Morgenausgabe
Nr. 443
A 223
46.Jahrgang
Böchentlich 851, monaffic 3,60 R Im opraus zahlbar, Boftbezug 4,32 22. einschließlich 60 Bfg. Boftzeitungs- umb
16 este tuis Sonnabend 21. September 1929
Vorwärts
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Der Bormärts erscheint mochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel„ Der Abend, Illustrierte Beilagen Boll und Zeit" und„ Rinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen", Frauen timme". Technit", Bücherwelt" und Jugend- Borwärts*
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Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten
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Ein einstimmiger Beschluß
Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion hat in ihrer| Arbeitsmarktes das Reich die Pflicht zur Leistung von Zu
Sizung vom Freitag zur Arbeitslosenversicherung einstimmig
folgende Entschließung gefaßt:
Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion sieht in den fachlichen Erhebungen und Feststellungen des Sachverständigenausschusses für
Arbeitslosenversicherung eine Bestätigung ihrer wiederholt befundeten Auffaffung, wonach die Beseitigung der nachweisbar bestehenden Mißbräuche und eine befristete Beitragserhöhung in Berbindung mit einer sozialen Neuregelung der Saisonarbeiterunterstützung die Finanzierung der Arbeitslofenversicherung ermöglichen, ohne daß eine allgemeine, fozialpolitisch unerträgliche Verschlechterung der Versicherungsleistungen vorgenommen wird. Sie stimmt deshalb den Beschlüssen des Sozial politischen Ausschusses des Reichstags soweit zu, als sie diesen Rahmen einer Aenderung des Arbeitslosenversicherungsgefehes nicht überschreiten.
Die Fraktion begrüßt aber gleichzeitig den beharrlichen und geschlossenen Widerstand, den Partei und Gewertschaften in wochenlangem zähen Ringen gegen alle weitergehenden Gesetzesänderungen und Abbaupläne geleistet haben. Ohne die allgemein politische Bedeutung irgendwie zu verkennen, die sich aus einer weiteren politischen Zuspihung im Kampf um die Arbeitslofenversicherung ergeben fann, verlangt die Fraktion, daß auch weiterhin der bei den bisherigen Verhandlungen von den sozialdemofratischen Unterhändlern gezogenen Rahmen beibehalten wird, da die Sozialdemokratie nur innerhalb dieser Grenzen eine mitverantworfang für die Reform der Arbeitslosenversicherung zu fragen bereit ift.
Obwohl die Sozialdemokratie die Notwendigkeit anerkennt, die Arbeitslosenversicherung aus eigenen Mitteln zu fanieren, hält fle doch daran fest, daß bei unvorhergesehener Zuspihung der Lage des
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füffen hat. Sie lehnt es entschieden ab, daß die Sa.
und Beamten, Wallstr. 65. Diskonto- Gesellschaft, Depositenkasse Lindenstr. 3.
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Wenzel und Hus.
Ein politischer Spaziergang um den Hradschin.
nidad 50107, Von Rudolf Illovy.
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dal Prag, Mitte September. zehnte unfertig dastand, nähert sich seiner Vollendung. In Der Beitsdom auf dem Prager Hradschin, der viele JahrSteuerlaften durch einen Abbau der sozialpoli- denn am 28. September wird mit großem Prunk und Geder lezten Septemberwoche soll er in neuem Glanze erstrahlen, tischen Leistungen des Reiches erkauft werdenpränge der tausendste Gedenktag der Ermordung seines
nierung der Reichsfinanzen und der Abbau der
Nach Erledigung der Debatte über die Arbeitslosenverficherung, die mit der einstimmigen Annahme der oben wieder gegebenen Entschließung endete, hielt der Reichsinnenminister Genoffe Severing einen kurzen aber instruktiven Vortrag über die innerpolitische Lage, insbesondere über das Boltsbegehren hugenberg- Hitler und über die Bombenlegeraffäre. Aus seiner Darstellung ergab sich, daß die Republik allen Eventualitäten gewappnet gegen übersteht.
