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Dienstag

17. September 1929

Unterhaltung und Wissen

Corrie: Der Tag vor der Löhnung

Eine Skizze aus dem schottischen Bergarbeiterleben

Sie faßen bei ihrem Gabelfrühstück" im Laufgange des Schachtes. Jod, Tam und Bullie, so nannten sie einander statt Jad, Tom und Willie, im schottischen Dialette. Sie arbeiteten an neben­einandergrenzenden Pläzen im sogenannten Schlachthausstollen". ,, Na also," meinte Jock, mit seiner Proviantbüchse auf das Pflaster" aufschlagend ,,, wenn es darauf ankommt, das besitze ich." ,, Heute wieder Schinten mit Ei, Jock?" fragte Wullie. ,, Jedoch in Gelee gehadt, wie üblich," gab Jock zur Antwort. Der Wiz wurde teilnahmslos, ohne mit einer Wimper zu zuden, von den Arbeitsgenossen aufgenommen. Es war ein alter, fauler Wig, der einem zum Halse herauswachsen tonnte, wie man jagt. Schon unsere Bäter hatten diesen Wiz wiederholt gemacht. Schinken mit Ei, in Gelee gehackt in Margarine wäre mehr zeit­gemäßer und wahrer gewesen.

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Tam hatte noch nicht mit seinem Frühstück begonnen. ,, Hast du heute denn nichts mit, Tam?" ertundigte sich Jod, indem er eine Art Tonpfeife aus dem Innern seiner Kappe hervor. holte und die Flamme der Grubenlampe daran hielt.

,, Nein," entgegnete Tam ,,, ich bin diesen Morgen nicht hungrig." ,, Bist du recht beisammen?"

,, D, doch!"

,, Da hapert es irgendwo, wenn ein Mann nicht sein Frühstück einnehmen kann!"

,, Das ist eine eigene Sache mit mir, ich meinerseits tönnte mein Frühstüc efsen, gleichgültig, wo ich arbeite, ja ich tönnt: zehnmal joviel vertragen, als ich mithabe," meinte der andere.

,, mir geht es ganz genau so," sagte jetzt Wullie, mit vollem Munde tauend.

Sie begegneten Robert.., Borwärts, beeilt euch, Burschen," rief er ,,, Tam ist durch einen herabgefallenen Stein eingeklemmt."

,, Um Christi willen, bringe die Hunte zum Stehen," brüllte Jock, dessen Stimme durch den Lärm des Betriebes kaum vernehm

bar war.

"

Wir können die Hunte nicht halten lassen," erwiderte Robert, ,, der Direktor ist doch unten auf Inspektion!"

,, Bring' die Hunte augenblicklich zum Stehen, du blöder Esel!" Und Robert eilte da schon auf und davon.

Tam hatte nur das Bein eingezwängt. Sie schoben den Stein zur Seite und befreiten ihn aus dem Räderwerke des Huntes. Kaum war er aus seiner Lage befreit, als sofort wieder das Signal zum Betriebe der Hunte gegeben wurde, denn der Herr Direktor war ja unten auf Inspektion.

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Beilage des Vorwärts

Man meldete ihm den Vorfall furz, aber er ging der Sache nicht meiter nach, als er hörte, daß ein Arbeiter bloß ein Bein gebrochen hatte.

Es verging noch eine halbe Stunde, ehe die Tragbahre antam, und es verrann eine ganze Stunde, ehe Tam zum Grubenausgang gebracht wurde.

Kohle! Kohle! Und wieder Kohle! So lautete hier der Schlachte ruf. Und die Ausbeute von gestern muß heute eine größere sein! Was war denn da los, daß die Hunte stehen blieben?"

"

gebrochen hat!". ,, Ach, sie transportierten einen Mann herauf, der das Bein

,, Vorwärts, vorwärts, Burschen, der Herr Direktor ist unten auf Inspektion!"

Die Ambulanz wartete, und Jock und Wullie begleiteten den Arbeitskameraden zum Spitale.

Auf dem Wege nach Hause kam Joc das Gewicht der Proviant büdyse des Verunglückten, die sie mit nach Hause nahmen, ganz mert­würdig schwer vor. Sie öffneten fie aus Neugierde, und fanden darin das Stück Brot, das ihm Wullie gegeben hatte. Er hatte es aufgehoben, um es den Kindern heimzubringen ( Berechtigte Ueberlegung von 3. Reismann.)

