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Morgenausgabe

Rr. 451

A 227

46.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Donnerstag 26. September 1929

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Regierungswechsel in Österreich  

Polizeipräsident Schober   wird wieder Bundeskanzler

Wien  , 25. September.

Auf Ersuchen des Bundeskanzlers Streerumih fraten vor der heutigen Ministerratsfihung die Vertreter der Mehrheits­parteien mit den Ministern zu einer furzen Sigung unter dem Vorsitz des Obmannftellvertreters des Christlich  - sozialen Klubs, Abg. Kunschat, zufammen. Bundeskanzler Streeruwih gab die Er­flärung ab, daß er in Anbetracht der politischen Situation zu dem Entschluß gekommen fei, die Reform der Berfassung einer anderen Regierung zu überlaffen. Er schlug als Nachfolger den ehemaligen Bundeskanzler, Polizeipräsident Schober  , vor.

Die Bertreter der Mehrheitsparteien, Dr. Seipel, Dr. Wo fawa und Dr. Schönbauer, gaben unter Worten der wärmsten Anerkennung und des besten Dantes für den Bundes­tanzler und fein Kabineff die Erklärung ab, daß fie in Anbetracht der politischen Lage die Erklärung des Bundeskanzlers zur Kenntnis nehmen müssen und seinem Vorschlage hinsichtlich der Nachfolger. frage zustimmen. Daraufhin trat der Ministerrat zusammen und stimmte dem Vorschlage des Bundeskanzlers auf Demiffion der Gesamtregierung zu. Noch im Laufe des Abends begaben sich die drei Obmänner der Mehrheitsparteien zu dem Polizeipräsidenten Schober  . Bundeskanzler Streetuwih begab sich sodann zum Bundespräsidenten mitlas und machte ihm von der erfolgten Demiffion der Regierung Mitteilung. Der Bundespräsident be­fraufe die Regierung mit der Fortführung der Geschäfte bis zur Neuwahl der Regierung.

Weiter wird gemeldet:

Ueber die neue Kabinettsbildung verlautet, daß der Heeres. minister Baugouin Bizetanzler, Innenminister ein Mitglied des

Landbundes werden soll.

Zur Borgeschichte der Krise wird folgendes betannt: Im Parlament, wo sich die Klubs der verschiedenen Parteien im Hinblick auf die Nationalratsfizung am Donnerstag versammelt hatten, herrschte wegen der Haltung des Landbundes Krisen. stimmung. Der Landbund stellte sich auf den Standpunkt, daß die gegenwärtige Regierung nicht start genug set, um die notwen digen Arbeiten im Parlament durchzuführen, und daß die notwendige Beruhigung der Bevölkerung nur durch Einseßen einer starten Regierung möglich sei. Hierüber hat der Landbund bis in die Abendstunden beraten. Um 7 Uhr abends verlautete, daß seine Entscheidung dahin ausgefallen sei, daß die Demission des Kabinetts Streeruwig empfohlen werde. Die Mehrheitsparteien und der Ministerrat traten fofort zusammen, um hierzu Stellung zu nehmen. Nicht lange danach erfolgte die Bekanntgabe des Rücktritts der Re gierung.

Der Landbund ist eine bäuerliche Gruppe großdeutschen Charat. ters, die im Nationalrat nur 9 Mann zählt. Der bisherige Bize­fanzler Schumy gehört zu ihren Mitgliedern.

bringt, die er sehr gut gebrauchen kann. Denn die Republit Desterreich steht jetzt unter der Gefahr eines gewaltsamen Angriffs auf ihre Verfassung, den abzumehren die Regierung verpflichtet ist. Da tann ein tüchtiger und loyaler Polizeipräsident einen großen Teil der notwendigen Arbeit schaffen, indem er die Kräfte organisiert, die den un­gestörten Fortbestand gefeßlicher Zustände gewährleisten. Wenn die Heimwehr weiß, daß sie im Falle eines ge­waltsamen Borstoßes Polizei und Militär geschloffen gegen fich haben würde, dann wird sie es bei den großen Worten bewenden laffen und sich hüten, zu Laten überzugehen. Dann wird sich auch das Wirtschaftsleben in Desterreich wieder er holen, deffen schwere Störung durch den drohenden Butsch einen Hauptanlaß zu dem Regierungswechsel gebildet hat. So tlar und einfach die Aufgaben des neuen Bundes­fanglers auf dem polizeilichen Gebiet sind, so schwierig und verworren sind sie auf dem politischen. Er steht an der Spige einer Regierungsmehrheit, deren Parteien samt und sonders innerlich zerrissen sind. Ein Teil von ihnen symphatisiert mit dem Heimwehrputschismus, ein anderer möchte Verfassung und Gefeßlichkeit aufrechterhalten. In diesem Wunsche trifft er fich mit der sozialbemotratischen Opposition, die mit ihren geschlossenen Arbeiterbataillonen den Kern des Widerstandes gegen den Heimwehrputschismus darstellt. Die Frage, ob die Verfassung gegen gewaltsame Angriffe geschüßt werden soll, ist jedoch nicht die einzige, die Desterreich beschäftigt. Nebenher geht die Frage, ob und wie sie auf legalem Wege geändert werden soll. Eine legale Ber faffungsänderung ist, da sie eine qualifizierte Mehr heit erfordert, gegen die starte sozialdemokratische Opposition nicht möglich. Wer also die Gewalt ablehnt und die Gefeßlich lichkeit unter allen Umständen wahren will, ist genötigt, die er ständigung mit der Sozialdemokratie zu suchen. Wenn der neue Bundeskanzler eine Verfassungsreform durchführen will, die legal, also nach Verständigung mit der Sozialdemokratie erfolgt, aber doch die Ertremisten in den bürgerlichen Parteien und der Heimwehr   befriedigt, so steht er vor der Quadratur des Zirtels. Denn es ist selbstver­ständlich, daß eine Reform, die die Verfassung aus dem Demo­tratischen ins Faschistische revidiert, auf den härtesten Widerstand der Sozialdemokratie stoßen wird. Dann wird man vor der Frage stehen, ob man auf die Reform verzichten oder ihre Durchsehung unter Bruch der Gefeßlichkeit versuchen will.

