Das Dorf Bon Hat Von Ungarn läßt sich unmöglich sagen, daß es von marxistischer SittenverÄerbnis angefressen sei. Ein Staat: bürgerlich bis auf die Knochen. Hier regieren chorthy und seine Herren Generate, und auch an betonter Ehristlichkeit läßt das öffentliche Leben nichts zu wünschen übrig. Ginge es nach den Moralpaukern, so müßten, wenn nicht in Budapest selbst— denn Großstadt bleibt schließlich überoll Großstadt— so doch mindestens auf den ungarischen Dörfern paradiesisch« Zustände der Reinheit und Unverdorbenheit herrschen. Ein derbes Bauerngeschlecht müßt« wettergebräunt über die Felder schreiten: Furchen aufreißend und Samen streuend, trutzig im Gott - vertrauen, unantastbar und lauter. Zu Hau » am Kochherd steht die wackere Magyarin, eine knorrige Seele, nur bedacht auf das Ge> deihen des Hauses, ehrhaft und fleißig. Sonntags ist Gottesdienst. Das Glöcklein läutet. Die Gemeinde sucht Erbauung und seelischen Trost. Aber da erfahren wir, daß auf einem der ungarischen Dorfer sich Ding« zugetragen haben, die in dieses Bild nicht recht passen. Vierzig Frauen von Ragyreo haben innerhalb von siebzehn Iahren ungefähr fünfzig Menschen ermordet: Ihre Männer, Väter. Mütter, Kinder... wie es gerade kam und wer ihnen gerade im Wegs stand. Es hat ein wahrer Mordbetrieb geherrscht, und der unnatür- liche Tod ist der natürliche gewesen. Frau Maroth ! hat ihren Schwiegervater vergiftet, Frau Lipta drei Verwandte und ihren Mann, Frau Tolas ihren Mann und ihren Geliebten, Fräulein Sülye ihren Vater, Frau Kovaos ihren Sohn, Frau Dari ihre Mutter, ihren Mann und ihren Geliebten. Das sind nur einige Fälle. Zwischendurch ist dann noch»in bißchen erschlagen und er. würgt worden. Nagyrev, wird man sagen, gibt es einmal in Ungarn : Ein Ausnahmefall, ein« Einmaligkeit, nichts beweisend, für nicht charakteristisch, ein kriminalistisches Sonderphänomen. Ja, natürlich, es wird nicht die Regel sein, daß auf ungarischen Dörfern die Frauen ihren Mann mit Arsen vergiften, aber es ist doch ein bißchen überraschend, daß nicht eine Frau, nicht drei, nicht sechs, sondern vierzig an dem Ausnahmesall beteiligt sind: Vierzig Frauen, die vor dem Beginn der Mordseri« sich vermutlich in nichts von den Frauen anderer ungarischer Dörfer, anderer Dörfer irgend- wo in der Welt, unterschieden haben. Plötzlich wird ihnen da von
t>er Sünde. s Bauer einer Hebamme der Bazillus des Mordgedankens ins Blut geimpft. — und da zeigt es sich, daß sie keine Abwehrstoffe haben. Gewiß, gewiß, die Scheußlichkeiten von Nagyrev sind nicht symptomatisch. Aber darf nicht vielleicht der Großstädter, der sich von dem uneinsichtigen, überheblichen Teil der Landbevölkerung ja immer wieder nachsagen lassen muß, er wohn« in einem knochen- zerweichenden Sündcnpfuhl und fröne allen erdenklichen Lastern und könne sich an seelischer Gesundheit nicht entfernt mit dem ur- wüchsigen Bauern vergleichen, darf der oielgeschmähte Großstädter nicht vielleicht doch in der moralischen Notwehr auf jenes Nagyrev verweisen? Dort hat das Fehlen von russischen Filmen, zeittenden- ziösen Theaterstücken, linken Rathausmehrheiten und ähnlichen Nichtswürdigkeiten und das Vorhandensein von Gotteshaus, Kuh- stall und Ackerkrume eines der abscheulichen Messenverbrechen aller Zeiten mindestens nicht verhindern können! Nein, wir glauben nicht mehr an die Walze von der bäuerlichen Unempfänglichkeit gegen das Schlechte. Die Menschen auf der Welt sind sich all« viel ähnlicher, als die Nationalisten und Bußprediger es sich träumen lassen. Die