Mittwoch 4. September 1929
Unterhaltung unü AAssen
Beilage des Vorwärts
£eben einer 3)reichmaichine
Sie steht auf dem Gutshof in der großen Scheune. Die Felder sind abgeerntet, die Scheunen bis zum Dach mit Garben gefüllt und der Drusch beginnt. Die Dreschmaschine ist erst in diesem Jahre an- geschafft worden, sie sieht noch blank aus und hat saubere, helle Farben. Grün, rot, blau. Sie sieht schön aus für eine Dresch- Maschine. Außerdem kann sie etwas. Der Inspektor ist mit ihren Leistungen zusrieden. Eines Tages aber begeht sie doch eine Ungeschicklichkeit. Nie- wand weiß zunächst, was eigentlich passiert ist, jedenfalls ober hat sie neue Dreschmaschine Plötzlich ganz dumpf„fym" geseufzt und gestreikt. Di« Welle dreht sich nicht mehr, ein Riemen ist herab- gefallen und der Motor summt wie ein großes Infekt in Flammen. Der Inspektor ist sehr ärgerlich. Der Einleger an der Walze benutzt die unvorhergesehen« Paus«, um sich ein paar Distelhäkchen aus den Fingern zu ziehen. Das Mädchen hinten an der Stroh- presie, wo übrigens wieder eine„schöne Unordnung" herrscht, setzt sich aufatmend auf ein Strohbund und reinigt sich das erhitzte Gesicht mit einem nicht sehr sauberen Tuch. Vom Bansen oben kommt Gekicher von jungen Mädchen und Arbeitern, bis der In- Ipektor einmal kräftig hinaufflucht. Dann wird es etwas stiller, ober es kichert immer noch zwischen den Balken der Scheune. Der Inspektor sucht mit dem Vorarbeiter und dem Eleven die Maschine in Ordnung zu bringen, es will ihnen nicht gelingen. Der Mechaniker muß unbedingt kommen. Da es zum Feierabend nur noch zehn Minuten sind, läßt der Inspektor die Leute abtreten. Feierabend! Ausnahmsweise ein» mal srüher. Di« Frauen gehen heim in ihr« Hütten, um das Abend- brot zu bereiten, die ftnechte müssen noch in den Pferdestall und der Eleve schließt die Tor« ab. Di« Dreschmaschine steht allein in der Scheune. Es wird ganz dunkel. Hihihil lacht ein Teuselchen im Dreschkasten. Ein Kornsack, den der Arbeiter zuletzt zugebunden und in der Eile schlecht weggestellt hat, erschreckt, und fällt langsam um. Noch immer kommen von außen die letzten Geräusche des Werk- tages in die still«, dunkle Scheune. Eine laute Stimme ruft über den Hof, ein Gespann kehrt jetzt erst vom Acker heim, ein Wagen poltert noch über das Pflaster. Bald wird es ganz still. Auch dos Gutshaus steht ohne Laut und Licht in der Dunkelheit der Herbst- nacht. Nur in der Küche und im Arbeitsraum des Inspektors bleibt dos Licht am längsten brennen. Kein Mensch denkt jetzt an die Dreschmaschine, die heute � ge- streikt hat. Selbst der Herr Inspektor nicht. Zwar hat er noch einmal die Gedanken bei der Dreschmaschine gehabt, als er sich müde ins Bett legte, aber er ist gleich eingeschlafen mit einem letzten Seufzer: Na, morgen kommt ja der Kuhnert. Kuhnert ist nämlich der Mechaniker. Auch die Dreschmaschine versucht jetzt zu schlafen, es will ihr nur nicht gelingen. Irgend etwas tut ihr weh. Sie könnte es nicht
