Morgenausgabe
Nr. 429.
A 216
46.Jahrgang
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Freitag
13 September 1929.
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Ein wichtiges Geständnis.
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und Beamten, Wallstr 65 Diskonto- Gesellschaft, Depositenkasse Lindenstr. 3.
Teilnahme am Bombenanschlag zugegeben/ Ehrhardts Geschäftsführer verhaftet. Haben schon von den amerikanischen Bollblutnegern nicht
Die bisherigen Vernehmungen der unter dem Verdacht der Beteiligung an dem Bombenattentat Verhafteten hatte, wie von zuständiger Stelle mitgeteilt wird, das Ergebnis, daß einer der Verhafteten zngegeben hat, bei einem Bombenattentat zugegen gewesen zu sein. Sein Name wird im Interesse der weiteren Untersuchung vorläufig nicht genannt. Weitere Verhaftungen scheinen bevorzustehen.
Zu dem bereits amtlich bekanntgegebenen Geständnis eines der unter dem Berdacht der Mittäterschaft an den Bombenanschlägen Berhafteten, erfährt die Telegraphen- Union von zuverlässiger, nichtamtlicher Seite, daß der verhaftete Syndikus Weschte am Donnerstag das Geständnis abgelegt hat, daß er den Sprengstoffanschlag auf das Haus des Amtsvorstehers in Beidenfleth am 28. November vorigen Jahres mitverübt hat. Es war dies bekanntlich der erste der Anschläge.
Eine weitere bemerkenswerte Aussage hat Nidels gemacht. Er erklärt, daß er für die in Shehoe erscheinende 3ei tung„ Das Landvolk" Attien vertrieben habe. Er habe dabei das Recht gehabt, Gelder einzufaffieren und fie bis zu der Höhe seines Gehalts zur Deckung einzubehalten. Man tennt auch eine Reihe von Landwirten, bei denen er in dieser Angelegen heit vorgesprochen hat, und diese bestätigten bereits Nickels Tätigkeit für die Zeitung ,, Das Landvolk".
Waffenlager der Attentäter.
Im Verlauf der Vernehmung der im Zusammenhang mit den Bombenanschlägen hier verhafteten Personen, die auf dem hiesigen Polizeipräsidium auch heute weiter geführt wurde, haben sich Verdachtsmomente dafür er. geben, daß sich in Altona ein Waffenlager befindet. Die Kriminalpolizei hat sofort Maßnahmen zur Aushebung des Lagers ergriffen.
Die Spur zu Ehrhardt.
OC. Mann Plaas verhaftet.
Der Polizeipräsident von Berlin teilt mit: Am Nachmittag des 12. September erschien der der Mittäterschaft an den Bombenattentaten verdächtige Geschäftsführer Plas mit einem Brief des Kapitäns a. D. Ehrhardt auf dem Polizeipräsidium und stellte sich zur Ver. nehmung. Nach Abschluß dieser Vernehmung wurde Plaas, in dessen Wohnung bei der Durchsuchung eine Sprengkapsel Nr. 8, wie sie bei den Bomben attentaten verwendet wurde, und 174 Schuß S- Munition gefunden worden sind, in Haft genommen.
Der Brief Ehrhardts.
Der Brief Ehrhardts lautet:
falls verweise ich auf das Urteil des Staatsgerichtshofes. Ich stelle jedoch feineswegs das Vorhandensein einer Organisation und eines Bundes vom Jahre 1920 beginnend bis zur Auflösung des mich ferner fest, daß die Haussuchung in meinem Bureau teinerlei Bikingbundesunter meiner Führung in Abrede. Es steht für die Bombenattentate betreffendes Material zutage gefördert hat. Die Presse wird jedoch in dem Glauben gehalten, daß schwer belastendes Material gefunden worden sei.
