föeilagr Donnerstag, 19. September 1929
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Aus meinem Berliner Tagebuch Von Salamon Dembitzer Und immer wieder wird der neue Tag geboren. Gegen eis Uhr vormittags rafft man sich auf. Man gähnt, räkelt sich, drehr die Hände umeinander-, schließlich steht man auf und meint die Löcher in der Zeit förmlich wachsen zu sehen. Man wäscht und rasiert sich, man geht unruhig im Zimmer auf und ab, mißmutig entdeckt man, daß die letzten Zigaretten ausgeraucht find? man wirft feinen Blick durchs Fenster: da ist dos Schild„Miller u. Lachs, Tapetenfabrik". Und es überkommt einen dos Unlustgefühl, das einem jedesmal dies Schild an dem großen Geschäft gegenüber hervorruft, dies Gefühl von Leere, Fadheit und Eintönigkeit. Und man stellt zum hundertsten Male fest, daß man bestimmt dem Stumpfsinn verfallen ist, wenn dies Schild nicht bald herunter- genommen wird. Ja, man wird sicher stumpfsinnig---- Ms ob man es noch nicht wäre! Und im Auf- und Abgehen wiederholt man sich unaufhörlich:„M'ller u. Lachs, Tapetenfabrik". Mehr fällt einem nicht ein. Und ohne ein Gefühl im Herzen und ohne«inen Gedanken im Hirn verzehrt man mechanisch dos reizlos« Frühstück und schlendert dann gegen zwei Uhr nachmittags planlos in den großen, verkehrsreichen Straßen Berlins umher, um aufs neue einen von diesen jammervollen Tagen totzuschlagen. -» Und während man so dahinschlendert, schreit es in einem: „Neunundvierzig Jahre bist du schon, und zu was hast du eS ge- bracht in diesem Leben? Ja, zu was?... Hast kein Weib, kein Kind, kein Heim und kein Geld, nicht ein einziger Mensch auf der Welt hat dich lieb____ Siehst du, jetzt ist es Herbst, der Tag ist grau, und wenn die hohen Berliner Mietshäuser nicht den Blick auf den Himmel nehmen würden, so könntest du die schweren Wolkenfetzen sich in der Luft wälzen sehen. Jene Herbstwolken, die immer Vorboten einer drückende», trostlosen Regenzeit sind____ Du, es wird regnen, es wird auf dich niederregnen, während du stundenlang herumlaufen wirst, stumm und schwer, die Hände in den Taschen vergraben, in dich verwühlt, Straß« auf, Straße ab: es wird auf dich niederregnen, wie es vor einem Jahr und auch vor zwei Jahren auf dich herabgeregnet hat und wi« es in Zukunft auf djch herabregnen wird. Bielleicht wirst du auch dann diese Straße lang gehen oder ein« andere. Was ist da für ein Unter- schied?... Auch dann wird dieselbe Leer« auf deinem Herzen lasten und doch wird es nicht springen____ O, und jetzt siehst-du vor einer Auslage dort ein junges, frisches Mädchen stehn, ihr feines Ge- sichtchen, ihr schlanker Wuchs, ihre elastisäze Gestalt gefallen dir, nicht wahr? Du, dies trvgvolle leere Possenspiel, hast du es denn nach immer nicht satt? Weißt du denn nicht, daß sie zu dir sprechen ipird, wie sie gestern noch zu anderen gesprochen Hot und was du schon vor zwei, zehn, zwanzig Jahren von jeder gehört hast?... Und ist es nicht immer dos Gleich«? Und nachher immer gleich schwer, gleich leer?... Manchmal wacht man plötzlich auf aus solche» Gedan!en: denn es gehen zwei junge dicke Frauen vorüber, und man ist gezwungen, den Ton ihrer unsympathischen Stimmen zu hören:„Kommen