Einzelbild herunterladen
 

Morgenausgabe

Nr. 443

A 223

46.Jahrgang

Böchentlich 851, monaffic 3,60 R Im opraus zahlbar, Boftbezug 4,32 22. einschließlich 60 Bfg. Boftzeitungs- umb

16 este tuis Sonnabend 21. September 1929

Vorwärts

72 Bfg. Boftbestellgebühren. Auslands. 0 50 abonnement 6.-M. pro Monat.

Der Bormärts erscheint mochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend, Illustrierte Beilagen Boll und Zeit" und Rinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen", Frauen timme". Technit", Bücherwelt" und Jugend- Borwärts*

Blid in die

Berliner   Bolksblatt

130

Groß- Berlin 10 Pf. sid Auswärts 15 Pf.

Die

taipattige Ronpareillezetle 80 Bfennig. Reflamezelle 5.- Reichsd mart Aleine Anzeigen" das fettge Drudte Wort 25 Pfennig( guläfftg gwel Fettgedruckte Worte), jedes weitere Bort 12 Bfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Bfennig, jedes mettere Wort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben Arbeitsmartt gablen für gwet Borte. Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig.. Anzeigenannahme im Haupt eschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Ubr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297. Telegramım- Adr.: Sozialdemokrat Berlin  .

-

sid round

Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten

Postscheckkonto: Berlin   37536. Vorwärts- Verlag G.m. b. H.

Reichstagsfraktion und Arbeitslose

mons& sio?

Ein einstimmiger Beschluß

Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion hat in ihrer| Arbeitsmarktes das Reich die Pflicht zur Leistung von Zu­

Sizung vom Freitag zur Arbeitslosenversicherung einstimmig

folgende Entschließung gefaßt:

Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion sieht in den fachlichen Erhebungen und Feststellungen des Sachverständigenausschusses für

Arbeitslosenversicherung eine Bestätigung ihrer wiederholt befun­deten Auffaffung, wonach die Beseitigung der nachweisbar bestehen­den Mißbräuche und eine befristete Beitragserhöhung in Berbindung mit einer sozialen Neuregelung der Saison­arbeiterunterstützung die Finanzierung der Arbeitslofen­versicherung ermöglichen, ohne daß eine allgemeine, fozialpolitisch unerträgliche Verschlechterung der Versicherungsleistungen vor­genommen wird. Sie stimmt deshalb den Beschlüssen des Sozial­ politischen   Ausschusses des Reichstags soweit zu, als sie diesen Rahmen einer Aenderung des Arbeitslosenversicherungs­gefehes nicht überschreiten.

Die Fraktion begrüßt aber gleichzeitig den beharrlichen und geschlossenen Widerstand, den Partei und Gewert­schaften in wochenlangem zähen Ringen gegen alle weitergehenden Gesetzesänderungen und Abbaupläne geleistet haben. Ohne die all­gemein politische Bedeutung irgendwie zu verkennen, die sich aus einer weiteren politischen Zuspihung im Kampf um die Arbeits­lofenversicherung ergeben fann, verlangt die Fraktion, daß auch weiterhin der bei den bisherigen Verhandlungen von den sozialdemo­fratischen Unterhändlern gezogenen Rahmen beibehalten wird, da die Sozialdemokratie nur innerhalb dieser Grenzen eine mitverantworfang für die Reform der Arbeitslosenversicherung zu fragen bereit ift.

Obwohl die Sozialdemokratie die Notwendigkeit anerkennt, die Arbeitslosenversicherung aus eigenen Mitteln zu fanieren, hält fle doch daran fest, daß bei unvorhergesehener Zuspihung der Lage des

alid moi

füffen hat. Sie lehnt es entschieden ab, daß die Sa.

und Beamten, Wallstr. 65. Diskonto- Gesellschaft, Depositenkasse Lindenstr. 3.

Gluchin

Wenzel und Hus.

Ein politischer Spaziergang um den Hradschin.

nidad 50107, Von Rudolf Illovy.