feiert werden. Etliche Kardinäle aus Rom sind schon angejagt, Gründers, des Schußpatrons von Böhmen , Wenzel, ge= und auch aus Deutschland kommt die hohe Geistlichkeit. Klug haben die tschechischen Klerikalen dieses Fest ersonnen. Sie schützen vor, es sei gleichzeitig die Feier des tausendjährigen Bestandes des vormals böhmischen, jetzt tschechoslowakischen Staatswesens, und lassen dem Bolle die bisher sorgfältigst verwahrte alte böhmische Königskrone, die sogenannte Sankt Wenzelstrone natürlich gegen Eintrittsgeld zeigen. natürlich uie
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Tagesordnung: Arbeitslosenversicherung.
König Heinrich I., der Finkler, der die Elbeslawen bes Oberherrschaft, unter die Böhmen zur Zeit der Karolinger gekommen war, wiederherzustellen. Der junge Prager Herzog Der Uelteftenrat des Reichstags hat in feiner gestrigen Sitzung daß er sich gegen die llebermacht des Feindes nicht wehren Wenzel aus dem Geschlecht der Premysliden sah sofort ein, unter dem Vorsitz des Abg. Effer( 3.) die Einberufung des Reichs- fann, ergab sich ohne Blutvergießen und versprach Heinrich I. , tags für Montag, den 30. September, 3 Uhr nach einen Tribut, bestehend aus Silber und hundertzwanzig miffags, befchloffen. Auf der Tagesordnung sollen die beiden Ochsen, alljährlich nach Deutschland zu schicken. Böhmen Vorlagen über die Arbeitslosenversicherung, die foge- wurde dadurch vor einer Verheerung gerettet, und die nannte Hauptvorlage und die Sondervorlage, stehen. Die Tagung Tschechen entgingen dem Schicksal der Elbeslawen. Die Edelwird nur wenige Tage beanspruchen, da nicht beabsichtigt ist, leute murrten und verlangten einen Kampf um die Unabhängigkeit. In Wenzels Bruder Boleslaw sahen sie ihren noch andere Gegenstände zur Beratung zu bringen. Für den Sozialpolitischen Ausschuß des Reichstags ist die nächste Bruder nach einem Gelage in Altbunzlau durch Schildknappen Mann. Um zum Throne zu gelangen, ließ Boleslaw seinen Sigung noch nicht bestimmt worden. erschlagen. Wenzel, der ein gar frommer Herzog war, deutsche Pfaffen und Mönche ins Land rief, Kirchen und Klöster baute, wurde von Rom heiliggesprochen. Sein Todes= tag ist die alte böhmische Kirchweih, wo man gebratene Gänse und runde böhmische Kuchen sich gut schmecken läßt und auch sonst in volkstümlicher Weise sich erlustigt.
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Steckbrief gegen Herbert Bolf.
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Wegen des Bombenattentats auf den Reichstag .
Die Staatsanwaltschaft beim Landgericht I hat nunmehr auch gegen den flüchtig gewordenen früheren Privatdetektiv Herbert Bolf, zuletzt wohnhaft Berlin- Charlottenburg, Augsburger Straße 71, den Antrag auf Eröffnung der Boruntersuchung, Erlaß des Haftbefehls und eines Steckbriefes bei dem Untersuchungsrichter beantragt. Bolt wird beschuldigt, an den Attentaten in Schleswig- Holstein und an dem Anschlag auf das Reichstagsgebäude in Berlin in hervorragender Weise beteiligt zu sein.
Weschke hoffte auf Hugenberg.
Die tommunistische hamburger Boltszeitung" ver öffentlicht in ihrer Freitagausgabe aus dem Notizbuch des Bombenattentäters Weschke den Entwurf eines Briefes an Hugenberg, in dem Weschke sagt, daß es sich durchaus lohne, Geld in die Landvolkbewegung hineinzustecken. Sollte er, Hugenberg, an der Zweckmäßigkeit einer Unterstützung der Landvoltbewegung noch zweifeln, so wäre er, Weschke, selbstverständlich gern bereit, Herrn Hugenberg in Berlin aufzusuchen und ihm Vortrag zu halten über den Stand der Landvoltbewegung und über die finanziellen Vorausfegungen zur weiteren Ausbreitung der Bewegung.