Ich stehe Ihren Beamten zu jeder Auskunft hier in meinem Hause zur Verfügung. Ich habe Herrn Plaas, meinem Mitarbeiter aus meinem Bureau in Berlin , der sich seit gestern bei mir in Wuthenow befindet, Anweisung gegeben, sich beim Bolizeipräsidium zu melden, da nach Pressemeldungen nach ihm ge: fahndet wird. gez. Ehrhardt, Korvettenfapitän a. D."
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Wiking" über eine politische Organisation, die militärisch Herr Ehrhardt verfügt also trotz Verbots des aufgezogen ist. Er hat politische Bertrauensleute, er befiehlt und gibt Anweisungen und seine Leute gehorchen. Aber eine Organisation Consul hat es niemals gegeben ebenso wenig wie die Attentate gegen Erzberger , Rathenau und Scheide mann, wie die Sprengstoffanschläge in Hamburg , wie die Bemann, wie die Sprengstoffanschläge in Hamburg , wie die Befreiung der Seeoffiziere Boldt und Dittmar. Es hat auch feine Meineide Ehrhardts gegeben turz, Ehrhardt und seine Leute sind nur eine Mythe.
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Herr Plaas und Herr Ehrhardt sind es gewohnt, Hand in Hand zu spielen und es ist noch nicht das erstemal, daß Ehrhardt den Plaas, der auf seinen Chef unbedingt zu verlässig eingestellt ist, mit einem Schreibebrief versieht. Blaas gehört zu jenen Leuten, die im Jahre 1926 durch den Einfluß von Ehrhardt in sogenannte halbstaatliche Dauerstellungen in die Reichsmarine eingeschoben wurden, um dort ,, die Marine mit Wikinger zu verseuchen". Der gesamte Briefwechsel dieser Leute, der über ihr Treiben und ihre Gefährlichkeit Aufschluß gibt, wurde im Februar 1928 von Ernst Heilmann der Deffentlichkeit unterbreitet.
Daß Ehrhardt die Verhafteten für unschuldig hält, ist ohne jeden Belang. Herr Ehrhardt ist ein meister ber politischen 3 wedlüge. Das Leumundszeugnis eines mannes, der bewußt Meineide geschworen hat, ist ohne alle Mannes, der bewußt Meineide geschworen hat, ist ohne alle beweisende Kraft.
Effen, 12. September.
Im Zusammenhang mit der polizeilichen Untersuchung der Sprengstoffattentate in Schleswig- Holstein , Lüneburg und Berlin find am Mittwoch nachmittag in Mülheim Ruhr drei Per sonen auf Ersuchen der zurzeit in Altona weilenden Berliner Kriminalpolizisten fest genommen worden.
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Wie WTB. zu der Festnahme von drei Personen aus Mülheim erfährt, die wegen des Verdachts, an den Bombenanschlägen in Norddeutschland beteiligt zu sein, verhaftet wurden, handelt es sich hierbei um den Juwelier Friz Rehling, den Kaufmann Kurt Rudorff und den Konditor Anton Groß, sämtlich aus Mülheim . Die drei Verhafteten hatten einer deutschvölkischen Tagung in Rostoc beigewohnt und von dort aus an den Polizeihauptmann An das Polizeipräsidium Berlin, Abteilung I A. Auf Grund Nickels" Kartengrüße gesandt, die in die Hände der Polizei gefallen der Pressenachrichten, die mich und meinen politischen Anhänger waren. Von Rostoc aus hatten die drei jetzt Festgenommenen freis in Verbindung mit den Bombenattentaten bringen, habe ich Nickels dann auch in Hamburg besucht. Alle drei Personen wurden meine politischen Vertrauensleute zu