sagen, wo der Schmerz sitzt, ob im Schüttelwerk oder in der Welle. Vielleicht ist es auch nur die Anstrengung des vergangenen Werk- tages, die ihr noch in den Gliedern steckt. Im Halbschlaf sieht und hört die Dreschmaschine nun manche Dinge, die der Inspektor nicht sehen und hören kann. In die stummen, steisen Kornsäcke kommt plötzlich Bewegung, es sieht im Halbdunkel aus, als versuchten die Kornsäcke zu hüpfen, erst plump und dann schneller. Sie wnzen ja, denkt die Dreschmaschine und möchte nun ihre Räder mitlaufen lassen, um die Musik dazu zu machen. Aber si« stöhnt nur etwas. Der Eleve hat wieder vergessen, die Räder richtig zu ölen. Man müßte es dem Inspektor sagen. Ein schöner Inspektor, denkt die Dreschmaschine, er versteht mich nicht, wenn ich ihm das sage. Er versteht mich immer erst dann, wenn schon etwas in mir entzwei- gegangen ist. Husch... husch... was ist denn das, Husch. Es läuft über den Leib der Drehmaschine: Feldmäuse! Das ist nicht angenehm, aber was soll man machen? Man läßt sich kitzeln und versucht einzu- schlafen. Oben auf dem Bansen sst es auch recht lebendig. Di« müden Gabeln rühren sich zwar nicht, sie schlafen steif und troumlos etwas nach vornübergesunken, aber Mäuse kommen aus Winkeln und Löchern mit lustig blinzenden Aeuglein, denn es wird hier oben ein richtiges Fest gefeiert mit Tanz und Schmaus. Auf einem roten Kopftuch, das eine Magd vergessen hat, hält di« Mäuse- königin Hof. Morgens in aller Frühe, wenn das Frühlicht noch kaum durch die kleinen Fenster der Scheune äugt und in den Ställen das Vieh unruhig zu werden beginnt, wird dann plötzlich rasselnd das Tor aufgeschlossen und geöffnet. Der Mechaniker ist da. Vor Schreck erstarren die Säcke, die Mäuse huschen in ihre Löcher zurück, die Gabeln wachen auf und gähnen müde und die Dreschmaschine sieht den Mechaniker neugierig an. Sie kann nickst sagen, wo es ihr weh tut, sie kann auch nickst erzählen, was sie in der Nacht gesehen und gehört hat. Der Inspektor würde laut auf- lachen und mit der Reitgerte gegen seine hohen Stiefel schlagen. Darum liebt die Dreschmaschine den Mechaniker mehr als den Herrn Inspektor, er sst nicht so von oben herab zu ihr und versteht sie auch besser. Um sieben Uhr kommen dann wieder die Gutsarbeiter in die Scheune. Der Einleger steigt auf den Dreschkasten, das Modchen hinten an der Strohpresse bindet sich ein neues Kopftuch um, und die Mädchen oben auf dem Bansen gähnen und räkeln sich noch einmal,«he sie zur Gorbengabel greifen. Der Motor summt auf, die Riemen gleiten glatt, die Welle dreht sich ausgeschlafen, das Schüttelwerk kommt in zitternde Bewegung, die ganze Dresch- Maschine sst wie verwandest und in voller Tätigkeit. Kurt Rudolf Neubert.
Iftlax tMochdorf: Jfnt StOUleUe
TagÄang, vielmehr vom Mittag bis zum ersten Morgen, habe ich nun neben Madame Rufepsen am Roulette gesessen. Sie war einmal eine hübsche Frau. Dann soll chr Mann gestorben sein. Seitdem spielt sie, bald in Ostende , bald in Monte Earlo. Zum Essen braucht sie kaum etwas. Kleider bedeuten ihr nichts. Ihre Hüte sind Museumsstücke. Do sie meinen gesetzten Jahren vertraut, erzählt sie:„Sehen Sie, seitdem er nicht mehr sst... wir haben uns unsäglich geliebt. Hätte mich nicht der Pfarrer von seinem offenen Grabe zurück- gehalten, ich wäre ihm nachgesprungen. Ich konnte ihn nicht ver- gessen. Ich wollte lesen, um durch fremde Schicksale mein eigenes Schicksal fortzuschwemmen. Doch was in den Büchern stand, das gelangt« gar nicht bis in meinen Kopf hinein. Die Buchstaben ver- schwanden, und ich sah nur ihn in seiner Zärtlichkeit und in der einschmeichelnden Anbetung, die er mir ständig entgegengebracht hatte. Eines Nachts erschien er mir. und er tröstete mich, wie er es nur zu tun vermochte. Er nahm mich, ganz, als wäre er noch lebendig, in sein« Arme und streichelte mich. Und dann sagte er: „Spiel