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Ar. 423

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46.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Dienstag

10. September 1929

Die

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Briands Paneuropa Frühstück. Daag und Internationale.

Wirtschaftsfragen im Völkerbund.

Bulletin über das Frühstück zu verlesen. Auf Befragen er: klärte Briand noch, daß der europäische Zusammenschluß auf feinen Fall eine Sonderaktion gegen den Völkerbund darstellen solle. Man könne sich denken, daß eine Reihe von Berträgen, ähn lich wie die Locarno - Berträge, abgeschlossen würden. Auf eine andere Frage, wie er zur Sinzuziehung Rußlands stehe, antwortete Briand aus meichend, daß man ja gar nicht wisse, ob Rußland an solchen Bildungen teilnehmen wolle, und daß die Schwierigkeiten schon ohne Rußlands Mitwirken sehr groß seien.

W. Schw. Genf , 9. September. ( Eigenbericht.) Es sind heute sieben Tage vergangen, seit Macdonald Die Hoffnung aussprach, daß die diesjährige Bölkerbunds versammlung die Fakultativklaufel- Versammlung werden möge. Die Initiative der britischen Arbeiterregierung hat bereits zur Folge gehabt, daß dieser Wunsch sich erfüllte: Sämtliche europäischen Großstaaten haben die Schieds­pflicht des Weltgerichtshofes angenommen oder werden sie in menigen Tagen annehmen. Damit gilt wenigstens für Europa der Weltschiedsvertrag für Rechtsstreitigkeiten. Die Pflicht, sich einer unparteiischen Instanz zu unterwerfen, ist europäisches Gemeingut geworden. Was die Autokratien Weltwirtschaftsprogramm der Arbeiterregierung. und Militärmonarchien zu tun bisher immer verweigerten, hat der Drud und die Initiative der Arbeiterbewegung zu standegebracht.

Es ist fein Zufall, daß in dem gleichen Augenblid, wo die Friedenssicherungen verstärkt werden, die Wirtschaft zum erstenmal im Vordergrund der Völkerbundsdebatten steht. Der heutige Tag stand ganz vorwiegend im Zeichen der Wirtschaft. Zum erstenmal sahen die Delegierten fich vor Ausführungen, die auf den Kern der Dinge in der inter­nationalen Ordnung des wirtschaftlichen Lebens gerichtet waren: Stresemann und Graham vor der Versamm­fung und Briand vor den Gästen seines europäischen Frühstücks waren es, die die Wirtschaft zum erstenmal in einer Völkerbundsversammlung in den Vordergrund des politischen Bewußtseins zogen.

Genf , 9. September. ( Eigenbericht.)

Unter den Reden, die die Montagsfigungen der Völkerbunds versammlung brachten, verdient größte Beachtung das wirt ichaftliche Bölterbundsprogramm, das pie englische schaftliche Bölterbundsprogramm, das die englische Arbeiterregierung durch den Mund des

Handelsministers Graham

vortragen ließ. Auch hier werden Forderungen von größter Trag­weite gestellt, die zweifellos von vorwärtstreibendem Einfluß auf die Wirtschaftsarbeiten des Bölkerbundes sein werden. Graham sprach einleitend von dem Bölkerbundsabkommen über eine Vereinheit lichung der Statistit, deren Ausbau und Durchführung er als notwendige Grundlage für den Abschluß wirtschaftlicher Ueber­einkommen bezeichnete. Er beklagte dann die Tatsache, daß der Bölferbund feit 1920 45 2btommen ausgearbeitet habe, von denen aber 22 noch immer nur auf dem Papier ständen. Graham sprach dann eingehend über die Kohlenjituation. Er schilderte den Aufschwung der Kohlenindustrie vom Jahre 1866 bis zum Ausbruch des Weltkrieges. Damals fei die Nachfrage nach Rohle in jedem Jahr um mindestens 4 Proz. gewachsen. Seit den 16 Jahren von 1913 bis heute dagegen sei dieſe Nachfrage im ganzen nur um 4 Broz. geftiegen. Das Wirtschaftskomitee habe zur Sebung der die Bersammlung Stellung nehmen solle Graham empfiehlt als den Kohlenindustrie verschiedene Vorschläge gemacht, zu denen Bunft, in dem am leichtesten Fortschritte zu erzielen sind,

