Heldenseuche. Von Paul Gutmann.
In Unqarn hat man den Antrag gestellt, ehemaligen Teil- nehmern am Wellkrieg als nachträgliche Auszeichnung den bürgsr- liehen Ehrentitel>F>«ld" zu verleihen. Ob dieser Antrag Gesetzeskraft erlangt hat, entzieht sich mkiner Kenntnis. Auch unter uns würden viele, namentlich solch«, die im sicheren Hinterland durchgehalten haben, vor Glück schier zerplatzen, wenn man sie nicht mit ihrem bürgerlichen Namen, etwa Herr Krause oder Herr Meier, sondern Herr„Held" anreden mühte. Wir wissen freilich, nicht bloß aus Remarques Buch, daß die wirtlichen Hellfen sich einer besonderen Erwähnung ihrer Taten schämen, und daß es die Schwächlinge sind, die die Heldenpos« äsfen. In Deutschland gibt es Menschen, die der Ansicht sind, daß man nur durch unermüdlich« Arbeit, rastlose Zähigkeit, kluge kauf- männische Berechnung der Möglichkeiten vorwärts kommen könne. Das ist die Mehrzahl. Im Krieg machten bekanntlich Professoren den Unterschied zwischen Engländern und Helden, aber davon scheint man abgekommen zu sein. Dagegen ist eine Minderheit unreifer oder von schlauen Drahtziehern mißleiteter Menschen wieder einmal stark der Meinung, daß man Heldentaten verrichten müsse. Die im vollen Tageslicht der Kritik verrichtete mühsame Arbeit unserer Staatsmänner ist in ihren Augen erbärmliche Feigheit, während der Ueberfall von hinterrücks, die Sprengung von Dersammlungen, das Bombenlegen im Dunkeln, rohe Anwendung von Gewalt gegen Andersdenkende Heldentum darstellt. In ihren Augen ist es weniger heldenhaft, ein Gebäude zu errichten, als die Fensterscheiben eines solchen zu zertrümmern. Man wunderte sich während des Werltkriegs, daß auf der ganzen Erde, in keinem der am Krieg beteiligten Länder ein gutes Heldengedicht entstanden ist, wie sie in friedlicheren Zeiten Massen- hast versaßt wurden. Wer die unendliche Plage des Daseins erkannt hat, wer voll von Verantwortungsgefühl ist, der lehnt die billig« Phrase des Heldentums ab. Es sind die innerlich Armen, die seelisch Verkümmerten, die Hysteriker, die durch Kraftmeiertum ihr« Schwäche verdecken müssen. Ueberkompensicrung nennt es der Arzt oder den männlichen Protest des Neurotikers. Man kann es in Ver- sammlnngen beobachten, daß es die Weibischen sind, die verworrenen
Schwächlinge, die das größte Geschrei erhebe«. Der gesträubt« Schnurrbart, die klirrende gepanzerte Faust Wilhelms II. war ein solcher Protest eines entarteten Schwächlings, der durch feige Flucht sich der Verantwortung entzogen hat. Die Verantwortlichen sind die Staatsbürger, die Verantwortungslosen die Helden. Jeder Iugcnderzieher sollt« sich die Frage vorlegen, ob er Helden oder Staatsbürger erziehen wolle. Bisher war die Erziehung in Deutschland vornehmlich auf das Ideal des Helden gerichtet. Nicht die großartigen Verfassungen der antiken Staaten dienten als Vorbild, sondern mehr oder minder sagenhafte Meuchelmorde, Verschwörungen oder Raubzüge. Es ist natürlich bequemer, auf den in jedem Jungen schlummernden Wilden hinzuwirken als auf den sozialen Pflichtmenschen. Die bunten Indianer- federn, der Helmbusch oder Schild des Achill, der wackere Schwabe, der die Türken wie Schießbudenfiguren absäbelt—„Zur Rechten sah man wie zur Linken einen halben Türken herniedersinken"— sind natürlich seinem steinzeitlichen Geschmack anisprechender als die Verfassung Athens und Roms oder die von Weimar . Dennoch sollte endlich einmal die staatsbürgerliche Erziehung, wie sie in England oder der Schweiz geübt wird, intensiv betrieben werden. Vom beut- schen reaktionären Oberlehrer bis zum Irrsinn der Bonrbenleger führt ein gerader Weg Die Mehrzahl in Deutschland steht den Ver- brechen gegen den Staat fern, aber lebt nicht ein steinzeitliches Ideal in Millionen Köpfen? Warum pflegt« man in Deutschland den angeblich größten Staatsmann ausschließlich in herausfordernder Kriegsrllstung darzustellen? Warum ist der Mann mit Schmissen im Gesicht ehrfurchtgebietender als der unverstümmelte Arbeiter? Waruni wird mir das Schlachtfeld das Feld der Ehre genannt und nicht der bürgerlich« Beruf? Aber leider sind es nicht bloß die in falscher Ideologie heran- gewachsenen Völkischen, die in Gewalttaten gegen Wehrlose, sogar gegen Tot« Zeichen von Heldentum erblicken: zu unserem Schaudern erlebten wir es soeben, daß Arbeiterkinder einen Einbruch in eine Schule verübten, um das Bild Friedrich Eberts zu zertrümmern. So geht die Heldcnseuche bei uns um, so wird das Gemeinschafts- gefühl vom Heldentum zertrampelt.