doch, um zu vergessen! Du wirst sehen, daß es dir Er- leichterung bringen wird. Deine Gedanken werden bald ganz von den Zahlen ausgefüllt sein!" Und ich tat, was er von mir ver- langte. Und wirklich, hier am Roulette habe ich wieder etwas anderes denken gelernt als nur meine Trauer. Hier am Roulette kann ich allein noch ohne ihn leben. Er hat mir die richtige Medizin genannt, damit ich vor dem Selbstmord bewahrt bleibe. Meine Gedanken beschäftigen sich jetzt nur noch mst den Zahlen. Ich habe da» Bergessen gelernt, weil ich das Spiel gelernt habe." „Kann man das lernen?" .Lernen nicht, begreifen nicht, aber fühlen. Ja, wieder fühlen lernen kann man am Roulette. Die Hände wachen wieder auf..." „Die Hände?" .Laben Sie schon darauf geachtet, daß nur abgezehrte Hände gewinnen? „Ich Hab' überhaupt noch auf nicht» geachtet." „Also tun Sie das!" Und ich studiert« eine Woche lang die Spielerhände aus dem Roulettetisch. Die Heuschreckenhände mit Krallen, deren Finger ganz spitz zulaufen, die Hände am gebrechlichen Gelenk, deren Rücken mit bläulichen Adern und mit tief gekerbten Rillen durchsetzt sind, diese abgezehrten Mönch- oder Nonnenhände gewinnen immer. Aber es gewinnen auch die Hände der fetten Spieler die schwitzenden Hände mit den Wülsten am Mittelgelenk, die Hände, die in Knollen und Schwellungen geteilt sind, und deren Fingerspitzen einem klebrigen Saugpfropfen ähneln. Alles andere, was schlank und erfreulich Ist und nicht mst Schmalzlippen schnalzt, geht leer aus. Madam« Rufeysen war doch hübsch. Nein, sie gehörte, wenn man genau hinsah, in die Heuschreckenklasse. Nur pflegte sie sich. nur massierte sie die Hände mit Salben. Si« sagte:„Sestdem ich spiele, fünf Jahre spiele ich setzt schon. Hab' ich weder verloren noch gewonnen. Doch, fünf Iahrx Leben Hab' ich gewonnen. Leben ohne Denken. Das sst herrlich, dieser Kampf gegen den Croupier. Uebrigens bin ich nicht etwa reich. Ich zieh« nur von meinen kleinen Renten die Einsatzjumme ab. Das wird einmal mehr, einmal weniger. Doch seit fünf Jahren sst es weder mehr noch weniger geworden. Ich Hobe noch immer mein
Spieltapstal. Ich wert» es noch haben, wenn ich schon im Rollstuhl gefahren werden muß." Es war sehr amüsant, wie si« doublierte, wie sie verfünffachte, um«inen Verlust wieder auszugleichen. Das schien ein ganz ein- fache? System, und es leuchtete auch mir ein. Ich wollre auch setzen. Sie aber warnte:„Um Gotteswillen, nicht! Sie haben keine Spielerhändel" Ich habe nicht gespiest. Ich habe auch nicht auf die Finger geblasen, wie die Spieler tun, wenn sie erschöpft aufspringen. Dann blasen sie nämlich auf die Finger, als wenn sie ein Geschwür oder eine Brandwunde daran hätten und sich Linderung verschaffen wollten. Keiner kümmerte sich dabei um den anderen. Die Spieler am Roulett« waren die ungeselligsten Leute. Sie wurden böse, sobald sie sahen, daß sie beobachtet wurden. Eine Dame vom Heu- schreckentyp schlug heimlich ein Kreuz, bevor sie ihre Ietons plazierte. Sie gewann ungeheuerlich. Si« war übrigens die unappetitlichst« Kreatur. Sie bohrt« mit den Fingern, solange sie nicht beiin Spiel beschäfttgt war, in der Nase herum. Sie war eine Gräfin Cr. Madame Rufeysen lächelte, wenn sie spielle. Wenn sie nicht spiest«, trank sie bei dem Spielbarkellner Clement Orangenwasser. Clement war der sanfteste Mensch, den man sich denken tonnte und machte seinem Namen, der ja die Sanftheit bedeutete, alle