Einzelbild herunterladen
 

Morgenausgabe

Nr. 421

A 212

46.Jahrgang

Böchentlich 85 Bt, monatlich 3,60 m voraus zahlbar, Boftbezug 4,32 2. einschließlich 60 Bfg. Boftzeitungs- und 72 Bfg. Boftbeftellgebühren. Auslands abonnement 6.-M. pro Monat.

*

Der Borwärts" ericheint mochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illustrierte Beilagen Boll und Zeit" und Rinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen, Frauen­timme". Technif". Blid in die Büchermelt" und Jugend- Borwärts"

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Sonntag 8. September 1929

Groß- Berlin 15 Pf. Auswärts 20 Pf.

Die atsipattige Ronpareillezetle 80 Pfennig. Reflamezeile 5.- Reichs mart. Aleine Anzeigen" das fettge. brudte Bort 25 Pfennig( zuläffig amet Fettgedruckte Worte), jedes wettere Bort 12 Pfennig. Stellengefuche das erste Bort 15 Bfennig. jedes weitere Bort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben gablen für zwei Borte. Arbeitsmart Belle 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme.imhaupt eschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin .

Vorwärts Verlag G.m. b. H.

Faschismus ist gleich Kriegshehe.

Ein Schreckensbild italienischer Jugend.

Paris , 7. September. ( Eigenbericht.) Der konservative ,, Petit Parisien" veröffentlicht eine groß aufgemachte Artikelserie seines nach Italien entsandten Sonderberichterstatters. Ueber die Geistes. berfassung der faschistischen Jugend und die Zukunfts­aussichten des Faschismus wird berichtet:

,, Die Unkenntnis der faschistischen Jugend über das Ausland ist geradezu ungeheuerlich. Die Mehr. zahl der jungen Leute glaubt, man müsse ihr nur Ge­legenheit geben, den Mund zu öffnen, und sie würde die Nachbarländer mit spielender Leichtigkeit verschlin. gen. Viele Millionen junger Leute, bei denen die Gier nach Eroberung fremder Länder den Klassen nach Eroberung fremder Länder den Klassen haz ersetzt; viele Millionen begeisterter und kampfes lustiger Burschen, denen man täglich ins Hirn hämmert, Revolution und Krieg wären ein und dasselbe, daß ihr Vaterland der große Proletarier" sei, für dessen Armut man sich an den ,, degenerierten und übermästeten" Nach­barn schadlos halten müsse eine so beschaffene Jugend inmitten eines schlecht befriedeten und unruhigen Europa ist eine nicht zu unterschäzende Gefahr. Diese Generation von morgen wird das sein, wozu die Macht haber von heute sie gemacht haben, die nahe Zukunft wird zeigen, was die Menschheit von dieser Jugend zu erwarten und zu befürchten hat."

Budget der Korruption und Spionage.

Die Geheimausgaben im italienischen Jahreshaushalt. Unter dem Titel Das geheimnisvolle Staats. budget" veröffentlicht das von Filippo Turati herause gegebene Informationsblatt der antifaschistischen Konzentration Italia " die nachstehenden Betrachtungen:

rechnung der Rüdstände, daß man zu feinem Maren Schluß tommen fann.

Aus den parlamentarischen Schriftftüden erfährt man über recht unvorhersehbare Ausgaben, von denen man früher gar nichts wußte. Das Kriegsbudget beläuft sich im Boranschlag auf 2716 Millionen Lire , ohne die Luftschiffahrt, außerdem 34 Mil­lionen für eventuelle Ausgaben. Es gibt einen Fonds von 781 500 Lire für Brämien für besonderen Fleiß", worunter man Spio­nage versteht.

Im Ministerium des Innern findet man unter anderem einen Fonds von 4% Millionen für Telegramme für die faschistische Propaganda in der Presse, 1 Million für die Balilla, die noch von verschiedenen anderen Ministerien unterſtüßt werden; 3 Millionen für geheime Dienstleistungen; Millionen für geheime Polizeioperationen; 3 Millionen für vertrauliche Ausgaben, vorwiegend im Ausland ( Kap. 74, des Budgets); 7 Millionen für besonders wichtige Aus­gaben der faschistischen Miliz, und schließlich die ungeheuerliche Aus­gabe( Rap. 83) von.

