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BERLIN  Donnerstag 5. September

1929

Der Abend

Erfcheint täglich außer Sonntags. Bugleich Abendaufgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition; Berlin   SW 68, Lindenstr. 3

Spalausgabe des Vorwärts"

10 Pf.

Nr. 416

B 207

46. Jahrgang.

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Hohenzollern  - Kapitän verhaftet

Unter dem Verdacht der Depotunterschlagung.

Auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft wurde heute früh in seiner Villa in der Annastraße 4 zu Lichterfelde Ost der 55 Jahre alte Kapitän zur See a. D. und spätere Bankier von Sack zusam. men mit seinem 25 Jahre alten in Hamburg   geborenen Adoptivsohn Hans- Dietrich Höpfner von Ead festgenommen. Beide wurden in einem Auto nach dem Polizeipräsidium und von dort nach einem kurzen Verhör nach Moabit   gebracht. Von Sack war früher Kommandant der Hohenzollern  " und hat den Exkaiser auf seinen sämtlichen Reisen begleitet und seine Schiffe geführt. Während des Krieges war er Komman bant eines Unterseebootes. Ihm werden Vergehen gegen das Bank- und Depotgefeh zum Vorwurf gemacht. Der von ihm und seinem Sohne angerichtete Schaden beläuft sich auf 305000 Mart. Ins Rollen Tam die Angelegenheit durch den Gläubigerausschuß, der die Verfehlungen bei einer Bank feststellte.

Im Jahre 1926 gründete von Sad in der Taubenstr. 10 die Privatbant, pon Sad und Sohn", die Spekulations­und Effektengeschäfte nicht tätigen durfte, weil sie kein Depotrecht besaß. Um dieses Gesetz zu umgehen, hatten von Sack und sein Sohn einen alten abgebauten Bankbeamten Adolf Crug angewor ben, der in Berlin  - Südende in der Brandenburgischen Str. 2 wohnte. Er firmierte als alleiniger Inhaber und die Uebertragung aller Geschäfte erfolgte treuhänderisch auf Crug. Von verschiedenen Kun­den wurden der Privatbank Effekten ins Depot gegeben.

v. Sack hat diese Effekten zum Teil bei anderen Banken beleihen laffen, zum Teil hat er sie verkauft.

Das Geld investierte er in einer Aktiengesellschaft Fihag" in Baduz im Fürstentum Liechtenstein  , also im Ausland. Einige der Banffunden haben über die in Depot gegebenen Effekten auch ord­nungsmäßig ein Nummernverzeichnis erhalten, anderen wurde es nicht ausgefolgt.

Staatsanwaltschaftsrat 3immermann ist mit der Vernehmung der Beschuldigten beschäftigt. Es wird festzustellen sein, inwieweit Die erhobenen Beschuldigungen zutreffen.

Die Heide brennt!

1500 Morgen bereits verwüstet.

In den Kreisen Harburg   und Rofenburg wütet ein gewaltiger Moor- und Heidebrand, der zurzeit noch andauert. Bon dem Brand ist besonders die Strede zwischen Königsmoor   und Lauenbrüd im Kreise Harburg   und anschließend die Strecke nach Stemmen im Kreise Rotenburg   betroffen. Die Bewohner des gefährdeten Gebiets sehen der weiteren Entwicklung des Brandes mit Sorge entgegen. Die Kreisfeuerwehren arbeiten Tag und Nacht, doch sind bereits über 1500 Morgen den Flammen zum Opfer gefallen. Der Brandmeister des Kreises Harburg   hat eine eingehende Besichtigung der Brandstätte vorgenommen. In einer Besprechung mit der städtischen Verwaltung in Rotenburg   wurde die Cage beraten und die erforderlichen Maßnahmen zur Bekämpfung des Heide- und Waldbrandes getroffen. Ein Löschen des Moorbrandes durch Menschenhand ist jedoch so gut wie ausgeschlossen. Hier können nur ausgiebige Regenfälle helfen.

Blutiges Drama in Hamm.

3wei Zote, eine Schwerverlette.

Hamm   i. W., 5. September.