Sie doch mit zu Wertheim ! Er kommt um fünf Uhr in de» Tecraum. Ich stelle Sie als meine Kusine vor. Patenter Kerl! Er hat mir erst mal neulich diese silbern« Kette geschenkt. Sie können sich ja nachher verabschieden..." Und man geht unwillkürlich schneller, um dies Gespräch, das einem in den Ohren weh tut, los zu werden. Aber nach einer Weile bleibt man wieder stehen, schlendert langsam wie vorher, und die Gedanken von früher überfallen einen hartnäckiger und schnierz- hafter: „Du, eigentlich bist du doch ein Schriftsteller, warum sitzt du nicht lieber zu Hause und schreibst, hä? Ach, der Anblick des Schildes verjagt dich ja, dies„Miller u. Lachs, Tapetenfabrik". Verhäng' doch das Fenster, dann brauchst du es nicht zu sehen. Geh' noch Haus und fang' an zu arbeiten. Ist es nickst ein herrliches Gefühl, von taufend Idioten gelesen zu werden? Tausend Leute wissen, daß in einer Mietsstraße in Berlin einer wohnt, der so und so heißt und dies und das schreibt____ Du, wieviel Menschen wohnen in Berlin , von denen keiner weiß, daß sie so und so heißen und dies und das machen. Bist du denn schon so abgestumpft, daß dich dein Ruhm gar nicht mehr reizt? Jedes Erlebnis läuft nichtig und spurlos an dir vorbei. Gewiß, leicht ist es nicht an solchen«inlönigen, grauen Tagen, noch dazu in Berliner Straßen, etwas zu erleben. Es fehlt dir also das Thema zum Schreiben, nicht? Dann schreib' doch ein Feuilleton über die Firma Miller u. Lachs, Tapetenfabrik!.Als Stoff sind zwei Menschen vorhanden, die Miller und Lachs heiße» und eine Tapetenfabrik haben. Ja, dies« zwei Menschen sind wirk- lich vorhanden____ Das fühlst du doch jeden Morgen, wenn du aus dem Fenster siehst, wie einen Alp. Aber vielleicht ist dir das Thema nicht sympathisch? Nun, da hast du ja doch ein andere«. Vor vier Minuten sind zwei junge, dicke Frauen von etwa dreißig Jahren an dir vorbeigegangen, und die eine hat die andere ein- geladen, mit ihr zu Wertheim in den Teeraum zu gehen, wo sie ihr «inen patenten Kerl vorstellen würde, der ihr erst mal ein« silbern« Kette geschenkt hat. Stell' dir doch diesen patenten Kerl vor. wie er auf zwei dicke Weiber wartet. Vielleicht ist es ein Beamter, er trägt einen etwas abgeschabten Ueberzieher, einen Handschuh hat er an, den anderen hält er in der Hand, denn dos ist eleganter. Sicher hat er auch Augen wie Glasknöpfe und«inen aufgezwirbelten Schnurrbart, und wenn er der Freundin vorgestellt wird, macht er «inen tiefen Bückling und sagt:„Sehr angenehm!" Und dann schnüffelt er im Sitzen den Dunst von der schönen Molligkeit seiner Freundin, von der er schon in seinem einsamen Bureau mit wachen Augen geträumt hat. Sie sprechen bestimmt vom Kino, vom Wetter, vom Sonntagsausslug, dem sich die mitgebracht« Freundin an- schließen wird. Du hast doch ein gutes Personengedächtnis, du, du wirst sie bestimmt wiedererkennen. Da wäre es angebracht, jetzt zu Wertheim in den Tceraum zi! gehen und sich in ihrer Näh« nieder- zusetzen, um das Gespräch anzuhören und sie zu beobachten. Siel- leicht ist er auch gar kein kläglicher Beamter, fondern ein Don Juan , ein Romantiker, ein Dichter, ein glühender, feuriger Mensch.... Dielleicht ist er..