Donnerstag
19. September 1929
Unterhaltung und Wissen
Inge Stramm: Heimweh
Bruno Winkler schlenderte durch die abendliche Straße. Er hörte nicht die Autohupen, das Klingeln der Straßenbahnen, fah nicht hastende Menschen, pruntende Schaufenster. Zahlen wirbelten ihm im Kopf, noch schrieb er Rechnungen, buchte Kontoauszüge. Ueberstunden belasteten ihn. Was ging ihn alles andere an.
Die Blumenhändler am Potsdamer Platz schrien mit den Berkäufern der Abendzeitungen um die Wette. Alles quirlte bunt durcheinander:
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,, Astern... scheene, bunte Astern... det janze Bund nur Abendblatt fenfationeller Mord! Erita Der Abend!" die ersten Sträuße... ungefärbt... die echte Erika!" Dies eine Wort erreichte den Mann. Mitten im Chaos stand es leuchtend, so daß er wie erwachend um sich sah.
Bar es schon wieder so weit? Blühte das Heidekraut schon? Wurde es schon Herbst? Wo war der Sommer geblieben, das Leuch ten, auf das man einen ganzen Winter gewartet hatte?...
Draußen, hinter dem Lärm der Städte dehnten sich die heidumblühten Weiten. Schmetterlinge taumelten trunken von Blüte zu Blüte. Die scheuen Schafe drängten sich zusammen, der alte Schäfer stand auf seinem Stod gestützt einsam auf einem Hügel mitten im Abendlicht..
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Woher erstanden diese Bilder so seltsam lebendig in der Seele des Mannes? Aus Kindheitstagen erwachten sie Nicht die graue, zudende Straße umgab ihn mehr... Heimat umfing ihn....
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Herr Hinze?... Wer ist denn Herr Hinze?" Nu... wir haben doch Sommergäste jetzt. Herr Hinze kommt schon seit zwei Jahren jawoll und drüben beim Schulzen wohnt sogar ein Regierungsrat... und elektrisch Licht haben wir auch... tomm man rein in die Wohnstube, da staunste.
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Ich... ich möchte lieber mal in die Küche... weißt du noch, wenn wir da abends saßen, und die Funken wirbelten im Rauch fang, draußen heulte der Wind, und wir graulten uns immer ein bißchen."
Nu nee", lachte das Mädchen und sah auf ihre Füße, die in tomischem Gegensatz zu den Holzpantoffeln in seidenen Strümpfen steckten ,, des is nu alles anders... und ein W. C. haben wir auch, das hat Bater erst im Frühling machen lassen... hat ne Menge Geld gekostet aber mit dem Misthaufen hinter der Scheune ging das nicht länger..."
Bruno Winkler sagte gar nichts mehr, etwas fror in seinem Herzen, legte sich wie ein eiserner Reif herum
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wirrt sah das Mädchen auf. ,, Riete?" sagte er dann auf einmal ganz weich... Etwas ver
,, Aber abends... geht ihr da noch immer über die Felder, wenn
Beilage des Vorwärts
die Sterne aufwachen und am Fluß die Nebel steigen... und spielt der Karl noch immer so schön die Ziehharmonika, daß einem so ganz traurig ums Herz wird und doch so wohl..."
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,, Was du alles fragst, Bruno nu ja manchmal... aber man hat doch so wenig Zeit. Was meinste, was ich schaffen muß... die vielen Sommergäste und alles allein mit Muttern... und die
fann man auch nich mehr so
Und denn haben wir doch das
Radio! Da figen wir meist abends beis Radio... und denn die feine Tanzmusit!"
„ Da... da tanzt du wohl mit Herrn Hinze, was?" der ist mir viel zu städtsch... Du bist doch einer von uns. ,, Nein, Bruno. so muß du nicht denken... so ist das nicht...
Augen: Mit dir tanzte ich schon lieber, Bruno
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Das Mädchen stotterte etwas und sah dem jungen Mann in die du... heute abend ist Reunion... wie die gucken würden, Bruno... Das Mädchen stand dicht vor ihm.
Da ergriff Bruno ihre Hände und hielt sie lange. So leicht wurde ihm ums Herz, daß er am liebsten gelacht hätte über sich und sein Leid:
Riefe... also tanzen wir zusammen heute abend... ja?... und nachher" setzte er leiser hinzu: gehen wir doch noch ein Stück über die Felder, am See entlang... den alten Weg... ja? Ja! Und dann zeige ich dir gleich da die neue Kolonie, Bruno."