In der Nacht zum Donnerstag spielte sich in Hamm   ein blutiges Drama ab. Ein Peter Rünz, der am Mittwoch von Köln   aus nach Hamm   gereist war, gab aus Wut darüber, daß er über Nacht nicht in dem Hause in der Königstraße, wo feine Braut bei einer Familie Salzmann wohnte, aufgenommen wurde, durch die verschlossene Tür etwa zehn Schüsse ab. Der 54jährige Arbeiter Hermann Salzmann wurde dabei durch einen Schuß in den Hinterkopf tödlich getroffen, während die 47jährige Ehefrau schwer verlegt wurde. Als der Täfer jah, was er angerichtet hatte, richtete er die Waffe gegen sich selbst und verletzte sich so schwer, daß er in den Morgenstunden im städtischen Krankenhaus verstarb.

Rede Briands in Genf  .

Wirtschaftsfrieden und Kriegsächtung.

W. S. Genf  , 5. September.  ( Eigenbericht.)

Die Debatte in der Vollversammlung begann heute mit der Rede des belgischen Außenministers y mans, der ebenso wie Macdonald die fortschreitende Besserung der internationalen Beziehungen seit 1920 fonstatierte und die Anregung Macdonalds aufnahm, daß die nicht übereinstimmung zwischen dem absoluten Kriegsverzicht und der Völkerbundsfagung, die den Krieg erlaubt, geprüft werden müsse. Zur Durchführung des Kriegs besonders den Beitritt zum Vertrage über finanzielle Unterstützung. perzichtsvertrages forderte er die Ausarbeitung von Sagungen, Er wandte sich, wie alle bisherigen Redner der Tagung, gegen die hohen Zollmauern und sprach sich für die Festlegung der gegenwärtigen Zollfäße als eines Marimums aus.

Briand  

folgte mit einer Rede, die scharfe Spitzen gegen die neue englische Regierung brachte und nachzuweisen versuchte, daß die ersten zehn Jahre des Völkerbundes nicht verlorene Zeit gewesen seien. Der Bölkerbund müsse in weiser Vorsicht handeln, immer auf die Ein­stimmigkeit seiner Mitglieder bedacht. Locarno  , Kellogg  = Patt und Haag seien vom Völkerbund inspiriert gewesen und deshalb zu den. Erfolgen des Bölkerbundes zuzuzählen. Aber eine ernste Lücke bestehe noch: zwar sei der Krieg durch den Kellogg­Batt verurteilt, aber solange der Völkerbund feine materielle Macht habe, um Kriege zu verhindern und die Friedensbrecher zu be= strafen, habe er seine Aufgabe nicht erfüllt. Nur das Genfer  

Protokoll hätte diese Macht gegeben. Die Entwaffnungsbe­Stimmungen seien zwar eine heilige Pflicht der Völkerbundsmit­glieder, aber sie blieben unerfüllt ohne Sicherheit. Briand   ging dann zu einer Verteidigung der Mehrheit der Abrüstungskommission über, deren letzte Beschlüsse er reale Fortschritte" nannte.

Zu den wirtschaftlichen Fragen übergehend, betonte Briand  , daß man Sachverständige zu Rate ziehen müsse. um die wirklichen Schwierigkeiten zu überwinden. Es scheine einem allgemeinen Be­dürfnis zu entsprechen, daß man in Beziehung zum Völkerbund, aber außerhalb des Bundes ein allgemeines Band zwischen den europäischen   Bölkern schaffe, um gemeinsame Entschließungen zu faffen und wirtschaftliche Sonderaufgaben zu studieren. Er schlage vor, diese Fragen dem Studium der Regierungen zu überweisen, um der nächsten Bölkerbundsversammlung darüber zu berichten.

Was die allgemeine Friedenspolitik anlangt, fuhr Briand   fort, reits unterzeichnet. Seine Unterschrift sei damals noch nicht so hat Frankreich   1924 die Schiedspflicht der Fakultativklausel be= Tagung ebenfalls annehmen. Die französische   Regierung werde die in Kraft getreten. Frankreich   wird die Fakultativklausel in dieser Generalakte dem Parlament zur Ratifizierung vorlegen. Diese beiden Ankündigungen wurden mit lebhaftem Beifall aufgenommen. Briand   schloß mit dem Hinweis darauf, daß

der Frieden nicht aufrechterhalten werden fann in dem Augen­blic, wenn die Kanonen schon aufgefahren sind.

Es gilt, den Krieg im Reim zu erstiden und die zu vernichten, die ihn im Herzen der Menschen aufrechterhalten wollen.

Abstimmungen ohne Mehrheit!