Unterschiede, die sie dennoch aufweisen, erklären sich weniger aus der Verschisdenartigkeit der Sprüche, die man in sie hineintrichtert, als aus den Verhältnissen, unter denen, aus dem Milieu, in dem sie leben. Wer aber mit offenen Augen beispielsswsis« durch die Bauerndörfer seiner Ferienwochen ge- gongen ist, hat dort, auch wenn er nicht gerade in Nagyrev war, keineswegs ein höheres und besseres Menschentum angetroffen, am allerletzten ein« größere Naturliebe. Der Städter kst von Stein- mauern und Asphalt umgeben, der Bauer von Wies«. Feld und Getier. Folge: Der Städter sehnt sich hinaus ins Freie. Rührend oft anzusehen, wie er Sonntags«inen dreckigen Fetzen Grunewald liebend mit den Augen streichelt, wie an einem Kanarienvogel, an einem Hauskätzchen sein Herz hängt. Der Bauer ist längst ab- gestumpft gegen die Wunder der Natur. Er benutzt sie, beutet sie aUs. Sie ist sein Beruf. Den Acker betrachtet er vom Vermögens- standpunkt, und zu feinen Tieren ist er manchmal roh und kennt nur ihren Schlachtwert. Nagyrev stellt keine Reges auft�- außer der. daß die auf dem Holzweg sind, die die Gesundung ausnahmslos vom Dorf erwarten und den Verfall ausnahmslos von der Stadt.
Großfeuer in Bremen . Die Fokkewulfs-Flugzengwerle völlig niedergebrannt. Bremen , 12. September. (Eigenbericht.) I« der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag ist die bekannte Fokkewulff-Flugzeugwerke-Gesell- k ch a f t in Bremen von einem verheerenden Groß- fe u e r heimgesucht worden, das die Flugzeugwerke mit ihrem wertvollen Inhalt fast völlig vernichtete. Gegen Mitternacht— die Arbeiter hatten, wie üblich, die Arbeit um IS Uhr beendet und die kaufmännischen Angestellten das Konstruktionsbureau verlassen— brach Plötzlich in der Tischlerei Feuer aus, das mit rasender Schnelligkeit um fich griff, so daß /beim Eintreffen der Feuerwehr die Anlagen in hellen Flammen standen. Aus insge- samt neun Schlauchleitungen wurde ununterbrochen Wasser gegeben. Unglücklicherweise stand der Wind so u n g L n st i g, daß der Fuukenflug die große Flug- zeughalle auf dem Bremer Flughafen bedrohte. Zu ihrem Schutze mußten zwei Schlauchleitungen an sie herangelegt werde»; sie konnte geschützt werden. In den Fokkewulff-Flugzeugwerke« befanden sich mehrere fast fertiggestellte Flugzeuge. FüufFlugzeuge sind v e r- bräunt; drei hingegen konnte« gerettet werde». Bon der bekannten„Ente" ist«ur«och der Rumpf übrig ge- blieben. Die Entstehungsursache ist vollkommen rätselhaft, um so mehr, als di« Heizung nicht in Betrieb war und bei Fokkewulf nur mit Kaltleim gearbeitet wird. Das große Werk ist bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Der Schoden ist sehr hoch, aber voll durch Dersicheruyg gedeckt. Der Brand brach gerade an dem Tage aus, an dem der Langstrecken-Weltretord für Leichtflugzeuge des Bremer Chefpiloten Edzard offiziell anerkannt wurde. Wie verlautet, steht die Fokkewulf mit der Flughafen- leitung des Bremer Flughafens in Verhandlungen wegen Ueber- lassung von Räumen, um den Betrieb provisorisch aufrecht- zuerhalten. Einstweilen sind die Arbeiter aber beurlaubt worden. Zeppelin über Westdeutschland Ziuhige und schnelle Jahrs. Düsseldorf . 12. September. Als der»Graf Zeppelin" von seinem Abstecher nach München- Gladbach wieder nach Düsseldorf zurückge- kehrt war, war er noch etwa 20 Minuten lang über Düsseldorf sichlbar, wobei er über der Stelle, wo im 3ahre 1909 der alte Gras Zeppelin erstmalig mit seinem Luftschiff landete, eine Schleife zog. währenddessen stieg vom Flugplatz ein Flugzeug zur Lc- grühung des»Graf Zeppelin " aus. In seiner Ansprache von der Sendestelle de» Rundfunk» au» führte Oberbürgermeister Dr. Lehr aus:»Mit Freude und Wehmut grüßt Düsseldorf dich stolzes schön« Lustschiff. 