Die Mitschuldigen. Fememörder -Agitation und Bombenattentate. Wir lesen im„Bayerischen Kurier": „Dazu kommt noch«i» anderes. Gerade unter ihrer gegen- wärtigen Führung hat sich die Deutschnationale Partei sowie die ihr nahestehende Presse monatelang beinüht, im Interesse der Herstellung einer Einheitsfront mit dem Nationalsozialismus ihren Angehörigen die Erkenntnis einzuhämmern, daß der politische Mord, insbesondere der„Fememord", wenn er aus„vater- ländischen" Beweggründen und zur Wahrung von„vaterländischen" Belangen geschieht, nicht«in(wenn auch mit besonderem Maßstab zu bewertendes) Verbrechen, sondern eine preis würdige Tat sei. Die politischen Morde aber waren(wenigstens oft genug) ebenso „individuelle" Terrorakte, Talen von vermeintlichen„Privat- richtern", Erzeugnisse einer„vnterlänbifdjen"„Rachejustiz", Maßnahmen einer vermeintlichen„Notwehr", wie es die letzten Bomben- attentat« der rechtsradikalen Terroristen gewesen sind. Wie soll sich da in überhitzten Köpfen nicht die Meinung festsetzen, daß, was in dem einen Falle zulässig und ruhmwürdig war, auch im anderen Fall« der Anerkennung des „nationalen" Deutschlands würdig sein müsse? Wie soll da nicht in fiebernden Gehirnen der Glaub« entstehen, daß das„nationale" Deutschland und die„nationale" Press« die im„nationalen" Interesse erfolgenden Attentate ebenso„d e ck t", wie es die Fememord« gedeckt hat und— zu einem großen Teil— auch die an Erzberger und Rathenau verübten Taten„gedeckt" hat? Wie soll da nicht im Geiste von Fanatikern die Anschauung erstehen, daß die„nationale Erhebung" heute bereits jetzt wieder so weit ge- diehen sei, daß der„nationale" Terrorakt wieder die gebührende Würdigung findet?" Der„Bayerische Kuoier" ist das Hauptorgan der Bayerischen Volkspartei , die mit den Deutschnationalen zusammen in Bayern regiert. Oer Deutsche Z�ichtertag. Neuwahl des Vorsitzenden. Köln , 13. September. In der gestrigen Lertreterversammlung des Deutschen Richter- bundes wurde an Stelle des bisherigen Vorsitzenden, Senatspräsi- denten Reichert(Leipzig ), mit Wirkung vom 1. Januar 193» ab Reichsgerichtsrat Linz(Leipzig ) zum Vorsitzenden des Richterbundes und Landgerichtsdirektor Dr. Wunderlich(L e i p- zig) zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Die Entschließung. Nach längerer Aussprache über die beiden Referat« nahm die Versammlung gegen zwei Stimmen bei mehreren Stimmenthaltungen folgende Entschließung an: Die Frage, ob eine grundlegende Iustizresorm in Deutschland notwendig erscheint, muß bejaht werden. Darunter ist die Gesamtheit derjenigen Maßnahmen zu verstehen, durch die planmäßig auf die für die jetzigen und kommenden Rechtsbedürfnisse unseres Volkes notwendig« Hebung des deutschen Rechtswesens hin- gearbeitet werden soll. In erster Linie muß hierzu ein für die neuen Erfordernisse hinreichend vorgebil- deter Richter st and in allen Instanzen vorhanden sein. Nicht minder aber ist in der Vereinheitlichung des Rechts- weges fortzufahren. Soweit nicht die Reichsgesetzgebung einzugreifen vermag und die Iustizhoheit noch bei den Ländern liegt, muh danach getrachtet werden, ein tunlichst einheitliches Vorgehen in allen Punkten zu er- zielen. Der Deutsche Richterbund bietet hierzu seine Mitarbeit an und ist bereit, Hand in Hand mit dem Deutsch«» Anwaltsverein und dem Deutschen Notarverein zu gehen. Bei der Aufstellung von Richtlinien müssen aber auch die übrigen Berussstände herangezogen werden. In diesem Sinne beantragt der Deutsche Richterbund das Bundespräsidium, das Erforderliche in die Wege zu leiten.