* Na, da ist man schon in der Leipziger Straße , nun sind es nur noch ein paar Schritt«. « Im Teeraum bei Wertheim . Gin paar Tisch« sind mit ein- 5-lnen Herren und Fräuleins besetzt, die bestimmt auf ihr« Schätze warten. Oder wollen sie vielleicht hier erst neu« finden?... Alle sitzen korrekt, steif da und betrachten feden genau, der hereinkommt; nach der Neuheit und Eleganz seiner Kleidung wird sein Wert als Mensch abgeschätzt. An der Eckwand an einem Tischchen sitzen drei. die einzigen, die zu dreien sitzen, und wahrhaftig: es sind die beiden
Je weiter wir uns vom Kriege entfernen, um so mehr kommt uns feine Sinnlosigkeit zum Bewußtsein. Auf keinem Kriegsschou- platz trat dieses jedoch schon während des Krieges jo stark in Er- jcheinung, wie in Syrien und Palästina. Das biblische Wort von Palästina als dem Land, in dem Milch und Honig fließt, stimmt nicht mehr, wenn man von Europa hin- kommt. Friedrich Naumann sagt in seinem Palästinabuch, daß jenseits der Alpen die Wüste Sahara beginne, und er spricht von den Bergen, die nackt, wie das Gerippe der Erde in der Sonne liegen. Es stimmt aber, wenn man aus den angrenzenden Wüsten in diesen schmalen Küstenstrich kommt. Wein, Feigen, Apfelsinen, Bananen, Granatäpfel, Melonen usw. gedeihen. Dazwischen aber auch wüste, wasierarm« Steppen, unwirtliches Gebirge, ohne Wold und Strauch, in denen nur Schakale und Hyänen hausen und die Nächte mit ihrem schauerlichen Geheul erfüllen. Das Land ich schön mit seinen vielen historischen Ställen, seiner verschiedenartigen Bevölkerung vom Beduinen und Araber bis zum Fellachen, die alle feit über 2000 Iahren in ihrer Entwicklung stehen geblieben sind und noch in einem Kulturzustand leben, der etwa dem zu Christi Zeiten gleichkommt. Aber auch ein Land, das für den Europäer große Gefahren hat. Was die deutschen Truppen weniger unter modernen Mordwaffen zu leiden hatten, das wurde wettgemacht durch die Krankheiten, wie Malaria , Ruhr und ähnliche, durch die fast unerträglich« Hitze bis KZ Grad, durch die Fliegen- und Ungezieferplage aller Art. Aber was bedeuteten die Leiden der deutschen Truppen gegen die der türkischen Soldaten und die der Bevölkerung! Abgesehen von einigen kriegerischen Aroberstämmen war die Bevölke- vung friedfertig. Sie litt schon in normalen Zeiten groß« Not. Aber während des Krieges steigerte sich diese Not wie zu einer ungeheuren Anklag« gegen die Menschheit. Frauen und Kinder logen auf den Straßen und durch» suchten den Pferdemi st nach unverdauten Kör- n e r n, in den Staub geworfene Apfelsinen schalen wurden gierig mit allem Dreck gegessen, vom Molariafieber gepackte Menschen lagen im Staub auf der Straße, bei 6l> Grad Sonnenhitze, und wurden vom Frost geschüttelt, daß ihnen die Zähne klapperten. Keiner kümmerte sich um sie, und wenn sie„krepierten", dann schmiß man ihr« Leichname in eine Schlucht oder Höhle, den Hyänen und Scha- kalen zum Fraß. In Malaga und Libalon lag unsere Truppe längere Zeit. Apfel- sinen, Feigen und Wein gedeihen dort prächtig. Wir standen vor der Feldküche, um Essen zu holen. Da sahen wir, wie ein etwa zwölfjähriges Mädchen 20 Meter vor der Küche zusammenbrach. Als wir zu ihr gingen, mußten