20 Iohre ist« her. seit zum ersten Male der a'le Graf Zeppelin in einem feiner Lussschiffe Düsseldorf ansteuerte. Du stolze» Schiff bist ein Stück von Deutschland und hast den un- c sästikterlichen Glauben an unsere Zukunft rund um den Erdball gelragen. Die Völker aller Länder grüßten dich mit vewuade- r u n g." Der Gruß des Oberbürgermeisters an den»Graf Zeppelin " wurde über die westdeutschen Sender übertragen. Essen. 12. September. In ruhiger und schneller Fahrt nahm das Luftschiff »Graf Zeppelin " seinen Weg über Westdeutschland. Um 7.2S Uhr nähert« sich der Weltumsegler Hagen überfliegend dem rheinssch-westfälischen Industriegebiet. In schneller Fahrt wurden die Städte Dortmund , Bochum . Essen, Mülheim (Ruhr ), Duisburg , Oberhasssen überflogen. » Von dort kehrte das Luftschiff in geringer Höhe zurück und nahm leinen Kurs auf Gelsenkirchen , Buer und R e ck l i n g- hausen, die nordwestliche Grenze des rheinisch-roestfälischen Industriegebiets, wo es um 9.48 Uhr eintraf. Don dort setzte der „Graf Zeppelin " sein« Fahrt nach Nordwestdeutschland in Richtung M ü n st e r i. W. fort. Die Nachtfahrt des Lustschiffes. Nachdem wenige Minuten nach 11 Uhr nachts die Passagiere — 28 an der Zahl— in der Luftschiffholle eingetroffen waren und sich an Bord begeben hatten, wurde der„Graf Zeppelin" um 11.12 Uhr aus der Halle nach Westen ausgefahren. Das Wetter war für den Aufstieg wieder sehr günstig. Bei st e r n k l a r e m Humnel wehte nur«in leichter Wind. Nach nochmaligem kurzem Aus- wiegen hob sich der„Graf Zeppelin", der sich nur wenige Meter von der Halle entfernt befand, um 11.18 Uhr in die Lust. Eine kleine Zuschauermenge sandte dem Lustschiff beim Abflug« noch herzlich« Grüß « nach. Das Luftschiff nahm zunächst Kurs nach Westen und oerschwand dann in nördlicher Richtung den Blicken. Unter den Passagieren befinden sich der amerikanische Konsul in Stuttgart Maynard, die Reichstagsabgeordneten Ersing und Dr. Hertz. Ministerialrat Cloß, die Regierungsräte Schiller und Zejka, Kapitän z. S. Wolfram, Professor Göbel, Vertreter der Hapag, Rcgierungsrat Wittlinger vom Hauptzollamt Friedrichshafen und zwei Damen. Musikerstreik im Veba-Palast. Oer Bescher maßregelt die Organisationsvertreter. Die Beda- Palast-Licht spiel« in der Kasseralle« 178 in Wilmersdorf haben vor einigen Wochen ihren Besitzer gewechselt. Der neue Besitzer führte sich bei den Musikern damit ein, daß er versucht« die Arbeitsbedingungen feines Orchesters ganz erheblich zu verschlechtern. Der M u s i k er oe rba nd, mit dem der Besitzer der Lichtspiele jede Verhandlung über di« Beilegung des Konfliktes ablehnte, hat den S ch l i cht u n g s a u ss chu ß angerufen, vor dem heute nachmittag verhandelt werden soll. lim diese Verhandlungen nun illusorisch zu»machen, wurde den Orchestermitgliedern von der Direktion ultimativ ein Hau». t a r i f vorgelegt, der aber nicht ein- der berechtigten Forderungen der Musiker erfüllt. Da die Musiker sich geweigert haben, diesen Hauotarif zu unterschreiben, hat die Direktion die fünf Sprecher des Orchesters entlassen, was von dem gesamten Orchester mit der Arbeitsniederlegung beantwortet wurde. Die streitenden Musiker der Beba-Palast-Lichtspiele erwarten. daß ihnen kein Berliner Musiker bei ihrem Abwehrkampf in den Rücken fällt.
