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Sonnabend 14. September 1929

Unterhaltung unü AAissen

Beilage des Vorwärts

voTs�Ziriafoch: SOtttte fHif ckSiM Slllß

(Schluß.) Diese vier Schwestern waren Töchter eines Salzamtsvarstehers uird bewohnten ein Häuschen neben der Temesbrücke. Das Häuschen war dicht am Ufer gebaut und bot einen glänzenden Ankerplatz für unser Fahrzeug. So kam es, daß wir den ganzen Sommer hindurch fast jeden Tag mit den Mädchen zusammensteckten, unsere freie Zeit mit Schwimmen, Kahnfahren und In-der-Sonne-Liegen oer> bringend. Diese Mädchen nun, die sich bisher unsere Gesellschaft mit Freude gefallen ließen, waren von dem Moment an. als Viktor Cornja im Städtchen auftauchte, wie verwandelt. Wir wußten damals noch nicht, daß sich ein altes Gesetz an uns erfüllte. Diese kleinen Mädchen zogen das Ferne, Unbekannte dem Nahen, Vertrauten vor. Sie folgten dem Lockruf der berauschenden Fremd- heit, die den neuen Knaben einhüllte wie ein leuchtender Mantel, seinen Wert in das Unermeßliche steigernd. In dem kleinen Städtchen konnte natürlich ein Ereignis, wie die Ankunft desNeuen" nicht verborgen bleiben. Wir selbst sorgten für seinen Nuhm, wenn auch gegen unseren Willen. Wir nannten ihnGeschniegelter Affe", oderUebergent", oderSchöner Viktor", mit beißendem Spott natürlich, aber nie fielen solche be- leidigende Reden in seiner Gegenwart. Seltsam. Seine Nähe wirkte lähmend aus uns. Es war so viel Selbstverständlichkeit in allen seinen Bewegungen und im tiefsten Herzen bewunderten wir seine Fremdheit. Die Mädchen sahen ihn anfangs nur von ferne, auf der Straße, auf dem Marktplatz oder beim Schwimmen im Fluß. Sie warfen ihm versteckt werbende Blicke zu, die er jedoch nicht zu beachten schien. Wir selbst machten ihn mit den vier Schwestern bekannt, eines Abends vor dem Zigeunercafe. Drinnen fiedeUe die Kapell« ergreifende Volksweisen und draußen auf dem Marktplatze spazierte die Jugend der kleinen Stadt auf und ab. Dieser gewohnt« Abend- korso bewegte sich von der Apotheke bis zum Park(der aus etwa zehn Bäumen bestand) und zurück.. Dieser Gedanke, Viktor Cornja den Mädchen vorzustellen, kam uns ganz plötzlich, ich glaube, Pit Kokor sprach ihn aus. Er sagte: Sieh mal, da kommt der Affe, und ein Monokel hat er auch im Auge." Die vier Mädchen waren dabei und wir alle dreht« uns gleich- zeitig um. Viktor Cornja kam dahergsschlendert, den weichen Filz in der einen Hand, die Handschuh« in der anderen. Tatsächlich: ein Monokel im Auge. Solch Einglas trugen nach Pit Kokors Meinung nur die Hochstapler in den Romanen. Ueberhaupt habe er, Pit, kürzlich in dem wunderschönen RomanDie Dame mit dem schwarzen Hund" die Schilderung eines sehr zweifelhaften Herren gelesen, der Viktor Corsa auf das Haar gleiche. Wenigstens äußerlich. Mir standen also in der Nähe des Cafes, als Viktor Cornja, einer Aufforderung Pit Kokors folgend, zu uns trat. Er ver- beugte sich in vollendeter Weis« und blieb abwartend stehen. Sein« Augen waren dunkelbraun und sahen uns höflich fragend an. Pit Kokor stellte mit weit ausladender Bewegung vor. Es war schon ziemlich spät und wir begleiteten die Mädchen nach Hause. Als wir uns der Temesbrücke näherten, stieg