Sonnabend spinot
21. September 1929
Der Abend
Erfchelat täglich außer Sonntags. Bugleich Abendaufgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition; Berlin SW 68, Lindenstr. 3
Spalausgabe des„ Vorwärts
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10 Pf.
Nr. 444
B 221 46. Jahrgang.
Engelgenpreis: Die einfpaltige Nonpareillezeile 80 Pf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. 20 Bosschecktonto: Vorwärts- Verlag G. m. b. H., Berlin Nr. 37 536. Fernsprecher: Dinhoff 292 bis 297
Während der Konferenz im Haag gab der französische Ministerpräsident Briand auf dem Wege über französische Journalisten der Welt die überraschende Kunde, deutsche Nationalisten hätten sich in Paris bemüht, der französischen Regierung flar zu machen, daß sie die gegenwärtige Außenpolitik Deutschlands fortsehen würden, wenn fie ans Ruder tommen sollte.
Völkische gegen Nazis.
,, Das ist die Politik der vollen Hose!"
Hitler sucht nach Leibeskräften aus der fompromittierenden Nähe der Bombenattentäter abzurüden. In einer offiziellen Erklärung der Nationalsozialistischen Partei hat er u. a. den Ausschluß aller Nazis verkündet, die mit der Landvolkbewegung Beziehungen unterhalten. Damit erweckt Herr Hitler das Hohngelächter der völ Herr Albrecht D
Diese Mitteilung hat den 3orn der deutschnationalen Partei häupter hervorgerufen. Als die Herrn Stresemann nahestehende ,, Nationalliberale Korrespondenz" Briands Mitteilungen bestätigend weitergab, ließ Hugenberg gröbstes Geschütz auffahren. Durch die deutschnationale Pressestelle ließ er das Stresemann- Organ betischen Konturrenz. dingi der„ gemeinen Verleumdung" beschuldigen, wenn es nicht
Namen nenne.
Gräfe
Golde bee ergreift die Gelegenheit, um in seinen„ ,, Deutschen Nach: richten" nachzuweisen, daß er viel nationaler, viel völkischer, viel deutscher ist, als Hitler , denn er, Herr Gräfe, steht mit voller
Jezt beginnt die Nationalliberale Korrespondenz mit der Sympathie bei den Bombenattentätern. Allerdings, in einem hat Namensnennung. Als erster steht der deutschnationale
Abg. Morih klönne am Pranger.
Ueber ihn weiß die Nationalliberale Korrespondenz" zu melden: Herr Klönne reist seit dem Jahre 1926 in politischer Mission nach England und Frankreich . Er hat in zahlreichen Gesprächen mit französischen Politikern den Franzosen ein Militärbündnis und ein Zujammengehen Deutschlands und Frankreichs gegen Sowjetrußland angetragen. Er hat über dasselbe Thema mit einem hervorragenden beamteten englischen Polititer in Paris Besprechungen gehabt. Ein französischer General, der aus seiner Tätigkeit im Zusammenhange mit Fragen der Entwaffnung Deutschlands wohl bekannt in Deutschland ist und als ein hervorragender Kenner des augenblicklichen Rüftungszuaugenblicklichen Rüftungszustandes in Deutschland gelten muß. ift mit Wiffen von Herrn Klonne und mit Wissen der hinter ihm stehenden deutfchnationalen Hintermänner im Winter 1927/28 infognilo nach Berlin geTommen, um mit deutschen Militärs die Frage eines deutschfranzöfifchen Militärbündnisses zu befprechen. Diejer hohe fran. zösische Offizier stand während seines Aufenthaltes in Berlin in enger Fühlung mit Herrn Klönne, der es übernommen hatte, auf hochgestellte Militärs des Reichswehrminifteriums einzuwirken. Selbstverständlich verlief aber die Mission des französischen Generals ergebnislos, weil die erwähnten amtlichen Stellen feine Neigung hatten, in diesem Konsortium fich zu betätigen. Daß aber die deutschnationalen Außenpolitiker es unterlassen hatten, das Auswärtige Amt von diesem Schritt in Renntnis zu feßen, versteht sich von selbst. Herr Klönne hat diese Besprechungen im Winter 1927/28 in Berlin fortgesetzt und zwar mit französischen, in Berlin tätigen Militärs hohen Ranges. Im Frühjahr 1928 wurden diese Besprechungen nach Paris verlegt und maßgebliche Politiker der französischen Rechtsparteien, darunter ein bekannter ehemaliger Militär, beteiligt.
