er forderte gische Angelegenheit, ist seitdem start gefördert worden. Mag vom Böllerbund Kampf für das freie wirtschaftliche der Kriegsverzicht vielleicht noch ein Luftschloß darstellen, so 3usammenleben der Böller und sagte als Regierungs­gelte es eben, die Fundamente dafür zu bauen. Des chef des größten Kolonialreichs der Erde der Machtpolitik halb begnügte Macdonald sich nicht etwa mit allgemeinen gegenüber anderen schwächeren Kulturen und Rassen ab. Deflamationen, sondern zählte mit schlagartig sich steigern- Seine Rede steigerte sich zu dem Bekenntnis des festen den Säken auf, was die britische Arbeiterregierung Willens der britischen Arbeiterregierung, große Schritte zum au des Friedens bereits getan habe und unmittel in eine neues Zeitalter zu tun, in dem das Schiedsgericht bar zu tun beabsichtige. Die Truppen verlassen das an Stelle der Waffen, und die Versöhnung an Stelle der belegte Gebiet von der nächsten Woche an; die Ab Drohungen herrsche. rüstungsverhandlungen mit Amerita sind so weit gediehen, daß von 23 zu regelnden Einzelfragen bereits 20 vereinbart find; er hoffe, noch vor Ende der Versamm lung den Abschluß einer. Abrüstungsvereinbarung mit

Reichsfabinett über Haag. Rundgebung Hermann Müllers. Einmütige Zuflimmung Das Reichskabinett trat am gestrigen Nachmittag zur Entgegennahme des Berichts der deutschen   Delegation über die Haager Konferenz zusammen. Den Borsiz führte in Vertretung des Reichskanzlers, der zu seiner völligen Wieder­herstellung voraussichtlich noch für drei Wochen in Bühlerhöhe   weilt, der Reichsminister des Auswärtigen  Dr. Stresemann, der auch als Führer der deutschen  Delegation einen Bericht über den Ablauf der Konferenz er­staltete. Die Reichsminister Dr. Hilferding  , Dr. Cur tius und Dr. Wirth gaben ergänzende Einzelberichte.

Der Reichstanzler, dem am vergangenen Sonntag durch Staatssekretär Dr. Bünder in Bühlerhöhe   eingehen­der Vortrag gehalten worden war, ließ in der heutigen Ka binettssigung durch den Staatssekretär erflären, daß er der deutschen   Delegation feinen aufrichtigsten Dant und seine Anerkennung ausspreche. Es sei das Verdienst der deutschen   Delegation, die Grundlage für eine erhebliche, sich alsbald auswirkende Minderung unserer Lasten für die Zukunft geschaffen und die Wiederherstellung deutscher Staatshoheit nach innen und außen zu einem nahen Termin sichergestellt zu haben. Die überwälti gende Mehrheit des deutschen   Volkes werde die endgültige Festsetzung der Räumung mit dem Gefühl herzlicher Freude begrüßen.

Das Reichskabinett pflichtete nach eingehender Aus sprache dieser Auffassung des Reichskanzlers einstimmig bei und gab insbesondere der Genugtuung darüber Ausdruck, daß das Sehnen des besegten Gebietes nach Anbruch der Freiheitsstunde seine Erfüllung findet.

Großflugtag in der Humanité".

Sechs Redakteure auf einmal entiaffen.

Paris  , 3. September.  ( Eigenbericht.) Moskau   regiert auch in Paris   mit eiserner Hand. Die Macht. haber der driften Internationale haben zu einem gewaltigen Schlag gegen die humanité" ausgeholt. Die große Säu­berungsaffion, die der kommunistische Parteivorstand nach dem Fehlschlag der Kundgebungen vom 1. August in Ausführung der von Moskau   erhaltenen Befehle eingeleitet hat, hat auch vor den Türen des eigenen Parteiorgans nicht halt gemacht Dieses wird beschuldigt, in den lehten Wochen wiederholt gegen die 3n­struktionen der Parteizentrale verstoßen zu haben. In der ganzen letzten Zeit," heißt es in einer am Dienstag vom Partei­verftand veröffentlichten Erklärung, war die politische Haltung der Humanité sowohl in der Frage der imperialistischen Offensive

Boraussichtlich wird die allgemeine politische Debatte bis zum Ende der Woche dauern. Am Montag beginnen die Rommissionen zu arbeiten.