30 Millionen für politische Ausforschungen. Diese Summen stehen mussolini ohne irgendwelche Kontrolle zur Verfügung. Einen Fonds für Geheimaus­gaben haben weiter die drei militärischen Ministerien, das der Finanzen, der Kolonien und vor allem das Auswärtige Amt. Die faschiffische Regierung verfügt über mehr als 200 millionen Cire als Geheimfonds, hauptsächlich für die auswärtige Preise und die politische Spionage. Die Geheimausgaben des Auswärtigen Amtes belaufen sich anscheinend nur auf 1,2 millionen Lire, aber

mir finden weiter( Rap. 36) 2,4 Millionen für unvorhergesehene Aus.

gaben, 5 Millionen für Geheimausgaben, die mit inter­nationalen Bewegungen zusammenhängen, 1 Mil­lion für Propaganda im Ausland, 400 000 Lire für Unterstügungen an Dalmatiner Studenten( d. h. für die Propaganda gegen. Jugoslawien ) usw.

Gemiffe Zeitungen des Auslandes nehmen die Telegramme auf, die die faschistische Regierung ihnen gratis übermittelt und haben ,, Niemand ist in der Lage, das geheimnisvolle Rätsel fehr schäzbare" Gründe, nicht inimer Bidersacher des Faschismus zu lösen, als das das Budget des italienischen Staates für das Ber zu sein. maltungsjahr 1929/30 fich darstellt. Bei genauer Durchsicht läßt Jich ein Fehlbetrag von wenigstens 1200 Millionen poraussehen, aber das ist so undurchfichtig gemacht durch die Ber Propaganda."

Die Finanzlage Italiens wird immer ernster, aber die einzigen Ausgaben, die der Faschismus durchaus nicht, einschränkt, find die Militärausgaben, die für Spionage und für faschistische

Grundsteinlegungsfeier in Genf .

Durch Wochenendausflüge konkurrenziert.

Es sprachen am Sonnabend: der Vertreter Indiens , der litauische Diktator Woldemaras, Benizelos Griechenland und der Vertreter Spaniens . Von ihnen meldeten der Inder und der Grieche die Annahme der Fakultativklaufel durch ihre Länder an. Der Spanier wies darauf hin, daß er die Klausei schon unterzeichnet habe, das gleiche gilt für Litauen . Der Indier ver­langte die baldige Durchführung der allgemeinen Abrüstung als Bafis des Friedens, und er forderte weiter eine bessere Berücksichti­gung der Interessen der asiatischen Völker in der Politik des Völker­bundes.

Genf , 7. September. ( Eigenbericht.) Deutschland und Hinweis der deutschen Pressevertreter auf das Am Sonnabend nachmittag fand die Grundsteinlegung Richterscheinen der Sonntagszeitungen in der Proving, hatten des neuen Bölferbundspala stes statt. Der Bölkerbunds Stresemann veranlaßt, um Bertagung seiner Bortmeldung sekretär, der persische Ratspräsident und der Präsident der Bölker-| bis zum Montag zu bitten. bundsversammlung hielten die Weihereden. Sir Eric Drummond erinnerte an die Gründer und Wegbereiter des Bölferbundes, wobei er unter anderem den Präsidenten Wilson und den verstorbenen schwedischen Sozialisten Branting mannte. Er teilte mit, daß in der Kassette, die im Grundstein eingemauert wurde, ein Sonderdruck des Völkerbundsvertrages, eine Dar­stellung des bisherigen Werkes des Bölkerbundes und Münzen der verschiedensten Länder niedergelegt seien. Der Ratspräsident wies barauf hin, daß das neue Gebäude von allen Völkern als gemein­james Eigentum betrachtet werden könne. Der Präsident der Völkerbundsversammlung begrüßte die Stadt Genf und die Schweiz als Heimat des Völkerbundes. Der Schweizer Bundespräsident Saab schloß die Zeremonie mit dem Bersprechen, daß die Schweiz das Gebäude und das Werk des Völkerbundes mit allen ihren Kräften schüßen und unterstützen werde.