einer Tader Landeskriminalstelle in Essen- Ruhr zugeführt; sie bestreiten, mit gung berufen. Ich mache dem Polizeipräsidium diese Mit den Bombenattentaten irgend etwas zu tun zu haben. teilung, um von vornherein irgendwelchen Kombinationen oder Gerüchten die Unterlage zu entziehen. Ich gehe dabei von der Voraussetzung aus, daß es Aufgabe der Polizei ist, die Oeffentlichkeit zu beruhigen. Zu meinem Erstaunen habe ich gesehen, daß das Polizeipräsidium es bisher nicht für erforderlich gehalten hat, der Presse irgendeine Richtigstellung, die meine Person oder die Tätigkeit in meinem Bureau betrifft, zuzustellen. Ich habe festgestellt, daß nach der Liste der Verhafteten, die mir durch die Preise vorliegt, außer Techow und dem in Berlin wohnenden Ernst v. Salomon niemand zu meiner aus den Jahren 1921 und 1922 befannten Drganisation( Neudeutscher Bund) oder zu dem später gegründeten Bitingbund gehört hat. Daß sowohl Techow wie Ernst v. Sa lomon an der jetzt schwebenden Sache völlig unbeteiligt find, steht für mich fest und wird sich wohl auch in Kürze erweisen. Im übrigen gehören die beiden Herren schon seit längerer Zeit nicht mehr zu meinem politischen Anhängerfreis. Das dürfte der Polizei ja bekannt sein. Daß eine Organisation„ D. C." nie bestarben hat. sondern nur in der Phantasie der Bresse porhanden war, dürfte doch ebenfalls bekannt sein, anderen gut befindet.
München , 12. September. ( Eigenbericht.)
Die Aufdeckung und Verhaftung der Bombenverschwörer veranlaßt Hitler , in einer im„ Bölkischen Beobachter" veröffentlichten Erflärung von der Landvoltbewegung in Schleswig . Holstein abzurüden. Aus dem Wortlaut der Erklärung geht hervor, daß zeitweise gewisse Beziehungen zwischen Nationalsozialisten und Landvolkorganisation bestanden haben müssen und daß Hitler ,, erst vor furzem angeordnet" hat, diese Beziehungen unter allen Umständen so rasch wie möglich zu lösen. Dieses erst vor furze m" erregt den berechtigten Verdacht, daß Hitler in der letzten Zeit Einblick in die illegale verbrecherische Tätigkeit der Landvolkführer erhalten hat und nun wenigstens nach außen hin die Brücke zu den Bombenverschwörern abzubrechen für
wenige eine hohe Stufe von Wohlstand und Bildung erreicht, so gilt dies erst recht von den Mischlingen, deren heute in den Vereinigten Staaten etwa drei Millionen leben. Ja, es gibt Rasseforscher, die behaupten, daß überhaupt nur lichen Leistungen aufweisen. Alle großen Männer, die man diese Mischlinge die Befähigung zu wirklich außergewöhnerst für Bollneger hielt, hätten sich bei Nachforschung immer wieder als Mischblut herausgestellt: so Booker- Washington, der große Volkswirtschafter, Chest mut, der Dichter, Tanner, der Maler. Das Schicksal eines solchen Halbnegers zeigt in einem außerordentlich farbigen, lebendigen Bilde die selbsterzählte Lebensbeschreibung von J. W. Johnson Der weiße Neger"( Frankfurter Societäts- Druderei, 1929). In Form einer flott geschriebenen Selbstbiographie entwickelt der Verfasser das Problem des bürgerlich arrivierten Negers und Halbnegers. An Stelle des Klassenkampfes der schwarzen Proletarier tritt der Rassenkampf auf höherer Stufe.