( Weitere Meldungen auf der dritten Seite.)

gegen Sowjetrußland, wie vor allem auch in der Abwehr der bür­gerlichen Angriffe gegen die Partei sehr unzureichend und sogar instanzen nicht gelungen, von der Redaktion eine korrektur ihrer falsch." Troß wiederholten Interventionen jei es den Zentral­völlig verfehlten Politik durchzusehen. Der Parteivorstand habe sich deshalb nunmehr zu energischem Durchgreifen veranlaßt gefehen. Diefer fönne nicht länger dulden, daß das offizielle Parteiorgan sich eigenmächtig feiner Leitung zu entziehen versucht. Zur Strafe seien die schuldigen Redakteure, sechs an der 3ahl sofort entlassen und ein besonderes Direttionsfomitee ein­gefeht worden, dessen Weifungen fich die Redakteure fünftig wider­spruchslos zu fügen haben. Die Namen der sechs auf die Straße ge­fetzten Redakteure find bisher nicht mitgeteilt worden. Es scheint sich unter ihnen teiner der prominenten zu befinden, auch Baillant Couturier nicht, der seit einigen Tagen nicht mehr zeichnet, und von dem man angenommen hatte, daß auch er gemaßregelt

worden sei.

Bezeichnend für die von Moskau   diftierte Haltung des Blattes ift übrigens, daß es am Dienstag die Judenmassafetsin pa­läst in a verherrlicht und die Araber der Sympathie und der Unterstützung des Proletariats der ganzen Welt versichert. Borläufige Ergebnisse der Generalfäuberung" im Gowjetstaat.

Mostau, 2. September.  ( Ost- Expreß.) Die Zentralkontrollfommission der Kommunistischen Partei ver­

und Beamten, Wallstr. 65. Diskonto- Gesellschaft, Depofitenkasse Lindenstr. 3.

Das Negerproblem in Amerifa.

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Wandel der sozialen Struktur.

Von Franz Josef Furtwängler  .

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Welche wirtschaftlichen Wandlungen die Vereinigten Staaten   durch den Krieg und seit dem Kriege erlebten, weiß man auch in Europa  , aber recht wenig im allgemeinen von dem sozialen Strukturwandel, den sie dabei im Inneren durchmachten. Da sind um hier nur das eine zu er= wähnen jene Millionen Neger, deren Vorfahren feit 1620 von Afrikas Westküste in die Südstaaten der nord­ amerikanischen   Union   verschleppt und dort in Plantagen und Betrieben als verkäufliche Arbeitstiere, verwendet wurden: wir tennen diesen unglücklichen Neger aus Onkel Toms Hütte", jener erschütternden Erzählung, welche. der Zeit ent­sprechend, etwas schmalzig und sentimental, aber in der Tat­sachenschilderung offenbar nicht übertrieben war und die soviel zur endlichen Abschaffung der Sklaverei beitrug. Im Jahre 1908 verbot man in Amerika   den Handel mit Negern, doch erst der Bürgerkrieg( 1861 bis 1865) zwischen Norden und Süden beendigte die Negersklaverei. 1790 gab es in den Vereinigten Staaten drei Viertelmillionen Neger, zu Be­ginn des Bürgerkrieges 412 Millionen und heute nicht weniger als 11 Millionen Reger und Negermischlinge, das heißt 10,7 Proz. der Gesamtbevölkerung. Der befreite Reger war auch weiterhin die hauptsächlichste Arbeitskraft im agrarischen Süden der Union  . Dort, in den Staaten von Mississippi   und Südkarolina, wo die Neger über die Hälfte, in Virginia  , Georgia  , Alambama, Florida  , Louisiana  , wo sie heute noch verachtet und gemieden, dürfen nur ihre ge­fonderten Kirchen, Schulen, Gasthäuser, Verkehrswagen usw. benutzen. Es geschah in Paris   während des Krieges, day forsche junge Amerifaner im Café Neger mit Fußtritten hinaus ,, fidten" so tief wurzelt bei den Bewohnern der Plantagenbezirke von USA  . die Gepflogenheit unsanfter Raffentrennung, daß sie im fremden Lande gleichsam als unwillkürlichliche Reflerbewegung noch geübt wird.

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Auch in Industriebetrieben des Südens arbeitet der Neger nicht in follegialer Gleichberechtigung neben dem weißen Arbeiter; nur zu Träger- und Handlangertätigkeiten wird er zugelassen. In Cincinnati  , wo wir 1925 eine Reihe von Fabriken besichtigten, fiel uns gelegentlich die Abwesen­teilungsmeister auf, deren Tätigkeit wir in Chitago, Detroit  heit der schwarzen Schlosser, Werkzeugmacher und Ab­und anderen Städten kennengelernt hatten. Man flärte uns auf, die colour line" oder Farbengrenze, die Norden und Süden trennt, sei der Ohiofluß, der mitten durch die Stadt fließt. Drüben über der Brüde fönne man in der gleichen Stadt Neger in allen Berufen neben den weißen Arbeitern tätig sehen, hier aber, diesseits der ,, colour line" würde zwar fein Gefeß, aber die alte Raffenantipathie es jedem weißen Amerikaner verbieten, Schulter an Schulter mit einem Neger denselben Beruf aus­zuüben.