Die Klotienabrüsiung. Staatssekretär Stimson feiert die Einigung. Washington , 14. September. Staatssekretär Stimson sprach der Presie seine Befriedigung darüber aus, daß die große Arbeit nunmehr glücklich beendet und di« Einigung mit England über das der nächsten Seekonferenz vor- zulegende Programm erzielt sei. Er betonte, daß bei einer Gesamttonnnge von 1 Z00 000 Tonnen, di«.Amerika besitzt, ein kleiner Unterschied von wenigen tausend Tonnen, der zurzeit noch bestehe, ziemlich unwichtig sei. Es handle sich eventuell sogar nur um die Größe und da, Kaliber der Geschütz« in dieser strittigen Tonnag« von etwa 30 000 Tonnen. Dies« Frage lasse man bi« zur Konferenz der fünf Mächte unentschieden, da es ja doch von den Wünschen-der drei anderen Seemächte abhäng«, welches endgültige Bauprogramm jedem Staat zufalle. Sollt« di« von England und Amerika erzielte Einigung von den drei übrigen Mächten angenommen werden, so würde nicht nur ein« Beschrän- kung, sondern ein« tatsächliche Herabsetzung erzielt, be- sonders in der teuersten Klasse der Schlachtschiss«. Dies« Verständi- gung zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten , die jetzt durch den Besuch de» britischen Premierminister» feierlich bekräftigt werde, schaffe ein« ganz neue Atmosphäre des gegenseitigen Ver- trauens und stoppe automatisch jedes Wettrüsten. Auch sei die» von großem vorteil für die amerikanische Admiralität, di«. sobald ein internationales Abkommen erzielt und vom Staat ratifiziert sei, endlich ein festes Programm erhalte, mit dem sie arbeiten könne, anstatt wie bisher von der jeweiligen Stimmung des Kongresses über die Zahl der zu bewilligenden Schiffe abhängig sei. Tast not least(als Letztes, nicht als Schlechtestes) würden dem am<ritanlschen Volk« gewaltige Aus- gaben für Rüstungszwecke erspart. Di« Flottenabrüstungs-Konferenz der fünf großen Seemächt« — Amerika , England, Japan , Frankreich und Italien — wird vor- ausstchtlich noch im September in Washington zusammentreten. Die Einberufung«rsolgt durch die amerikanische Regierung.
Münzenberg . Da» Münzenbergsch« kommunistische Morgenblatt hat zwei sensationelle Entdeckungen zur Bombenasfäre zu verkünden: 1. Di« Polizei begünstigt die Attentäter und bemüht sich, sie laufen zu lassen. 2. Der„Vorwärts" stellt sick schützend vor die Altentäter und ihre Hintermänner. Verrückt? Rein, mir oollkonunen verlumpt.