Ehre. Einmal wollt« ihm ein Spieler eine Ohrfeige geben. Das hatte nur zur Folge, daß Clement sich lächelnd verbeugte und um Ent- schuldigung bat, für etwas, was er gar nicht getan hatte. Seit fünf Iahren ehrte Madame Rufeysen das Andenken ihres toten Mannes, indem sie am Roulette ihren Schmerz austobte. An ihrem stg. Geburtstag wacht« sie mst Kopfschmerzen auf. Um Zest zu sparen, nahm sie gleich die Tablettenration für den ganzen Tag. An ihrem Geburtstag wollt« sie sich ein Sondervergnügen gestatten, ihr Durchschnittsspiel mit den kleinen Chancen aufgeben und das große Spiel wagen. Kurz, sie verlor ohne Unterlatz an ihrem 49. Geburtstag. Als si« sich wieder auf die kleinen Chancen zurück- zog, war auch das kleine Glück von ihr gewichen. Die Säule ihrer Spielmarten wurde immer niedriger. Sie pflegte, trotz der drückenden Saalhitze, im Mantel zu spielen. Jetzt warf sie den Mantel so hastig vom Leib, daß er am Aerrnel einriß. Sie riß die Perlenkette vom Hals, um sie auf den Spiellisch zu schleudern. Es war, als wollte sie sich aus einem würgenden Strick befreien. Den Hut zerrte sie von» Kopf, sie sprang vom Stuhl auf, sie ließ sich auf ihren Sitz zurückfallen, si« zerquetschte rücksichtslos den Hut. Ihr sonst bleiches Gesicht rötete sich fiebrig. Man sah jetzt die tiefen Runzeln, die sich in ihre Stirn gegraben hatten. Schweiß perlte auf ihren Händem ihrem Hals, ihren Wangen. Ihr letzter Ieton log auf dem gründn Tuch. Der Croupier knurrte die Gewinnzahlen. Madame Rufeysen hatte den letzten Einsatz verloren. Der Croupier griff die Schippe, um das kleine, knöcherne Geldstück, das ihm jetzt gehört«, in feine Kasse hineinzuziehen. Er spielt« mst dem Geld- stück, wi« die Katze mit der Maus. Er tat, als wenn es sich gar nicht lohnte. Erst stieß er die Knochenscheib« noch»ine Welke vor sich her. Cr beklopfte das Geldstück mit der Schippe. Endlich»in Ruck, der Croupler hatte Madam« Rufeysen, seine hartnäckigste Gegnerin, nun auch besiegt. Da zuckte ihr Mund. Sie griff nach dem Herzen. Ihre dünnen Lippen wurden noch dünner. Mst beiden Fäusten umklammerte
sie die Geldschipp« und stöhnt«:„Es sst nicht war, daß mein Mann ein guter Mann war! Ich Hab gelogen Was wahr ist, ist allein, daß er ein Quälgeist war! Er hat mich sogar heimlich gekniffen, nur um mir Schmerz zuzufügen Die ganzen fünf Jahre über hat er hier heimlich an meiner Seite gesessen und mir das Spiel angeraten, weil er mich umbringen wollte. Aber er soll mich nicht haben, ich geh' noch nicht zu ihm. Ich werde überhaupt nicht zu ihm gehen!" Clement stand vor ihr. Er reichte ihr ein Glas Orangenwasser. Sie trank es mit einem Zuge und bediente sich nicht, wie sie es sonst zu tun pflegte, des Strohhalms. Sie vergaß ihren Mantel, ihre Halskette, ihren Hut und stürmte aus dem Saal. Sie vergaß auch, Clement zu bezahlen. Großmütig erbot ich mich, Clement die vier Fronken für di« Orangeade zu ersetzen. Er aber meinte:„Madame Rufeysen ist mir gut dafür. Mein Detektiv hat mir mitgeteilt, daß si« noch 67 l)l>0 Franken auf der Bank hat." „Ihr Detektiv?" Ganz bescheiden erwiderte er:„Man muß doch sein« Stamm- künden kennen. Heute haben wir Dienstag, ich denke, am Donners- tag wird Madam« Rufeysen wieder am Roulette erscheinen. Dos mst dem verstorbenen Ehemann stimmt übrigens gar nicht. Es gibt keinen Mann, den sie verloren hat. Das ist nur ihr Fettsch, ihr Glücksmärchen, ihre Einsotzchance." „So---?"