wir zu unserem Entsetzen sehen, daß das Mädchen starb. Sie bestand nur noch aus Haut und Knochen, noch nie hatte einer von uns einen derartig abgemagerten Menschen gesehen. Dieses Mädchen war, eine von vielen, verhungert und wenige Meter vor der Feldküche gestorben. Einige Zeit, später kam ein kleiner Junge, besah neugierig die Tote und versuchte sie dann fortzuschleifen. Er legte sich ihre mageren Beine über den Rücken und schleift« sie«in Stückchen durch den Staub. Da sie ihm scheinbar doch poch zu schwer war, ließ er die Füße los, und die Leiche lag wieder im dicken Staub, in brennender Sonnenhitze. Einig« Soi- daten haben das Kind dann irgendwo eingescharrt. Was bedeutete hier ein Menschenleben. Ilm Lächerlichkeiten wurden Mord« begangen, ohne daß sich auch nur einer darüber auf- regt«, und verhungern mußten viele. Man tröstete sich mit Allah oder mit dem christlichen Himmel. Die�t ü r k i s ch e n Polizisten gingen stets mit schwerem Ochsenziemer, und jeder Schlag zog blutige Striemen nach sich. Einem Händler, der nicht den richtigen Preis gefordert haben sollte, wurden in unserer Gegenwart 2Z Hiebe auf die Fußsohlen erteilt, eine dort übliche Straf«. Der Mann konnte nicht mehr gehen. Doch kein Gericht hatte ihn verurteilt, ein einziger türkischer Polizist hatte die Strafe angeordnet, und wer weiß, aus welchen Motiven. Die Aburteilung auf dem türkischen Kriegsgericht ging so rasch vonstatten, daß man auf das Urteil warten konnte. So sah ich ein- mal acht Araber, die verdächtig waren, unsere Regimentskolonn« überfallen zu haben. In höchstens 30 Minuten waren alle zum Tode verurteilt, in der Zwischenzeit schon die Galgen auf- gerichtet. Sie wurden sofort zum Richtplatz geführt, und nach einer halben Stunde hingen sie schon, mitten im Ort, umgeben von
lächelnden türkischen Soldaten und Männern, Frauen und Kindern aus der Bevölkerung. Hier half auch uns deutschen Soldaten das Wort:„Krieg ist Krieg" nicht mehr; denn hier wütete neben allen Krankheiten und dem Hunger auch noch eine verrohte Soldateska gegen die am eigent- liehen Kampf unbeteiligte Bevölkerung. Beim Zusammenbruch 1918 stießen wir auf«ine geschlossene tür - tische Abteilung, der einzigen während des ganzen Rückmorsches. In einer Mulde sah man in geringer Entfernung ein Araberdorf. Als die türkische Infanterie vorbei war, kamen etwa 500 Meter hinterher zwei türkische Insanteristen, während aus entgegengesetzter Richtung ein einzelner Araber auf einem Esel geritten kam. Er saß, wie es dort üblich ist, seitlich auf dem Esel und schlenkert« ge- mütlich mit den Beinen. Als die beiden Türken ihn sahen, riefen sie ihm etwas zu, woraus wir sogleich entnahmen, daß sie auf seinen Esel reflektierten. Ein lautes Hin und Her begann, bis der eine der Türken mit dem Gewehr drohte. Der Araber aber zeigte keinerlei Anzeichen von Aufregung, sondern ritt unbekümmert weiter. Da legte der Türke das Gewehr an— zielte— ein Knall— und der Araber sank tot vom Esel. D«r Esel blieb stehen, und die beiden Türken liefen nun auf Mann und Esel zu. Sie drehten den toten Araber mehrere Male im Sande um, durchsuchten sein weißes, weites Gewand und fetzten sich dann beide vergnügt