Beilage
Montag, 30. September 1929
Der Abend
Shalausgabe des Vorwans
Mit Negern auf der Reise
Küstenfahrt nach Loanda- Von Heinrich Hemmer
Die Gee an der afritanischen Aequatorialtüfte ist so faprizios, wie nur irgendeine Schöne: ganz unvermittelt erhob sich ein Wirbelsturm, fegte unsere sämtlichen Madeirastühle wie lose Blätter über Bord und eine Stunde später lag dasselbe Wässerchen so friedlich wie ein verträumter Schloßteich da. Fliegende Fische und
haben! Wer fann sich einen Begriff machen von der intensiven| flumpen, Lagerschuppen, charakterlosen Kirchen, Negerhütten, Arbeit, die auf den hier unterhaltenen Riesenpflanzungen von den Rohlenlager, Marineftation, Fischmarkthalle, Observatorium, RaSchwarzen geleistet worden ist und wie viele Opfer an Menschen- sernen und Regierungsgebäuden, und ich sah mich der Hauptstadt leben fie gekostet hat! Seit einem halben Jahrhundert werden 20 anda der portugiesischen Provinz Angola gegenüber. Je ein diese mehr oder weniger freiwilligen" Lohnarbeiter ständig im- Neger lud sich eins meiner sieben Gepäckstücke auf den wolligen portiert. Aber während früher der importierte Neger rücksichtslos ausgenutzt wurde, bis er das Zeitliche segnete, werden jetzt richtige Arbeitskontratte abgeschlossen und es gibt reinliche Arbeiterhäuser und Spitäler: schon aus dem sehr einleuchtenden Grunde, daß der Arbeiterimport immer teurer und schwieriger wird.
Die Kataofrucht hat die Form einer großen Zitrone, wächst unmittelbar aus dem Stamm heraus und ist zur Reisezeit von gelber oder rötlich- violetter Farbe. Die Kerne werden im Walde herausgeschält nach den Fermentationsanlagen getragen oder gefahren, dann getrocknet und gehen dann nach den zumeist europäischen Spezialfabriken. Aber das ist ein Kapitel für sich und unsere Fahrt ging nochmal drei Tage weiter. Dann bog der Dampfer in eine durch mit vereinzelten Palmen bestandene Sand insel abgeschlossene flache Bucht mit einem Fort, scheußlichen Häuser
Santo Antonio( anf Principe).
Tümmler von feltener Größe führten hohe Sprünge über dem Wasser aus( die gelegentlich in der Bratpfanne endeten) und ein Walfisch schoß womniglich umher und produzierte sich als lebender Springbrunnen: als würden niemals auf seinesgleichen fonzertierte Angriffe von Schwert- und Hammerhaien unternommen oder explosive Torpedos in seinen tranhältigen Leib geschossen. Schließlich erschienen Hunderte von erotischen weißen Bögeln und führten einen Reigen um unser Schiff aus: es waren Abgesandte des allerschwärzesten Staabes: Liberia , der unter amerikanischer Aegide ein forgenloses Dasein führt. Jetzt fam auch Leben, das heißt noch mehr Leben in die Vordeck- Gesellschaft von Negerweibern und ihren paradiesisch adjustierten aber leider nicht ganz stubenreinen Sprößlingen, die von den halbverhungerten Capverdischen Inseln tommend, ihr Aeußerstes taten, ihr Passagegeld abzuessen und sozusagen mit Händen und Beinen futterten. Die männ= lichen Zwischendecker, namentlich eine Anzahl nach Loanda deportierter Soldaten zeigten großes Interesse für die schwarzen Weiblichkeiten und schienen vielfach geneigt zu sein über Rassenunterschiede hinwegzusehen, was bekanntlich niemand so leicht fällt wie dem Portugiesen. Diesen Abend wurde mit viel Radau und Ausdauer ein afrikanischer Nationaltanz aufgeführt, wobei die Negerinnen, in Ermangelung von Musikinstrumenten auf ihre geballten, zwischen die Beine geflemmten Tücher losdroschen, was wirklich einen trommelartigen Effekt hervorrief. Nach dem Tanzvergnügen folgte, genau wie in meiner trauten oberbayerischen Heimat eine folide Keilerei, nur daß hier Frauen die Kämpfer stellten.
