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Morgenausgabe

Rr. 419

A 211

46.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Sonnabend 7. September 1929

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

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Rechtsradikale Gewalttaten Die Bete als Nährboden.

Nationalsozialisten als Messerstecher in Oranienburg   und München  . Schaufenster des Vorwärts" eingeschlagen.

Die Schlacht in München  .

Wie uns spät abends mitgeteilt wird, ist es in des Blattes dauern die Vernehmungen der Verhafteten auf dem ranienburg zu einer blutigen Schlägerei Bolizeiamt in Oranienburg   noch an. Mehrere Polizeiautos zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten gekommen. streifen die Straßen, um die Ruhe aufrechtzuerhalten. Mehrere Kommunisten wurden mit schweren Meiser­it ichen in das dortige Krankenhaus eingeliefert. Die Kommunisten hatten für gestern abend zu einer Versamm­lung im Restaurant von Lach in der Breitenstraße in Oranienburg  aufgerufen. Während des Vortrags des fommunistischen Radners drangen plöglich 30 bis 40 junge Burschen in Hitler  - Kleidung in den Saal ein und stachen mit Meffern auf die Bersammlungsteilnehmer

ein. Im Augenblid entstand ein ungeheurer Tumult und fam es

zu einem allgemeinen Handgemenge. Die Polizei von Oranienburg  , die in nächster Nähe des Bersammlungslokala poftiert war, griff jojort ein, fonnte aber nicht mehr verhindern, daß der größte Teil Ber   nationalsozialistischen Rowdys im Dunkel der Straße das Beite

fuchte.

Drei Versammlungsteilnehmer hatten zahlreiche tiefe Messerstiche erlitten und lagen blutüberströmt am Boden. Andere hatten Verlegungen durch Schläge mit Gummifmüppeln und Bierseidein erlitten. Die Schwerverlegten wurden als Opfer des pianmäßigen Ueberfalls in einem Polizeiauto in bas Oranienburger   Krantenhaus gebracht.

In den Nebenstraßen hatten sich traß der polizeilichen Ber tärtungen, die fofort herangezogen wurden, fleinere Gruppen poli fischer Gegner angefammelt, so daß die Polizei noch mehrfach ein schreiten mußte und mehrere Berhaftungen vornahm. Bei Schluß

München  , 6. September.

Bombenattentate und Bombenfchwindel.

Schlag auf Schlag reiht sich Bombenattentat an Bomben­attentat. Zwischen den einzelnen Handlungen besteht zweifel­los ein innerer Zusammenhang, aber noch ist es nicht ge­lungen, der geheimnisvollen Verschwörergruppe auf die Spur zu kommen. Wie immer, so ist auch hier Dunkel und Un­tlarheit der beste Nährboden für phantastische Lügen und Schwindeleien der Heizpresse.

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durchberger, Scheidemann   und Rathenau Atten­Man muß sich einmal erinnern, wie es nach dem Erz= taten war, solange die Täter nicht ermittelt waren. Da log die deutschnationale Bresse das Blaue vom Himmel herunter. So behauptete fie z. B., Erzberger jei von Kommunisten um gebracht worden. Nach dem Blausäure- Attentat auf Scheide­Scheidemann habe das angebliche Attentat auf sich aus Re­mann schrieb die Pommersche Tagespost"( deutschnational): flamesucht selber inszeniert. Einen sehr bezeichnenden flamesucht selber inszeniert. Schwindel vollführte die, Deutsche Zeitung": Sie veröffent­lichte am 23. Juni 1922 das Schreiben eines Arbeiters L. Niegsche aus Leipzig  , der seinen eigenen Schwestersohn in diesem Schreiben bezichtigte, als Angehöriger der USP. das Attentat auf Scheidemann   verübt und dafür von unabhän­giger sozialdemokratischer und israelitiser Seite 400 000 m. Belohnung erhalten zu haben! Der Brief war von A bis 3 gefälscht! Sein angeblicher Berfasser existierte nicht. Einige Wochen später stellten sich die DC.-Mit­glieder Hustert und Dehlschläger als die wirk lichen Attentäter heraus.

Bei einer von Kommunist en einberufenen Bersammlung, als deren Zmed die Gründung einer Antifaschistischen Wehr" an gegeben war, fam es heute abend im Stadtkeller zu schweren 3ufammenstößen zwischen den Teilnehmern der Bersammlung und Nationalsozialisten, die in ziemlich beträchtlicher An: zahl sich Eingang zum Saal verschafft hatten. Die Einrichtung des Saales wurde bei den Tumulten zum großen Teil zerstört und eine ganze Reihe von Personen wurde so erheb. lich verlegt, daß sie ins Krankenhaus eingeliefert werden mußten. Sowohl die städtische wie die Landespolizei wurden alarmiert und stellten schließlich die Ordnung wieder her.

Ehrung des Borwärts".

Kurz vor Mitternacht zog eine Schor uniformierter Hatenkreuz­ler durch die Lindenstraße und bombardiert das Schaufenster unferes Berlages, das in Trümmer ging. 3u spät herbeieilende Polizei griff aus Mißverständnis einige Parteigenoffen und brachte sie zur Bache!!