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Dr. Erni Zwei Wasserstoffarten

michael:

In den lehten Tagen find im Anschluß an fenfationelle und in wesentlichen Einzelheiten unrichtige amerikanische Meldungen in der deutschen Presse Betrachtungen über die neue Entdeckung Dr. Bon höfers angestellt worden, die mit dem Thema zum Teil in gar feinem Busammenhang standen. Es handelt sich gar nicht um Atomzer­trümmerung. Wir bringen hier eine sa chverständige Würdigung.

Jetzt aber plötzlich ging Jod ein Licht auf. daß es ja heute der Materie einzubringen und sich eine Vorstellung über Dinge zu gerade der Tag vor der Löhnung war.

,, Hast du denn kein Frühstüc?" fragte er kurz.

Ja," entgegnete Tam verlegen, aber ich habe feinen Hunger." ,, Wo hast du denn deine Proviantbüchse?"

" Ich habe sie oben bei der Einfahrt vergessen," erwiderte Tam,

aber er fonnte die Lüge mur schlecht verhehlen.

,, Warum haft du es denn nicht gesagt, daß du kein Frühstück mit haft, meinte Jod jetzt ärgerlich, ich hätte dir doch die Hälfte von meinem gegeben."

Bullie hielt im essen inne.

Hier, Tam!" Er hielt ihm seine Proviantbüchse hin, die eine Schnitte Brot enthielt. ,, Aber mach dir teine Sorgen, Bullie, ich bin wirklich nicht hungrig." Nimm das verfluchte Zeug," sprach Jod ,,, und sei fein Narr. Du bist nicht der erste Bergarbeiter, der ohne Frühstück in die Grube einfahren mußte, wenn es einen Tag vor der Lohnauszahlung ist. Hast du ein bißchen Lee mit?"

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Ja," erwiderte Tam, aber ich habe ihn oben bei der Schacht­einfahrt gelassen." Et nahm die Brotschnitte von Wullie und troch die Wand zu seinem Arbeitskameraden herunter. ,, Britons never, never shall be slaves"( Briten werden nie und niemals Sklaven sein Bers aus der englischen Nationalhymne. Anm. d. Ueb.), bemerkte jetzt Jod. Jawohl," sprach jetzt Bullie ,,, rule Britannia( Herrsche, Eng­land, englische Nationalhymne), Tom ist nämlich ein großer Liberaler, er ist kein Gewerkschaftler, er ist für den Industriefrieden, und alles, was drum und dran hängt."

,, Ach," sagte Jod, das Leben erscheint einem wie eine Hölle,

wenn man das Tageslicht nur durch einen leeren Magen betrachten

fann."

Laßt alle Hoffnung fahren, Jod, wir leben in einer Welt voll Frazen. Ich möchte doch wissen, ob ich die sechs Einsätze zurück bekommen werde. Ich habe nämlich gestern abend drei Stunden

beim Buchmacher verbracht, und der Teufel soll mich holen, wenn ich die sechs Einjähe herausbekomme."

Ich war selber gestern abend eine Weile dort und merkte, daß die Sache einen Hafen habe. Doch die Hoffnung regt sich ständig

in einem."

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aber man

,, Ja," lachte Wullie ,,, fechs gute Einfäße, und schließlich kommt man darauf, daß ein weiterer Schilling flöten ging hofft, hofft ständig, auf irgendeine Weise Befreiung von dem Elend zu finden!"

Hallo, hört doch! Sind die Hunte vielleicht schon wieder im Gange?"

,, Sie sind wieder in Bewegung. Heute früh haben sie eine besondere Eile. Wieviel Uhr ist es denn eigentlich?"

Jod schaute auf seine Uhr. Es fehlen noch fünf Minuten zum

Arbeitsbeginn."

,, Ach was, wir müssen unsere fünf Minuten Arbeitsraft noch haben, hol sie der Teufel, die Bande," und er zündete sich eine neue haben, hol sie der Teufel, die Bande," und er zündete sich eine neue

Pfeife an.

,, Dort unten nähert sich ein Licht. Es ist der Aufseher." Es war tatsächlich Robert, der Gedingnehmer des Abschnitts. Ja, mollt ihr denn die ganze Schicht lang hier beisammen figen, ihr Burschen, he? Habt ihr nicht das Abfahrtszeichen der Hunte vernommen? Der Direktor ist doch unten im Schachte!" Der Schweiß stand Robert auf der Stirne, der Angstschweiß, denn Gedingnehmer haben mehr Angst vor dem Direktor als ein

Kaninchen vor einem Wiesel.

,, Komm nach fünf Minuten her," lautete die Antwort Jocs, und er schien tüchtiger mit seiner Pfeife zu qualmen. ,, Die Hunte sind im Gange, und der Direktor ist unten in der Grube," wiederholte Robert.

