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BERLIN Mittwoch 18.September 1929

Der Abend

Erfdetut taglio antez Sonates Bugleich Abendausgabe des Vorwärts. Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 m. pro Monat. Redaktion und Erpedition; Berlin SW68, Lindenstr. 3

Spätausgabe des Vorwärts

66

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Nr. 438

B 218 46. Jahrgang.

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Die Reichswehr und die Bomben

Berdächtige Briefe. - Was tun die ,, Zivilmajore"?

Die Rote Fahne" veröffentlicht folgenden Brief aus dem Be­fig des Bombenattentäters Weschte:

Lübed, den 15. 7. 1929, Roedstraße 10. Sehr geehrter Herr Weschte!

Bielen Dank für Ihre freundlichen Zeilen vom 13. d. M. und Ihre Bereitwilligfeit, mir eine Unterredung zu ge währen. Ich werde also Dienstag, den 23. 7., 10.36 Uhr, in 3zehoe eintreffen. Falls Ihnen irgend etwas dazwischen fommen follte, bitte ich, mir rechtzeitig Nachricht zufommen zu laffen. Ich bin auch telephonisch zu erreichen durch Inf. Reg. 6, Fernruf Lübed 26 055/56, in der Zeit von 11 bis 1 Uhr. Es meldet sich dann die Zentrale und Sie müssen hierauf major Tiedemann verlangen, da ich in meinem Zimmer feinen An schluß habe. In meiner Privatwohnung ist Fernsprechanschluß

Lübed 21 783.

Mit nochmaligem Dant und auf Wiedersehen!

Shr ergebener Jansen." Der Brief beweist zum mindesten, daß zwischen Beschte und einer Persönlichkeit, die sich bei der Reichswehr zuhause fühlte, Be­ziehungen bestanden. Die R. F." behauptet, der Unterzeichner Jansen sei mit dem Major Tiedemann identisch, der in dem Briefe genannt ist. Im Reichswehrministerium aber ist, wie von dort ver lautet, ein Major Tiedemann in Lübeck nicht bekannt. Damit ist

Keine Verständigung!

Parteiführerbesprechung über Arbeitslosenversicherung ergebnislos.

Die Führer der Regierungsparteien hatten heute vormittag unter dem Borsiz des Reichsministers Dr. Birth eine neue Besprechung über die Arbeitslosenversiche rung. Wie wir hören, ist es auch hierbei zu einer Verständigung nicht gekommen. Die Verhandlungen im Ausschuß, die morgen wister beginnen, dürften also zunächst ohne Bindung der Parteien fortgeführt werden.

Der Borstand der sozialdemokratischen Fraktion trat nach der Barteiführerbesprechung zusammen und nahm einen Bericht ent­gegen. Er beschloß, die sozialdemokratische Fraffion zu Freitag nachmittag 2 Uhr telegraphisch zusammenzuberufen.

die Reichswehr natürlich nicht entlastet, die Sache wird vielmehr noch dunkler. Wer ist dieser Herr Jansen, der bei Beschke eine linterredung nachsuchte, auf, dessen Zusage hin nach Ihehoe fuhr und der fich des Telephons der Reichswehr bedienen konnte? Die Polizei hat allen Anlaß, fich für diese geheimnisvolle Angelegen heit lebhaft zu interessieren.

Die Rote Fahne" veröffentlicht einen zweiten Brief, den ein gewisser v. Gaza am 26. April 1929 an den Generalmajor v. Hammerst ein geschrieben hat. Dieser Brief ist schon am 17. Juni d. 3. im Reichstag von dem fommunistischen Abgeordneten Rippenberger vorgelesen werden. Die Reichswehr hat danach erklärt, daß Herr v. Hammerstein diesen Brief unbeantwortet gelassen habe.( Herr v. Hammerstein ist der Chef des Iruppenamts.)

Herr v. Gaza , ein vertrachter Grundbesizer aus dem Bezirk Magdeburg, hatte an den Reichswehrgeneral einen Brief gerichtet, in dem er sich danach erkundigte, welcher Reichsmehrgeneral in dem Falle, daß der Reichspräfident auf den Art. 48 zurüdgreifen sollte, die Diktatur übernehmen fönnte. Der Brief, in dem u. a. die Aus­rottung der Gewerkschaften mit Stumpf und Stiel" gefordert wird, ist tonfuses Gewäsch. Der vertrauliche Ton aber, den der Brief: Schreiber gegenüber dem Adressaten anschlägt, läßt auf recht freund­schaftliche Beziehungen schließen. Das Ganze bleibt immerhin ein bemerkenswerter Beitrag zur Kennzeichnung des Milieus, in dem fich die hohen Offiziere der Reichswehr bewegen.

Eine weit ernſtere Bedeutung fönnte jedoch dem Brief des geheimnisvollen Jansen" an Beschte zukommen. Es ist unbedingt zu perlangen, daß diefe höchst verdächtige Angelegenheit restlos auf. geflärt wird.

Das Bureau in der Kaserne.

Wir erfahren aus Lübeck : Major a. D. Tiede. mann ist Zibilangestellter beim Standortkom. mando des Reichswehrregiments in Lübeck . Er hat sein Bureau in der Kaserne. In seinem Bureau ist der Leutnant a. D. Jaeschke ebenfalls als Zivilangestellter bei der Reichswehr beschäftigt. Jaeschke stammt aus Jehoe.

Dieser Jaeschke ist der Verfasser des Briefes an den Bombenattentäter Weschke. Die Kommunisten, bie diesen Brief veröffentlicht haben, haben die Namens unterschrift offensichtlich falsch für Jansen gelesen. Die Telephonnummer der Privatwohnung des Jaeschke stimmt mit der in in diesem Brief angegebenen Telephon

nummer überein. Sie ist jedoch nicht die Telephon nummer des Majors a. D. Tiedemann, sondern einen Frau, bei der Jaeschke zur Untermiete wohnt.

Es ist also unbestreitbar, daß es in der Lübecker Reichswehrkaserne ein Bureau gibt, von dem aus Fäden zu den Bombenwerfern laufen.

Es ist unvermeidlich, daß in diesem Zusammenhang die Erinnerung an die ,, halbstaatlichen Tauerstellungen auftaucht, die die Agenten Ehrhardts die Plaas und Genossen, bei der Reichsmarine innehatten.

liche Dauerstellungen, die Putschisten Unterschlupf bieten Gibt es in der Reichswehr noch derartige halbftaat und die Möglichkeit zu illegaler Arbeit in der Reichs­ wehr ?

( Siehe auch 2. Seite.)

Die Bombenleger in Berlin .

A 106.95

Der Syndikus Weschke

Klaus Kein, der Sordchauffeur mit dem Handkoffer

31550

Hans Nickels, der Bombenhauptmann

Der Sahnenträger Muthmann

Die in Altona verhafteten Teilhaber an den Bombenallentalen find gestern in Berlin eingetroffen. Bei ihrer Ankunft am Lehrter Bahnhof wurden fie einzeln in Taxameter verladen und zum

Unterfuchungsgefängnis gebracht