Wir fönnen die Attivität der rechten mie der linken Rabau helden, die sich abwechselnd, aber mit dem gleichen Eifer gegen die Fensterscheiben unseres Verlages richtet, nur als eine Ehrung betrachten.

Nur noch 3 Ratstagungen im Jahr

Henderson über Palästina

Politit, Balästina zu einer Heimatstätte der Juden zu machen, festzuhalten.

Stresemann   bemerkte, daß ihm von der englischen   Regierung der Bericht der Studienkommission zugegangen sei, die sich mit der Frage der Berwaltungsreform in ganz Dft afrita beschäftigen sollte. Er betonte, daß

W. Schw. Genf  , 6. September.  ( Eigenbericht) ohne Ausnahmegerichte ausgetommen sei. England gedenke an der In der heutigen Ratssigung setzte sich Stresemann   für die Berminderung der Zahl der Ratstagungen von jährlich vier auf drei ein. Er betonte, daß darin feine Minderung des Bölkerbundes liege, es sei eine rein praktische Maßnahme, da schon mehrfach die Ratsmitglieder von großer Entfernung her. gekommen feien und wenig zu tun gehabt hätten. Es bliebe ja noch immer die Möglichkeit offen, im Dezember eine Sondertagung bei Andrang der Geschäfte einzuberufen. Henderson unterstüßte Strese mann und erklärte, daß die Haager Konferenz und die Bölkerbunds­tagung ihn nun schon beinahe zwei Monate von seinem Amte fern­halte und er im Oftober voraussichtlich wieder nach dem Haag gehen müsse. Aus diesem Grunde stimme sein revolutionärer Geift ( Seiterkeit) der vorgeschlagenen Aenderung zu, unter dem Vorbe haft, es später wieder anders zu machen, wenn die Erfahrungen dazu zwingen. Auch Briand   bekannte, daß er von einem Gegner zu einem Anhänger dieser Berminderung geworden sei.. Der Rat nahm einstimmig den Vorschlag an, in Zukunft nur noch im September, Januar und Mai Ratsfihungen stattfinden zu laffen.

Das bedeutet, daß die Ratsmitglieder sich zufünftig außerhalb der Bollversammlung im September nicht mehr dreimal, sondern nur noch zweimal in Genf   treffen werden. Der Zwischenraum zwischen den Begegnungen der europäischen   Staatsmänner wird aifo von drei auf vier Monate verlängert. Die Ratsmitglieder haben. wohl durchweg das Gefühl gehabt, daß die Minderung der Zahl der Ratstagungen teine Minderung des Völkerbundes selbst be. deuten fönne.

Es ist fein Zufall gewesen, daß es fast zmei Jahre gebauert hat, bis der Rat sich entschlossen hat, dem ursprünglich von Chamber Iain ftammenden Vorschlage zuzustimmen. Ewäre während der Rachkriegsperiode eine ernste Gefährdung der Zusammenarbeit ge. wesen, wenn man sich mit meniger als vier ordentlichen Tagungen begnügt hätte. Jegt, wo mit der Reparationsregelung die nach friegsperiode zu Ende geht, fann man ohne Gefahr den Bersuch wagen, die Zahl der Genfer   Zusammenfünfte zu mindern, was ja nicht zu bedeuten braucht, daß die in Genf   geleistete Arbeit an Qualität oder Menge nachläßt.

Bei der Beratung des nom finnischen   Außenminifier norgeleg. ten Berichtes über die Mandatstommission erklärte

Henderson über die Unruhen in Palästina,

teinerlei Verschmelzung Kenyas( des früheren Deutsch  - Offafrikas) mit anderen Kolonialgebieten in Frage fäme. Er erwarte, daß die Mandatskommiffion eingehend die Vorschläge der englischen   Regierung prüfen werde, ob fich die in Aussicht ge­nommenen Verwaltungsmaßnahmen mit der Selbständigkeit des Mandatsgebietes unter der Kontrolle des Völkerbundes verein baren ließen. Henderson erklärte daraufhin, daß die englische   Re gierung noch feinen Entscheid über die Verwaltungsreform in Ostafrika   gefällt habe und daß sie der Mandatskommission nach dem Beschluß hierüber ihre Entscheidung zuleiten werde.

In der Vollversammlund am Sonnabend, 16 Uhr, wird Strefemann über die deutsche   Völkerbundspolitik und der eng lische Handelsminister Graham über die Anregungen der britischen Arbeiterpartei zum Abbau der 3ollmauern sprechen. Am Nachmittag findet die Grundsteinlegung des neuen Völker­bundsgebäudes statt.

Hendersons Palästinabericht.