Illovy.i

dal Prag, Mitte September. zehnte unfertig dastand, nähert sich seiner Vollendung. In Der Beitsdom auf dem Prager   Hradschin, der viele Jahr­Steuerlaften durch einen Abbau der sozialpoli- denn am 28. September wird mit großem Prunk und Ge­der lezten Septemberwoche soll er in neuem Glanze erstrahlen, tischen Leistungen des Reiches erkauft werdenpränge der tausendste Gedenktag der Ermordung seines

nierung der Reichsfinanzen und der Abbau der

Nach Erledigung der Debatte über die Arbeitslosenver­ficherung, die mit der einstimmigen Annahme der oben wieder gegebenen Entschließung endete, hielt der Reichsinnenminister Genoffe Severing einen kurzen aber instruktiven Vortrag über die innerpolitische Lage, insbesondere über das Boltsbegehren hugenberg- Hitler und über die Bombenlegeraffäre. Aus seiner Darstellung ergab sich, daß die Republik   allen Eventualitäten gewappnet gegen übersteht.

feiert werden. Etliche Kardinäle aus Rom   sind schon angejagt, Gründers, des Schußpatrons von Böhmen  , Wenzel, ge= und auch aus Deutschland   kommt die hohe Geistlichkeit. Klug haben die tschechischen Klerikalen dieses Fest ersonnen. Sie schützen vor, es sei gleichzeitig die Feier des tausend­jährigen Bestandes des vormals böhmischen, jetzt tschecho­slowakischen Staatswesens, und lassen dem Bolle die bisher sorgfältigst verwahrte alte böhmische Königskrone, die so­genannte Sankt Wenzelstrone natürlich gegen Eintritts­geld zeigen. natürlich uie

-

Reichstag   am 30. September. fiegte, fiel im Frühjahr 929 nach Böhmen   ein, um die deutsche

Tagesordnung: Arbeitslosenversicherung.

König Heinrich I., der Finkler, der die Elbeslawen bes Oberherrschaft, unter die Böhmen   zur Zeit der Karolinger  gekommen war, wiederherzustellen. Der junge Prager   Herzog Der Uelteftenrat des Reichstags hat in feiner gestrigen Sitzung daß er sich gegen die llebermacht des Feindes nicht wehren Wenzel aus dem Geschlecht der Premysliden sah sofort ein, unter dem Vorsitz des Abg. Effer( 3.) die Einberufung des Reichs- fann, ergab sich ohne Blutvergießen und versprach Heinrich I.  , tags für Montag, den 30. September, 3 Uhr nach einen Tribut, bestehend aus Silber und hundertzwanzig miffags, befchloffen. Auf der Tagesordnung sollen die beiden Ochsen, alljährlich nach Deutschland   zu schicken. Böhmen  Vorlagen über die Arbeitslosenversicherung, die foge- wurde dadurch vor einer Verheerung gerettet, und die nannte Hauptvorlage und die Sondervorlage, stehen. Die Tagung Tschechen entgingen dem Schicksal der Elbeslawen. Die Edel­wird nur wenige Tage beanspruchen, da nicht beabsichtigt ist, leute murrten und verlangten einen Kampf um die Unab­hängigkeit. In Wenzels Bruder Boleslaw   sahen sie ihren noch andere Gegenstände zur Beratung zu bringen. Für den Sozialpolitischen   Ausschuß des Reichstags ist die nächste Bruder nach einem Gelage in Altbunzlau durch Schildknappen Mann. Um zum Throne zu gelangen, ließ Boleslaw   seinen Sigung noch nicht bestimmt worden. erschlagen. Wenzel, der ein gar frommer Herzog war, deutsche Pfaffen und Mönche ins Land rief, Kirchen und Klöster baute, wurde von Rom   heiliggesprochen. Sein Todes= tag ist die alte böhmische Kirchweih, wo man gebratene Gänse und runde böhmische Kuchen sich gut schmecken läßt und auch sonst in volkstümlicher Weise sich erlustigt.

1000 ST

Steckbrief gegen Herbert Bolf.

dnobis vad d

Wegen des Bombenattentats auf den Reichstag  .

Die Staatsanwaltschaft beim Landgericht I hat nunmehr auch gegen den flüchtig gewordenen früheren Privatdetektiv Herbert Bolf, zuletzt wohnhaft Berlin- Charlottenburg, Augsburger Straße 71, den Antrag auf Eröffnung der Boruntersuchung, Erlaß des Haftbefehls und eines Steckbriefes bei dem Untersuchungs­richter beantragt. Bolt wird beschuldigt, an den Attentaten in Schleswig- Holstein   und an dem Anschlag auf das Reichstagsgebäude  in Berlin   in hervorragender Weise beteiligt zu sein.