der Mond aus den Wolken und glitzerte hell schäumend am Wehr. Es wurde wenig gesprochen. Der schöne Abend wirkte versöhnend auf Pit und mich und schlang vorübergehend ein Band der Einigkeit um uns all«. Die Mädchen schwatzten leise von gleichgültigen Dingen. Der neue Knabe schritt, vorsichtig jede Pfütze vermeidend, schweigend neben uns her. Der Mond spiegelte sich in seinen Lackstieseln. Pit und ich pafften verbotene Zigaretten. Wir näherten uns den, Hause am User. Der große Maulbeerbaum hinter dem Zaun rauschte. --- Durch schweigende Zurückhaltung eroberte derNeue" an diesem Abend das Herz der Mädchen. Die Ferien kamen. Die Freude und Aufregung der ersten freien Tage ließen uns den geheimen Groll für kurze Zeit vergessen, den wir gegen Viktor Cornja hegten. Denn die Lage hatte sich sehr verschärft. Wir waren für die Mädchen unwichtig geworden, der Ruhm, den wir uns durch eine Reihe gefahrvoller Abenteuer am Flusse erworben hatten, verblaßte vor der aufgehenden Sonne desNeuen". Sie warben um feine Freundschaft, alle vier zugleich.

Wir waren nicht mehr vorhanden, standen plötzlich gleichsam im lustleeren Raum, diese Mädchen, selbst noch launische, grausame Kinder, strichen uns ganz einfach aus ihrer Welt, wie man eine falsche Zahl streicht, vernichteten unseren Wert. Er war der Anlaß. Er drang in unser Leben, ergriff mit un- erhörter Selbswcrständlichkeit Besitz von unserer Welt, fegte uns mit einer seiner eleganten, lässigen Handbewegungen beiseite wie dürres Laub. Ich weiß heute, wenn ich zurückschaue, daß es sicher nicht jeine Absicht war, uns zu verletzen. Er war ganz fremd in der kleinen Stadt und sucht« Freunde. Rur die Welt, aus der er kam, war anders als die unsere. Und das verziehen wir ihm nicht. Neid verzehrte uns und die Grausamkeit unserer Jugend trieb uns zur Rache. Wir sprachen das nie aus Pit Kokor und ich auch später haben wir nie darüber gesprochen. Alle Qualen des Neides und> der Eifersucht trugen wir stumm in unseren Herzen. An einem Tage dieses Sommers rächtxn wir uns. --- Gegen Mittag ruhten wir aus. Pit Kokor dreht« sich fme Zigarette aus Seidenpapier und Kukuruzhaaren, saß auf einem Strunk am Ufer und seine Beine, die von der Sonne ver- brannt waren, baumelten in das Wasser. Ich lag etwas höher auf der Böschung und ließ mir von der Sonne den Bauch wärmen. Das Boot schaukelte vor der kleinen Holztreppe. Die vier Mädchen waren gu Hause. Sie hielten sich hinter dem Zaun im Garten auf und zeitweilig klang ihr Lachen herüber. Es mochte ein Uhr mittag sein. Ich lag im Halbtraum auf dem Rücken und erwacht« von einem lauten Pftff. Pit Kokor stand auf einem Bein auf der Nase des Bootes, das beängstigend schwankt«, heftig gestikulierend. Pit war ungewöhnlich geschickt bei solchen Wagestückchen. Außer- dem war er ein guter Schwinnner. Selbst wenn das Boot kentert«, war nichts zu befürchten. Der Grund dieses plötzlichen Balance- aktes war derNeue", der sich unserem Badeplatz nähert«. Ich sah ihn über die Brück« kommen. Wie aus ein Zauberwort tauchten jetzt auch die Mädchen auf. Eifa ordnete flink ihr Haar, die anderen drei machten es ihr nach. Viktor Cornja kam die Böschung herab. Einen steifen Girardi- Hut auf dem Kopfe, das