Landwirte warnen vor dem„ Landvolk".
Kiel , 20. September. ( Eigenbericht.) In der ausnahmslos rechtspolitisch beeinflußten Bresse Schleswig- Holsteins mehren sich erfreulicherweise die Stimmen, die in deutlicher Weise von den Bombenattentätern und ihrer Bewegung abrücken. Zumeist sind es die Landwirte selbst, die jetzt vor der Landvolkbewegung warnen. Wenn auch reichlich spät, beginnt doch die Einsicht und die Vernunft zu erstarken.
Aus landwirtschaftlichen Kreisen wird z. B. in dem„ Ostholsteinischen Tageblatt" darauf hingewiesen, daß es
nur zu einem verschwindenden Teile wirkliche Landwirte sind, die die unbestreitbare Notlage der Landwirtschaft sich zunuze machten, um ihre dunklen politischen Ziele zu fördern, nicht zuletzt aber auch, um ihre eigene persönliche Eriften 3 dia möglichst gut zu sichern".
Die Landvolkbewegung habe es glänzend verstanden, aus der nofleidenden Landwirtschaft Geld herauszuziehen. Es sei bekannt geworden, daß zahlreiche Landwirte an der Westküste für hohe Binsfäße mehrere tausend Mark geliehen und der Bandvolfbewegung unter schwerster Belastung von Haus und Hof zur Verfügung gestellt hätten. Daß diese betreffenden Landwirte jezt nur noch das Nachsehen haben, ja, in schweren Berdachi fämen, sei felbstverständlich. Biel wichtiger aber als diese materiellen Angelegenheiten fei die unbestreitbare Tatsache, daß große Teile der
schleswig- Holsteinischen Landwirtschaft gerade in der letzten Zeit einem geradezu erschütternden Mangel an Urteil neuen Bewegungen und anmaßend auftretenden Führern" zum Opfer gefallen sind.
Eine ähnliche Sprache führt ein Landwirt in der SchleswigHolsteinischen Landeszeitung" in Rendsburg , der sich scharf gegen die Attentäter und das Treiben der Landvolkleute wendet und zum Schluß die Bauernschaft fragt:
,, Billigt man es im schleswig- holsteinischen Bauernstande, daß eine solche Einstellung( von dieser Landvolkbewegung) zu Staat und Bolt als mögliche Gesinnung des fchleswig- Holsteinischen Bauernstandes und der ihm verbundenen Kreise ohne Widerspruch unterstellt wird? Will sich einer solchen Einstellung gegenüber der schleswig- Holsteinische Bauernstand auch fernerhin schweigend verhalten und damit indirekt billigen?"
Der Landwirt betont schließlich, daß es nunmehr darauf ankomme, ganz Deutschland zu zeigen, daß zwischen den Führern der Landvolkbewegung und der schleswig- Holsteinischen Bauernschaft ein großer Unterschied zu machen sei.
Der nationalsozialistische Abgeordnete Goebbels schickt uns folgende Berichtigung:
,, Unter dem Titel Neue und alte Kämpfe" befindet sich in der Nr. 433 vom 15. September 1929 eine Darstellung, in der es unter anderem heißt, ich hätte versichert:„ Wenn wir dereinst Sprengungen vornehmen die Garantie gebe ich Ihnen, dann jehen dieselben ganz anders aus."
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Diese Darstellung ist unwahr. Wahr dagegen ist, daß ich gefagt habe: Wirklich revolutionäre Attentate sehen anders aus. Wir haben nicht die Absicht, durch Bombenanschläge, sondern durch eine großangelegte Boltsbewegung dem augenblicklichen Erfüllungssystem ein Ende zu machen."