infernationale Richtlinien betreffend Löhne, Arbeitszeit und andere Arbeitsbedingungen,

und rät, dem Wirtschaftsausschuß der Versammlung eine Resolution vorzuschlagen, wonach sobald als möglich eine Konferenz ein­zuberufen ist, die sich im besonderen mit den Arbeits­bedingungen im Rohlenbergbau beschäftigt. Das werde das Perständnis für die europäischen Kohlenschwierigkeiten erhöhen und ermöglichen, Millionen Menschen, die in der Kohlenindustrie beschäftigt sind, hoffnung und Mut einzuflößen.

Graham schilderte dann weiter die in dem Bericht des Wirtschafts­ausschusses enthaltenen Bergarbeitervorschläge über ein interna io nales Rohienamt, bestehend aus Vertretern der Regierungen, der Kohlengrubenbesitzer, der Bergarbeiter und Konsumenten sowie das Berbot aller tünstlichen Mittel zur Belebung des nationalen Bergbaues. Er betont, daß der Lösung des europäischen Kohlenproblems um einen guten Schritt näher zu fommen sei, wenn man sich auf diese drei Linien, Vereinheitlichung des Kohlenbergbaues , internationales Kohlenamt und Ablehnung der fünftlichen nationalen Produktionssteigerung geeinigt hätte. Zu den Vorschlägen von Briand und Stresemann über einen europäischen Wirtschaftsblod äußerte sich Graham zu rückhaltend. Er zieht Borschläge der Weltwirtschaftskonferenz auf Herstellung eines freien Warenverfehrs vor. Der erste Schritt zur Verbesserung der europäischen Wirtschaftsverhältnisse sei die Herstellung des freien Handels.

Kritische Bemerkungen.

Von Emile Vandervelde .

Die Haager Konferenz ist so gut ausgegangen, wie man Es ist interessant, ihre Ergebnisse mit den früheren Resolu­nach der heutigen politischen Lage Europas erwarten fonnte. tionen der SAJ. zu vergleichen und auf diese Weise den Weg zu ermessen, der in den legten zehn Jahren unter dem ge­bieterischen und wachsenden Druck des Sozialismus zurüd­gelegt wurde.

Refolutionen der internationalen Rongreffe und Konfe­Während ich diese Zeilen schreibe, liegen vor mir die renzen, deren neuerliche Veröffentlichung nützlich wäre, da fie inzwischen geradezu prophetische Bedeutung er

langt haben.

Schon 1922 haben die in Frankfurt versammelten Sozialisten ihre gemeinsame Stellung zu den im Haag be­deutschen, englischen, belgischen, französischen und italienischen handelten Fragen, d. h. die Schulden, die Reparatio= nen und die besegten Gebiete festgelegt.

Seither sind, in chronologischer Reihenfolge, Resolutionen Dom rsten Kongreß der SAJ. in Hamburg ( 1923), von der vom ersten Kongreß der SAJ. und des JGB. in Am ste r= dam( 1924), von der Vierländerkonferenz Deutschland, Belgien , Frankreich , Großbritannien in Luxemburg ( 1926) beschloffen worden.

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Aber im Grunde genommen lassen sich alle diese Resolu­tionen in ihren Hauptpunkten auf den ursprünglichen Frank­ furter Text zurückführen, d. h.:

1. Die allgemeine Streichung der interalliierten Kriegs­schulden.

2. Die Annullierung der Deutschland in bezug auf die Kriegs= pensionen im Widerspruch zu Wilsons vierzehn Punkten auf­gebürdeten Lasten; die endgültige Festsetzung der von Deutschland noch geschuldeten Summe auf einen Betrag, der in seinem Gegen­wartswert den wirklichen Betrag der materiellen Reparationen darstellt; Annahme eines Reparationssystems Grenzen seiner Anwendungsmöglichkeit. Don Natural- und Arbeitsleistungen innerhalb der

3. Endgültiger Verzicht auf die Gewaltpolitit und auf Gebietsbesegungen als unerläßliche Voraussetzung der Wiederherstellung normaler und vertrauensvoller Beziehungen zwischen allen Nationen und der Sicherung einer langen Beriode der Ruhe und des Friedens für die ganze Welt.