So ging es noch zwei Tage; dann tauchte ein Pit auf, der wohl 2000 Meter in den Himmel ragte, und gerade, wie wir ihn knipsen wollten, hinter einem Wolkenvorhang verschwand. Bald darauf warfen wir in einer wunderbaren Bereinigung von Meer und Tropengrün Anker: es war der Hafen Santa Isabel der schönen spanischen Insel Fernando Po. Einmal enttäuschen wohlklingende Namen nicht! Wie da die rotweißen Häuser eingebettet liegen in saftigstem Grün, und Kirche, Gouverneurspalast, Kaserne und Hospital, alles schlummert wie in einem feligen Traum aber mit dem Aufenthalt wars nichts. Es wurden nur für einen hohen Herrn ein paar Koffer abgeladen. Das heißt sie wurden in eine Schlinge befestigt und in einen Leichter hinab gelassen... eine Welle trieb ihn gerade hoch.... die Koffer stießen am Bordrand auf. die Schlinge löfte sich und sechs Roffer follerten auf Nimmer wiedersehen in die Tiefe. Hoffentlich enthielten sie nichts Wichtigeres als Aften!
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Wieder ein Tag: und wir sind wieder in portugiesischen Gewässern. Kaum einen Steinwurf entfernt neigen fich die Ufer palmen über einer fräftigen Brandung, aber der Ort zeigt sich weitab in tiefer Bucht, über der sich noch grotesker geformte Berge erheben und deren Begetation noch saftiger und reicher ift: Principe. Palmen, Palmen, Bananen, Mamaobäume, Knusperhäuschen tief versteckt unter Blumen und dichtem Grün, ein silber heller Fluß: ein Paradies doch warum hütete sich der Portugiese, der auf der paradiesischen Insel Principe eine Erbschaft gemacht, fich jeher diese anzutreten? Es hat ein Häkchen mit diesem Paradies. Principe stand in allerschlechtestem Ruf in bezug auf seine gefund heitlichen Verhältniffe und bis vor wenigen Jahren forderte die schreckliche Schlaftrantheit ungezählte Opfer. Auf der andern Seite der Bucht war noch das ausgedehnte Hospital zu sehen, in dem die Kranken isoliert worden waren... Jedenfalls im Hause
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Hafen von Santa Isabel( Fernando Pó ). der Dampferagentur gibt es eine tadellose hygienische Einrichtung, fünstlerisch ausgeführte Parkettfußböden, chinesische Kunstmöbel, ostasiatische Bronzen und Porzellane I und eine Pianola.... Auf der Schwesterinsel S. Tomé, der berühmtesten dieser drei Kakaoinsel gibt es sogar Mietsautos und Sklaverei Hier wurden unsere 40 Negerinnen ausgebootet wie viele werden die Heimat wiedersehen? Was ahnt der friedliche Bürger, der morgens seine Tasse Kakao schlürft, von dem Los derer, die dies gartbejaitete Gewächs, das unendlicher Pflege bedarf, zu pflanzen
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Principe das ungesunde Paradies.
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Binnenlandschaft in Principe.
Dickschädel, wobei der, der die Miniaturschreibmaschine erwischte genau so stöhnte, wie der Bechvogel, dem der schwere Kabinen toffer zugefallen war. Das erste Hotel hatte gefeltte, schmierige Wände, die Drahtgaze hing in Feßen von den Fensterflügeln meines Zimmers, so daß es vollkommen gleich war, ob man sie offen oder geschlossen läßt, der stellenweise mit verschiedenen Linoleumreften belegte Holzfußboden war dermaßen von Bichos zerfressen, daß beträchtliche Löcher entstanden waren, und an den paar Möbelstüden fehlten Füße, Handgriffe, Lehnen, Tischecken: aber hurra, wie freute ich mich am nächsten Morgen! Denn, tatsächlich, Wanzen waren keine da. In Afrika tritt doch immer das Unvermutete ein!