Er saß da in einer schönen Batsche!

ir

Sag dem Direktor, daß er sich seine Uhr anschauen soll. merden bei unserer Arbeit sein, bis die Arbeitspause zu Ende ist." ,, Wenn er herkommt, wird er dich auf der Stelle entlassen, das ist sicher," warnte Robert.

Bauf hin, Robert, und sag es ihm," meinte Bullie, aber fag ihm nicht, daß es für uns beffer wäre, Armenbrot zu effen." Robert war eine jener Typen, die als Gedingnehmer am un­richtigen Blaze waren.

Er fluchte nicht und fonnte nicht bramarbasieren. Und er frodh den Schacht" entlang, drohend, es dem Direktor zu melden. Doch benor er die nächste Arbeitsstelle erreichte, wurde ein furchtbarer Schrei durch den Lärm der Maschinerie vernehmbar. Joc sprang in die Höhe. Das war Tams Stimme, Wullie!" Er eilte die Band" herunter, Bullie folgte ihm dich auf den Fersen.

Die erstaunlichsten Veränderungen haben Chemie und Phyfit in den letzten Jahrzehnten durchgemacht, als es den Gelehrten ge­lang, mit Hilfe der Elektronentheorie immer weiter in den Feinbau machen, die in Räumen von der Größe von Millionstel Millimetern Dor sich gehen. So kam man zu der Ansicht, daß Kraft und Materie eins feien, ja daß die Energie selbst aus Atomen oder Quanten Jahren zu der Annahme, daß auch einfache Gase in verschiedener bestehe. Auf Grund dieser Theorien kam Dennison schon vor einigen Form vorkommen müßten, und tatsächlich ist es zwei deutschen Forschern gelungen, diese erstaunliche Tatsache zu bestätigen.

in das Innere der Moleküle hineinsehen können. Diese Theorie tonnte aber bei gasförmigen Elementen nicht angewandt werden, da ja diese aus frei herumfliegenden Molekülen bestehen. Hier mußte die Quantentheorie in die Bresche springen, die bejagt, daß auch die Energie aus einzelnen Atomen oder Quanten besteht, und die Elektronentheorie, die über den Feinbau der Atome Auskunft gibt. Man stellt sich die Atome aus einzelnen Bausteinen bestehend vor, aus einem positiv geladenen Kern, dem Proton, und diesen rasch umfliegenden Atomen der positiven Elektrizität, der Elektronen. Beim Wasserstoff sind die Protonen gewissermaßen in eine bestimmte Richtung eingestellt; man fann sie etwa mit fleinen magnetchen mit den gleichen oder den ungleichen Bolen einander Magneten vergleichen. Jedes Wasserstoffmoletüt besteht aus zwei gegenüberstehen. Es ist jo, als würde man zwei Stabmagneten

Atomen; hier lassen sich nun zwei Fälle denken, daß beide

Die beiden Gelehrten, die nachwiesen, daß Wasserstoff aus abwechselnd mit den gleichen oder ungleichen Polen einander parallel zwei verschiedenen Gasarten zusammengesetzt sei, find die am halten. Man fann auch an Formen von Hanteln denken. Diese Kaiser- Wilhelm- Institut für physikalische Chemie tätigen Phyfiter Systeme mit magnetischen Kernen sind auch noch beim Helium, Dr. R. F. Bonhöffer und B. Harted. Ihre Untersuchungs- Stidstoff, Chlor, Fluor und Jod zu erwarten, doch ist die Zer­ergebnisse hatten sie schon in diesem Jahr der Akademie der Biffenlegung der Gemische bei diesen fast undurchführbar. Auch bei schaften und der Bunsengesellschaft in Vorträgen und gedruckten sieht man solche Modifikationen voraus. Die Wasserstoffarten unter­Wasserdampf, Ammoniat , Methan, Azethylen und anderen Gasen Arbeiten vorgelegt, aber erst als sie ihre Vorführungen auf einer Tagung in Minneapolis wiederholten, nahm die amerikanische scheiden sich auch infofern, als die Atome des Parawasserstoffes nur Sensationspresse Gelegenheit, die Versuche als revolutionierend dar­eine gerade, die des Orthowasserstoffes nur eine ungerade Zahl von zustellen. In Wirklichkeit sind diese Bersuche nur eine Bestätigung Energiequanten aufnehmen können, wenn sie ihre innere Energie erhöhen. jener Theorien, die ihre Borausberechnung fängst gestattet hatten, und, ebenso wie noch bedeutendere Entdeckungen, etwa wie die Relativitätstheorie, ohne jede Bedeutung für das praktische Leben und für die chemische Großindustrie.

