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Nr. 447* 46. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Dienstag, 24. September 4929

Der Kampf gegen die Rauschgifte Rauschgistfchmuggel. Einbrüche. Ltnlautere Aerzte und Apotheker.

Der Rauschgiftkonsum in Deutschland geht zurück, in erster Linie der Lokainmißbrauch. Sollte etwa das so verhängnisvolle weiße Gift an Anziehungskraft eingebüßt haben? Vielleicht. Die allmäh- kiche Stabilisierung der Lebensverhältnisse wirkt neroenberuhigend: der Kampf von Polizei und Gericht gegen die Rauschgifte hat den Handel damit erschwert. Gelegentheit macht Diebe, also auch Kokain- schnupfer. Jedenfalls zeigt die Berliner Kurve sinkende Ten- d e n z, desgleichen auch die Hamburger. Betrug die Zahl der im Juli 1926 festgenommenen Händler und der im November 190, so verringerte sie sich seitdem ständig. Die gleiche sinkende Kurve findet man auch in den Krankenhäusern. Der international« Rauschgifthandel aber, der Handel mit Opium, Morphium, Heroin, Kokain blüht nach wie vor trotz intensiver Beratungen der Rauschgiftkommission des Völkerbundes, trotz größte? Aktiv!- tat in Verfolgung des Rauschgiftschmuggels. Dieser er- späht immer neue Wege. Ginge die Rauschgiftbekämpfung im inter . nationalen Maßstab nicht weniger systematisch und energisch vor, als z. V. in Berlin oder Hamburg , Indien und gewisse Teile der Vereinigten Staaten wären bestimmt nicht mit Rauschgiften verseucht. Kriminalpolizei und Nauschgiste. Früher fahndete man in Berlin einzig und allein nach dem kleinen Händler: die Großhändler blieben ungeschoren. Erst das Rauschgiftdezernat machte unter Leitung des Kriminalkommissars Nebe den Rauschgifttonsumenten selbst zum Ausgangspunkt seiner Bemühungen. Beobachtung in bestiminten Lokalen führt« Zur Feststellung der Mittelsmänner, der sogenannten Schlepper, die mit den Kleinhändlern die Beziehungen aufrecht hielten. Diese emp- fingen das Gift, m erst«? Linie Kokain" und Morphium, von den Unterhändlern. Die letzteren beschafften es sich von den Engroshöndlern, und erst dies« hatten direkte Verbindungen zu den Rauschgiftquellen: sie ausfindig zu machen, war das Ziel der Polizeibestrebungen. Allmählich durchschaut« sie die gesamte Organisation des Kokainhandels und wurde Herr der Situation. Sie kannte nun die Prostituierten und Zuhälter, die Kellner in homosexuellen Lokalen, die Schlepperdienste leisteten: kannte die Schlupfwinkel/ in d enen die Verkäufer ihre Kokainvorräte von 50 bis 100 Päckchen aufbewahrten: wußte, in welcher Weise sie ihr« Abnehmer neppten, indem sie das Kokain mit Borax, Kalk, Natron usw. mischten und machte von Mab zu Mal ergebnisvollere Razzien. Das Gericht verhängt« scharfe Strafen gegen die Händler, milder« gegen deren unglückliche Opfer: der Kokainhandel wurde für so manchen nicht besonders lohnend. Erst das Gesetz zur Bekämpfung des Rauschgiftmißbrauchs hotte diesen Kampf der Polizei ermöglicht. Internationale Rauschgistbekämpfung. Die Genfe�Opiumkonoention vom 1K. Februar 192? inochte den Staaten, die sich ihr anzuschließen bereit erklärten, eine strenge Kontrolle über Import, Export, Herstellung und Handel der Rauschgift« zur Pflicht. Di« Bemühung einzelner Länder, die Er- zeugung der Rauschgift« auf den medizinischen und wissenschaftlichen Bedarf zu beschränken, zerschlug an den wirtschastspolftischen Inter. essen anderer Länder, für die Rauschgifterzeugüng und-Handel eine erwünscht« Einnahmequelle darstellt«». Immerhin wurde ein ständi­ger Zentralrat aus neun vom Lölkerbundrat ernannten Sach- verständigen ins Leben gerufen. Diesem Zentralrat hatten die ein- zelnen Länder Daten über Herstellung, Vorräte, Konsum und be- schtagnahmt« Posten mitzuteilen. Wuchs in irgendeinem Lande der Rauschgifthandel übermäßig an, so konnte der Zentralrat Er- klärungen anfordern. Blieben diese aus, so halte er das Recht,