Einglas im Auge, die Handschuhe in der Linken. Er grüßt« freundlich: Küsse den Damen die Händ«. Servus, Iungens!" Pit stand gerade in einer schwierigen Stellung auf der Zehn- spitze am Ende des Bootes und überhörte den Gruß. Dann sagte er plötzlich: Versuche mal, ob du das auch kannst!" Pit Kokor sprang leichtfüßig an das ilfer. Das war«in« Herausforderung. Die Mädchen wandten sich alle demNeuen" zu. Sicher lag ihm nicht viel daran, sich zu produzieren, das weiß ich heute bestimmt, aber die vier Paar glänzenden, gespannten Mädchenaugen ließen ihn nicht los. 2>a ist ja nicht viel dabei," meinte er. Und er trat, fo wie er war, im schönen gebügelten Anzug, deu Girardi auf dem Kopfe, die Handschuh« zwischen den Fingern,: in das schwankend« Boot. Wir zwei, Pit und ich, hielten diensteifrig die Bootslein«. Der Neu« trat vorsichtig auf, um feine Lackstiefel zu schonen, denn im Boot stand eine Handbreit Wasser. Jetzt stand er auf einem Bein auf der Bootsspitz« und lächelte. Er lächelte freundlich zu den Mädchen herüber. Es war ein echtes Knaben- lächeln, ein siegesfroihes, her, zerwärmendes Lächeln. Aber wir sahen nur die Gesichter der Mädchen. Und dann sahen Pit und ich uns ein« Sekunde lang an. Scheu, aber mit einem Funkeln des Einverständnisses. Und dann rissen wir an der Leine. --- Als wir ihn herausfischten, waren die Bügelsalten beim Teufel, die Kleider klebten ihm am Leibe, den Girardi hatte der Fluß fortgetrieben. Vom Monokel keine Spur. Die vier Mädchen am User hielten sich den Bauch vor Lachen. Es waren Kinder. Der Bann der Fremdheit war gebrochen. Di« Grausamkeit und Quällust der Kinder brach hervor. Der Neue schwankte die Böschung hinauf, das Haar klebte ihm in der Stirne. Er sagt« kein Wort. Wir brachten Viktor Cornja an diesem Ab«nd heim. Beim Abschied reichte er uns beiden die Hand und sah uns still in die Augen. War er nicht ein Held?

maxssemnrdi: Arbeiter Weines

Südtirols Weinfaß ist das sogenannteUnterland", das weit« Tal zu beiden Ufern der Etsch südlich von Bozen bis zur Salurner Klans«. Hinter Saturn, wo sich die Bcrghänge zu einer vchlucht verengen, beginnt sich das Tal bereits zum Becken von Trient zu weiten. Der Fremde kennt das Unterland nur vom Ersenbahnfenster aus. Di« Mittelpunkte der Fremdenindustrien bleiben Bozen und Meran , die Dolomitenwelt, und in der Folg« der italienische Süden. Aufenthaltlos bringt der v-Zug den Reisenden von Bozen etsch - abwärts dem Gardafee zu. Der Blick auf di« langgestreckten Wein- öcker, die sich zu beiden Seitei des Tal«s bis in die Berg« hinein verlieren, ermüdet durch seirmfftetes Einerlei und oermag auch di« gewonnenen Eindrücke des Fremden im Bozener und Meraner Gebiet nicht zu überbieten. An landschaftlichem Naturreiz arm, verzichtet es auch auf jede Frenidenindustrie. Es lobt nur dem Weinbau und Weinhandel. Di« wenigen größeren Ortschaften Branzoll , Auer, Neumarkt, Kalter», St. Margreid, Saturn, teilen sich in d«n Grundbesitz des Unterlandes. Dörfer, die von Spritzkalk und Kupfervitriol blau­grün verfärbt sind, mit kleinen Kirchen, auf deren Mauerwerk uralt«. oft kostbar« Fresken zerbröckeln. Schiefwinkelig stehen die Häuser beieinander, lassen nur die grellweiß«, kalkstaubige»Landstraße