Herr Goebbels hat seine Rede im propisiert, ein Bericht. erstatter hat diese Stelle stenographiert. Aber Herr Goebbels ist nach seinen Reden vorsichtiger als während seiner Reden!
nated did München , 20. September.
Die von der Ortsgruppe München der Kommunistischen Partei für Freitag abend in das Kreuzbräu einberufene Bersammlung mit deni Thema: Faschismus und Proletariat" wurde durch die Polizei direktion verboten mit der Begründung, daß das Ziel der Bersamm lung den Strafgelegen zuwiderlaufe.
Hitler - Versammlungen sind in Bayern erlaubt- troß der offenen Heße der Nationalsozialisten gegen die Verfassung!
Es ist gewiß ganz absurd, einen Brudermord als Ausgangspunkt für den Bestand eines Staates hinstellen zu wollen. Das Datum ist übrigens auch historisch nicht richtig, da damals über Böhmen noch Fürsten der einzelnen Stämme Bentralgewalt zusammengehalten waren. Wenzel war eigentherrschten, die einander oft arg befehdeten und durch keine lich nur Herzog des Prager Gebiets. Die Vereinigung der Stämme zu einem gemeinsamen Staatswesen erfolgte erſt später. Der Hauptzweck des jetzt von den Klerikalen künstlich gezüchteten Wenzeltultus ist aber, das Andenken an den religiösen Reformator Johannes Hus zu schwächen. Der im tschechischen Volke eingefleischten husfitischen Tradition soll die Sankt- Wenzel- Tradition entgegengestellt werden. Als nach der Husfeier im Jahre 1925, an der sich offi⭑ zielle Vertreter des tschechoslowakischen Staates öffentlich beteiligten, Prag mit dem Vatikan sich überwarf und der damalige päpstliche Nuntius in Prag , Monsignore Marmaggi, Hals über Kopf nach Rom fuhr, erklärten die Klerikalen, dieser Vorfall müsse bei den Sankt- Wenzels- Feiern im Jahre 1929 seine Sühne finden. Hus sei der Apostel der Rebellion, des Freimaurertums und Sozialismus, Wenzel aber der Verkünder der nationalen Einigkeit und der politischen Ruhe. Die tschechische Bourgeoisie ging den Klerikalen auf den Leim. Auch die deutschen Klerikalen aus der Tschechoslowakei werden in treuer Waffenbrüderschaft an dieser Tausendjahrfeier teilnehmen.
In seinem Hirtenbriefe am 4. März d. J. schrieb der Papst den tschechoslowakischen Bischöfen und Erzbischöfen, er freue sich, daß die Situation des Katholizismusinder Tschechoslomatei, die vordem ernsthaft sich zu verschlimmern schien, jeht einer merklichen Besserung entgegengehe. Daher empfiehlt er die Errichtung von konfessionellen Schulen und eine intensive Pflege des Religionsunterrichts. Die tschechischen Klerikalen, die vor dem Kriege die festeste Stüße des Thrones und der adeligen Privilegien waren, sehen sich jeßt genötigt, sich umzustellen, da ein Großteil ihrer Wählerschaft den ärmeren Bevölkerungsschichten angehört. Natürlich geht diese Orientierung nicht leicht vorwärts, und in sozialer Hinsicht ist die Tschechische Volkspartei so nennen sich die Klerikalen noch immer die rückschrittlichste von allen tschechischen Parteien. Ihr Führer, der Minister für soziale Fürsorge, Monsignore Sch ra met, bringt durch seine antifozialen Maßnahmen oft den Arbeiterflügel seiner eigenen Partei in merkliche Unruhe.
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Die allgemeine unzufriedenheit mit der Herr fchaft der Agrarier hat in der tschechischen Presse eine Diskussion darüber hervorgerufen, ob ein Zusammengehen der sozialistischen Parteien mit den Klerifalen ohne die Agrarier, ähnlich wie in Deutschland mit der Zentrums partei , möglich wäre. Diese Diskussion wurde bereits vor Jahresfrist von einem fortschrittlichen Journalisten eröffnet