die Einfuhr von Rauschgiften in das betreffend« Land zu sperren. Die Konvention erreicht« ihren Zweck nur zum Teil; nicht all« Län- der schlössen sich ihr an. Die OuellAi versiegten nicht, der Rausch­giftschmuggel gedieh weiter. Die Sitzungen der Rauschgiftkonunission der Völkerbundes verlaufen immer wieder stürmisch. Die Korn- missionsmitglieder kargen nicht mit Borwürfen gegeneinander. Das letztemal stießen Engländer und Franzosen hart ausein- ander. Jene machten diesen den Vorwurf, daß sie dem Opiumhandel in Britisch-Indien Vorschub leisten: die Meng« des von Engländern beschlagnahmten Opiums belief sich tatsächlich auf mehr als 100 Kilo; von den Franzosen waren allein in hinterindischen Häfen 310 Han- delskonzessionen erteilt worden. Die gleichen Klagen kamen aus Holländisch- und Portugiesisch-Indien. Uüd England sorgt wieder durch Opiumonbau in Indien für die Verseuchung Ehinas. Oer Nauschgistschmuggel. Kein Zweifel: der Rauschgiftschmuggel hat ungeheure Ausbrei- tung. Er geht in der Hauptsache nach dem Osten und den Ver- einigten Staaten. Die Schmuggler bilden straff organisierte Banden, die nicht selten zueinander in engsten Beziehungen stehen. Trotz strengster Kontrolle finden sich immer noch Fabriken, die bereit sind, sie mit großen Mengen Rauschgift zu versovgen. In Koffern mit doppelten Böden, Farbentuben, Möbeln, Grabsteinen, auf zahl- reichen anderen Wegen geht der Schmuggel vor sich. Erst vor kurzem durchlief die Presse die sensationelle Nachricht über den Rauschgiftschmuggel des älteren Amanullah -Sohnes. Ein gewisser Raskin hatte dabei seine Hand im Spiel. Dieser Russe, der zu einer chemischen Firma in Mülhausen Beziehungen unterhielt, hatte auch Verbindung zu einer anderen dekannten Rauschgifffchmugglerin Staatnikow Die Dame bedient« sich eines Geheimcodes, verfügte tn einer ganzen Anzahl von Freihäfer über Agenten und mißbrauchte für ihre verbrecherische Tätigkeft einen dreizehnjährigen Knaben, der zwischen Poris und Marseille mit einem großen Koffer hin- und herfuhr. Ihr Mann, Direktor des Mercantil-Lloyd, brachte das Rauschgift nach Hongkong . Als er beim Verlassen des Dampfers verhastet wurde, fand man in seinem Gepäck vier Unter- röcke mit 22 Taschen. Eine weit ausgedehnte Schinugglerorganiiation entdeckte die Polizei in der Bande Stritowsky-Bogdanowsky. Das Rauschgiftdezernat stellt« fest, daß deren Mitglieder in einer be- stimmten Bank ein- und ausgingen: es besorgte sich die von der Bande benutzten Schecks, sah sich die Giranten an und hatte auf dies« Weise bald die ganze Kolonne in Gewahrsam. Die Rausch- gifte 31 Kilo davon wurden beschlagnahmt gingen aus Frank- reich über Holland , Kopenhagen , Deutschland , Schweiz nach Amerika und China . Gleich Raskin stand auch dies« Bande in Verbin- dung mit Frau Staatnikow. In Paris wurden zwei In- genieure verhaftet, bei denen man S Kilo Rauschgift fand: in Zürich ein Kaufmann, der Tausend« von Kilo nach dem Osten ver- sandte: in Gens, der Leiter einer chemischen Fabrik, der Rauschgift« im Werfte von 2 Millionen Schweizer Franken als Aluminium deklarierte und sie von Genua nach New Bork versandte. Der Zufall fügte e» eines Tages, daß die Polizei etwa 1000 Ampullen Kokain und Morphium im D-Zug nach Rottevdom fand: die Spur führte zu einem Düsseldorfer Kaufmann. Besonders scharf ist die Hamburger Polizei hinter den Kotainschmugglern her: sie kann auch von guten Erfolgen berichten. So gelang es ihr einmal, einen ganzen Geldschranktransport zu beschlagnahmen: die Geld- schränk« waren für den Rauschgifffchmuggel nach Rotterdam be- stimmt. Ein anderes Mal beschlagnahmte sie ein großes Quantum Morphium, das von Hamburg über Kanada nach Japan gehen