mitten hindurchziehen. Miniaturstädte mit einem Kaufhaus, der Cooperativa", dem großen Krömerladen, in dem alles zu haben ist. Wirkliche Bauernhöfe mit umliegenden Gütern sind selten. Die Bauern haben sich in Ortschaften zusammengetan und leben in enger Gem«infchast alsGrundbesitzer". Ihre Weingüter, Aecker und Felder liegen weit außerhalb der Dörfer, oft nur mit Fuhrwerken erreichbar. Ihr« Häuser aber, die durch das von Generation zu Generation anschwellende Expansionsbedürfnis in ihrer Baulichkeit di« wunderlichsten Formen verraten, zieren winzig« Gärt «n, mit mm Frauenhand gepflegte» Salatbeeten. Nahezu da» ganze Jahr

über darf der Salat, zubereitet mit vorzüglichem Weinessig, von der Kresse angefangen bis zum Winterendioi", bei keiner Mahlzeit fohlen. Er bildet nicht nur ein ausgezeichnetes Erfrifchungsmittel, sondern muß überhaupt das vechältnismäßig wenig angebaute Ge- müf« in vollem Umfange ersetzen. Arbeitstag und Arbeitszeit sind bei dem Unterländer durch die Erfordernisse der Jahreszeit wie bei aller Landwirtschaft genau geregelt. Immer wieder, das ganze Jahr hindurch, wird eine Großarbeit verfolgt: Das Umpflügen des Weinackers. Mit Pflug und Ochsengespann und mit der Hark« wird die Erde an der Reb- würzet gelockert. Die Angst vor der gefürchteten Reblaus, die sich in die Wurzeln der Reb« unter der Erde einfrißt, peitscht die Bauern zu einer Sorgsamkeit für ihre R�bstöcke auf, die keinen Vergleich in der Landwirtschaft findet. Ist doch ein einziges Mutter- tierchen dieses Insektes imstande, den völligen Ruin eines begüterten Weinbauern herbeizuführen. Knospen aus den beschnittenen Robstöcken die ersten Blätter, beginnt schon die Sorge um Krankheit und Siechtum des jungen Grüns. Hektoliter von blaugrüner Kupfervitriollösung und Kalk- wasser werden oerspritzt. Schweselschwoden stäuben im grünen Blatt- werk und ersticken Krankheit«« im Keim. Schon rückt der Sommer heran und zaubert aus dem Rankenwerk und den Schlingarmen der krüppeligen und verstümmelten, jahraus, jahrein schwer tragen- den Rebwurzel, die Traube. Die Sorge um das Gedeihen der harten, grünen Traubenfrucht vergrößert sich mit der fortschreiten- den Reif«. Wochenlange Trockenheit ist oft nicht so verheerend wie ein anhaltender Landregen oder ein minutenlang«! Schauer und Hagelschlag. Fieberhaft, unter Heranziehung der ganzen Familie und aller auftreibbarcn Arbeitskräfte, wird in der Reife- und Wein- lofezeit geschafft. Den Unterländer Bauern zwingt sein Weinacker zu Unmensch. llchen Anstrengung«», de»» die Arbeit überstürzt sich mit der schie»

henden Kraft des Wachstums und nnt der Fülle und Augenblicklich- keit der Reifezeit. Die dem Weine gewidmete Traube ist viel un- ansehnlicher �ils die zum Versand gelangenden Eßtrauben. Sie ver- bleibt auch länger am Rebstock, selbst auf Kosten ihres Wasser- geholtes, des Traubensaftes. Fault teilweise sogar an und erhält ein ganz unscheinbares Aussehen. Aber der Zuckergehalt erhöht sich mit jedem Tage und mit ihm im späteren Stadium der Weinbereitung der Alkoholgrad, di« Hochwertigtzit des Weines. Auf Gehalt, Blume und Haltbarkeit des Tiroler W«ines, der noch nach Iahren im Gläschen von steiniger Erde, sonnigen