Sind die sehr ins einzelne gehenden Mitteilungen richtig? Wagt die deutschnationale Pressestelle sie auch jetzt noch zu bestreiten? Wer hat Herrn Klönne den Auftrag gegeben, ein deutsch - französisches Militärbündnis anzubahnen,
das sich gegen Sowjetrußland richten sollte? Wer hat ihm über. haupt den Auftrag gegeben, in Paris und London zu verhandeln? Die deutschnationalen Patentpatrioten erheben gegen jeden Andersgesinnten, der eine Verständigung mit Frankreich sucht, den Borwurf des Landesverrats
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von Sozial und schreien nach dem Strafrichter. So haben sie bemotraten ganz abgesehen den Führer der Jungdeutschen, Mahraun , wegen seiner Erfundungsfahrt nach Frankreich dem Staatsanwalt denunziert, damit er den Landesverratsparagraphen in Aftion sege. Denselben Paragraphen, der nach dem Bolts begehren auch gegen den Reichspräsidenten und die Reichsminister Wirkung haben soll.
Die Nail. Korresp." erklärt sich bereit, weitere namen zu nennen, wenn es gewünscht wird, und deutet zunächst auf einen Generalleutnant v. Lippe, dem gleiche oder ähnliche„ Gespräche ( Siehe auch 2, Seite.)
Gräfe recht: wenn er nämlich das nachträgliche Abrücken der Hitler: mannen als Ausgeburt der Feigheit fennzeichnet. Er schreibt zu der Erklärung Hitlers :
Ich muß gestehen, daß ich in dieser Erklärung auch den Teijeiten Rationaliozialistenebischen", womit fich bie gerne brüsten, total vermisse, man hat vielmehr das unästhetische Gefühl dabei: Die Ratten verlassen das Schiff!" Der Vorgang erinnert mich peinlich an das ähnliche feige Abrüden gewisser deutschnationaler Parteistellen im Reichstage nach dem Kapp Putsch von dem prächtigen D. Traub, er erinnert mich an das verlogene Spiel um unseren Freund Henning nach dem Rathenaumorde, ja, er erinnert mich an die ganze Erbärmlichfeit des parlamentarisch- politischen Parteilebens nach Petri Muster: Ich kenne den Menschen nicht!"
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Gräfe erinnert daran ,,, mit welchen Mitteln der Demagogie die NEDAP. sich zunächst als Vorfämpferin der Bauernbewegung aufgespielt hat. Es erscheint ihm darum geradezu skandalös", wenn Hittler jetzt selbst trotz der sonst so bombastisch gemimten nationalrevolutionären" Boje, gerade in diesem Moment von der Landvolfbewegung abrückt". Da ist Albrecht v. Gräfe ein anderer Mann, denn:
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Ich für meine Person stehe genau auf dem entgegengesetzten Standpunkte: ich sehe in der Landrolfbewegung, wenn sich der Most auch ganz absurd gebärdet, es gibt zuletzt doch noch' nen Wein"! an sich ein urgefundes und hocherfreuliches Erwachen des deutschen Bauern für den heiligen Kampf um feine Scholle und reiche ihr deshalb in treuer Kameradschaft die deutsche Hand, unbefümmert darum, ob etwa, wovor teine Organifation ganz bewahrt bleibt, auch einmal Fehler von ihr gemacht werden fönnten oder ob einzelne Mitglieder, was auch überall vorkommt, ihrerseits in der Wahl der Mittel vielleicht gelegentlich fehl greifen fouten. Ich begrüße mit ehrlicher Freude den persönlichen Opfermut ihrer Führer, die nicht fade Reden der Prahlerei halten, etwa in dem Sinne: ,, Entweder haben wir morgen eine nationale Regierung. oder ich bin tot" ( Hitlers Worte am Vorabend seines Butsches. Red. d.„ B."), ( wir haben zwar feine nationale Reichsregierung, aber wer ist tot?) oder pomphafte Schwüre der Treuc abnehmen, ohne selbst verantwortlich klare Ziele und Wege zu weisen. sondern die thren eigenen Kopf wirklich für die anderen hinhalten und
Tommy geht.