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Ja... die neue Kolonie. Riete!"...
Käte Carle: Am Bodensee
Bogende Kornfelder im Sonnengold. Rinder trugen Blumensträuße in den Händen, flammenden Mohn und blaue Kornblumen, wanden Kränze daraus... einen für Bruno und einen für Riete... Riete?... Riete?... hieß sie nicht eigentlich Erita... Erita Knart, seine Kindergefährtin, daheim auf dem Dorfe. Das Häuschen Lindau ist behäbige Freude. Straßen mit Giebelbauten öffnen, sah er vor sich, in dem Rieke wohnte die kleine Küche mit dem sich zu einem Plaz. Das altersgraue Rathaus zeigt bunten Blumen offenen Rauchfang über dem Herd, in der ſie ſo oft zusammenber einen Molenkurve blinzelt aus Stein gehauen der bayerische schmuck vor allen Fenstern. Eingangs des Hafenbeckens am Ende fodten, und Riefes Mutter sah er, wie sie mit einem von Ruß geschwärzten alten Gänseflügel den Herd fegte... Ob das alles noch Löwe nach dem Leuchtturm gegenüber am Ende der anderen Mole. so war? Brennendes Berlangen stieg in ihm hoch.... Mitten hindurch fährt der weiße Dampfer tüstenwärts durch das Smaragdgrün und den Silberschaum der Wellen des Bodensees.
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,, Erita... die schöne Erita... der janze Strauß Bruno Winkler taufte einen Strauß Erita. Zum erstenmal in seinem Leben taufte er Blumen... und er schämte sich sehr. Am nächsten Sonntag fuhr Bruno Winkler hinaus in den Grunewald . Etwas wollte er doch noch vom Sommer haben. Auf einer Wiese wollte er liegen, weiße, ziehende Wolfen über sich sehen und den wundervollen Heuduft atmen und einmal ganz allein sein, ohne Sprechenmüssen und über Wige lachen und abendliche Tanzerei. Vielleicht wurde es dann auch in ihm wieder still... denn so ging es auf einmal nicht mehr.
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Aber es wurde nicht besser... im Gegenteil... Weit mußte er wandern, um einen menschenleern Winkel zu finden. Und als er sich gerade der Ruhe hingeben wollte, tauchte irgendwoher ein schimpfen der Mann auf:
,, Alles zertrampeln Sie mir hier... Können Sie denn nicht Tefen!" und der Mann deutete auf ein verwittertes Schild, auf dem man gerade noch das Wort: Berboten! mühsam entziffern fonnte... Später sprang Wind auf. Bolten ballten sich zusammen. Man mußte vor Regenschauern in ein überfülltes, rauchiges Lokal flüchten. ,, Also ausgerechnet jetzt wollen Sie Urlaub, Herr Winkler?" Der Buchhalter fah in die entschlossenen Züge des sonst so be= scheidenen jungen Mannes und irgend etwas darin stimmte ihn nachgiebiger.
Na, wo solls denn hingehn?" fragte er gutmütig. ,, Nach Hause!" antwortete der junge Mann* Nach Hause!" sagte er und sonst nichts
Ueberrascht sah der Buchhalter auf:
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Wo sind Sie denn zu Hause, Herr Winkler?... Ausgerechnet nach Hause! Die Großmutter ist wohl gestorben oder der Erbonkel, was? Hoffentlich lohnt sich's. Kennen wir ja diese Ausreden und so ganz solo wollen Sie fahren?" Der Mann blinzelte mit den Augen.
,, Nein, das ist es alles nicht..." Bruno Winkler schüttelte den Ropf. Ich ich möchte nur einmal wieder irgend etwas brannte ihm im Halse.
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Also Heimweh!" sagte da der Buchhalter langsam. Sowas gibt's also auch noch.
Ja, Heimweh!" antwortete Bruno Winkler und in diesem Augenblick wurde auch ihm selbst erst flar bewußt, was ihn quälte Heimweh.
