Sonnabend 25. September 1929
Unterhaltung und ÄVtssen
Beilage des Vorwärts
Stemmer SlogaUa: 3)tC
Fernab liegt daz schöne Sizilien. Aber an einer Stelle seiner Küste begreift man es kaum, daß es auf derselben Insel grün- golden« Orangenbäume gibt und die tiefblau umrandete Schnee- kappe des Aetna und das klassisch-schöne Toormina mit dem griechischen Freilusttheater, wo seit neuestem wieder gespielt wird- Auch das allerärmlichste, kleine, nein, verhältnismäßig große Glück, in einer halbverfallenen Hütte zu hausen, mit vielen Kindern, Ziege und Schwein, liegt w«it, unfaßbar weit ab. Oer Mensch ist das stärkste Lebewesen. Es gibt nur Elend, gelbes Elend, in der Schwefelgegend an der südlichen Abdachung der M a d o n i e zum Meere. Das Land sieht wie ein gigantischer gelber Ameisenhaufen aus, mit Hunderten von schwarzen Löchern: den Stolleneingängen. Ringsumher ist es öde und trostlos. Kilometerweit kein Grashalm, kein Insekt. Die Schwefcldämpfe der Meiler vernichten und verjagen das zartere Leben, nur der Mensch, das widerstandsfähigste Lebewesen, zieht nach der gelben Erde und in die gelbe Erde, weil dabei etwas zu verdienen ist. Nirgends gibt es solches Elend, so unmenschliche Lebensbedingungen. Bei den Gruben sieht man weit und breit kein Haus, die Picconieri, die schwergeplagren Heuer und ihre Hel- fer, die bedauernswerten Carusi, haben überhaupt keine Unterkunft. Sie schlafen im Sommer wie die Tiere im Freren und im Winter an Orten, die auch das liebe Vieh nicht aushalten würde, nämlich in der dunstgeschwängerten Stickluft der Schwefelgruben. Nun: es ist ihr freier Wille, was die Picconieri anlangt, die Carusi aber, das ist das Entsetzliche, in unserem Zeitalter kaum Faßliche, die Carusi sind Hör ge, Leibeigene, Sklaven— Kindersklaven. Die kleinen Sklaven. Für ein paar hundert Lire Vorschuß sind die Knaben ihren Eltern quasi abgekauft worden. Es sind die Picconieri, die die Kinder„anwerben". Den Vorschuß, den die Heuer auf die Kind-r- arbeit zahlen, können die in der bittersten Not lebenden Eltern meistens nicht zurückzahlen, äe lacto fast nie. Also verbleibt der Knabe in der Grube, so»schrcckiich es ihm dort auch ergeht. Von dem lächerlich geringen Lohn, den er bekommt, wird dos Essen ab- gezogen, und der Picconieri sorgt dafür, daß die Rechnung aufgeht. Tagein. tagaus, jahrein, jahraus muß das der Pflege der El!«cn entzogene, unter rohesten Menschen lebende, auf das brutalste de- handelte, zumeist noch zarte Kind Last«n schleppen, von einem Ge> wicht und in einer Luft, die es, wenn nicht dem frühen Tode, so dauernder Verkrüppelung zuführen. Man stelle sich lange Reihen von säst nackten Knaben oor. die keuchend die schweren, unregelmäßigen Stufen des Stollens empor- klimmen, das Grubeniicht auf der Mütze, wie Irrlichter, eine Last van zwanzig KUo und.wehr, auf dem Rücken. Schweißtriefend und mit zitternden Knien taumeln sie durch die düsteren Schächte. Die Hitze ist unerträglich, 40 Grad Reaumur und darüber. Am Stollenausgang bläst ein eiskalter Wind über die schweißtriefenden Knabenkörper. Jetzt laufen sie das letzte Stück bis zu den Ealca- roni, den Schwefelschmelzen, wo sie sich endlich ihrer drückenden Last entledigen, um wieder 80 bis 100 Meter tief hinabzusteigen tn die gelbe Hölle, wo die Arbeit von neuem beginnt. Oft können sich die niedergedrückten Knabenkörper nicht mehr aufrichten und laufen gebückten Rückens zur Grube zurück, als drücke sie«ine unsichtbare Last nieder. Oester versagt die Kraft in den Stollen, dann hilft der Heuer mit der Peitsche nach: oder wenn die Peitsche nicht mehr hilft, verbrennt er dem Knaben mit der Grubenstimpe die Waden. Was wunder, wenn Verzweiflung die Kindersklaven zu Fluchtoersuchen treibt Sie gelingen selten. Oester geschieht