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Sugenberg: Um Gottes willen, bleiben Gie!- Da zieht meine ganze schöne Propaganda fürs Volks begehren ab!"
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selbst erhobenen Hauptes in die Gefängnisse wandern."
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Gleichzeitig führt Reinhold Bulle in einem Leitartikel aus, daß sich das völkische Dreigestirn Gräfe Wulle enning immer treu auf den Boden des Putschismus gestellt hat. Er erinnert daran, wie Henning mit Entsetzen von der deutschnationalen Reichstagsfraktion ausgeschlossen wurde, als er nach dem Rathenaumord unumwunden zugestand, mit den radikalen Geheimverbänden selbstverständlich" in Verbindung zu stehen. Wulle erklärt:
Efelhaft ist die Feigheit, die irregeführte nationale Menschen dem Haß der anderen preisgibt, um dadurch für sich felbst gut Wetter zu erflehen.
Die Einheitsfront der Angst und Erbärmlich feit" umfasse jetzt ebenso den Lokal- Anzeiger", der sich über die Ergreifung der Bombenattentäter gefreut und ihre strenge Bestrafung gefordert habe, wie die Nationalsozialisten, die eine Be= lohnung von 10 000 m. auf die Ergreifung der Täter ausgesetzt haben und die jetzt ,, mit allen Zeichen des Entsetzens von den Berhafteten abrücken". Wulle schließt mit den Worten: ,, Das ist die Politik der vollen Hose. Pfui Deibel!"
Wegen Vorbereitung zum Hochverrat.
Magdeburg , 21. September .( Eigenbericht.) Wie wir erfahren, hat der Polizeipräsident von Magdeburg , Dr. Bärensprung, gegen Herrn v. Gaza Anzeige wegen Vorbereitung zum Hochverrat erstattet und beim Oberstaatsanwalt Erlaß eines Haftbefehls beantragt.
Jäschte, Weschte und RWM.
Mißbilligung feine Wiederholung mehr!
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Das Reichswehrminifterium teilt zum Fall des Oberstleutnants a. D. Jäschte mit: Jäschte hat den in die Attentatsversuche verwidelten Weich te persönlich gefannt. Als im Juli die Landvolkbewegung zunahm, hat Jäschte ohne Wiffen seiner Borgesetzten mit Weschte eine Rücksprache herbeigeführt und seine Eindrüde in einem Bericht an seine Vorgesetzten niedergelegt. Danach sollen die Landvolfführer in ihrem Kampf gegen die Regierung Gewalt maßnahmen ablehnen. Diese Niederschrift wurde, da es sich um eine persönliche Rüdsprache handelte, zu den Akten gelegt.(!) Jäschte wird vom Reichswehrminifterium immerhin der Vorwurf gemacht, daß er sich mit Bertretern einer radikalen politischen Bewegung in Verbindung gefeht hat; das sei ein mißgriff und das Reichswehrministerium werde dafür sorgen, daß derartige Mißgriffe fünftighin nicht vorkommen.
Jedenfalls stehe fest, daß die Reichswehr weder über Jeschke, noch über den General v. Hammerstein mit den Attentätern in irgendeiner Verbindung geffanden habe.
Das Minifterium wird demnächst einen Strafantrag wegen Beleidigung gegen die Zeitungen stellen, die einen solchen Zusammenhang behauptet haben.
Der Brief des Herrn v. Gaza an General v. Hammerstein sei General vermutlich aus dem Papierforb gestohlen.
v. Hammerstein ift gegenwärtig auf einer dienstlichen Auslandsreise. Für die Zivileinstellung des Herrn Bender bei der Reichswehr habe sich weder v. Gaza noch v. Hammerstein verwandt. Der „ Verein Hirschmann", der in der Roten Fahne" von heute als Dedorganisation solcher Beziehungen erwähnt wird, sei ein Schweißhund- Züchterverein.
Ein internationales Wirtschaftsparlament, bestehend aus Abordnungen vieler Barlamente, wird nächste Woche im Reichstag versammelt sein. Aus Bolen allein z. B. tommen 30. Teilnehmer.
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