auf den Esel. Mit dem zufriedensten Gesicht der Welt lachten und winkten sie uns zu und ritten in Richtung ihrer Truppe weiter. Der ganz« Vorgang schien aber vom Dorf aus gesehen worden zu sein; denn kaum waren die Türken fort, so kamen etwa 10 Arabersrauen unter lautem Weh- klagen aus dem Dorf, legten den Toten in ein weißes Linnen und schleppten ihn hinter sich an der Erde durch den dicken Staub in ihr Dorf. Wir deutschen Soldaten hatten manche Schrecken während des Krieges erlebt, ober jetzt kroch uns doch das Grauen an. Um einen kleinen verhungerten Esel verübten diese Menschen lächelnd «inen Mord, als ob nicht geschehen wär«. Die türkischen Soldaten, unsere Bundesgenossen, keine Schuhe an den Füßen, in Lumpen gekleidet, oft nicht minder hungernd als die Bevölkerung, kamen in unsere Gräben, um verschimmeltes Brot und stehengebliebenes saures Esten gierig zu verschlingen. Auf den Märschen konnten viele vor Erschlaffung nicht mehr gehen. Sie hingen sich unter die Lastautos und verbrachten Stunden in dieser Stellung, mit einer dicken Staubkruste bedeckt. Auch hier war die K n u t e dos Züchtigungsmfttel. Malaria, Ruhr und Cholera wüteten unter ihnen, und Tausende starben eines elenden Todes. Aus der großen Kaserne in Skutari, gegenüber Konstantinopel , fuhren wachen- lang ununterbrochen zwei Leichenwagen noch dem Türken- friedhof, auf jedem Wagen drei Särge init je 3 Toten. Rackt wurden diese an der Cholera gestorbenen Menschen in die Gräber geschüttet. mit einigen Steinen und ein wenig Erde bedeckt. Davon durften unsere Zeitungen während des Krieges nichts berichten. Beim Zusammenbruch versagte die türkische Führung völlig. Einzeln und in Trupps suchte jeder seinen Weg, und viele fielen in die Hände feindlicher Araber. Diese zogen sid' nackt aus, und in wenigen Tagen starben sie infolge der Hitze am Tag« und der Kälte in der Nacht eines elenden Todes. Aber die t ü r k i s ch e n O f f i- ziere saßen bei de» deutschen zu Gast, und von weit her wurden geeignete Leute geholt, die einen guten Mokka brauen konnten. Als die kümmerlichen Reste unseres Bataillons vom Toten Meer aus den fluchtartigen Rückmarsch antraten, muhten wir, um der Gefangenschaft zu entgehen, durch die Wüstengebiete marschieren. Hier fand ich ein Exemplar von Goethes Faust. Trotz der Ermüdung hob ich es auf, und das erste Wort, dos ich darin las, war das des Mephisto:„Denn alles, was entsteht, ist wert, daß es zu- gründe geht." Noch nie war mir dieses Wort in solch furchtbarer Bedeutung zum Bewußtsein gekommen, wie nach dem Erlebten im „helligen Land". Pech und Schwefel wie auf Sodoin und Go- morra, um alles zu vernichten, das hatten wir oft gewünscht: denn hier schien nur noch blödester Vernichtungswahnsinn zu herrschen, Tod und Leid schlugen tausendfältig auf eine armselige Bevölkerung und die zum Kriegsdienst gezwungen armen türkischen Bauern ein, ohne Sinn und ohne Zweck. Und das in jenem Land. wo Christus gelebt haben soll: unter den Augen und dem Befehl derer, die sich als berufene Vertreter der Lehre Christi ausgeben, die selbst den Krieg im Namen Christi preisen und wenn sie könnte», auch heute noch führen würden. Emst Tessloff, Kiel .