Kaufleute und Angestellte
Betrachtung zur Angestelltenfrage von einem Angestellten
Es war zur Zeit der letzten Hohenzollern , als in Deutschland erstmalig das Wort vom föniglichen Kaufmann geprägt wurde. Diesen Titel hatten sich damals einige Männer erobert, denen es gelungen war, durch rücksichtsloseste Ausnutzung sich bietender Gelegenheiten Riesenvermögen zu erwerben. Es spielte durch aus teine Rolle, ob das Geld etwa durch den Handel mit schwarzem Menschenfleisch, durch die Ausbeutung von Kindern im Alter von über und unter zehn Jahren in den Hauswebereien Schlesiens und Sachsens , durch Kriegslieferungen ins Ausland, Schiebungen in den Kolonien oder auf sonstwelche ähnliche Weise zusammengerafft worden war. Die Besizer des Mammons hatten den Erfolg für sich, sie befestigten ihren Ruf als Könige ihres Gewerbes später in einzelnen Fällen noch durch Errichtung von öffentlichen Prachtbauten in ihren Heimatstädten, und sie erwarben fich auf Grund ihrer Kapitalsmacht allerlei Vorrechte, die dem Gros ihrer Volksgenossen versagt blieben.
entspricht, ist trotz aller Bemühungen der Gewerkschaften selten mehr herauszuholen als das bereits oben erwähnte färgliche Anfangs gehalt. Dabei entfällt auf diese Gruppe der mit mechanischen Arbeiten beschäftigten Angestellten" nach der Praxis und der Auslegung des Unternehmertums schon heute der weitaus größte Teil der Angestelltenschaft überhaupt, und je weiter die Speziali. fierung und Typisierung des ganzen Geschäftsbetriebes in Handel und Industrie fortschreitet, um so mehr wird sich diese Gruppe vergrößern, und um so weniger Angestellte werden in den Genuß der Gehaltsäge für die höheren Tarifgruppen von 200 und 300 Mart gelangen.
Geht man den Ursachen nach, die zu dieser besonderen Misere im Leben der kaufmännischen Angestellten geführt haben, so findet man darauf nur eine Antwort. Gewiß hat auch der Ber: if der kaufmännischen Angestellten unter der allgemeinen Arbeitslosigteit ganz erheblich und wohl mehr als die meisten anderen gelitten. Gewiß ist gerade diese Branche durch den durch die Zeitläufe be dingten und unvermeidlich gewordenen Eintritt der Frau in das Berufsleben in allererster Linie betroffen worden. Umstände, so bedeutsam sie an sich auch sind, bilden nicht die Hauptgründe für die außergewöhnlich schlechte wirtschaftliche Lage der Angestelltenschaft.
Aber beide
Als Hauptgrund hierfür muß vielmehr die Tatsache verzeichnet werden, daß die kaufmännische Arbeitnehmerschaft in Organifationsfragen heute immer noch meilenweit hinter der Arbeiterschaft zurückſteht.
Diese begnadete Sonderklasse im faufmännischen Erwerbsleben ist auch heute noch nicht ausgestorben. Auch heute noch werden im Geheimen auf mancherlei anrüchige Art und öffentlich gefälliger und moderner ausgedrückt- durch äußerste Rationalidurch immer schärfere Ausnutzung der menschlichen Arbeitskraft fierung der Betriebe von einzelnen Unternehmern und Unternehmergruppen Riesenvermögen aus den Knochen und Hirnen des Arbeitsproletariats herausgewirtschaftet. Auch heute noch dürfen, wie die Gerichtsverhandlungen der jüngsten Zeit gerade wieder erneut bewiesen haben, skrupellose Fürsten des Kapitals Staat und Regierung um Millionen betrügen oder wenigstens den Versuch dazu In erster Linie dieser Umstand, mit anderen Worten, die Bemachen, ohne daß ihnen auch nur ein Haar gekrümmt wird, wäh- griffsstugigkeit eines nicht unerheblichen Teiles der Angestellten, der rend jeder kleine Verstoß eines halb verhungerten nicht einsehen will, daß nur eine flare Scheidung nach dem Proletariers gegen die bestehende Ordnung meistens mit der ganzen Strenge des Gesetzes geahndet wird. In dieser Beziehung haben sich gegen früher also höchstens die Methoden geändert, mit deren Hilfe die Millionen erworben werden.