Weschke hoffte auf Hugenberg.

Die tommunistische hamburger Boltszeitung" ver öffentlicht in ihrer Freitagausgabe aus dem Notizbuch des Bombenattentäters Weschke den Entwurf eines Briefes an Hugenberg, in dem Weschke sagt, daß es sich durchaus lohne, Geld in die Landvolkbewegung hineinzustecken. Sollte er, Hugenberg, an der Zweckmäßigkeit einer Unterstützung der Land­voltbewegung noch zweifeln, so wäre er, Weschke, selbstverständlich gern bereit, Herrn Hugenberg in Berlin   aufzusuchen und ihm Vortrag zu halten über den Stand der Landvoltbewegung und über die finanziellen Vorausfegungen zur weiteren Ausbreitung der Bewegung.

Landwirte warnen vor dem Landvolk".

Kiel  , 20. September.  ( Eigenbericht.) In der ausnahmslos rechtspolitisch beeinflußten Bresse Schleswig- Holsteins   mehren sich erfreulicherweise die Stimmen, die in deutlicher Weise von den Bombenattentätern und ihrer Be­wegung abrücken. Zumeist sind es die Landwirte selbst, die jetzt vor der Landvolkbewegung warnen. Wenn auch reichlich spät, beginnt doch die Einsicht und die Vernunft zu erstarken.

Aus landwirtschaftlichen Kreisen wird z. B. in dem Ost­holsteinischen Tageblatt" darauf hingewiesen, daß es

nur zu einem verschwindenden Teile wirkliche Landwirte sind, die die unbestreitbare Notlage der Landwirtschaft sich zunuze machten, um ihre dunklen politischen Ziele zu fördern, nicht zuletzt aber auch, um ihre eigene persönliche Eriften 3 dia möglichst gut zu sichern".

Die Landvolkbewegung habe es glänzend verstanden, aus der nofleidenden Landwirtschaft Geld herauszuziehen. Es sei bekannt geworden, daß zahlreiche Landwirte an der Westküste für hohe Binsfäße mehrere tausend Mark geliehen und der Bandvolfbewegung unter schwerster Belastung von Haus und Hof zur Verfügung gestellt hätten. Daß diese betreffenden Landwirte jezt nur noch das Nachsehen haben, ja, in schweren Berdachi fämen, sei felbstverständlich. Biel   wichtiger aber als diese materiellen An­gelegenheiten fei die unbestreitbare Tatsache, daß große Teile der

schleswig- Holsteinischen Landwirtschaft   gerade in der letzten Zeit einem geradezu erschütternden Mangel an Urteil neuen Bewegungen und anmaßend auftretenden Führern" zum Opfer gefallen sind.

Eine ähnliche Sprache führt ein Landwirt in der Schleswig­Holsteinischen Landeszeitung" in Rendsburg  , der sich scharf gegen die Attentäter und das Treiben der Landvolkleute wendet und zum Schluß die Bauernschaft fragt:

,, Billigt man es im schleswig- holsteinischen Bauernstande, daß eine solche Einstellung( von dieser Landvolkbewegung) zu Staat und Bolt als mögliche Gesinnung des fchleswig- Holsteinischen Bauernstandes und der ihm verbundenen Kreise ohne Wider­spruch unterstellt wird? Will sich einer solchen Einstellung gegen­über der schleswig- Holsteinische   Bauernstand auch fernerhin schweigend verhalten und damit indirekt billigen?"

Der Landwirt betont schließlich, daß es nunmehr darauf an­komme, ganz Deutschland   zu zeigen, daß zwischen den Führern der Landvolkbewegung und der schleswig- Holsteinischen   Bauernschaft ein großer Unterschied zu machen sei.

Herr Goebbels   berichtigt.

Der nationalsozialistische Abgeordnete Goebbels   schickt uns folgende Berichtigung:

,, Unter dem Titel Neue und alte Kämpfe" befindet sich in der Nr. 433 vom 15. September 1929 eine Darstellung, in der es unter anderem heißt, ich hätte versichert: Wenn wir dereinst Sprengungen vornehmen die Garantie gebe ich Ihnen, dann jehen dieselben ganz anders aus."

-

Diese Darstellung ist unwahr. Wahr dagegen ist, daß ich gefagt habe: Wirklich revolutionäre Attentate sehen anders aus. Wir haben nicht die Absicht, durch Bombenanschläge, sondern durch eine großangelegte Boltsbewegung dem augenblicklichen Erfüllungssystem ein Ende zu machen."