es, daß die unfreiwilligen kleinen Bergknappen wieder eingefangen und halb od«r ganz zu Tode geprügelt werden. Im letzteren Falle wirft man ihre Körper in einen alten verlassenen Stollen. Es geschehen so viele Unglücksfälle, wer will es kontrol- lieren? Die Carusi finden ihr« Erlösung erst im Tode, der freilich nicht sehr lange auf sich warten läßt. Selten überlebt ein Carusi das 25. Lebensjahr, am häufigsten stirbt er an der Tuberkulose. � Vorher ist meist schon das Rückgrat verkrümmt und die Vrust eingesenkt. Im zarten Alter von 6, 7 Iahren begann vor nicht langer Zeit schon die Sisyphusarbeit der sizilianischen Grubenjungen, jetzt hat man die Altersgrenze auf 12 hinausgesetzt, aber die Bestimmungen des Kindevschutzgesstzes sind ungenügend und die Ueberwachung ist mangelhaft. Gegenüber dem Eigennutz einflußreicher Jndustr. eller bleibt die Staatsgewalt ohnmächtig. Die Dämpfe des Todes. Di« 400 Gruben, die heute noch in Betrieb sind, zeigen die primitivsten Einrichtungen. Sie stützen sich auf Raubbau, unter Vernachlässigung jeglicher Vorsichk. Man arbeitet wie vor 100 Jahren, und selbst die wenigen, mit Maschinen ausgestatteten Gruben müssen diese einrosten lassen, i>a die Picconieri von den alten Sitten, respektive Unsitten, nicht abzubringen sind. Wenn der Staat sich streng nach den geltenden Schutzgesetzen halten würde, müßte fast die Hälfte der Gruben gesperrt werden, weil sie nicht vor- schriftsmäßig eingerichtet sind. Das glaubt der Staat nicht tun zu müssen, um nicht unter einer armen Bevölkerung die Arbeitslosig- kcit zu vermehren und die finanziell schon schwer kämpfenden Grubenbesitzer vollends zu ruinieren. Die meisten Gruben sind verpachtet. Ünglllckrfälle sind also an der Tagesordnung. Häufig entstehen sie durch Entwicklung schwerer Giftgase, die sich zu Boden senken und mitunter cinen Meter Höhe erreichen. Die Schwefel- gase sind sichtbar, bilden einen milchigen Nebel. Fällt jedoch ein Arbeiter in dieser Gasschicht zu Boden, so ist er unrettbar verloren. Cr ist sofort betäubt, und man kann ihm auch kein« Hilfe bringen. Will einer ihn aufheben, so fällt er in die betäubende Gasschicht hinein Ich lann mich eines Falles erinnern, wo bei einer»er- suchten Rettung sechs Mann liegengeblieben und erstickt sind. Das Sckmelzen. Die Masie wird nur mit der Haue abgeschlagen, das ganze Stollen ist Muskelarbeit, Stück für Stück. Haue und Schaufel sind die zwei einzigen Werkzeuge des Picconieri in den meisten Gruben. Holzverschalungen sind eine Rarität, und die künstliche Ventilation fehlt gänzlich. Was die modernen, zumeist englischen Gruben an-
langt, da gibt es pneumatische Hämmer, elektrische Bohrer, Gruben- bahnen und alles was zu einem modernen Betrieb gehört. Aber es gibt auch dort Carusi, ohne die ist eine sizilianische Schwefel- grübe nicht zu denken. Die Picconieri können ohne Carusi nicht arbeiten, auch wenn die Förderung mechanisch erfolgt. Die Färdermasse wird zunächst zerkleinert, wiederum von Carusi mittels Körben auf der Schulter getragen und in die kalk- ofenähnlichen Schwefelschmelzen, die Calcaroni, geschüttet. Die Oefen laufen innen spitzig nach unten zu und haben am Ende eine Ausflußröhre nach außen, die mit Tonerde zugestopft ist. Wenn der Ofen gefüllt ist, wird er mit einem Eisendeckel mit Abzugöffnung zugedeckt. Unten wird der Schwefel angezündet und er brennt dann weiter. Welthin sichtbar steigen hellblaue Dämpfe aus den Röhren zitternd in den dunkelblauen Himmel. Nach 5 bis 6 Stun- den wird die Tonerde der Abflußröhre zum ersten Male durch- gestochen und der Zolsogreggio, der Rohschwefel, rinnt schmutzig- gelb in futtertrogartige Formen: Balate. Dieser Schwefel, der noch 10 bis 15 Prozent Unreinigkeiten enthält, wird alsdann er- kalten gelassen.