sollte: dann wieder waren es 700 Kilogramm Rohmorphium, die von London nach Deutschland gekommen waren. In achtzehn Fällen konnte die Hamburger Polizei fesfftellen, daß deutsch « Fabriken Opium als Ocker und Seife deklarierten; sie erbeutete 200 Kilo- gramm, die aus der Schweiz über Deutschland nach Griechenland befördert werden sollten. Den Rauschgiftschmuggel als wichtigste Rauschgiftquelle zu unterbinden, ist schon aus dem Grunde schwierig, weil die Kriminalpolizei der verschiedenen Länder nicht direkt zusammenarbeiten kann. Aerzte und Apotheker. Leichter war es schon, gegen die andere Quelle anzukämpfen:' gegen Aerzte und Apotheker, die die Händler mit Rausch- giften belieferten. Immer wieder erschienen sie in den letzten Jahren vor Gericht. Der Apothekerverein beschloß deshalb eine Registrie- rung der Rauschgiftrezepte, die«ine Nachprüfung gestatten sollte, ob sie wirklich für H e i l z wecke bestimmt waren. Der Rausch- giftabsatz mit Hilfe echter und gefälschter Rezepte habe ein unglaub- liches Ausmaß angenommen: die Hamburger Polizei stellte tn kurzer Zeit 10000 gefälschte Rezepte fest: 2000 Anklagen wurden erhoben. In Berlin versahen Aerzte Kokainhändler, Kokain- schnupser und Morphinisten nicht nur in ihrer Sprechstund« mit Rezepten, sondern sie suchten sich ihre Klienten selbst w den Kaschemmen. Rezepffälschungen werden im großen betrieben. Be- sonders bemerkenswert war der Fall einer Frau eines bekannten BerlinerSpezialtsten.dis zuerst die Rezeptsormular« ihres Mannes entwendete, dann sich welch« bestellte und sich selbst die Rezepte verschrieb. Interessant auch ein anderer Fall, in dem ein« Anzahl von Apotheken eine Gruppe von Fabrikanten und Kauf- leuten mit Kokain versorgte. Aehnlich lag der Fall des Arztes Dr. Rubens, der einem Apotheker Blonkorezepte bereitstellte, die dieser nach Gutdünken verwenden durfte. Dieser Arzt war von Stiffe zu Stufe gesunken und stand schließlich in Verbindung mit einem Mann, der am Rand« des Tiergartens Morphinisten wie Kokainisten einfach chff der Straße Spritzen verabfolgie. Die Berliner Gerichte machten dem Umfug ein Ende. Raufchgistembrüche. Sie fanden eine neue Quelle in Einbrüchen. Sie setzten sich mit Berufsverbrechern in Verbindung: dies« verschafften sich Zutritt zu Fabriken und Apotheken und setzten das Erbeutete an die Händler ab. Es gab organisiert« Banden, die sich bloß mit dieser Spezialität befaßten. So arbeitete z. B. in Berlin «ine H a m b u r- ger Bande, der dort der Boden unter den Füßen zu heiß ge- worden war. Eine andere verübt« in Berlin kurz hintereinander zwölf Einbrüche. In einem Fall hatten die Einbrecher Pech. Der Käufer, an den sich ihre Mittelsmänner wandten, war zufällig selbst Kriminalbeamter. Er erklärte sich bereit, dag Geschäft ab- zuschließen und verhaftete schließlich sowohl die Mittelsmänner als auch die Einbrecher. Diese Einbrüche dauern bis zum heutigen Tage fort. Das Rauschgiftderzernot hat trotz der absteigenden Kurve im Rauschgifthandel immer noch genug zu tun. Di« Spezialkenntnisse, die die Beamten besitzen Kriminalkommissar Nebe hat sich eine Bibliothek und«in Lehrmuseum angelegt. das Interesse, das sie ihrer Tätigkeit entgegenbringen, leistet Gewähr dafür, daß sie, so- weit es in ihren Kräften steht, dem Rauschgifthandel energisch«ms den Leib rücken. Bedauerlich ist es aber, wenn, wie letztens im großen Rauschgistschmuggelprozeß Strikowsky-Bogdanowsky, Maß- nahmen des Gerichts die Tätigkeit der Polizei durchkreuzen und Haftentlassungen angeordnet werden, die den gefährlichen Schmugglern nur die Möglichkeit geben, aus der Reichweite der Justizbehörden zu verschwinden, um irgendwoanders mit nicht ge­ringerem Erfolge ihre verbrecherische Tätigkeit aufzunehmen.©0= lange aber das verbrecherische kapitalistische Inter-- esse einzelner Länder das Wohl der Allgemeinheit überwiegt, kann von einer absolut erfolgreichen Bekämpftmg der Rauschgistseuche keine Rede sein. L. Fi.