Herr Goebbels   hat seine Rede im propisiert, ein Bericht. erstatter hat diese Stelle stenographiert. Aber Herr Goebbels   ist nach seinen Reden vorsichtiger als während seiner Reden!

Zweierlei Maß in Bayern  .

nated did München  , 20. September.

Die von der Ortsgruppe München   der Kommunistischen Partei für Freitag abend in das Kreuzbräu einberufene Bersammlung mit deni Thema: Faschismus und Proletariat" wurde durch die Polizei direktion verboten mit der Begründung, daß das Ziel der Bersamm lung den Strafgelegen zuwiderlaufe.

Hitler  - Versammlungen sind in Bayern   erlaubt- troß der offenen Heße der Nationalsozialisten gegen die Verfassung!

Es ist gewiß ganz absurd, einen Brudermord als Ausgangspunkt für den Bestand eines Staates hinstellen zu wollen. Das Datum ist übrigens auch historisch nicht richtig, da damals über Böhmen   noch Fürsten der einzelnen Stämme Bentralgewalt zusammengehalten waren. Wenzel war eigent­herrschten, die einander oft arg befehdeten und durch keine lich nur Herzog des Prager   Gebiets. Die Vereinigung der Stämme zu einem gemeinsamen Staatswesen erfolgte erſt später. Der Hauptzweck des jetzt von den Klerikalen künstlich gezüchteten Wenzeltultus ist aber, das Andenken an den religiösen Reformator Johannes Hus   zu schwächen. Der im tschechischen Volke eingefleischten husfitischen Tradition soll die Sankt- Wenzel- Tradition entgegengestellt werden. Als nach der Husfeier im Jahre 1925, an der sich offi⭑ zielle Vertreter des tschechoslowakischen Staates öffent­lich beteiligten, Prag   mit dem Vatikan   sich überwarf und der damalige päpstliche Nuntius in Prag  , Monsignore Mar­maggi, Hals über Kopf nach Rom   fuhr, erklärten die Klerikalen, dieser Vorfall müsse bei den Sankt- Wenzels- Feiern im Jahre 1929 seine Sühne finden. Hus sei der Apostel der Rebellion, des Freimaurertums und Sozialismus, Wenzel aber der Verkünder der nationalen Einigkeit und der politi­schen Ruhe. Die tschechische Bourgeoisie ging den Klerikalen auf den Leim. Auch die deutschen   Klerikalen aus der Tschechoslowakei   werden in treuer Waffenbrüderschaft an dieser Tausendjahrfeier teilnehmen.

In seinem Hirtenbriefe am 4. März d. J. schrieb der Papst den tschechoslowakischen Bischöfen und Erzbischöfen, er freue sich, daß die Situation des Katholizismusinder Tschechoslomatei, die vordem ernsthaft sich zu ver­schlimmern schien, jeht einer merklichen Besserung entgegen­gehe. Daher empfiehlt er die Errichtung von konfessionellen Schulen und eine intensive Pflege des Religionsunterrichts. Die tschechischen Klerikalen, die vor dem Kriege die festeste Stüße des Thrones und der adeligen Privilegien waren, sehen sich jeßt genötigt, sich umzustellen, da ein Großteil ihrer Wählerschaft den ärmeren Bevölkerungsschichten angehört. Natürlich geht diese Orientierung nicht leicht vorwärts, und in sozialer Hinsicht ist die Tschechische Volkspartei so nennen sich die Klerikalen noch immer die rückschrittlichste von allen tschechischen Parteien. Ihr Führer, der Minister für soziale Fürsorge, Monsignore Sch ra met, bringt durch seine anti­fozialen Maßnahmen oft den Arbeiterflügel seiner eigenen Partei in merkliche Unruhe.

-

Die allgemeine unzufriedenheit mit der Herr fchaft der Agrarier hat in der tschechischen Presse eine Diskussion darüber hervorgerufen, ob ein Zusammengehen der sozialistischen   Parteien mit den Klerifalen ohne die Agrarier, ähnlich wie in Deutschland   mit der Zentrums­ partei  , möglich wäre. Diese Diskussion wurde bereits vor Jahresfrist von einem fortschrittlichen Journalisten eröffnet