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Beilage

Dienstag, 1. Oktober 1929

Der Abend

Spalausgabe des Vorwans

Kennen Sie Bärenklau?

Wie Landarbeiter genossenschaftliche Siedler werden.

befferungen des Bodens und inzwischen errichtete Bauten werden aber bezahlt.

Die Unzulänglichkeit unserer Wirtschaftsmeise, die Reformbe- schaft, d. h. den Arbeitern und Angestellten des Gutes, als Kollektiv.| faufsrecht, wenn einmal ein Siedler seine Stelle aufgeben will; Ver. dürftigkeit besonders der herrschenden agrarwirtschaftlichen Zustände eigentum. fann nicht zwingender dargelegt merden als durch folgende Wider­sprüche: zur gleichen Zeit in den Städten große Arbeitslosig feit, auf dem Lande Not von Landarbeitern trotz zahlloser Arbeitsuchender werden jedes Jahr Scharen schlechtbezahlter polni scher Schnitter herbeigeholt, Lohndruck auf dem Lande, Abwan­derung in die Stadt und damit vermehrte Arbeitslosigkeit.

Und wie tam es zu solchen Zuständen, die jeder wirtschaftlichen Bernunft widersprechen? Eine furze historische Besinnung sei ges stattet. Bor menig mehr als hundert Jahren waren die Städte noch flein und überpölfert war das flache Land. In den Städten hatten ihren Sitz die Fürsten und die reichen Grundherren mit ihrem Anhang von Soldaten und Beamten; den Luxustonjum dieser Schichten zu befriedigen, trieben die Städter Handel, errichte ten sie größere Betriebe, die Manufakturen. Aber die große Masse des Boltes lebte auf dem Lande. Die bäuerliche Wirtschaft konnte jeden Bedarf befriedigen nicht nur für Nahrung für Sommer und Winter, auch für Kleidung, für Wohnung, für jeglichen Trans port murde in der Landwirtschaft Vorsorge getroffen. Hier gab es viele Arbeitsmöglichkeiten, hier konnte man sich auch in Zeiten der Not durchhungern".

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Und nun setzte mit Hilfe der Bodenschäze( vor allem Kohle und Erz) die gewaltige industrielle Entwidlung ein. Die Landwirtschaft behielt nur die Aufgabe, Nahrungsmittel und einige Rohstoffe zu produzieren; jede Tätigkeit, die nicht eng da. mit zusammenhing, wurde von jetzt ab von der Industrie ausgeübt. Immer neue Betriebe murden errichtet und vielfach herrschte Mangel an Arbeitern. Aber sie mußten ja tommen die Arbeitsmöglich feiten auf dem Lande schwanden, und die Industrie zahlte besser als die Landwirtschaft. So strömten jahrzehntelang die Arbeiter Dom Lande in die Städte, die rapide wuchsen bis eines Tages das Gegenteil des früheren Zustandes erreicht war: in der Stadt mar Mangel an Arbeit und auf dem Lande Mangel an Arbeitern. Und als sich zeigte, daß keine Rüdwanderung erfolgte, erhoben die Unbelehrbaren und Böswilligen ihre Stimme: die Arbeiter seien zu faul für die schwere Bandarbeit; die Sucht nach dem Großstadtrummel, nach dem Kino ziehe sie in die Stadt. Aber es zeigte sich, daß nur die Gegerden, in denen der Groß­grundbesig vorherrscht Ostelbien-, menschenleer wurden, so daß Saisonarbeiter geholt werden mußten. Nicht unsinnige Ver= gnügungssucht, sondern ein Arbeitssystem, das noch sehr an die Zeit der Leibeigenschaft erinnerte, schlechte Woh nung, schlechte Bezahlung hatten die Landarbeiter in die Stadt, der beffer, wenn auch schlecht genug zahlenden Industrie zugetrieben. Aber wie fann man verhindern, daß die Landflucht weitergeht, daß auf dem Lande die Not an Arbeitern, in der Stadt der Mangel an Arbeit immer größer werden?

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Es gibt nur ein Mittel, das Erfolg verspricht, das ist die Sie d Tung. Da man erkannt hat, daß der Boden bei bäuerlicher Be­triebsweise viel mehr Menschen Arbeitsmöglichkeiten bietet als bei Gutsbetrieb denn nur in Kleinbetrieben ist die intensive Bieh­mirtschaft möglich so sucht man durch Reischaffung von Bauernstellen den Großgrundbesitz im Osten Deutschlands zurüdzudrängen. Bauernföhne aus Süddeutschland murden heran­gezogen und angefiedelt; einzelne Güter wurden aufgeteilt, und all­mählich soll die intensivere Wirtschaftsweise zu dichterer Besiedlung diefer Landstriche führen.