Der Kampf um die Arbeitslosen.

Berfügung stellen werden.

3m Sozialen Ausschuß des Reichstags wurde die ent-| men für feinen der Anträge der Regierungsparteien zur fcheidende Sihung zum Abschluß der ersten Lesung der Arbeits­lofenversicherungsreform um 10 Uhr morgens vom Abg. Esser er­öffnet. Die inzwischen eingegangenen Anträge der einzelnen Fraktionen wurden bekanntgegeben. Alsdann gab der Reichs­arbeitsminister Auskunft über die finanziellen Wirkungen der einzelnen Anträge.

Hierauf vertagte sich der Ausschuß auf eine Stunde, damit die Fraktionen sich endgültig über die Stellungnahme zu den Anträgen schlüssig werden konnten.

Bei Wiedereröffnung um 11% Uhr gab zunächst Frau Abg. Teusch( 3.) namens des Zentrums eine sehr lange Ertla­ung ab, in der das Zentrum versichert, mit seinem Antrag auf Kürzung der Unterstützungssätze für Abeitslose mit weniger als 52 Beitragswochen keinen Abbau der Versicherung zu bezwecken.

Es wird weiter erklärt, daß diefe Neuregelung bis zum 31. März 1931 befristet werden soll.

Die Kommunisten beantragen bezüglich der Unterstützung der Saisonarbeiter, die bisherige Faffung des Gesetzes wieder herzustellen.

Abg. Graßmann( S03.) erklärt, die Sozialdemokratie werde für diesen kommunistischen   Antrag stimmen und nach wie vor die Einführung einer Relation zwischen Beitragswochen und

Bei den Abstimmungen, die bei Redaktionsschluß noch vor fich gehen, dürften voraussichtlich die entscheidenden Abbau­anträge mit wechselnden Mehrheiten abgelehnt

Bis nachmittags 2 Uhr sind feine Anträge von entscheiden­der prinzipieller Bedeutung angenommen.

Wer waren die beiden Fahrgäste? Untersuchung des Bombenanschlags schreitet vorwärts.

Die Untersuchung in der Sache des Bombenanschlages auf den Reichstag   wird von der Polizei weiter mit größter Energie betrieben.

Im Laufe des gestrigen Abends haben sich im Polizeipräsidium wieder einige Zeugen gemeldet, die wichtige Bekundungen machten, läufig noch nichts gesagt werden kann. Langsam schließt sich der über die von der Polizei im Interèsse der Untersuchung jedoch vor­Kreis nach einer gewissen Richtung hin, aber noch viel vorliegendes material ist zu sichten und genau zu prüfen.

Unterstübungshöhe ablehnen, wie sie in den Anträgen mysteriöse Fahrt von der Nürnberger Straße zum Reichstagsgebäude

des Zentrums und der Deutschen Bolkspartei, wenn auch befristet, verlangt wird.

Bei dem demokratischen Antrag, der für die Saison­arbeiter die Unterstützungsfähe nach der Krisenfürsorge bemessen will, wird sich die Sozialdemokratie bei der Abstimmung der Stimme enthalten, da diese Neuregelung mit den übrigen für die Saisonarbeiter gestellten Anträgen im Zusammen­hang fteht.

In der folgenden Debatte befunden nochmals die Vertreter der einzelnen Fraktionen ihren bekannten Standpunkt. Die Deutschnationalen erklären insbesondere, daß sie ihre Stim­

Trotz der Veröffentlichung in sämtlichen Berliner   Blättern haben sich die beiden Männer, die in der Nacht zum Sonntag die in der Autodroschte gemacht haben, bis zur Stunde nicht ge­meldet. Leider ist auch die von dem Droschkenjührer gegebene Beschreibung der beiden Männer so dürftig, daß es schwer sein wird, sie bald zu ermitteln. Jedenfalls ist die Suche nach ihnen bisher ergebnislos verlaufen. Eine besondere Rolle spielt hierbei be­kanntlich die Aktentasche, die nach den Aussagen des Chauffeurs, einer der Fahrgäste erst aus einem Hause in der Nürnberger Straße abgeholt hat. Nach der Ansicht des Droschken­chauffeurs muß sie einen größeren Gegenstand enthalten haben; auf­fällig war, daß die Tasche sehr sorgfältig behandelt wurde.

Der Chauffeur hat weiter bekundet, daß er auf Wunsch feiner