Madam«, die ich auf der Straße traf und der Kavalier. Tatsächsich Unit dem Beamtengesicht und sogar mit d«m Beamtenüberzieher. Mein Gott! Zum ersten Mal« nach langer Zeit erwacht in einem da» abgestumpfte Gefühl, aber nur, damit man«inen 5)ah bekommt auf diesen fremden, gleichgültigen Spießer!... Denn warum ist er kein Romantiker, kein Träumer. k«in Hochstapler? Ach, warum ist es jene Alltagsflieg« mit Augen wie Glasknöpfen und oufge- zwirbeltem Schnurrbart, einer, von dem man genau im voraus weiß, was er sagen wird..-. Aus d«ssen Gespräch man gar nicht »«ugierig ist____ Und doch, da man schon dazu hergekommen ist, setzt man sich ganz dicht dazu und behorcht dieses stumpfsinnige Gespräch. Er: Schönes Wetter... Grunewald ... Sie: Wir hätten so gern„die Macht des Teufels" geseh'n. Freundin: Ja. es soll ein schönes Stück sein. Er: Ein schönes Stück?... Dann werden wir hingeh'n. Pause... Sie: In der Alhambra ist es auch nett.... Freundin: Ja, mir hat auch jemand davon«rzählt— Er: Wenn es da nett ist, dann geh'n wir doch hin. Pause... ©ie: Wenn schönes Wetter ist, könnte man auch in den Luna- park geh'n. Freundin: Und auf der Treppe schliddern! Er: Also, wenn das Wetter� schön ist, g«hen wir hin. Pause... Sie: Lei schlechtem Wetter ins Cafe Vaterland.... Freundin: Ja. bei schlechtem Wetter ist es da besser als draußen. Er: Ja, bester als draußen---- Pause... * In der Dämmerung rafft man die schweren, vom Nichtstun so
trägen Glieder zusammen und schleppt sich zum Potsdamer Platz , wo Taufende von Mädchen hastig mit Mappen unter dem Arm zur Wannseebahn oder anderen Haltestellen laufen Und während die Lampen angezündet werden, stellt man sich irgendwo an einer Ecke auf und schaut mechanisch auf die Vorbeihastenden: zum tausendsten Male stellt man fest, daß diese abgehetzten, früh mit Sorgen be- ladenen, altklug raffinierten und o, wie unnaiven, unromantijchen jungen Mädchen kein Feuer in einem entfachen werden. Und wie lnan auf sie starrt, scheint einem, daß all diese Gesichter zu einem einzigen, riesigen, vulgären, uninteressanten Gesicht zusammen- schmelzen, das mit lauter, kreischender Stimme über den Potsdamer Platz schreit...:„Wir sind die Kinder vom Heutigen Berlin , wir müssen unseren Eltern verdienen Helsen ... unsere geistig« Nahrung ist das Kino und der Lunapark oder Zobeltitz und Herzog... Natürlich wollen wir heiraten! Wenn ein Versorger kommt, werden wir tüchtige Hausfrauen werden, ihm Kinder gebären, sie selbst nähren und dos Haus hüten. Ja, ja, wir sind die Kinder vom heutigen Berlin ." Man kennt es schon auswendig, dos alles... und so läßt man sich gleichgültig langsam vom Strom mitziehen. Die Nacht breitet ihre Flügel über diese herrlich« Stadt und chre Bewohner aus, und man verschwindet irgendwo in ein hellerleuchtetes Cafe, in dem schon viel« von jenen gefärbten, gepuderten Mädchen sitzen, die warten.... Und dos müde Herz sagt:„Seid gegrüßt, gefallene Schwestern, füllt ihr meine elend« Seele mit Licht, mit viel viel Licht, denn in ihr ist's schrecklich finster..." Die Schweden werden größer. Noch jetzt bekannt werdender Statistik beträgt die Durchschnitt»- größ« der männlichen Schweden 1,75 Meter. Vor 25 Iahren be- trug sie ungefähr VA Zentimeter weniger und vor 50 Iohr«n so- gar nur 170 Zentimeter. Wenn die Schweden so weiter wachse», werden sie in einigen Generativnen das„Volk der Riesen" werden.