Nur eins wurde bei dieser Ansiedlungspolitik übersehen: Der Landarbeiter, der, noch für lange Zeit der wichtigste Wirt schaftsfaftor fein wird und dessen Abwanderung verhindert werden foll, er hatte hierbei feine Rolle erhalten. Das hat zuerst der Nationalökonom Franz Oppenheimer erkannt; ihm ist das tatkräftige Beschreiten neuer Wege der Siedlungspolitit zu

Danfen.

Diese Versuche, die die Deffentlichkeit mit viel mehr Aufmerk­famfeit als bisher verfolgen sollte, werden auf dem Gut Bären flau bei Belten gemacht und haben schon zu beachtlichen Er­folgen geführt. Das Gut war ursprünglich Remontegut, d. h. es diente der Heeresverwaltung zur Beschaffung von Pferden und Futter. Als es im Jahre 1920 von der Gemeinnüßigen Siedlungs­Treuhandgesellschaft m. b. 5." übernommen wurde, mußte es erst unter großen Schwierigkeiten auf einen geordneten landwirtschaft lichen Betrieb umgestellt werden: die überflüssigen Pferdeställe, wur­ben umgebaut, die Ackerschläge für die verschiedenen Kulturen be­arbeitet, tünstliche Wiesen für die Rindviehwirtschaft angelegt. Im Gegensatz zu allen anderen Siedlungsverfahren wird aber das Gut nicht zerschlagen und an die Siedler aufgeteilt, sondern der Gutsbetrieb wird fortgeführt.

Die Gewinnanteile der Anteilswirtschaft, die Rüdzahlungen der Wirtschaftsgenossenschaft, sollen den Landarbeitern die Möglich. feit geben, einen Teil des notwendigen Siedlungstapitals zu er­sparen.

Natürlich fann ein solches einzelnes Unternehmen nicht die fapitalistische Wirtschaftsordnung durchbrechen; und Kapital ist nun einmal die Voraussetzung für jede Siedlung. Aber die Lage des Landarbeiters, der sonst ein hoffnungsloser Lohn­sflave ist, wird entscheidend gebessert wenn er die Möglichkeit hat, in einer Reihe von Jahren die notwendigen tausend Mart zu sparen, sobald er vor der Ausbeutung durch Bodenspekulanten gesichert ist. Je nach der Größe des Kapitals tann dem Siedlungswilligen Boden von 2% bis 40 Morgen zum Selbstkostenpreis überlaffen werden. Diejenigen Handarbeiter und Angestellten, die nur fleine Flächen, also mit der Siedlung nicht ihren vollen Lebensunterhalt erwerben fönnen, bleiben auf dem Gute angestellt und am Gewinn beteiligt. Die bäuerlichen Siedler, die 15 bis 40 Morgen bearbeiten, scheiden aus dem Gutsbetrieb aus. Um die Bodenspekulation auszuschließen, behält die Treuhandgesellschaft stets das Vor

Da sich bisher nur wenige Landarbeiter für die Siedlung ge funden haben, wie es ja bei den heutigen Einkommensverhältnissen nicht anders möglich ist, sind auch vom Gut Bärentlau an andere geeignete Leute, Gärtner und Bauern, Siedlerstellen abgegeben wor­den. Von den 2260 Morgen sind bisher 640 Morgen an 32 Siebler übertragen worden. Es besteht also zurzeit ein Rest gut von etwa 1600 Morgen, das allmählich auf 1000 Morgen ver fleinert werden soll; das aber ist die unterste Grenze, wenn man nicht alle Anlagen wertlos machen und den Landarbeitern ihre Ar beitsmöglichkeit( die sie ja auch bei Ansiedlung auf fleiner Fläche be­halten müssen) rauben will. Inzwischen hat die Treuhandgesellschaft mit Hilfe von Staatstredit das Rittergut Lüdersdorf gekauft, auf dem das Siedlungswert in gleicher Weise wie auf Gut Bärenklau in Angriff genommen wird.

Ein Meiner, aber guter Anfang ist gemacht. Zu wünschen ist, daß der Versuch in großem Stile fortgeführt wird. Wenn die Lage der Landwirtschaft gebeffert wird, wenn ihre Abwanderung auf­gehalten und damit die Bermehrung der städtischen Arbeitslosigkeit vermieden wird, so wird das ganze Bolt daraus Nuzen ziehen.