Neue Schauspielmuflk. Kurt Weil ! und Hanns Sisler. Entliterarisierung des Schauspiels: In diesem Zeichen hat di« neue Spielzeit«ingesetzt. Schlechte Stücke, gute Schauspieler, gute Ausführungen: wenig Drama, viel Aufwand an Mitteln, es zu verwirklichen— und schon, es zu ersetzen. Di« Mittel, Ausstattung, Aufmachung, werden Selbstzweck, die Zutaten Hauptsache; unter ihnen gewinnt die Musik erhöht« Bedeutung. Musik als Teil der Aufführung— richtiger: Ausführung de« Wertes, Teil der Insze. nierung, Mittel der Inszenierung, Musik neben Schauspielern, Bühnenbauten, Farben, Lichteffetten-, neben diesen und verbunden mit diesen: stilistisch gebunden, eines mit ihnen durch den Geist der Inszenierung... Ein Idealfall für Schauspielkunst(und von Schauspielkunst) ist in„Hzppy tn d", in der Aufführung des„Theaters am Schiffbaue rd am m" gegeben. Brecht, Weill , Engel— Dichter, Musiker, Regisseur— sind hier zu einer vollkommenen Einheit verschmolzen, und in jedem der drei ist davon«in Teil. Ein Stück Dichtung, umgesetzt in Theater, steckt auch in der Musik Kurt Weills. Der hat gelernt, die heterogenen Stilelemente seiner Drei-Groschen-Musit zu einer Art persönlichem Stil zusammen- zufassen, einem volkstümlich-balladesten Song, souverän auch in der Beherrschung de» Handwerks. Aber der Vorsatz hat ihn ge- hemmt, genau in der Linie der„Drei-Groschen-Oper " zu bleiben. Ein Erfolg läßt sich nicht verlängern und noch weniger mit den- selben Mitteln wiederholen. Der nächste Schritt auf diesem Weg müßt« zur Routine führen: der gescheite Könner wird sich nach neuen, neuartigen Anregungen umsehen müssen. Zu„Dantons Tod ", für Martins Inszenierung in der Volksbühne, hat Hanns Eisler di« Musik geschrieben. Hier ist es der Dichter und Dramatiker Büchner , der stark genug ist, dem Theater, auch dem heutigen, den Ton anzugeben: auch die Musik bleibt in den Grenzen der Aufgab«, die das Werk, nur das Werk, der Bühne stellt. Aber Martin hat wie kaum ein anderer Regisseur das innere Ohr für die Musik, nach der das Drama oerlangt, weit hinaus über die Anweisungen des dramatischen Autors, und er weiß diese Musik durch das Organ de» Musikers herauszuholen. Und Hanns Eisler — man kennt ihn als Vorkämpfer und Bahn- brecher der neuen Arbeitermusik— hat in kurzen Vor- und Zwischenspielen, in untermalendem Detail den Stil dieser Insze- nierung, die das Revolutionsdrama aus der Perspektive der heutigen Arbeiterwelt hinreißend verwirklicht. Reichere Gelegenhett hervor- zutreten findet der Musiker freilich im Theater am Nollendorsfplatz, im„Kaufmann von Berlin", bei Piscator , der, ähnlich wie Charell— auf geistig höherer Eben« selbstverständlich—, dem fragwürdigen Ziel des Theaters ohne dramatische Substanz, des Theaters um setner selbst willen zustrebt, genauer: um der Ge- sinnung und der Maschinerie willen. Wie der Dichter Mehring ist auch der Komponist Eisler am stärksten, nämlich produktivsten in den Songs, in denen sich— gewissermaßen wie in den Arien der