In dieser Frage fällt noch nicht die legte Entscheidung, wenn der neue Bundeskanzler, wie er es als Polizeipräsident in den letzten Tagen schon wiederholt getan hat, ertlärt, daß er sich mit beiden Füßen auf den Boden der Geseglich­teit stelle. Aber diese legte Entscheidung tann hinausge schoben werden, und es fann ein Zustand geschaffen werden, der dem Parlament erlaubt, ohne Druck von außen sachlich zu arbeiten. Diesen Zustand zu schaffen und ihn mit allen Mitteln zu sichern, ist die erste Aufgabe, die der neue Bundes­fangler zu erfüllen haben wird.

Herr Streerumiß, der jegt von der Bildfläche verschwin det, war bis zu dem Augenblic, in dem er die schwere Erb­schaft Seipels antrat, ein der Welt unbekannter Mann. Man wird sich nirgends wundern, daß er gescheitert ist, denn die Situation, wie sie in Desterreich entstanden ist, kann nur von einem erfahrenen Politiker gemeistert werden. Herr Schober bringt in fein Amt einen Namen mit, der bekannt und lebhaft umfämpft ift. Wird er beweisen, daß er nicht nur gegen erregte Arbeitermassen energisch sein kann und daß er nach allen Seiten hin der Mann der strengsten Gefehlichkeit sein will?

Das ist eine Frage, die heute nicht nur Desterreich inter­effiert, sondern ganz Europa   und vor allem Deutschland  . Das Bolt von Defterreich ist ein Teil des deutschen   Boltes, und in Desterreich wird ein Stück deutschen   Schicksals ent­schieden. Die sozialdemokratischen Arbeiter Deutschlands   und darüber hinaus alle republikanisch gesinnten Bevölkerungs­freife nehmen an den Kämpfen um die Demokratie in Defter­reich innerlich den stärksten Anteil. Sie bliden heute auf Wien  und fragen, ob die neue Regierung willens und imstande sein wird, die Gesetzlichkeit der Demokratie aufrechtzuerhalten Desterreich vor dem Bürgerkrieg zu retten.

Die Wiener, Arbeiter Beitung über die Krise. Industistin Wien  , 25. September.  ( Eigenbericht.) Die Wiener Arbeiter 3eitung" schreibt: Der Sturz der Regierung Streerumih ist eine Folge der In trigen im bürgerlichen Lager selbst und ein Anzeichen der

fortschreitenden Zerfetzung der bürgerlichen Parteien, Daß die bürgerliche Mehrheit nicht mehr imftande ist, eine parla mentarische Regierung unter eigener Führung und eigener Berant­

Hugenberg- Krise.

Thüringer Regierung vom Hugenberg- Block gesprengt.

Welmar, 25. September.

Es darf als ziemlich sicher angenommen werden, daß sich ber Uebergang von der Regierung Streerumig zur zweiten Regierung Schober   ohne Erschütterungen voll­ziehen wird. Die Mehrheitsparteien haben sich auf den Wiener  Polizeipräsidenten als Nachfolger des scheidenden Bundes­Die Chriftlichnationale Bauern und Landvolkpartei, die Wirt fanzlers geeinigt, er hat grundsätzlich angenommen, und menn schaftspartei, die Deutschnationalen und die Nationalsozialisten alles programmäßig verläuft, wird der Hauptausschußnahmen heute Stellung zur Haltung des Thüringer   Land­morgen oder übermorgen durch Mehrheitsbeschluß dem Par lament die Wahl des parteilosen Beamten Schober  vorschlagen, die dann nur noch eine Formalität ist.