Das war die einstimmig festgelegte Politik, die die Inter­nationale unentwegt verfolgt hat.

Welches war nun die Einstellung der Konferenz gegen­über diesem Programm, wo neben den Vertretern des faschi­stischen Maulheldentums oder der fich auf mider­spenstige und feindliche Zentrums- und Rechtsmehrheiten stüßenden Regierungen die Delegierten des Deutschen Reiches , dessen Reichskanzler Hermann Müller ist, und Groß­ britanniens mit einer einheitlichen sozialistischen Re­gierung jaßen?

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Stresemanns Rede die überall mit Ausnahme einiger deutscher Kritiker als ausgezeichnet beurteilt und von Mitgliedern der Delegationen ehemals feindlicher Staaten als die beste diesmal in Genf gehaltene Rede überhaupt be­zeichnet wurde, und die die Stellung Deutschlands im Rate und in der Versammlung der Völker noch stärker gemacht hat- war insofern den Darlegungen Briands ähnlich, als von beiden das Endziel einer wirtschaftlichen Einigung Europas aufgestellt wurde. Stresemann tat es, indem er unter großem Beifall die Mittelalterlichkeit der heutigen Zustände geißelte, Briand , indem er in Umrissen seinen Plan einer europäischen Einigung ffizzierte, die ihm nicht als eine besondere Organisation neben oder außerhalb dés Bölkerbundes, sondern als eine Art Vertrags mer? wie das von Locarno vorschwebt. Gegenüber dieser auch von Vertretern anderer fontinental- europäischen Staa ten angewandten politischen Dentweise, das Endziel aufzus stellen und dann den Weg dahin zu suchen, unterschieden sich die Ausführungen des englischen Handelsministers, des Arbeiterführers Graham dadurch, daß sie völlig auf prattische Aufgaben eingestellt waren, die unmittel bar gelöst werden können und müssen. Troß dieser verschie­denen Dentweise zwischen England und dem Kontinent aber war an dem heutigen Tag wie schon regelmäßig seit An­fang dieser Tagung wieder von neuem zu beobachten, daß die Vertreter Deutschlands , Englands und Frankreichs in den allgemeinen Problemen mehr als jemals bevor an einem Strang in der gleichen Richtung ziehen, wenn sie auch an verschiedenen Stellen anfassen. Je mehr sich die Auswirkun­gen der Haager Konferenz durchsehen, um so schneller wird Bieses Zusammenwirken zwischen Deutschland , England und Frankreich in Genf die europäische Einigung verwirklichen. Briand soll ein Memorandum ausarbeiten. Genf , 9. September. ( Eigenbericht.) Am Montag mittag fand beim französischen Ministerpräsidenten Briand die erste Fühlungnahme der Außenminister Graham schlug vor, daß die europäischen Staaten übereinkommen, zösischen Garnisontruppen werden spätestens am 30. Juni oder Hauptdelegierten der europäischen Staaten über eine euro­päische 3ufammenarbeit statt. Briand hatte die Ver. ihre Zollsäge in den nächsten zwei Jahren nicht zu erhöhen. Diele 1930 wieder in ihrer Heimat sein. Deutschland wird in Beit solle benutzt werden, um durch Untersuchungen und Berhand- wenigen Monaten seine volle völkerrechtliche frefer von 27 Staaten zu einem Frühstüd geladen, bei dem er auseinandersetzte, daß er das wirtschaftliche und soziale lungen die Möglichkeit von Zollherabsetzungen, von interstaatlichen Gleichberechtigung wieder erlangt haben. Und jeder­Gebiet als diejenigen ansehe, auf denen eine nähere europäische zustellen. Er betonte, daß die englische Arbeiterregierung näherung der Völker grundlegende Ergebnis vor allem der Bereinbarungen über gewisse Warengruppen und ähnliches fest­mann gibt sich Rechenschaft darüber, daß diefes für die An­Zufammenarbeit und besondere europäische Ueberein­fommen möglich seien. Eine ganze Reihe der eingeladenen jede Form von 3ollschutz ablehne und warnte vor der Aufnäherung der Völker grundlegende Ergebnis vor allem der Eine ganze Reihe der eingeladenen faffung, daß Europa infolge der Ueberlastung durch Schulden an entschiedenen Haltung der englischen Arbeiterregierung, die Außenminister, darunter Stresemann und Henderson, einer Ueberproduktion leide. Es bestände in Wirklichkeit ein großer unterstützt wurde, zu verdanken ist. von allen Sektionen der SAJ. in den anderen Ländern sprachen sich im Prinzip für die Briandschen Pläne aus, ungeftiliter Warenhunger bei den Massen. Es gelte nur, unterstützt wurde, zu verdanken ist. wobei Stresemann wie Henderson nochmals betonten, daß diese den Absatz der Waren nicht zu behindern und, wo es angebracht sei, Zusammenarbeit in feiner Weise gegen nichtbeteiligte gerichtet sein dürfe. Sehr intereffant war eine Erklärung des jugoslawischen durch Warenübereinkommen zu fördern. Außenminiffers, der forderte, daß die Zusammenarbeit auch zu einer politischen Vereinigung führen müffe und verlangte, daß Paris als der Ort gewählt werde, an dem die Arbeit für die Bildung einer europäischen Einheit konzentriert werden solle. Briand versprach den anwesenden Außenminiffern ihnen in einem Memorandum seine pläne im einzelnen zu erläutern, damit man bei der nächsten Bölferbundsversammlung die Angelegenheit weiter verfolgen könne.