Im Norden der Union geboren, besucht er, der weiße Meger, dessen Mischblut das ungeübte Auge nicht festzustellen vermag, von dem er selbst nichts weiß. mit schwarzen und weißen Kindern die Schule. Bei einem Besuche des Direktors werden die weißen Schüler aufgefordert, sich zu erheben. Auch er steht auf. Die Lehrerin bedeutet ihm freundlich, sich zu feßen. Nachdem die Rätselhaftigkeit des Erlebnisses überwunden ist, empfindet er den Keulenschlag. Sein Schicksal ist fortan perfoppelt mit dem der Nigger", die von der übrigen Jugend auf der Straße verhöhnt werden. Gern und offen zählt er sich jetzt zu den ihrigen, sieht in jeder Glanzleiſtung eines schwarzen Kindes in der Schule einen Sieg der Raffe seiner Raffe. Als reiferer Junge reift er nach den Südstaaten, sieht dort das Negerleben als Massenerscheinung und die geräuschvolle lachende Harmlosigkeit des schwergeprüften Wolfes, das in vermanschtem Englisch endlose Scherze treibt, findet junge Mädels so blond, daß es einem unmöglich schien, daß auch sie schwarzer Abstammung fein sollten". Denn:„ das Widerspruchsvolle im südlichen Charakter gestattet sogar Raffenvermischungen. Man spricht davon, wie von der Best oder vom Aussah. Aber ich fannte mehrere gute Familien, die zahlreiche farbige 3weige desselben Namens hatten, die als Blutsverwandte bekannt und anerkannt waren. Und was mehr ist, es bestand für diese schwarzen Brüder und Schwestern, Onkel und Tanten, durchaus ein Gefühl der Freundschaft.
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Ueberhaupt erstaunt es einem zu hören, wie dieser Anmalt des Negertums die nördlichen und südlichen Amerikaner in bezug auf das Verhältnis zu seiner Rasse einschäßt: Standen die ersten während des Stlapenfrieges den Neger, sozusagen abstraft als Rasse" und helfen ihm im Kampf um feine Befreiung, so meint er dennoch, sie lieben aus dem Gefühl der Gerechtigkeit, der Wohltätigkeit, des Mitleids, sich heraufzuarbeiten"; aber die Weißen des Südens, die die Neger als Rasse bekämpfen ,,, haben häufig eine wirkliche Anhänglichkeit an das Individuum und helfen ihm auch bereitwillig". Er wird recht haben hier ist der Unterschied zwischen Prinzip" und Leben; was wir im ersten Auffah über was Wachsen der Negerfeindschaft im Norden berichteten, bestätigt es.
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Als Zigarrenarbeiter lebt er dann unter zugewanderten Kubanern, deren spanische Sprache er ebenso leicht und vollendet erlernt, wie später das Französische und Deutsche . Seine stärkste Seite aber ist die Musik, die Negermusik, deren Rhythmus ihm im Bulse pocht, und die ihm später Broterwerb und Lebensinhalt wird. Ein musikliebender Geldmann nimmt den Tonvirtuosen mit auf Reisen nach Europa .
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Doch über diesem ganzen Leben lagert unsichtbar die Tragit der geächteten Rasse und ihres bewußten Repräsentanten; denn er fann sich auf die Dinge nicht als Staatsbürger, nicht als Mann, nicht einmal als menschliches Wesen einstellen, sondern nur aus der Perspektive des farbi gen Menschen". Ist er selbst auch nicht ohne weiteres nach seiner äußeren Erscheinung als solcher erkennbar, so ist das Negerblut in feinen Adern trotzdem- ja, erst rechtfein Fluch. Kann er doch jeden Tag, in jeder Gesellschaft als Halbblut" entdeckt werden! Dann wird er unbarmherzig ausgestoßen, wie der Vorbestrafte, dessen Vergangenheit plöglich ruchbar wird. Freunde verlassen ihn, die Geliebte, um die er wirbt, wendet sich schaudernd ab. Wahrscheinlich tennt sie die im Volke drüben weit verbreitete Meinung: daß auch aus der Verbindung mit einem noch so ,, weißen" Neger spätestens in fünfter bis siebenter Generation wieder ein pechschwarzer Nigger" entspringen muß. Womit hat der begabte, edel gesinnte Mischling solchen Fluch des Schicksals verbient? Das Schauderhafte sollte er miterleben, was seinen
*) Siehe„ Borwärts Nr. 413.