Berghängen pnd frischen Bauexnmädchen herb wehmütig dahinträumt, wird besonders Wert gelegt. Di« Gastfreundschaft der Unterländer kennt keine Grenzen und sollte zumindest ebenso bekannt sein wie das angeblich allzu lose Messer in ihren Hosentaschen. Es ist ei» ganz eigenartiger Menschen- schlag. Kleine, untersetzte Leute mit knochigen, sonnverbrannten Ge- sichtern. Leicht aufflammend wie Italiener und dennoch von einer gelassenen Ruhe und Schwerblütigtclt, die den Nordländer aus- zeichnet ein ständiger Kontrost, der zu den seltsamsten Charakter- äußerungen führt. Rassengemischtes Oesterreich, durchblutet von Nord und Süd und in generationenalter Talinzucht zu einem besonderen Volksstamm gezüchtet. Getrunken wird unheimlich. Der Keller eines jeden Weinbauern ist oer Stolz und Ehrgeiz seines Hauses. Dom allgemeinen Wirt- schaftskeller führt häufig noch eine Falltüre in ein noch einig« Meter tiefer gelegenes Gewölbe: hier lagert dann der allerhöchste Privat- wein des Herrn und Gebieters, mir ihm allein erreichbor. In den Vorkellern befindet sich neben der Verkaufsware der gewöhnliche Tischwein", ein leichter Tropfen, der zu allen Mahlzeiten wie Wasser genossen wird. Für einen weniger trinkfesten Bruder ge- nügen ober auch schon von diesem Tränklein, ein paar Gläschen, um ihnvom Weine voll" zu machen. Zum Durstlöschen und als Labsal bei der Arbeit dient derLeps", das ist, nach dem Prinzip des zweiten Kaffeeaufgusses, ein mittels Wasser, Zucker und bereits aus- gepreßter Weintrauben hergestellter, leicht vergorener Trank, der fast keine alkoholische Wirkung mchr besitzt, dafür aber in der Hitze ein bekömmliches Erfrischungsmittel darstellt. Jeder Gast wird zuerst in den Keller geführt, und wenn er für die Erzeugnisse des Weinbauern Berständnis aufbringt und sich ihrer würdig erweist, bekommt«r auch noch den Privatkeller des Bauern zu sehen und zu kosten. Man ist da unter sehr freigebig und freut sich über jeden Fremdling, der den W«in zu loben versteht, sei es nun ein reisender Händler,«in über Land fahrender Beamter, Tourist oder Handwerksbursche. In ihrer Einsamkeit und Ab- 't geschlossenheit vom öffentlichen Leben reißen sich die Bauern beinahe um jeden die Dorfstraße entlang pilgernden Landstreicher, und wäre es auch nur, um ihn mit süffigen Weinen anzufüllen, um das gro- teske Schauspiel der Trunkenheit genießen zu können. Eh! tumm amoooll"(Hei komm einmal her!) schallt der Ruf aus einem Hof. Irgendein Wanderer, der gesenkten Hauptes auf der glühenden Dorsstraß« dahintrottet, wendet sich erstaunt um und lenkt seine Schritte in einen Torbogen. Ein Bauer, gerade mit Au»- bessern von Gebinden beschäftigt, wirst die ihm lästige Heimarbeit hin. Kumm, trinkst an Wein," sagt«r mit selbswerständlicher Bc- tonung. Dem Bauern ist der Fremdling gerade r«cht, hat er doch Grund, das auszubessernde Faß auf seinem Hofe siegen zu lassen und in den kühlen Keller zu steigen. Acht Meter unter der Erde freut er sich über jeden tiefen Zug, den sein Gast aus dem Weinkrug macht. Oh, er gibt ihm zu kosten und zu trinken, daß der Dürstende vermeint, plötzlich ins Paradies«ingegangen zu sein. Gesprochen wird nur vom Wein und nichts als vom Wein. Nicht ein Stückchen