Am Montagabend empfing Briand die internationale Presse, die auf das Versprechen hin, mehr über die paneuro päischen Pläne zu hören, vollzählig erschienen war. Er be gnügte fich jedoch damit, ein verhältnismäßig nichtsfagendes

( Weitere Meldungen auf der dritten Seite.)

Explosion in Rotterdam .

Bisher 10 Zote festgestellt. Amsterdam , 9. September. Heute brach auf dem englischen Tantschiff Bimeira" im Hafen von Rotterdam infolge einer Erplosion ein Brand aus. Von den etwa 50 an Bord befindlichen Arbei­tern stürzten sich viele ins Waffer. Soweit bisher feststeht, find zehn Zote zu verzeichnen.

I

In dem letzten Punkt, der immer mehr zur Hauptforde­rung der Sozialisten wurde die Rheinland­räumung, darf die SAI. einen vollständigen Sieg buchen. Diejenigen, die nach dem Worte des Radi­talen Bergery sich verzweifelt an die Trümmer einer foten Bolitif" flammerten, haben nacheinander die Ruhr auf­geben, die Kölner Zone räumen, die Uebereinkommen von Locarno ratifizieren müssen, die den Weg zu einer neuen Politik eröffneten, anerkennen müssen, daß die Fortführung der militärischen Besetzungen zugleich unnötig, kostspielig und für die Befriedung Europas gefährlich war. Nun ist das Ende da. Die letzten belgischen und englischen Soldaten werden am 1. Dezember den Rhein verlassen haben. Die 60 000 fran­

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SAI. im Haag in bezug auf den zweiten Punkt Dagegen wäre es unrichtig, zu behaupten, daß die die Re= parationen einen Sieg errungen habe. Sicherlich darf man hoffen, daß der Young- Plan, welchen Wert er auch haben mag, wenigstens den Vorzug hat, eine endgültige Re­gelung zu sein, wenn solche Regelungen auf lange Sicht überhaupt je endgültig sein fönnen. Andererseits fann festgestellt werden, daß sogar diejenigen, die das deutsche Angebot( 100 Milliarden Goldmark) in Bersailles ablehnten und der Frankfurter Resolution vorwarfen, die Reparations­ansprüche Frankreichs und Belgiens zu opfern, heute ge= zwungen sind, sich mit meit weniger zu begnügen.

Aber in zwei Buntten, deren Bedeutung übrigens nicht überschäzt werden soll, scheint es nicht möglich, in Ab­rede zu stellen, daß die Haager Uebereinkommen von den