von A.M.FreY- Copyright 1029 hy Gustav Kiepenheuer Verlag A.-G., Berlin Der Arm ist sozusagen schon nicht mehr da. Funk hat die Stirn, jenem alles zuzusichern, was er hören will. So etwas lernt man ja, man macht sich frech zum Spießgesellen des Krieges und wenn man ihn auch stündlich mehr ver- achtet und bespeit. �Funk sucht einen Platz, an dem er sein deutlich geschrie- benes Täfelchen binden kann. Vorgesehen ist dafür der zweite Knopf am Waffenrock von oben. Beim halbtoten Grenadier Höberg aber ist der Knopf so sehr mit Blut übergössen, daß Funk es vorzieht, den Faden an die Koppel zu knüpfen. Da liegt er nun. Alles ist mit ihm geschehen, was feld- truppenärztliche Kunst oermag und was ein unftudiertÄ: Unteroffizier so gut leistet wie der erste Chirurg einer Klinik: das bißchen Spritzerei, da§ bißchen Verbandmull und dann die Etikettierung.' Die Etikettierung ist das Wichtigste. Funk sieht sich schon bei nächster Gelegenheit an einem Tisch oder auf einem Feldstein sitzen und an das 100. Preußische Gre- nadierreaiment die Meldung machen. Dann erst hat die Sache Höberg ihren schönen runden Abschluß gefunden Kamerad" sagt Höberg.Durst sagt Hoberg. Er wird unruhig, er will sich bewegen auf seinem Mooslager unterm freien Regenhimmel, aber die winzigste Drehung des Körpers bringt Schmerzen. Er schreit wohl so laut er kann. Es ist gar nicht sehr laut. Funk gibt ihm nichts, er weiß: der Schluck Wasser würde als gallebitter doch wieder ausgespuckt. Das Leben ist nur noch restlos Bitternis. Aber er gibt Morphium. Funk hat versucht, ihm eine Decke unterzulegen, ihm eme überzubreiten. Wozu eigentlich? Roß ist er von oben bis unten, erkaltet durch und durch? Da helfen keine Decken mehr. der wird nicht noch einmal warm. Bethge kehrt zurück, tropfend, mit untergegangenen Bart­spitzen. miißmutig. jDie Bataillone sind weiter, die Aerzte

fort, gleich werden«"ch wir abrücken.'

en, was sie mit ihrem Verwundeten an- itnehmen ist vollkommen ausgeschlosien,"

Sie berats fangen sollen. sagt Bethge. Kein Fuhrwerk schafft ihn zurück, kein Arzt wird kommen (und was sollte der auch nützen?). Kein Lazarettwagen, die Straße ist zum Anmarsch bestimmt, zum Vormarsch der Ko- lonnen und Bagagen. Hat er schon Morphium von dir?" fragt Bethge. Weißt du, damit er wenigstens, wenn wir fort find" Funk überlegt cknen Augenblick etwas.Nein." lügt er dann. Und Bethge gibt chm die dritte, reichlich gefüllte