Um festzustellen, daß es zwei Arten des Wasserstoffs gebe, mußte man sich physikalischer Methoden bedienen, da sich beide Abarten chemisch vollkommen gleich verhielten. Man benutzte, um fie zu erkennen, die Verschiedenheit der spezifischen Wärme, jener Menge an Wärmeeinheiten, gemessen in Kalorien, die zur Erwär mung um einen Grad nötig sind. Es wurde in das Glasgefäß, in dem sich das Gas befand, ein Draht eingeschmolzen, dieser durch einen elektrischen Strom zum Glühen erhitzt und die Temperatur spezifische Wärme des Gases berechnet werden. So fand man, daß und der Widerstand des Drahtes gemessen. So fonnte auch die gewöhnlicher Wasserstoff aus zwei verschiedenen Arten, dem Ortho­und dem Parawasserstoff, besteht. Unter gewöhnlichen Verhältnissen sind diese Gase, die sich im Versuch durch eine verschiedene spezifische Wärme zu erkennen gaben, so gemischt, daß auf einen Teil Para­wasserstoff drei Teile Orthomasserstoff tommen. Dieses gegenseitige. Mengenverhältnis ist aber start von der Temperatur abhängig, derart, daß bei abnehmender Temperatur die Menge des Para­wasserstoffs zunimmt. Es gehört dann zu jeder Temperatur ein bestimmtes Mischungsverhältnis, das sich von selbst einstellt. Dies geschieht von selbst aber nur sehr langsam. Bei der Temperatur der flüssigen Luft verhalten sich die Mengen wie 1: 1. Kühlt man das Gemenge in einem Gefäß so weit ab, so fann man auch nach vielen Wochen teine Veränderung feststellen. Es wurde be­rechnet, daß erst nach etwa 300 Jahren das Verhältnis 1: 3 zu dem wie 1: 1 wird. Man muß sich hier also beschleunigender Hilfsmittel, der Katalysatoren, bedienen.

schwindigkeit sich die beiden Gasarten ineinander umwandeln. Die Die beiden Forscher stellten auch Versuche an, mit welcher Ge­Berwandlung des normalen Gemisches in den reinen Parawasser­ftoff ging ohne Katalysator bei tiefen Temperaturen mit unmeßbar geringer Geschwindigkeit vor sich. Brachte man aber den reinen, bei tiefer Temperatur gewonnenen Barawasserstoff wieder auf in das Gemisch 1: 3 umgewandelt. Bei hohen Temperaturen von Zimmertemperatur, so hatte er sich nach etwa 10-15 Tagen wieder etwa 950 Grad ging diese Umwandlung schon in einer Sekunde vor sich. Von den Katalysatoren ist die aktive Kohle am wirk. samsten, die sonst gebräuchlichen, wie Platin- und Palladiumrohr, find bei tiefer Temperatur nicht imstande, die Umwandlung zu be schleunigen, wohl aber bei gewöhnlicher, da sie den Barawafferstoff rasch wieder in normalen zurückbringen. Diese Rückbildung geschieht bei mittleren Temperaturen schon durch den Einfluß der rauhen Gefäßwand, von Porzellan oder anderen keramischen Massen. Setzt man auch ohne Katalysator das Gas bei tiefen Temperaturen hohen Drucken von 350 Atmosphären aus, so stellt sich das Gleichgewicht nach einer Woche ein. Die beiden Wasserstoffarten unterscheiden sich auch durch ihren Dampfbrud. Der des Paramasserstoffs beträgt

787, der Ortho 751 Millimeter.

Wie ist nun diese eigenartige Erscheinung zu erklären? Bisher hatte man verschiedene Modifikationen von Elementen, die fich gleich, aber physikalisch verschieden verhalten, nur bei festen Körpern gefunden. Kohlenstoff tommt als Graphit, Kohle und Diamant vor, Schwefel und Zinn oder Phosphor find in verschiedenen Formen befannt. Man half sich hierbei durch die Vorstellung, daß die ein seinen Atome in einem Raumgitter, einem räumlichen Mosaik in unveränderlicher gegenseitiger Lage angeordnet jeien, z. B. an den Edpuntten geometrischer Körper, von Bürjein, Pyramiden, Tetraedern, und daß die verschiedenartige gegenseitige Anordnung und Lage zueinander im Kristall die verschiedenen Modifikationen ergebe. Durch die Photographie mit Röntgenstrahlen hatte man jo