„Oer Ruf des Nordens". Universum. Die Welt des ewigen Schnees und Eises, die weiße Unendlich- keit— das ist das Milieu dieses Films. Die Tragödie des Nord- polsahrers ist dann an Einzelschicksalen aufgezeigt. Zwei Freunde, beide Heroorragende Stileute, deren Kunst wir in einem prachtvoll aufgenommenen Stirennen bewundern können, sind von der Tochter eines verschollenen Nordpolforschers engagiert worden, seine Spuren zu suchen. Die Ausfahrt mit dem Schiff wird geschildert, das bis an die Eisgrenze fährt. Dann brechen die b.-iden mit ihren Ge- fährten auf, um in der weißen Wüste dem Verlorenen nachzu- spüren. Wir erleben alle Abenteuer einer solchen Fahrt. Schließ- lich werden die beiden Freund« von den anderen getrennt und aus einer Eisscholle vertrieben. Zu zweit mit den letzten Hunden be- stehen sie die Gefahren und di« unendliche Mühsal ihrer Aufgabe. Da wird das letzte Lager und das Tagebuch der verschollenen Expe- dition gefunden. Die Rivalität, die aus der Liebe zu der gleichen Frau, der Auftraggeberin, erwächst, treibt einen Keil zwischen st'. Der eine verläßt nächtlicherweile den anderen mitsamt den Hunden, dieser folgt ihm und wm ihn toten; aber als er seine Rot sieht — ihm sind die Hände erfroren— bewährt er höchste Treu«. Da er den Kam»raden nicht töten will, worum ihn jener bittet, opfert er beinahe sich selber. Trotzdem erliegt der andere den Strapazen. Der Ueberlebende hat Glück. Er wird von einer anderen Expedition aufgefunden und gerettet, aber auf ihm lastet der Verdacht, den Kameraden getötet zu hoben. Und nur einem offenbart er das ungeheure Erlebnis. Dos Schicksal des Expeditionsschiffes ist der Inhalt der Neben- Handlung. Es kommt in der langen Winternacht des Wartens und des Unbeschöftigtssins zu einer Meuterei der Mannschaft, die der Frau nachstellt. Das Ganze endigt mit einer Katastrophe eines Schiffsunterganges. Während di« Haupthandlung, der Kampf mit dem Eise und der Zwiespalt unter den Kameraden, einen tiefen, tragischen Eindruck hinterläßt, ist di« Geschichte des Schiffe» mit den üblichen Sensationsmitteln ausgestaltet. Hier sind die Konzessiv- nen gemacht an die üblichen Filminsbinkte, die nach einer Frau — si« wird übrigens von Eva von Berne durchaus zurückhaltend charakterisiert— und gewaltsamen Zuspitzungen oerlangen. Der tiefe Eindruck, den der Ruf des Nordens hinterläßt, wird verstärkt durch die schlicht-menschliche, ganz unthoatralische Darstellung der Hauptpersonen. Louis Trenker ist der Ueberlebende, der Kraft- voller«, der Mann, der schweigen und handeln kann. M. Holz- b o e r ist ein Komerald, der darunter leidet, daß er vom Schicksal für die zweit« Stelle bestimmt ist. Auch die Nebenfiguren sind recht gut getroffen. Besonderes Lob verdienen der Regisseur Nunzio M a l a s o m m o und sein« Kameraleute, die die Welt des Eises und der Schneestürme mit ihrer ganzen Melancholie in den Rahmen de» Films gespannt haben. Es darf freilich nicht verschwiegen werden, daß di« Monotonie auf die Dauer niederdrückend wirkt; eine starke Kürzung wäre am Platze. Boran ging der Bericht über die Weltfahrt des„Zeppelin". E>.
Oer römische Tempelbezirk in Trier . Professor Siegsried Loeschke. der Leiter der Ausgrabungen bei Trier , wo der größte römssch« Tempelbezirl nörtssich der Alpen nach und nach freigelegt wird, hat jetzt einen eingehenden Bericht über die Ergebnisse seiner Grabungen herausgegeben. Man hat nicht nur große Baureste aus römischer Zeit freigelegt, sondern hat auch Ce- wißheit darüber erhalten, daß vor der römischen Siedlung bereits «in keltifch-germanisches Trier bestanden hat. Im letzten Jahre sind allein ö Tempel mit Umgang und 11 Kapellen ausgegraben worden. In den Tempeln und Kapellen, die teilweis« sogar Unterkellerung aufwiesen, fand man tünsllerisch überaus wettvoll« Götterstatuen, die zum Teil ganz neu« Einblicke in den römischen Götterkult nördlich der Alpen gewähren. Loeschke bezeichnet di« Grabungsergebniss« des letzten Arbeitsjahre» als„so erfolgreich wie in keinem Jahr« zuvor". Z» der»,«idle wurde dl« Srftauffübrung von»eor« Kallers.Kol» Portage» auf Montag»erlchoben. Die fär Sonnabend gelösten Kotten beHallen skr Montag Siltlgkelt. 3# der StädUlchen Optt wird Wilhelm Furtwängler am 20. September zum ersten Male in dieser Spielzeit dirigieren, und zwar.Tristan und Wolde ". Auistihrende sind Sigrid Qnegin und Frieda Leider sowie Lautttz Melchior, Max Roth und Sdwin Heyer.