Händel-Oper— das Wesentliche der dramatischen Situation zu kon- zentriertem Ausdruck niederschlägt. Daneben aber, um Uebergäng« und Verwandlungsgetöse zu decken, gibt es auch mancherlei Leer- laufendes: herkömmliches Gejazze und nicht eben geeignet, die Atmosphäre der schon„historisch" gewordenen Inflationszeit lebendig zu machen. Aber zu der ungemein starken Theaterwirkung des Abends hat alles in ollem di« Musik viel getan. K. P. Eine Deutsch« pädagogische Au»land »sielle ist in der Gründung begriffen. Ihre Notwendigkeit ergab sich au» dem von Jahr zu Jahr wachsenden Austausch zwischen Deutschland und dem Aus- land auf allen Gebieten de» Bildungswesens. Die Auslandsstelle, die mit Unterstützung des Reichsministerium» des Innern und des Auswärtigen Amt » und unter Mitwirkung der pädagogischen Fach- verbände jeder Art ins Leben gerufen worden ist, soll unabhängig von den Behörden arbeiten. Sie soll die für ihren Aufgabenkreis schon vorhandenen Einrichtungen keineswegs ersetzen, sondern ihnen nur einen Mittelpunkt für zweckmäßiges Zusammenwirken schaffen Itefl Langer veranftaitet aus Einladung der volttdilbne am Freitag, dem 20. September. La Uhr. im Bllrqerlaal de» Rathaule», unter Mit- Wirkung von Siefan Meilel einen.Lustigen Abend". Einlaßkarten zum Preise von Sl. 0,60 in den BorverkaufSstellen der Bolksbllhne. »Der Las de» Norden »" der für heut« im Univeriwn augesehte 2m»- Trenler-Fllw. kann erst Freitag zur Uraustühnwg kommen,
Das Wasserstoffatom gesprengt! Der Berliner Professor Dr. Bonhösfer hat nach einer tele- graphischen Mitteilung auf dem Kongreß der„American Chemical Society " in N«w Pork die sensationelle Mitteilung gemacht, daß es ihm gelungen sei, das Wasserstoffatom zu sprengen, und daß die resultierenden zwei Gase verschiedene Wärmeleitungen, verschiedene Spektren und verschiedenen Gefrier- und KochpunU haben. Bon- höffer bezeichnet die beiden Gase als Parawasserstoff und Orcho- Wasserstoff und erklärte, daß die beiden Gase sich in ihrer Struktur dadurch unterscheiden, daß in dem Parawasserstoff die Elektronen gegeneinander kressen, während sie in dem Orthowasserstoff mit- einander kreisen. Dies« Mktteilung hat naturgemäß in der Sitzung da» allergrößte Aufsehen erregt, und der Vorsitzende des Kongresses, der berühmte Chemiker Professor Taylor, hat darauf hingewiesen, daß diese Entdeckung des deutschen Forschers eine der bedeutungs - vollsten wissenschaftlichen Taten der letzten Jahrzehnte sei. In den letzten 10 Iahren sind auf dem Gebiete der Atom- Zertrümmerung großartige Versuche gemacht worden, die von einigen Teilerfolgen begleitet waren. Der erste Gelehrte, der zugleich den rätselhasten Vorgang beim Radium als spontanen Atomzersall er- klärt«, nämlich Rutherford, war auch derjenige, der den Versuch unternahm, diesen von der Natur gezeigten Atomzerfall auf künst- lichem Wege nachzuahmen. Es find jetzt genau 10 Jahre her, daß er mit einem sinnreich erbauten Apparat mit Hilfe von Alphastrahlen