Während des Weltkrieges wurden dann viele Hundert­taufende schwarze Lohnarbeiter aus dem Süden in die In­dustrien der nördlichen Staaten jenseits des Ohioflusses her­angezogen, von wo sie nicht wieder ins südliche Land der gefetteten Borfahren zurückkehren.

Im Norden ist der Neger meniger offenkundig verachtet. 3war stellt er natürlich in seiner Mehrzahl auch dort die unterste Proletarierschicht dar, aber man findet ihn in jeder Eisen- und Straßenbahn, sieht ihn in fast jedem Hotel und Restaurant von New York  , Chikago, Detroit  , Bufallo usw. Gleichberechtigt und in gleicher Berufstätigkeit arbeiten Neger neben Weißen in den großen Befrieben der nordöst­lichen Induſtrieecke der Union   als Schlosser, Mechaniker, Tischler, Zimmerer. In den Transportberufen, wo sie be Tischler, Zimmerer. In den Transportberufen, wo sie be­sonders zahlreich sind, haben sie ihre eigenen Gemert­wo sie den Beruf des Wärters in den Pullman- und Schlaf­wagen vorwiegend ausüben. Als Angehörige anderer Be rufe sind sie in den Gewerkschaften der Weißen, soweit diese sie nicht laut Statut ausdrücklich ausschließen,

öffentlicht eine Mitteilung über einige Ergebnisse der großen Generalfäuberung des Sowjetapparats und der kommunistischen   Partei, die übrigens noch keineswegs abgeschlossenschaften ebenso, wie unter den Eisenbahnbediensteten, ist und wohl noch längere Zeit in Anspruch nehmen dürfte. Die Zentralfontrollkommission teilt mit: in 33 Bezirken wurden 195 fommunistische Parteizellen geprüft, die verschiedenen Sowjet inftitutionen angegliedert find. Dabei wurden 4863 Parteimitglieder einer Prüfung unterzogen, in deren Ergebnis 9,2 Proz. der ge­nannten Personen mit Ausschließung aus der Partei be= straft wurden. 11,4 Proz. erhielten Verweise, 1,3 Proz. wurden ftraft wurden. 11,4 Proz. erhielten Verweise, 1,3 Pro3. wurden von den bisher eingenommenen verantwortlichen Bosten abgefeßt. Die Bergehen, die zu diesen Maßregelungen führten, waren: Ber­bindung mit fowietfremden bzw. parteifeindlichen Ele­menten, Unterdrückung der von der Parteileitung vorgeschriebenen Selbstkritik" der Zellen, so daß Klagen über Vorgejezte, fehler hafte Verwaltung usw. nicht laut werden konnten.

Beppelin über Santander.

Auf der Fahrt nach Bordeaux  . Friedrichshafen  , 3. Eeptember. Das Luftschiff Graf Zeppelin  " funkte an die Werft in Friedrichshafen   folgenden Standort: 20 Uhr San. ander, Kurs auf Bordeaux  .

( Weitere Meldungen in der Beilage.)

was allerdings oft der Fall ist. Wohl sind die Behausungen weißen Bevölkerung abgetrennt in besondere Stadtteile. Be­der Neger in den Großstädten des Nordens von denen der tannt ist Harlem  , das schwarze Viertel von New Yorf, mit feinem bunten Gewimmel von Negern in hellen Anzügen und Negerfrauen in grellen Kleidern. Doch manchen schwarzen Bürger der Neuen Welt, der als Besizer eines Kaufladens, Tingeltangels oder Geschäftsbetriebes zu Wohlstand gelangte, zieht es hinaus aus dem proletarischen Konzentrationslager seiner Raffe. Den ersten Ausdruck findet sein geschäftlicher Erfolg in dem Wunsche, Harlem   zu ver­laffen. Dann aber meldet sich auch in den Nordstaaten das Vorurteil: die Straße in der Weststadt, in die ein Neger einzieht, wird entwertet", jeder Hausbesizer in der Um­gegend sucht sein Grundstück so schnell wie möglich loszu­schlagen. Immer mehr Neger rüden nach, und so wird all­mählich eine Häuserreihe, in der ehemals lauter weiße Voll­bürger" wohnten, zur Negerstraße. Eine solche sahen mir seinerzeit in einem vornehmen Biertel von Chikago. Es ist beachtenswert, wie im einfimals ,, negerfreundlichen" Norden