Die Liebhaber des Pulvers. Die abgekühlten Balate werden nach den Hafenplätzen gefahren. Kaiania ist der Hauptstapelplatz, und die Hafenanlagen sind gelb angehaucht wie der Grubonrayon, dessen Zentrum die Stadt Cal- tanifatta ist. Nur ein Fünftel des gewonnenen Schwefels(von den, es sieben Sorten gibt) wird in den Hafenplätzen Siziliens raffiniert und als Schwefelblume oerkauft. Der Rest geht roh ins Ausland. hauptsächlich nach Frankreich , wo das Schießpulver besonders beliebt ist. Di« E n g l ä n d e r indessen haben ihre eigenen Gruben in Sizilien, zwar nur drei, aber sie sind die größten, modern ein- gerichtet und liefern drei Viertel der Gesamtproduktion. In Eng- land liebt man das Pulver womöglich noch inniger. Obwohl nun die Pulverproduktion beileibe nicht abnimmt, geht die sizilianische Schwefelproduktton rasch und stark zurück. 181? wurden noch 2H Millionen Tonnen, jetzt wird zirka eine Million gewonnen. Di« Arbeiterzahl sank von 30 000 auf 10 000. Es ist heute einfacher, den Schwefel chemisch im Laboratorium zu er- zeugen, außerdem machen japanische und amerikanische Gruben Konkurrenz. Ein Amerikaner hat für 300 000 Pesetas einen 5000 Meter hohen Vulkan von einem mexikanischen General gekauft. Dort befinden sich heute die modernsten und reichsten Gruben der Welt. Man sieht: die Pankees haben die großzügigste Liebe zum Pulver.
Salamon ä)embilser:
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Sollte man es für möglich halten? Man lebie zehn Jahre in einem Judenstödtchen und es passierte fast gar nichts darin, man sah täglich dieselben zwei Märkte und die kleinen, verschlafenen, ein- stöckigen Häuschen. Und die Einwohner standen vor den Türen ihrer Geschäfte oder saßen auf den Schwellen ihrer Häuschen und guckten... weiter nichts. Nennen sie vielleicht dies eine erwähnenswerte Begebenheit, daß zwei einzige Male zur Sommerszeit zwei Läufer aus fremden Städten kamen? Aeltere, abgelebte Männer, welche in weißer Clownuniform mit Glöcklein dreimal den Markt herumliefen. Die Elöckchen klangen sehr laut und das ganze Städtchen sah sich in höchster Erregung das Schauspiel an. Aber als der Läufer dann von Tür zu Tür ging und mit dem Topf das„Honorar" einkassieren wollte, waren die meisten ver- schwundcn. Sie waren schon längst im Bethaus und besprachen das Ereignis. Sollte nichts in dieser langen Zeit mehr passiert sein? Oh, doch! Einmal hatte es sogar getirannt. Um Mitternacht war ein schreckliches Feuer ausgebrochen und«in einsames Häuschen stand vollends in Flanimen. Die meisten Leute liefen im Hemd herum und schrien zu Gott um Hilfe. Aber weil keine richtige Feuerwehr vorhanden war, flackerte dieses Häuschen ungestört weiter... dann geschah es, daß eine kleine, ältere, sehr fromme Frau auf dem Balkon eines Nebenhauses erschien und die Hände ringend laut zu schreien begann: sie hätte fünf unversorgte Kinder und wenn das ihr gehörig« in dem Haufe befindliche Kolonialwaren- geschüft ganz vernichtet werden