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Bruno Winkler saß im Eisenbahnzug. Vor den Fenstern flogen hohe Häuser vorbei, schmutzige Hinterhöfe, Brücken, Straßen dann kamen Laubenkolonien, ein Streifen Wiese, Sand, Sportplätze Fabrikschornsteine und dahinter niedriger Kiefernwald. Bruno Winkler hatte zum erstenmal seit Jahren wieder Zeit, und doch ging es ihm nicht schnell genug, denn Bruno Winkler fuhr nach Hause... Niemand erwartete ihn. Seine Eltern waren früh gestorben. Nur die alte Tante lebte noch, bei der er aufgewachsen war in dem fleinen Haus am Anger. Jeden Weihnachten schichte sie ihm ein großes Badet mit Geschlachtetem: Wurst, ein Stück Schinken, einen großen Napftuchen und zwei Paar handgestridte grauwollene Soden Seit fünf Jahren war das der einzige Gruß aus der Heimat.
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In Königswusterhausen mußte er umsteigen in die Kleinbahn. Das rote Stationsgebäude grüßte ihn vertraut. Ihm war, als fäme er als Schulbub in den Ferien wieder heim. Auch die Leute, die an dem niedrigen Stafetenzaun seitlich neugierig wartend standen, dünkten ihm dieselben wie einst.
,, Nu kiek doch... is das nich der Winklern ihrer,... der Bruno, der in die Stadt gemacht is?... Wie elegant der aussieht... der hat's moll zu was gebracht... da wird die Riefe ja gucken!" ,, Riefe, fomm doch mal schnell her... Besuch ist hier!" Eine Frauenstimme rief, Pantoffel flapperten auf Steinfliesen. Dann sahen sich die beiden jungen Menschen an...
Riefe war ein bißchen verlegen. Sie wischte sich umständlich erst die Hände an der Schürze ab: ,, Es geht dir wohl sehr gut in der Stadt, Bruno... daß du überhaupt noch an uns denfft!"
Ja, Riefe", antwortete der junge Mann und fam sich doch mit einmal so arm por: Aber beinahe hätte ich euer Haus gar nicht wieder gefunden, alles hat sich so verändert
,, Aber fein, nicht?" sagte das Mädchen stolz: Bater hat gebaut. Den Namen da über der Tür aber habe ich mir ausgedacht: Villa Geeblick! Das tlingt doch, was? Weil doch da drüben hinterm Busch das Wasser ist. Oben von der Balkonstube, wo der Herr Hinze immer wohnt, hat man nen feinen Blick."
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Berglehnen begleiten das Ufer. Bad Schachen liegt im Grünen vornehm soliert mit seinem Billenkranz um das Kurhaus. Bei Wasserburg türmen sich Mauervorstöße weit in den See. Burgartig wächst eine Kirche auf. Danach breiten sich Fischerdörfer am flach gewordenen Gestade. Auf einem Vorsprung erhebt sich Schloß Montfort , einstmals im vierzehnten Jahrhundert auf römischen Grundmauern errichtet.
Nun wendet sich das Schiff zurüd in den See, Friedrichshafen zu. Wie ein riesiger grauer Saurier ersteht die Zeppelinhalle. Beim Näherkommen zerstiebt die seltsame Vision, gibt der Wirklichkeit Raum, dem nicht weniger phantastischen Erleben unserer Tage. Flugzeuggefnatter verweht über Maybachs Motorenfabrit.
Hinter Immenstadt beginnen die Weinberge. Kirchberg und Hagenau sind schon bekannte Weinnamen. Steiler steigen die Uferwände wieder auf. Meersburg wirft mit seinen mauerumtleideten Felsterrassen, seinem Turm und den Torlaternen in der Abend dämmerung wie eine romantische Festung. Ein paar schmale Gaffen zwischen Fels und Gemäuer, dann führt der Weg bergan neben Rebgärten zur oberen Stadt, die noch tagvergessener, traumverlorener ruht. Ueberragend die Dagobertsburg mit Turmgewölbe und Brückenbau. Hohenstaufen haben hier gehauft. Bischöfe flohen in die Feste, als Konstanz die Lehre des Reformators Zwingli angenommen. Biel später refidierte ein Laßberg als Burgherr. Uhland, Kerner, Schwab, Annette von Droste- Hülshoff waren oft feine Gäste. Noch zeigt man das fleine Turmgemach, in dem die Droste ihre Balladen, ihre erschütternden Briefe an Levin Schüding [ chrieb. Durch Buzenscheiben fällt dämmeriges Licht. Aber öffnet man die Fenster, streift der Blick weit über den See bis zum Schweizer Land. Der Friedhof von Meersburg bewahrt noch ein efeuüberwuchertes Grab, in dem die Dichterin schläft.