Neues vom Roland von Berlin

hat, weiß heute wohl jeder ,, richtige Berliner ", auch wenn er nicht Daß in Berlin in alten Zeiten ein Rolandsstandbild sich erhoben den prächtigen Roman von Willibald Alexis gelesen haben sollte, der den Roland in eindrucksvollster Weise als Symbol der städtischen Macht und Freiheit verwendet. Erhalten aber hat sich von diesem alten Wahrzeichen Berlins nichts; selbst eine authentische Andeutung oder Beschreibung, wie es ausgesehen hat, sucht man vergebens, ( Der Roland vor dem Märkischen Museum, den manch harmloser Zeitgenosse für das Original hält, ist eine Nachbildung des Branden Roland da war, und daß er auf dem Moltenmarkt gestanden hat; burger Rolands.) Wir wissen mit Sicherheit nur soviel, daß ein

buche wird der Ruland" dreimal erwähnt, lediglich, um die Lage einiger Häuser an der Nikolaikirche und an dem olden markte" ( eben dem Moltenmarkte) genauer zu bestimmen. Jetzt wird nun

denn in dem 1391 bis 1398 aufgezeichneten alten Berliner Stadt­

eine vierte, etwas frühere Erwähnung des Roland bekannt, die 8mar über ihn selbst auch nichts Näheres sagt, aber ihn doch in einem bedeutsamen Zusammenhange nennt. Im neuesten Hefte der For­fchungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte" 42. Band, 1. Hälfte) teilt der Direktor des Berliner Stadtarchivs, Dr. Ernst Kaeber, eine bisher ungedruckte Berliner Pergament urkunde aus dem Jahre 1384 mit, die in 34 Artikeln Vorschriften und Strafbestimmungen für die Angehörigen des Gesellenverbandes der Schuhmacher enthält. Mit Recht hebt Kaeber in seiner fundigen Erläuterung des auch sonst wichtigen Dokuments den Artikel 18 hervor, der lautet: Bortmer wan men stecket edder ronnet by ru­lande, so schal neyn fnecht in unser selschap thulopen unde upnemen eyn sper edder hueffyseren; dat deŋth unde busyhen werd van twen unser ghesellen, de schal gheven enn halff punth wasses", das heißt im heutigen Deutsch etwa: Ferner: wenn bei dem Rolande ein Stechen oder Rennen stattfindet, so darf fein Geselle in unserer Gesellschaft dahin laufen und einen Speer oder Hufeisen aufheben; wer das tut und von zweien unserer Gesellen dessen bezichtigt wird, muß ein halbes Pfund Wachs Strafe geben."

"

Hier erfahren wir also, daß der Roland schon 1384 bestand Noch heute ist die Forschung nicht darüber einig, was die Roland bilder ursprünglich bedeuteten, ob sie Sinnbilder der hohen Gerichts barkeit, des Blutbanners oder Marktzeichen waren. Da Berlin die Gerichtsbarkeit erst 1391 erwarb, ist die Erwähnung des Rolands 1384 nicht unwichtig" für die Entscheidung der Frage, wie Kaeber vorsichtig andeutet, ohne das Problem diesmal meiter zu verfolgen, Besonders reizvoll aber für die Kulturgeschichte Berlins ist die ganz neue Feststellung, daß gegen Ende des 14. Jahrhunderts auf dem Moltenmarkt Turniere stattfanden. Von höfischen Turnieren, die auf der Stechbahn vor dem Schlosse gehalten wurden, haben wir aus dem 16. Jahrhundert durch mehrere Beschreibungen genaue Kunce, deren eine( 1581) G. T. 2. Hoffmann in der Brautwahl verwendet hat. Ein Ringelrennen von 1592 ist uns ja fogar in einer zeitgenössischen Radierung bildlich überliefert, die berühmt ist als älteste Ansicht des Schlosses. Hier auf dem Moltenmarkt aber han delte es sich wahrscheinlich um Turniere des Berliner Patriziats, wie Raeber mit Grund vermutet, und der Freund der alten Ge schichte Berlins mag, wenn er über den Moltenmarkt wandert, sich in der Bhantasie ausmalen, mie hier einst in unmittelbarer Nähe des hochragenden städtischen Bahrzeichens, des Rolands von Berlin", Angehörige der alten Berliner Geschlechter, der Blanken­ felde , Wins, Rathenom, Rycke und wie sie alle heißen, in ritterlichem Spiele Lanzen gebrochen und Ringe gestochen haben.

Felix Hasselberg.