Wasserstoffatomc aus anderen Elementen herausschoß. Damit war aber der eigentliche Vorgang der Atomzertrümmerung noch nicht ermöglicht, denn der Atomkern widerstand bisher allen Angriffen, di« man mit natürlichen und künstlichen Mitteln gegen ihn richtete. Der Atomkern ist außerordentlich klein und wird durch ungeheure Kräfte zusammengehalten, der«n Freiwerdung der Menschheit auf billigstem Weg« die gewalligsten Energien liefern würde. Aus wissenschaftlichen und aus praktischen Gründen haben darum di« Forsch«? all«r Länd«r die größt«n Anstrengungen gemacht, die Zer- trümmerung des Atoms zu«rreichen. Immer noch blieb als stärkstes Mittel«in Naturprodukt übrig, nämlich die Alphastrahlen, die aus den geborstenen Radiumatomen herausstürmen und eine Gewalt be- sitzen, wie sie bisher von menschlichen Kräften nicht dargestellt werden konnte. Erst vor kurzer Zell hat ein Assistent Rutherford«, der Gelehrte Dr. Kapitza. elektrische Felder mit Spannung von 500 000 Gauß künstlich erzielt und dabei dem elektrischen Strom seine zerstörende Wirkung genommen. Er hat auf diese Weis« auch ein künstliches Mittel geschaffen, das im Kampfe gegen den Atomkern in Zukunft verwendet werden kann. Die bisherigen Fortschritte auf dem Wege zur Atomzertrümmerung sind sogar bereits sichtbar und hörbar ge- macht worden. Alle diese Fortschritte waren gewissermaßen di« Schrittmacher für den großen Erfolg Bonhöffers, der in erster Reihe auf wissen- schaftlichem Gebiete seine Bedeutung erlangen wird. Besonders für die Erforschung des Wesen» der Atome dürfte er voraussichtlich von einer Tragweit« sein, die heute noch nicht zu übersehen ist. Bon- höffer selbst sst der Ueberzeugung, daß seine Entdeckung technisch« Konsequenzen noch nicht haben wird. Es ist aber eine alte Er- fahrung, daß nach den notwendigen wissenschaftlichen Dorarbellen auch die technische Verwendung ermöglicht wird. C. A.
Berufung eines Schulreformer». An die«rziehungswissenschaft- liche Abteilung der Technischen Hochschule in Braunschweig wurde der bekannt« Schulreformer Jensen- Berlin berufen. Jensen leitete zuletzt die Rütli-Schule in Derlin-Reukölln und ist durch seine pädagogischen Schriften, u. a. durch das bedeutsame Werk„Schul- kaserne oder Gemeinschaftsschule?" bekannt geworden. Jensen wurde in Braunschweig zum Professor ernannt und wird hier voraussichtlich eine Refonnschul« aufbauen. Das Ende der Schuldhaft in der Türkei . Die Schuldhaft, die ja in noch nicht allzu ferner Zell auch bei uns noch üblich war, ist jetzt in der Türkei abgeschafft worden. Dort galt bisher noch immer das Gesetz, daß jemand, der seine Schulden nicht bezahlle, eingekerkert wurde. Jetzt ist das nicht mehr statthast, und all« Schulligefangenen sind in Freiheit gefetzt worden. Die Wirkung des neuen Gesetzes wird sich besonders bei den unteren Klassen bemerkbar machen, unter denen man bisher Geld ohne jede Sicherheit verlieh und damit rechnete, daß der andere aus Angst vor der Einsperrung schon b-- zahlen werde.