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Sinft allmählich die Dunkelheit nieder, nur von einer Mondſichel durchbrochen, wird das Wunder dieser Gassen ganz zum
In nächster Morgenfrühe pfflügen mieber die Schaufeln des Raddampfers die Wasserfläche. Wie es einst aus den Pfahlbauten feiner Vergangenheit hervorwuchs, steigt Konstanz aus dem Wasser.
Tragödie im Affenkäfig
Bor ungefähr einem Jahr war der Affenkäfig des Londoner 300 von schwerer Heimsuchung befallen worden. Unter den Jungtieren war eine Seuche ausgebrochen, deren Ursprung nicht festzustellen und die mit feinem der bisher bekannten Mittel zu bes fämpfen war. Die junge Affengeneration wurde dahingerafft. Nur ein einziges Junges blieb erhalten, das sein Leben nicht zuletzt der fürsorglichen Liebe seiner Mutter zu danken hatte, die keine Gelegenheit vorübergehen ließ, das Kleine zu wascheen und zu säubern. Kein Wunder, daß dieses Musterweibchen bei dem start ausgeprägten Familienfinn der Affen die Aufmerksamkeit des Bei den Affen ist die Einehe die ganzen Käfigs auf sich zog. Regel, woran auch durch das Zusammenleben in einem Käfig nichts geändert wird. Die Pärchen, auch in der Gefangenschaft, halten treu zueinander, und es kommt selten vor, daß dieser häusliche Frieden durch die Dazwischentunft eines Dritten gestört wird. Diese den Affen wie den meisten höheren Tierarten innewohnende Moral wurde nun eines Tages durch dieses Musteregemplar von einem Affenweibchen ernsthaft in Frage gestellt. Denn die Affenmännchen begannen ihre eigenen Weibchen zu vernachlässigen und Es war ihnen sich um jo mehr um dieses eine zu befümmern. deutlich anzumerken, daß sie alle darauf aus waren, dieses Weibchen für sich zu gewinnen. Das Männchen, das zu diesem Weibchen gehörte, hatte von nun an teine ruhige Minute mehr. Es befand sich in ständiger Kampfbereitschaft, denn es fühlte deutlich, daß es seinen Besitz gegen die anderen Männchen würde verteidigen müssen. Der Affenmann fonnte schließlich kein Auge mehr zutun. Eine Zeitlang ging das an; dann aber begannen seine Kräfte nachzulassen, und er sah sich nach einem Bundesgenossen um.
Die Wärter erzählen, daß tatsächlich eine Art Nerhandlung stattgefunden habe, die das Ergebnis hatte, daß eines der Männchen als Dritter im Bunde in diese Ehegemeinschaft aufgenommen wurde. Damit war das wohlbekannte Dreieck zustandegekommen, nur mit dem Unterschied, daß dem Hausfreund offenbar sämtliche Rechte von
Dort, wo der See und der Himmel, die immer miteinander im Bunde sind, in ihrem Farbenspiel feine Grenzen mehr fennen, bis die Münster , Torturm, Rheinbrücke und auf der anderen Seite wie ein großer dunkler Bampir das Konzishaus- Silhouette der Stadt See und Himmel scheidet.
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Silbrig flimmert die heiße Luft. Der Strand mit seiner Fülle von Blumen, Palmen, Tagusgesträuch und Pappeln ist erfüllt von Mufit, die von der Konzilhausterrasse oder aus dem Kiost klingt. Dazwischen schwirren Stimmen und Bewegungen von Menschen, zahllos und immer anders.
Die Mole mit, dem roten und grünen Signallicht trennt diese Welt von der anderen, wo Hafen, Werft, Brücke, Frachtschiffe, Kähne und dunkles Grenzstadtireiben sich versucht, eng an die Schweizer Höhenzüge zu drängen. Schon vor dem Kriege war Konstanz eine der Hauptstationen für den Schmuggel von Schweizer Stumpen, Schokolade- und politischen Geheimdokumenten.