Ganz gewaltig geändert haben sich dagegen die Verhältnisse der Angestellten im Kaufmannsberuf. Während früher für diese Gruppe von Arbeitnehmern durchweg genügend Stellungen für Vertreter jeden Alters vorhanden waren, weil Angebot und Nachfrage sich die Wage hielten, stellen heute die taufmännischen Angestellten im Verhältnis den größten Prozentsaz der Erwerbslosen. Während früher die Stellungen in den Kontoren wenigstens einigermaßen ausreichend bezahlt wurden, sind heute die kaufmännischen Angestellten mit zur schlechtest bezahlten Gruppe der Arbeitnehmerschaft her abgesunken. Gehälter von 100 bis 110 Mart bilden für junge Angestellte nach drei- und vierjähriger Lehrzeit die Regel. Welcher ausgelernte junge Handwerker arbeitet für das gleiche Geld? Um Stellungen, die mit 160 und 180 Mart monatlich bezahlt werden, reißen sich in jedem Einzelfall Hunderte von Bewerbern, darunter gesezte Familienväter, Abteilungsleiter usw. mit umfassenden Sprachkenntnissen und gediegenster Fachausbildung.....
Die Regierung hat sich genötigt gesehen, die Grenze des un= pfändbaren Einkommens auf 195 Mart für den Einzelsteuerzahler heraufzusetzen, ein Beweis, daß dieser Betrag das zum Leben notwendigste Minimum darstellt. Wie verhält sich dazu die mehr oder weniger tönigliche Unternehmerschaft im Raf mannsberuf? Man sehe sich die Tarifverträge an, die die Gewerkschaften in Anbetracht der ganzen Verhältnisse bei den Angestellten und der rigorosen Einstellung der Prinzipale wohl oder übel abzuschließen gezwungen sind. Für die erste Gruppe der Angestellten, also für jene, die etwa dem jüngeren Gesellentum der gelernten Handwerter mit Wochenlöhnen von 35 bis 40 Mart
Grundsatz
hier Arbeitgeber hier Arbeitnehmer
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helfen fann, ermöglicht es den Unternehmern, fich mit einem so in die Augen springenden Erfolg gegen die gelbliche Besserstellung ihrer Angestellten zu mehren. Die scheinbar nicht auszurottende Uneinig keit der Angestelltenschaft untereinander, begünstigt durch das von den Arbeitgebern bewußt gezüchtete Vorgesetztenperhältnis( nach Möglichkeit an jedem mit drei Leuten besetzten Arbeitstisch ein Unteroffizier), die Verzettelung der Kräfte in allerlei Berbänden und Verbändchen, die zum Teil mit den Arbeitgebern sympathifieren und mit von ihnen unterhalten werden, und schließlich auch noch der Dünkel mancher Angestelltenkreise, die mit einer gewissen Geringschägung auf den Mann in der Arbeitsbluse herabsehen, auch ihm gegenüber nach Wunsch und Willen der Prinzipale den Vorgesetzten( der schlechter bezahlt wird als der Untergebene) nach Möglichkeit herausbeißen und so die so sehr notwendige Berbindung der beiden großen Arbeitnehmergruppen verhindern, sind die hauptsächlichsten Ursachen des Angestelltenelends.
Der Aufstieg der Arbeiterschaft hat begonnen, nach dem die freien Gewerkschaften das Heft in die Hand genommen und die Führung angetreten haben.
Der Aufstieg der Angestelltenschaft wird erst wieder einsetzen, wenn sie endlich einmal in corpore begriffen hat, daß sie für ihre Chefs nicht das so oft zitierte, hin und wieder von ihnen pouffierte, immer aber durchschnittlich jämmerlich schlecht bezahlte Bindeglied" zwischen der Leitung des Betriebe's und der Arbeiterschaft darstellt, sondern genau wie die Arbeiterschaft auch- das Objekt zum Gelderwerb und zur Züchtung weiterer föniglicher Kaufleute, die sich den nur zu berechtigten Wünschen der Angestellten in bezug auf Besserung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse um so mehr entgegenstemmen werden und können, je größer ihre Ageha. Macht und ihr Einfluß wird.
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