sollte, dann wüßte sie nicht, was ge- schehen soll— und falls Gott in diesem Slugenblick das Feuer nicht einstellen sollt«, dann müßte sie sich gleich vom Balkon hinunter- stürzen! Da wurden die Leute ganz entsetzt und schrien zu ihr hinauf: das wäre ja die reinste Drohung— ob man Gott auf dies« Weise versuchen darf? Gott weiß, was er tut... Beherzte Menschen schleppten die Frau vom Balkon herunter und mährend sie diese niit Borwürfen überhäuften, meinte die Frau resigniert:„Gut, gebt ihm nur Recht, gebt ihm nur Recht. Dann wird er auch eure Häuschen anzünden!" * Sollte im Laufe dieser Jahre wirklich nichts passiert sein? Doch, einmal kam ein neues Regiment an. Die Offiziere veranstalteten ein Bankett im Kasino, das sich inmitten des Marlies im Rathaus, das zugleich Gefängnis war, befand. Die Herren Offiziere waren an diesem Sommcrabend in sehr guter Laune. Sie öffneten die Fenster ob«n und riefen Vorbeigehende heran. Und als viel« bei- sanimen waren, warfen sie plötzlich Geld hinunter. Als die in dem Gäßchen befindlichen Leute das von weitem sahen, ging durch das ganze Städtchen ein Schrei:„Geld wird geworfen!" Geld und Gott, das waren die wichtigsten zw«: Objekte, auf die sich das Denken und Fühlen dieser Leute konzentriert hatte. Sie stürmten alle zum Rathaus und balgten sich auf der Erde, um die Kreuzer zu erwischen. Und als die Offiziere sahen, daß das ganz« Städtchen auf der Erde liege und sich um das Geld herumschlage, leerten sie noch die Reste aus ihren Portemonnaies und gössen gleichzeitig noch Wasser hinunter. Ein übermütig wildes Gelächter— würdig der Offiziere Kaiser Franz Josefs— erscholl oben, während sich unten ein Gekreisch und Gejammer erhob— würdig der Einwohner dieses Nestes. * Ist das schon alles? Keinesfalls. Es gab bestimmt noch Dinge, die aber kaum noch erwähnens- wert sind, so zum Beispiel, daß«ine einzige Zeitung aus der Haupt- stadt in dieses Städtchen kam und die wichtigsten Ereignisse wurden noch Monate lang besprochen und gaben Stoff zu ausgiebigen De- batten. Und der, der die Zeitung abonniert hatte, war der An- gesehenste im ganzen Städtchen... Aber auch der Apotheker wurde geachtet. Der ging vierzig Jahr« lang durch dieselbe Straße zur selben Zeit. Ging spazieren, dreimal hin und zurück, mit einem Schirm, ohne Rücksicht auf die Jahreszeit und keiner konnte sich erinnern, daß der Schirm jemals gebraucht wurde... deshalb behaupteten die Leute, es wäre der haltbarste Schirm der Welt... Außerdem traf es sich einmal, daß der Graf Potocki eines Sommerabends im Städtchen herumlief, um nach Frauen Ausschau zu halten... Cr schien angetrunken und fuchtelte mit seinem Stock. Als die Einwohner dies sahen, verkrochen s!« sich in die Wohnungen und guckten aus ihren Fenstern... einerseits hatten sie Angst vor ihm, andererseits freuten sie sich, daß dieser Mächtig« so herunter- gekommen sei. Vielleicht zur Strafe, weil er sein schönes Schloß vor der Stadt verschlossen hielt und niemanden hineinließ.