Der Wiener   Polizeipräsident Johann Schober  , der dem nächst 55 Jahre alt wird, hat vor etwa 30 Jahren seine Lauf­bahn im Wiener   Polizeipräsidium begonnen und es dort bis zum Hofrat gebracht Nach der Revolution wurde er mit der Leitung betraut. Das Bundestanzleramt hatte er schon einmal in einer sehr schwierigen Lage, im Jahre 1921, übernommen und es ungefähr ein Jahr lang geführt. Nach diesem Besuch in der Politif, der seinen Namen in der Welt bekanntmachte, fehrte er wieder an seine gewohnte Wirkungs ftätte, in das Polizeipräsidium, zurück. Die Tragödie vom 15. Juli 1927 brachte ihn in einen scharfen Konflikt mit unse­ren österreichischen Genossen. Schober   wies die Angriffe zu­rüd und schien seitdem darauf bedacht zu sein, seinen guten Ruf, der nach seiner Ueberzeugung zu Unrecht Schaden ge­litten hatte, wiederherzustellen.

In einen Ronflitt mit Seipel geriet Schober  , als Seipel in einem Interview des ,, Daily Telegraph  " behauptete, die Heimwehr sei aus dem Wiener   Polizeipräsidium mit Waffen versorgt worden. Schober   wies diese Behauptung erregt und mit großer Bestimmtheit zurüd.

Wenn man bedenkt, daß Schobers Tätigkeit stets in der Hauptsache darin bestanden hat, für die Erhaltung von Ruhe und Ordnung zu sorgen, so wird man zu der An­nahme neigen, daß er für sein neues Amt Eigenschaften mit

tages gegenüber dem Young- Plan. Es wurde ein An­trag angenommen, wonach die Regierung beauftragt wird, im Reichsrat gegen die Gesegesvorlagen der Reichs­regierung betreffend Annahme des Haager Ab. tommens zu stimmen. Dieser Antrag bedeutet praktisch die Sprengung der Thüringer   Roalition, ba fich die vier genannten Parteien durch ihre Haltung in offenen Gegensatz zu den anderen Roalitionsparteien, der Deutschen   Boltspariei und den Demokraten, gestellt haben. Vor der Hand steht noch nicht feft, ob und wann der Landtag zusammentreten wird, da ein Antrag auf Einberufung noch nicht vorliegt. Es ist aber anzunehmen, daß nunmehr die Auflösung des Landtags beschleunigt werden

wird.

bisher hat er jedoch nur eine Arise einer 2änderregte Herr Hugenberg will die Dames Rrise herbeiführen, rung hervorgerufen, an der feine Leute beteiligt find. Der Beschluß dieser vier Parteien ist die Folge eines national­fozialistischen Ultimatums.

Der Hugenberg- Blod verfügt in Thüringen   über 20 Man­date von 56, Demokraten und Volkspartei zusammen über 8 Mandate. Die Sozialdemokratie hat 18, die Kommunisten 8 Mandate, je eins entfällt auf die Aufwertler und den Er­Hitler- Mann Dinter.

Nach diesem Antrag der Hugenberg- Leute ist nicht nur

Die Regierung entzwei, sondern tatsächlich keine mögliche Re­gierungsfombination mehr sichtbar.

Stahlhelm spielt Krieg.

Und beschimpft die Republik  .

Köln  , 25. September.  ( Eigenbericht.) Die fozialdemokratische Rheinische Zeitung  " berichtet tag in der Nähe des Rheinlandsenders Bangenberg stattfand und an am Mittwoch über ein Stahlhelmmanöver, das am Sonn dem ungefähr 3000 Menschen teilgenommen haben sollen. Der Langenberger Gruppe des Stahlhelm fiel laut ,, Manöverbefehl die Aufgabe zu, den vom Feind" gefährdeten Langenberger Sender zu schützen.

In Ermangelung von richtigen Maschinengewehren rasselten Trommelwirbel. Die Feldhaubigen wurden durch Böllerschüsse de monftriert. Auf einem besonders günstig gelegenen Blake hatte der

,, Große Generalstab  " feinen Standort aufgeschlagen. Er bestand aus nicht weniger als 200 Mann. Raum hatte die ,, Schlacht" begonnen, als ber Große Generalstab umzingelt wurde. den Irrtum feiner Manövertruppen feststellen und den Kampf für mit Entfezen mußte der Generalstabschef, ein Major a. D. Heider, eine halbe Stunde abblasen. Mit dem Spazierstod bei Fuß ließen fich die Stahlhelmretruten über ihre Fehler belehren. Plötzlich erschien Prinz August Wilhelm von Preußen im Auto. Jegt wurde das Manöver abgesagt, damit der Hohenzollernsprößling die Parade abnehmen tonnte. Als das geschehen war, fehrte man zum feuchtfröhlichen Trunt in den Ratskeller ein, bo zaht reiche Haßgefänge auf die Republit angestimmt wurden.

Ein Unbeteiligter, der diese Erzeffe im Ratskeller beobachtete, hat inzwischen Anzeige erstattet.