„Militarmusik" Uraufführung in Leipzig . „Militärmusik ", drei Akt« von Brooks und Li st er. un- gemein erfolgreich in Amerika , von der Berliner Piscator-Bühne zu freiester Umdichtung und Ausbeutung erworben, erlebte im Leip- ziger K o m ö d i c n h a u s die mit großem Beifall ausgenommen« deutsche Uraufführung. Das Theater präsentierte das Antikriegs- stück mit einfachen Mitteln, wortgetreu und ohne Berstärkung der Tendenz. Am Beispiel einer von Kriegslieferanten finanzierten mexikanischen Militärrevolution, die durch programmgemäße Er- schießung amerikanischer Bürger den gewünschten Kriegsgrund und die ersehnte Intervention der Bereinigten Staaten in Mexiko herbei- führt, werden die kapitalistischen Ursachen eines Krieges demon- striett. So weit ist das Stück, dessen Autoren von Upton Sinclair gelernt haben, löblich. Aber die Kunst, mit der Brooks uttd Lister ihre Gesinnung gestalten, ist gering. Dieses handfeste Volksstück mischt Kolpottageromantik und Gesellschaftskritik so skrupellos, daß die Konzessionen an den billigsten Geschmack in Liebe und Verbrechen uns oft peinlich werden. Dabei befremden uns weniger die krassen Vorgänge als die papiernen Dialog« und marionettenhaften Fi- guren. Immerhin wagen es die Autoren, das bappx end des Liebespaares mit einer höhnischen Schlußgrimasse in Frage zu stellen. Vottrefslich spiegeln sie mit Lautsprecherbotschasten an Volk und Marine, mit Funkreportage und Nationalmärschen, wie der Wahn des Patnotismus inszeniert wird, und die Verhöhnung der klein- bürgerlichen Massen, die in Eitelkeit und Dummheit sich freiwillig zum Heere melden, läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. K. W.
Heringssegen über Oeuischland! Ueberraschend reiche Ernte bringt di« deutsche Heringsfischerei, für die diese Herbstwochen die wichtigste Zeit im Jahre sind, diesmal nach Haus«,— doppelt überraschend nach tfen schlechten Erträgnissen des Heringsfangs in den letzten Iahren. Die Heringszufuhr aus den deutschen Fischmärkten»st in den letzten Tagen derartig gestiegen, daß die Industrie die angebotenen Mengen kaum noch verarbeiten kann: täglich werden dort mehrer« Millionen Pfund Heringe ver- steigert. Die Konservenfabriken in den Hafenstädten der Nordsee arbeiten fieberhaft an der Verwertung des gewaltigen Ernteertrags. Während im Durchschnitt der Jahre vor dem Krieg auf deutschen Loggern etwa 21 Proz. des deutschen Gesamtverbrauch» an Heringen gefangen wurden, waren es in den letzten Jahren nur noch etwa 12 Proz. Auch diese Zahl kann sich durchaus noch sehen lassen; denn Deutschland ist mit 700 Millionen Pfund jährlich oder 12 Pfund auf den Kopf der Bevölkerung der größte Heringskonsument der Welt. Immerhin mußte die weitaus größte Menge au« dem Ausland eingeführt werden. Di« Flott« der Hettngsfsschcrei hatte sich von 1S12 bis 1927 dauernd vermindert. 1927 gab es 133 Sdiiffe mit 2300 Matrosen. Da die Betriebskosten für jeden Logger durchschnittlich etwa 40 000 Mark betragen, beansprucht di« Unterhaltung der Flotte der deutschen Heringsfischer also ständig mindestens fünfeinhalb Millionen. Die Gesellschaften, die dieses Kapital geben, haben in den letzten Iahren fast ständig Verluste erlitten; dies liegt in erster Linie daran, daß nicht genügend Fische gefangen wurden. Ueber die Ursachen dieses Rückgangs gibt es verschiedene Ansichten. Entscheidend scheint die -englische Konkurrenz zu sein. Die deutschen Fischdampfer müssen weit von ihrem Standort entfernt den Fang aufnehmen und dann die gefangene Beute auf dem Schiff gleich einsalzen. Die Engländer hoben es wesentlich leichter, da ihre Fischdampfer von ihrem Fang- platz aus schnell die Küste erreichen können; sie können die Fische ungesalzen ans Land bringen. Während ein deutscher Logger durch- schnittlich vier bis sechs Wochen unterwegs sein muß, damit sich die Rückreise lohnt, kehren die englischen Schiffe sehr viel öfter an die Küste zurück und arbeiten dadurch wesentlich billiger. Den günstigen Ertrag dieses Jahres fühtt man hauptsächlich auf günstige Wasserverhältnisse zurück, durch die die Brut gut ge- diehen ist. während in anderen Iahren ungewöhnliche Witterungs- Verhältnisse ganze Hettng»jahrgänge vernichtet haben. Man rechnet damit, daß der Erntefegen noch bis tief in den Oktober hinein an- halten wird._