Oiino und tKriminalUäi Ein amerikanischer Gelehrter, Dr. H o l m e s. hat die Zusammenhänge zwischen Kino und Kriminalität zum Gegenstand eingehender Studien gemacht und die Ergebnisse seiner Unter- suchungen der Oeffentlichkeit vorgelegt. Er versichert eingangs, daß er ohne Parteilichkest an das Thema herangegangen sei. Für seine Objektivität bürgt der große wissenschaftliche Ruf des Gelehrten, der als Psychologe an der Universität Columbia wirkt. Das Ergebnis seiner Forschungen läßt sich kurz darin zusammenfassen: Das Kino ermutigt nicht nur nicht das Verbrechen, sondern übt im Gegenteil «inen hellsamen Einfluß auf den Geist der Jugendlichen aus. Die Leute, die behaupten, daß Kino demoralisierte diese Generation, sind nicht imstande,«inen Beweis für ihre Anklagen beizubringen. Si« machen es sich sehr einfach, indem sie bestimmt« Filme als verderblich hinstellen. Sie wurden einer großen Zahl von Schülern unter den ver- schiedensten Umständen und Voraussetzungen gezeigt. Kein Kind hat im Verlauf der Experiment« die geringste Sympathie mit den dargestellten Missetätern oder Missetaten zu erkennen gegeben. Indessen könnte man einwenden, daß diese Jugendlichen dem Gelehrten gegenüber in ihren Antworten befangen waren. Wenn man einen Jungen von 12 Iahren fragt, was er von einein Mann häll, der im Film eine Frau niederschießt, so wind«r einem Er., wachsenen gegenüber natürlich niemals seine Sympathie mst einer solchen Tat kundtun. Dr. Holmes hat daher auch andere Weg««in- geschlagen, um zu ergründen, welchen Einfluß ein Film auf die Jugendlichen ausübt. „Wir haben," sagt Holmes,„die überraschende Feststellung gemacht, daß sogar, unmittelbar nachdem der Film abgerollt war, die meisten Kinder sich des Gesehenen nur noch schwach entsannen. Nur die Aelleren tonnten mit einiger Genauigkeit erzählen, was sie auf der Leinwand gesehen hatten: aber auch sie hatten:in ganzen eine ziemlich konfus« Borstellung von den Dingen. Es gab überhaupt nur eine Tatsache, die korrekt wiedergegeben wurde, und zwar:„er wurde ins Gefängnis geworfen" oder„er endete im Zuchthaus". Daraus folgt, daß diese Tatsache allein auf die Jugendlichen einen wirklichen und bleibenden Eindruck macht. In dem Frage- und Antwortspiel, bei dem Dr. Holmes mit großer Vorsicht und Behutsamkeit die Meinung der Jugendlichen er- gründete, ergab sich nicht die mindeste Sympathie für«inen der dargestellten Verbrecher. &aul£eni geHorben Aus Hollywood trifft soeben die Nachricht ein, daß der Film- regisseur Paul Leni kurz vor seiner Ausreise nach Europa an einem alten Leiden gestorben ist. Leni war Maler und spielte bereits in der Dortriegszest in Berlin eine Rolle. An der Reimann-Schule wirkte et jahrelang als Lehrer für Reklamemalerei. Dann ging er zum Film. Vor etwa fünf Iahren bracht« er einen skuril-phantastischen Märchen- film„Das Wachsfigurenkabinell" heraus. Bald daraus ging er nach Hollywood und sein letzter von außerordentlichem Regiekönnen zeugender Film„Die letzte Warnung" läuft augenblicklich im TU. Kurfürstendamm . In der Gestaltung phantastischer Vorgänge, die allmählich aus der Wirklichkest herauswachsen, lag seine Stärke. Seine malerische Begabung gestattete ihm wie kaum einem anderen Regisseur, Bilder von künstlerischem Reiz zu schaffen. Paul Leni gehörte zu den Wenigen, die der. Film tatsächlich ernst nahmen, nicht als lukrative Verdieisstmöglichkeit, sondern als Kunst.— t.
3)ie luftigSfe Stadl des Offeus Umdroht von Kriegen und Gefahren oller Art ist C h a r b i n , di« Stadt in der Nähe der mandschurischen Grenze, der lustigste Ort des fernen Ostens. Die 100 909 russischen Flüchtlinge, die hier ein ziemlich elendes Leben führen, wollen sich durch«inen ewigen Rausch betäuben. Di« Kabaretts und Nachtklubs sind di« billigsten der Well: hier treten Hunderte von weißrussischen Künstlern und Tänzerinnen auf, die froh sind, für ein Butterbrot ihre Künste zeigen zu dürfen. In den Läden glänzen Pariser Modelle, und die Frauen tragen Seidenstrümpfe, auch wenn sie nicht in ehr das Geld für die imchst« Mahlzell in der Tasche haben. Auf dem Sungari- Fluß schwimmen zahlreiche Lustjachten, und die Vergnügung»- lokale am Fluß entlang sind mll Familien dicht besetzt, die in der Hitze Eisgetränke schlürfen und den russischen Liedern lauschen. Am besuchtesten ist der Badestrand, an dem sonnenverbrannte Damen in Badekostümen einherstolzieren, die sich auch auf dem Lido und in Deauville zeigen können. Di« englischen und amerikanischen Be- wohner haben ihre besonderen Bäder, zu denen sie auf ihren Jachten und Dompfbooten hinfahren. In Dutzenden von kleinen Nachtklubs, in denen nur wenig« Personen«ng zusammengedrängt sitzen, zeigen Sänger und Tänzerinnen chr« Künste: sie verdienen hier am Abend ein paar Pfennige, während sie am Tage al» Chauffeure und Träger, die Frauen als Verkäuferinnen ihr Brot erwerben.