Brot bekommt der Ertrinkende, geschweige irgendeinen Imbiß. Die Räucherkammer gehört nicht zum Keller, sie unterliegt auch der Obhut der Bäuerin. Aber trinken kann sein Gast, Wein soll er trinken, trinken, saufen... Merkt die Bäuerin das Spiel ihres Mannes, schilt sie ihn, trotz seines unbändigen Gelächters, laut aus und erbarmt sich des Voll- getrunkenen. Irgendwo im Schatten eines Maulbeerbaumes wird der weinfroh« Zecher am Abend erwachen, an der Seit« ein sauber verschnürtes Paket: der Bäuerin Gruß und Erbarmen, einTrumm" Speck und schwarzes, selbstgebackenes Brot... Die Ueberstürzung der Weinlesearbeiten, die ungeheure Menge des geernteten Weinmostes, der Mangel an modern angelegten Kellereien in den Weindörfern und die Bargeldnot, zwingen fast ausnahmslos alle Weinbauern im Herbst zum Berkauf der Wein- maische an die sich einstellende Weinhändlerschaft. Große Kellere:?» im Ueberetsch und in Bozen kaufen den süßen Most aus, der Preis. der dafür bezahlt wird, ist im Verhältnis zu dem späteren Wein- preis sehr gering, dafür aber ist der Bauer jeder weiteren Arbeit und Sorge um den Jahrgang enthoben und kann sich wieder der neuen Weinackerbestellung widmen. Wae in seinen Gebinden im Kellergewölbe Platz findet, wird natürlich eingekellert, sei es auch nur für den Hausgebrauch denn zu dem gedachten Berkauf des vollwertigen Weines im Frühjahr kommt es nur in den seltensten Fällen: Entweder ist die M«nge des Weines schon so zusammen- geschmolzen, daß es sich nicht lohnt oder der Weinbauer hängt so an seinen guten Tropfen, daß er ein« phantastischen Preis dafür fordert, den ihm niemand bewilligen kann. In seinem Unmut ver» trinkt und verschenkt er dann di« Waren, deren herbstlichen Maische- wert er längst nutzbringend in seinen Weinkulwrcn hätte unter- bringen können. Die drei Monate Winter gönnen dem Unterländer eine klein« Ruhepause. Da kümmert er sich um die Ausgestaltung seine» An- sitzes, um Familie, Berwandtschaft und um die nächste Zukunft. Politik ist ihm ein ärgerliches Gebiet, das er nur ungerne berührt, in das er sich aber gegebenenfalls Mit kühlem Berstande einzufühlen versteht. Mit der ihnen eigenen Zähigkeit verstanden sie sich trotz der sperrenden Brennergrenze und Gen Ausfuhrschikanen mit ihren Edelerzeugnissen im Auslande durchzusetzen und zu behaupten. Di« erhöhte Aufmerksamkeit auf Qualität und Haltbarkeit des Südttroler Weines im gemeinsamen Schaffen mit den modernen Kellereien des Landes, ließen sie aus der gefürchteten italienischen Weinkonturrenz erfolgreich hervorgehen. Da» deutsche Unterland zwischen Boz«n und Salurn bildet heute eine gefestigte wirtschaftliche Einhett im deutschen Südtirolerblock des Königreiches Italien . Das Bewußtsein, ihr köstlicher, hart erarbeiteter Wein könnte mit einer reich». italienischen Konsumware verwechselt werden, hält sie schon im Herzen als deutsche Bauern wach. Sie lieben ihre Sonderstellung im Weinkatalog noch viel mehr aber die weite, w«Ue Heimat, die ihrer Meinung nach von ihren Veinackerfurchen bis zur Wasser­kante im Norden reichen müßte. Nordwärts bleibt ihr Blick gerichtet und so manch Gläschen kräftigen Tirolenvein, grüßt herb lächelnd di» deutsche» Brüder jenseits der Alp«».