Leider war die Feier in einer der großen Miffion des Völker bundes wenig würdigen Weise arrangiert worden. Jeder Flaggen und Blumenschmuck fehlte jowohl auf dem Festplatz, in Der Stadt und an den Gebäuden des Bölkerbundes und Arbeits­amtes. Eine Reihe von Völkerbundsdelegierten und Beamten hatten es vorgezogen, Wochenende zu feiern, statt der Grundstein­legung beizumohnen. Das menig erschienene Publikum war finn Los weit vom eigentlichen Festplatz abgesperrt...

Stresemann redet am Montag.

Genf , 7. September. ( Eigenbericht.)

Der Bölterbund hielt am Sonnabend entgegen dem fest­gelegten Tagesprogramm nur eine Vormittagsligung ab. Die Nachmittagssigung, die die Rede Stresemanns bringen follte, murde abgesagt. Störungen der Telephonverbindung mit

Woldemaras setzte sich mit den Versuchen Briands und anderer Redner, dem Völkerbund eine hervorragende Rolle in der Entspannung Europas zuzuweisen, auseinander. Er behauptete, daß die praktische Anteilnahme des Bölkerbundes an den wichtigsten Befürchtung aus, daß der Vorschlag der englischen Delegation, das Kriegsverbot des Kellogg - Battes in den Bölkerbundvertrag zu über­nehmen, ebenso in einer Kommission verschwinden würde, wie ein gleicher Antrag, den er auf der vorigen Bundes­versammlung stellte. Er verlangte die Schaffung einer inter nationalen politischen Toleranz, wobei er darauf hinwies, daß die Lüge von der einseitigen Schuld am Aus: bruch des Krieges noch immer in offiziellen Verträgen stünde. Allerdings erinnerte er nicht daran, daß in seinem eigenen Lande jede politische Toleranz verpönt ist. Er trat für einen besseren Schutz der Minderheiten ein und lentte unter An­führung der Unterdrückung der 40 Millionen Utrainer die Aufmerk­samkeit des Bölkerbundes auf die Gefahren der ungeklärten Probleme Osteuropas .

Aus Benizelos' Rede war eine flare Absage an alle griechi fchen Revanchegebanten gegenüber der Türkei bemerkenswert.

Bostschedkonto: Berlin 37 536.

Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Wallstr. 65. Diskonto- Gesellschaft, Depofitentasse Lindenstr. 3.

Befreiung!

Das Werf der Haager Konferenz.

Von Wilhelm Sollmann .

Binnen wenigen Monaten wird der Boden der deutschen Republik von dem letzten Besagungssoldaten geräumt sein. Fünf Jahre vor dem im Friedensvertrage günstigsten Falles vorgesehenen Endtermin von 1935. Uebrig bleibt die für ewige Beiten vorgesehene Entmilitarisierung der deutschen 3one am Rhein . Leider einseitig, denn die französische Grenze ist mit Garnisonen und Festungen gespickt. 3urückge= miesen ist aber nun für immer die in langen gefahrvollen Jahren verfolgte französische Politit auf eine Loslösung der Rheinlande oder doch auf ein irgendwie geartetes fran= zösisches Protettorat über dieses Gebiet.

Die deutsche Abordnung im Haag ist. politisch mit einem großen nationalen Erfolge zurückgekehrt. Die Männer der nationalen Phraje bestreiten diese nationale Tat. Ihr Ber­halten hat zwei erklärliche Gründe: sie haben nie an die friedliche Rettung der Rheinlande geglaubt, und sie ha ben nie etwas für dieses Ziel getan. Man wird der Größe des politischen Ereignisses vom Haag nicht gerecht, wenn man es an der Gegenwart mißt. In der nun ficheren Gewißheit des festen Besizes unserer Rheinlande muß man sich erinnern, wie oft und wie stark im Laufe eines Jahrzehnts diese Gebiete in höchster Gefahr sich befanden. Man muß aussprechen, daß in diefen Jahren es Stunden gab, wo ur ein großer, fast vermessener Glaube noch mit der Aufre, terhaltung preußischer und deutscher Staatshoheit über die Rheingebiete rechnete. Es sind nicht immer gerade die lärmendsten Patrioten gewesen, in denen diese Gläubigkeit lebte.