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Alte, schwere Straßen scharen sich um das Münster . Die Gloden Gedanken dahinter das Schicksal des Johann Hus , den anno 1415 vom Turm läuten Frieden herab, aber noch immer lauert dem freien das großmächtige Konzil zu Ronstanz ob seiner reformatorischen Ideen zum Tode auf dem Scheiterhaufen verdammte. Aus dem Dominifanerkloster, das damals hier machtvoll herrschte, ist längst das fashionable Insel- Hotel geworden. Glühende Blumen blühen in den Steinvasen der Uferbaftionen. Kleine schwanke Boote gleiten hin und her, drehen sich über den Strudeln unter der Brücke, wo der Rhein in den Bodensee fließt, und fahren weiter nach der Insel oder dem Stadtgarten. Die Sonne vibriert über allem leuchtend und lähmend. Nur manchmal gibt es plögliche Gewitter. Das Gesicht des Himmels verfinstert sich und wirft Blik um Bliz um ahnungslose Segel und Dächer. Aber die Donner drohen mur mit den Ahnungen und ziehen sich nach furzem Regenguß wieder in das Gebirge. Nur der Säntis, der Wetterprophet, fommt nicht gleich wieder zum Vorschein. Sonst ist wieder alles eitel Sonne, kaum etwas abgekühlt.
Noch eine Stunde Dampferfahrt. Mainau im Urlingersee ift erreicht. Vor Jahrhunderten hatte hier ein gewalttätiges Raubrittergeschlecht seine Trußburg. Nichts erinnert mehr an jene wilden Zeiten. Verhangen schläft das Schloß der Schwedenkönigin inmitten schwelgerischer Rosengärten. Drangenbäume wehen neben Koniferen, Platanen und 3npressen. Ueppig sprießt alle Vegetation im südlichmeichen Klima dieses paradiesischen Eilands. Rings rauschen die Wellen des Schwäbischen Meeres", jahrtausendelang überzogen Nationen und Kulturen wechselnd und doch ineinandergreifend, wie Glieder einer Kette, seine Ufer.
vornherein zugestanden worden waren. Das Männchen aber glaubte, nun genug für die Sicherheit seiner Ehe getan zu haben und sich wenigstens zeitweise etwas Ruhe gönnen zu dürfen. Denn wenn es selbst einmal schlief, war ja der Hausfreund, da, der Wuche hielt. Was dieser auch wirklich fat, wenn auch nicht mit der eifersüchtigen Wachsamkeit des Gattenmännchens. Und so gelang es einem Riesen des Käfigs, die Wachsamkeit des Hausfreundes zu täuschen und in fühner Ueberrumpelung das begehrte Weibchen zu entführen. Das Männchen aber war sofort auf den Beinen und hinter dem Räuber her; es verfolgte und erreichte ihn, stellte ihn zum Kampf, erwürgte ihn nach erbittertem Ringen und führte das Weibchen im Triumph wieder zurück. Dieses Spiel wiederholte fich Nacht um Nacht, Tag um Tag, eine ganze Woche lang. Die Wärter maren machtlos, tonnten nicht das Geringste tun, um das Morden zu verhindern, denn sie hätten das Weibchen nie aus dem Käfig holen tönnen, ohne selbst von allen Affen angegriffen zu werden. Das Männchen war wohl in allen Kämpfen Sieger geblieben, aber auch selbst dabei schwer verletzt worden. Ein Auge war ihm ausgeschlagen, eine Hinterhand gebrochen und sein ganzer Körper mit Bißwunden bedeckt. Es war am Ende seiner Kräfte angelangt.
Auf diesen Augenblic schien der Hausfreund nur gemartet z haben. In einer Nacht zog er das Weibchen von der Seite des erschöpft schlafenden Männchens in ein leergewordenes Nest und richtete sich dort häuslich mit ihm ein. Als das Männchen erwachte, erkannte es sofort die Situation, verhielt sich aber gegen seine Gewohnheit vollkommen untätig. Unbeweglich starrte es vor sich hin. Plötzlich geschah etwas unerwartetes: Ganz unvermittelt sprang das Männchen von seinem Platz auf, eilte zu dem Nest, in dem sich der Hausfreund mit dem Weibchen verbarg, holte mit einem raschen Griff die Ungetreue heraus und würgte sie solange, bis sie tot zusammenbrach. Dann erst stürzte sich der Betrogene auf den verräterischen Hausfreund. Ein Kampf auf Leben und Tod begann, in dem der Hausfreund über den Erschöpften Sieger blieb, der tot neben seinem Weibchen niedersant. Das verwaiste Afsentind aber irrt meinend durch den Käfig und wird wahrscheinlich seiner Mutter bald in den Tod folgen.