Spritze, die er für die erste hält. Wie der Grenadier die Nadel in der Armhaut spürt, kommt er für drei Worte zu sich:Wird mein Arm be- stimmt?" Es sind seine letzten. Kurz ehe die Pferde mit kräftigem Ruck die eingesunkenen Räder des Sanitätswagens aus dem Modder heben, sieht Funk noch' einmal nach. Die Äugen sind opalisierendes Glas, es sollen Regen- tropfen auf die Pupillen, ohne daß sie zucken. Nun malt Funk wirklich das Kreuz neben den Namen und schreibt sorgfältig dazu:Zwölf Uhr mittags, am 31. März 18." 34. Welch imponierenden Eindruck macht der kleine Erfolg dieses ersten Ofensivstoßes auf die, die im frisch gewonnenen Raum marschieren, ihn gewaltig finden und nicht überblicken können, in welchem Verhältnis er zur Gesamtlage steht. Ach, in einem ganz unerheblichen, stellt sich später heraus. Die Bagage ist zurückgeblieben. Schon wird es brenzlig für die Wagen. Funk ist Mitglied eines Häufleins geworden, das Stabsarzt Dr. Fünfer gebildet hat, um mit ihm den Ver- bandplatz zu gewinnen. Er hat zwei seiner Aerzte zu sich ge "' ei d

zogen, drei weitere sind bei den Bataillonen verblieben. Er läßt auf Tragen und in Rucksäcken durch Krankenträger das nötige Handwerkszeug mitschleppen. Sie haben unterwegs irgendwo einen angeschossenen Franzosen, einen zurückgebliebenen, aufgestöbert. Wie lang« mag er verlassen herumliegen? Die Augen zumachen und weiterlaufen, geht nicht. Jener hebt flehend die Hände. Er hat eine Bauchoerletzung und kann nicht stehen,«ie legen ihn auf eine Lahr « und tragen ihn mit sich. Dr. Fünfer hat ihn schnell besichtigt. Er weist neben dem Nabel«ine kleine Einschußstell« auf. Er blutet nicht nach außen. Ein über- gebundenes Verbandpäckchen genügt.

Natürlich lauern sie auf eine Gelegenheit, ihn loszu- werden: an irgendein Fuhrwerk, das ins Hinterland fährt. Vorläufig aber bringen sie ihm den Feind entgegen, der für ihn der Freund wäre. Der trifft es besser als der Musiker, denkt Funk, wie man's trifft! Dabei fällt ihm ein, daß er niemals an den preußischen Truppenteil die Meldung über den Grenadier chöberg machen wird, weil er, und Bethge nicht weniger weil sie vergessen haben, dem Toten Papiere und Wertsachen abzunehmen und aufzubewahren. Das zu tun, ist Vorschrift für die Samtäts- leute. Und hier ist es nicht geschehen. Mit welchen Folgen? Daß eine endlose Schreiberei losgehen würde, eine theoretisch« und praktische Untersuchung, warum es nicht geschehen ist, wieso es nicht geschehen konnte, ob es am Ende doch geschehen ist und irgendeiner sich unerlaubt bereichert hat oder wenig- stens zu bereichern versucht hat. Tot ist tot, denkt Funk, ob nun die Preußen es ver- nehmen oder nicht. Und die Angehörigen würden dadurch, daß sie die Gewißheit bekämen, wohl auch picht glücklicher. Echwindelhaster Trost, aber man braucht ihn, wenn alles in pnem so oerfahren ist, wie es ist. Uebrigens wird Funk abgelenkt, denn das Ackerland, das sie durchstapfen, flaches Land weit und breit, wird mit Granaten belegt. Die Schüsse kommen vereinzelt, wie ver- loren und verirrt: streut der Gegner im Uebermaß von Munition nur mal so die Gegend ab oder hat er Ernstliches vor? Jedenfalls ist es ratsam, eine ruhigere Stunde zum Weitermarsch abzuwarten. Sie suchen nach Deckung hier­hin und dorthin. Es erspäht einer einen schmalen Graben. ein Mißgewächs von einem Schützengraben, eine kümmer- liche Eintagsarbeit. Aber weil ein paar Explosionen sehr in chre Nähe ge- raten, laufen alle. Die Träger lassen die Bahren mit Ver- bandzeug stehen, und rennen. Und alle springen hinab und ducken sich, denn flach ist der Schutz obendrein. Auch die Trage mit dem Franzosen ist draußen auf dem Felde geblieben. Es zeigt sich, daß etwas anderes gar nicht möglich ist, denn der Graben ist zu eng. um ein« Bahre über- Haupt auszunehmen. Heftiger Wind weht seit frühem Morgen. Er hat die Regenwolken oertrieben. Es ist klar und kühl. Es geht auf den Abend zu, und ein« blanke Aprilsonne glänzt metallisch mit tiefen Strahlen über den Acker hin. (Forts etzung folgt.)