Ja, auch dieses Ereignis darf nicht vergessen werden. Da kam eines trüben Herbsttages, während der Himmel bewölkt war und schon seit dem dritten Tag ein Landregen niederging— eine Fuhre und hielt inmitten des Marttes. Sie war bedeckt mit einem schwarzen Tuch und neben ihr waren zwei Männer ange- lehnt und blickten traurig auf die verlassenen Keinen Gäßchen und warteten. Zuerst wußte man nicht, was das sei, dann erfuhr man, das wären die zwei fortgeschrittensten, außerhalb der Stadt wohnen- den Lederhändler, die ganz und gar nicht mehr so gläubig waren— und daß in der Fuhre ihre tote Mutter läge, die sie beerdigen lassen möchten. Ja... trotz ihrer Ungläubigkeit wollten sie die Leiche nicht drei Tage liegen lassen, weil sie die Verantwortung für ein« so groß« Sünde nicht übernehmen könnten... Aber die Vorsteher dieses Städtchens hatten gar keine Eile— gar kein«—, die sagten, wenn sie ihre Mutter anständig begraben lassen wollen, müssen sie eben blechen. Sie wollten ja auch blechen, aber nicht so viel. Sie baten um Erbarmen. O, da kamen sie schön an. Mit Ungläubigen Erbarmen? Wo stünde das geschrieben? Und dann, wenn eine Mutter stirbt, kann man schon das Letzte verkaufen, um ihr«in ehrenhaftes--- Ja, aber sie konnten es wirklich nicht. Sie schwuren, daß es über ihre Kräfte ginge--- aber wer glaubt den Ungläubigen? Im ganzen Städtchen kochte es und alle meinten, wenn man bei solchen Leuten nicht nehmen soll, bei wem denn? So blieben die zwei Männer bei der Fuhre die ganze Nacht stehen, es regnete unaufhörlich. Das Wasser ging durch die Decke und der Leichnam wurde sicherlich ganz naß. O, war das ein« Nacht!. Die Geschäfte und Häuser geschlossen, die Gassen leer lind einsam, die Stadtlampen verloschen, es war dunkel, unheimlich und etwas kühl. Der Wind heulte und pfiff und peitschte den Regen in die Gesichter dieser zwei sonst mutigen Männer, die plötzlich er- schraken, weil sie glaubten, die Stimm« eines unsichtbaren Ge- spenstes gehört zu haben-- aber das war kein Gespenst, das war ein neunjähriger Bursche, der aufgeblieben war, um dieses merkwürdige Bild des Jammers zu betrachten. Und der zum erstenmal laut dem Gott dieses Städtchens geflucht hatte. Als der» Morgen zu grauen begann, ging einer der beiden in ein am Markt gelegenes Eckhaus, klopfte lange an das Fenster, das dann schließlich geöffnet wurde, es folgte ein kurzes Verhandeln. Als dann später die Geschäfte geöffnet wurden, die ersten Men- schen zum Bethaus eilten, wußte man schon, daß die zwei Männer unterlegen seien. Sie mußten alles, was man von ihnen verlangte, bezahlen. Allerdings die Hälft« in Wechseln. War es ein Wunder, daß die Leute dieses Ereignis mit sehr viel Alkohol begossen und über ihren Sieg noch jahrelang sprachen? Dies war auch der wichtigste Vorfall im Laufe dieser zehn Jahr«! 3)er amerikanische Spieker Kennen Sie den Mann, der im Restaurant am Nebentifch sitzt und mit Stentorstimme erzählt:„ßieber Mann, da kann ich Ihnen ja nu wirklich authentische Auskunft geben. Wir im jroßen Haupt- quartier haben da ja so den richtigen Einblick jehabt." Oder:„Mein Vetter im Reichswehrnrinisterium hat mir jesagt, und was der sagt, is so jut als wenn der Minister das jesagt hätte. Also die Sache is so..." Kennen Sie diesen Mann? Solch ein fieser Kerl ist auch Lowell Schmaltz, den Sinclair Lewis photographierte in dem Buch:„Der Mann, der den Präsidenten kannte"(Verlag Ernst Rowohlt , Berlin ). Beim Lesen dieses Buches sieht man diesen „staatserhaltenden Bürger". Wirklich, man sieht, wie dieser Bureau. warenhändler aus Zenith, USA. , im Klub, im Speisewagen, zu Haus oder als Festredner seine Plattheiten losläßt. Wie sich bei ihm Lokalpatriotismus. Nationalismus, Rassenstolz, Geschäftsgeist, Bigotterie und Frechheit zu einem hundertprozentigen Amerikanio- mus mischen, ist grandios gezeichnet. Doch sehr bitter ist das Buch, weil dieser Mr. Schmaltz kein Phantasieprcchukt ist, sondern eine häufig« Figur aus einem Hundert- zehn-Millionen-Volk. Nicht nur aus einem Hundertzehn-Millionen- Volk, sondern das Bild des Spießers bei allen Völkern, in allen Sprachen. Wie dieser Mister Schmaltz Karten spielt oder, vom Hundertsten ins Tausendste kommend, ein Erlebnis erzählt, unter- scheidet sich in nichts z. B. von der Art des deutschen Spießers. Wenn er loslegt:„Die Farmer sind das große Rückgrat und die Stärke unserer Nation," könnte das nickt auch bei uns gesagt worden sein? Er spricht gern und häufig über Politik. Er bat von Politik wie von allen anderen Dingen nicht die geringst« Ahnung, aber er redet darüber. Wer Amerika von der anderen Scite kennenlernen will, lese Sinclair» Buch. kriu janecke.