Erinnern wir uns: Die Wintermonate des Jahres 1918. Noch war fein Friede. Nur Waffenstill­stand. Gewaltige Truppenmassen der Alliierten auf beiden Ufern des Rheins. Im Innern Deutschlands blutiger Bürger­frieg um die Nationalversammlung. Der leidenschaftliche Ruf nach proletarischer Diftatur ohne Rücksicht darauf, daß diese Dittatur am Rhein ihre Grenzen haben müßte. Stärkste 3meifel im Bürgertum, ob die Wahlen zur Nationalversamm­lung erfolgen, und wenn ja, ob die Nationalversammlung die Verhältnisse meistern könnte.

Da tamen die ersten vorsichtigen Lodrufe aus Frankreich . Keine Loslösung der Rheinlande von Deutschland ! Aber eine rheinisch- westfälische Republikim Rahmen des Reiches. Es sind ihnen damals viele erlegen, haben viele diese Rufe mindestens ernst­haft erwogen, weil sie ehrlich glaubten, nur so sei eine Neu­ordnung Deutschlands von Westen her möglich. Nur winzig gering war damals im rheinischen Bürgertum die Zahl der= jenigen, die an die Möglichkeit glaubten, mit den Mitteln friedlicher Politik die Besazung jemals wieder loszuwerden, wenn man nicht den Weg der Ausrufung eines Rheinstaates gehe. Es ist jetzt leicht, über diesen Irrtum erhaben zu rechten. Und liegt das fern. Wir stellen nur eine geschicht­liche Tatsache fest, um die damalige Größe der Gefahr auf­zuzeigen. Wir haben allerdings das Recht, hinzuzufügen: nicht die bescheidenste Organisation der rheinischen Sozial­bemokratie hat auch nur eine Stunde geschwankt, alle diese Versuchungen zurückzuweisen. Jetzt, da die Besatzung zum Abmarsch rüstet, erinnern wir uns daran, was die letzte Aktion der Arbeiter und Soldatenräte am Rhein gewesen ist, ehe sie durch die Waffen der Besatzung zur Auflösung gezwungen wurden: ein Protest gegen jeden Versuch der Loslösung vom Reiche oder auch nur von Preußen.

Im Sommer des Jahres 1919 die kritische Frage, ob der Friedensvertrag zu unterzeichnen sei oder nicht. Inzwischen begann unter französischem Schuße der illegale Separa tismus fich auszubreiten. Dorten putschte vergeblich in Koblenz . Aber auch rheinische Politiker unzweifelhaft deutscher Gesinnung glaubten nicht an den Frieden ohne Auf­richtung einer rheinischen Republif. Wie fern flingt heute, was damals Männer mit Namen beschlossen haben:

Die aus freier Selbstbestimmung erfolgte Vereinigung der Länder am Rhein zu einem westdeutschen Frei= staat wird eine Friedensrepublit" sein. Sie bietet die nötige Gewähr für den Frieden Europas , bildet einen Damm gegen bolschemistische Ueberflutungen und sichert die friedlichen Beziehungen zwischen Westen und Osten.

Die Unterzeichnung des Friedensvertrages durch Sozial­demokratie und Zentrum baute einen festen Damm gegen diese Bestrebungen auf. Aber immer wieder drangen sie in irgend­einer Form vor. Kapp- Butsch, tommunistische Unruhen, Ministermorde, nationalistisches Abenteurertum in Bayern , passiver Widerstand belebten die Gedanken einer Rhein­republit. Folgerichtige Erfüllungs und fried­