Genf  , 6. September.  ( Eigenbericht.) In der Ratssitzung machte Henderson folgende fonkrete Angaben über den Berlauf der blutigen Ereignisse in Palästina: Die Unruhen begannen in Jerusalem   am 16. August, und der erfte Berlust an Menschen geschah am folgenden Tage. Am 23. for derte die Berwaltung Militärperstärkungen van außerhalb. In der Nacht vom 23. zum 24. griffen die Unruhen auf die Orte außerhalb Jerusalems   über. Meine letzte Information datiert vom 31. Auguft. An diesem Tage betrug die Zahl der Opfer:

getötet 83 Mohammedaner, 4 Chriften, 109 Juden; perpundet und im Hospital 122 Mohammedaner, 10 Christen, 183 Juden. Es fann gesagt werden, daß die Unruhen im allge­meinen beendet sind, wenn auch noch nicht überall volle Ordnung herrscht. Die britische Regierung gedenkt nicht das Mandat Palästina abzugeben oder von der durch die Balfour- Erklärung von 1917 vorgezeichneten Bolitif der Errichtung eines jüdischen National­

baß die dortige Berwaltung bis her ohne Belagerungszustand und heims in Balästina abzugehen."

In genau der gleichen Weise versuchen jetzt gewisse Rechtsblätter die Spuren der Bombengitentäter zu ver­mischen. Wenn die nationalsozialistische Bresse auf Geheiß Hitlers   jetzt täglich schreiben muß. daß die Bombenattentate von der Polizei selber verübt würden und wenn Hitler fogar eine Belohnung von 10 000 Mart auf den Nachweis dieser Behauptung ausfeßt, so liegt das genau auf der gleichen Linie wie die Behauptung der Pommerschen Tages­poſt" von ehemals, daß Scheidemann   das Blausäureattentat gegen sich selber inszeniert habe.

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Hinter so viel Demagogie darf das fommunistische Spiegelbild der Nationalsozialisten nicht zurückbleiben. Be­hauptet der Bölkische Beobachter", daß die Polizei die Bombenattentate verübe, um die nationalistischen Unschulds­lämmer zu verdächtigen, so behauptet die ,, Rote Fahne", daß die Polizei absichtlich die Täter nicht ermittele. weil sie mit den Nationalsozialisten unter einer Decke stecke. Man sieht: ein ungeflärter Tatbestand läßt sich nach beiden Seiten hin auslegen und auslüqen. Der Dema­gogie sind keine Grenzen gesetzt. Es fragt sich nur, wie dumm die Leute sein müssen. die das Eine oder das Andere glauben. Um den wirklichen Zusammenhang zu sehen. bedarf es feiner besonderen Kombinationsgabe: die Bomben­attentate sind ganz organisch herausgewachsen aus den fortgesetzten und im mt er mehr gesteigerten Terroratten der nationalsozialistisch verhezten hol­steinischen Landvolkgruppen. Mit verprügelten Gerichts­vollziehern, mit Ueberfällen auf Finanzämter hat es an­gefangen, mit Klamaut vor Gefängnissen und Angriffen auf die Polizei sich fortgesetzt, und in den Dynamitanschlägen steigert sich die Aftion abermals. Oder vielmehr: gewisse Drahtzieher und Hintermänner suchen mit diesen Gewalt­mitteln eine schon halb erloschene und verlorene Sache fünftlich zu beleben. Ob die Attentäter nationalistisch organisiert sind, ob sie vorsichtshalber vor Verübung der Taten aus ihren Organisationen austraten, das spielt dabei eine ganz geringfügige Rolle: die geistige Gesinnung, der diese Taten entspringen, ist vollkommen eindeutig.

Man braucht freilich nicht über diese Taten nervös zu werden, wenn auch die bisherigen Mißerfolge der polizei­lichen Nachforschungsarbeiten alles andere als erfreulich find. Derartige Attentate sind kein Zeichen für die Stärke, sondern nur Symptome der Schwäche und der Aussichts­Tofigfeit einer Bewegung. Die Spettafelmacher von Landvoll und Hakenkreuz haben sich politisch in eine Sac­gasse verrannt. Sie haben einen Teil der ländlichen Be Dölferung wohl gegen den Staat aufgeheßt, sie haben ihn zu allerhand sinnlosen Berzweiflungstaten aufgeftachelt, aber sie haben nicht im mindesten ihrer Gefolgschaft wirtschaftlich helfen fönnen. Der Bauer aber ist im Grunde seiner Seele eine fühl rechnende Natur. Ist der Spettafel vorüber, so fragt er sich: mas hat es eigentlich genügt? Und wenn er fieht, daß es nicht nur nicht genügt, sondern nur geschadet, nur Strafen und Bekanntschaft mit Polizeifnüppeln ein­gebracht hat, so fühlt seine Begeisterung rasch ab. Deswegen Die immer vertrampfteren, die immer tnalligeren Mittel, um die Bewegung im Schwung zu halten. In den bisherigen Bombenattentaten steckt ja ein gut Teil Hysterie: die meisten von ihnen sind in der Art inszeniert wie der bekannte Selbst­mordversuch der hysterischen alten Jungfer, die den Gashahn erst aufdreht, nachdem fie vorher telephonisch die Leute alarmiert hat, die ihn rechtzeitig wieder zudrehen werden.

Der Appetit ift freilich mit dem Effen gekommen, und