Wilhelmshöhe

Aus den Tränen des Volkes geschaffen

Man denkt an das Schloß, in dem Napoleon III. vom 5. September 1870 bis zum 19. März 1871 gefangen mar, oder an einen viel gerühmten Schloßpart im englischen Stil. Aber Wilhelmshöhe ist mehr: es ist der Ausflang und die Be frönung einer ganzen Stadt. Eine der eigenartigsten städtebaulichen Schöpfungen, die Deutschland , ja ganz Europa aufzumeifen hat.

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Wilhelmshöhe ist deshalb von Kassel nicht zu trennen. An eine mittelalterliche Landstadt, fast bäuerisch mit ihren schlichten Fachwerkhäusern und an Kühe, Schweine und Misthausen erinnernd, die bestimmt einmal dazu gehört haben eine Landstadt, die etwas gehoben wird durch einen alten Festungsturm, dem" Druselturm", durch ein Marstallgebäude in deutschem Renaissancestil, einem ,, Rent­amt" und Zeughaus" aus demselben 16. Jahrhundert, und zwei nicht gerade ansehnliche gotische Kirchen. Der Landgraf Karl , der wie sein Vater aus dem durch die Nöte des Dreißigjährigen Krieges furchtbar mifgenommenen Hessenlande immer wieder Geld zu schlagen wußte durch Vermietung feiner Landes= tinder an das Ausland Landgraf Karl wollte sich eine fürst­liche Residenz schaffen im modernen, d. h. französischen Geschmac. Das war gar nicht sehr schwer. Die Aufhebung des Edikts von Nantes vertrieb die Hugenotten aus Frankreich . Und diese Huge­notten waren brauchbare Bürger: Gemerbetreibende, die ihr Geld und ihre Fabrikationsgeheimnisse mitbrachten. Also machte es der Landgraf von Hessen in Kassel ebenso wie der Große" Kurfürst von Brandenburg und nahm einige Tausend dieser kapitalkräftigen Untertanen in jeinem Lande auf. Mit ihnen einen ausgezeichneten Architekten, Paul du Ry , der ihm ein neues Kassel bauen mußte. Er machte es nicht so barbarisch wie Nero, der das alte Rom anzünden ließ, als er ein neues bauen wollte.. Das fonnte sich ein kleiner deutscher Fürst nicht leisten. Er stellte vielmehr seine Barockstadt neben die mittelalterliche.

Die Verbindung der Oberneustadt" mit dem mittelalterlichen Kassel ist eine geniale Tat des französischen Baumeisters und seiner Nachfolger gewesen. Man fing das Gewirr und Gewinkel der alten Gassen in einem freisrunden Plaz, dem ,, Königs play" auf. Die gerade neue Hauptstraße, die ,, Obere Königsstraße", führte von hier aus nach dem Paradeplatz, der nach dem Land­grafen Friedrich II. Friedrichsplay" getauft wurde. Die fast quadratische, in lauter Rechtecke aufgeteilte, Hugenottenstadt grenzt an den ungeheuer weiträumigen Friedrichsplatz und an die von ihm aus sich öffnende ,, Schöne Aussicht", eine mit Bäumen be­pflanzte Terrasse, die an Schönheit der Wirkung jogar noch die de­rühmte Brühlsche Terasse" in Dresden übertrifft. Zwischen der Fulda und der Terasse entstand ein wundervoller, durch zwei Kanäle und einen See belebter Part, die von dem langgestreckten Orangerieschloß" beherrschte Karlsruhe ". Die Königstraße, heute durch das neue Rathaus verunziert und in ihren ehemals so harmonischen Proportionen gestört, endigt am Wilhelmshöher Platz. Aber der ist nur vorläufiger Ruhepunkt. Eine Allee von Blaz. Aber der ist nur vorläufiger Ruhepunkt. Eine Allee von 5 Kilometer Länge schließt sich im stumpfen Winkel zur Könige straße an, der Auslaß sozusagen der Stadt. Wer fümmert sich heute noch darum, mas außerhalb des Weichbildes mit einer Stadt ge­instematisch betrieb die mittelalterliche Stadt ist mehr oder weniger Zufallsbildung, denkt man auch daran.

Man läßt die Stadt in die Landschaft allmählich austlingen. Die Allee führt auf das Schloß zu, das an der Stelle eines mittelalterlichen Klosters erbaut morden ist, am

Die Lösung der Aufgabe, die Landarbeiter an die Scholle zu feffeln, wird begonnen mit der Aenderung der Urs à chen der Land­flucht, wie wir sie vorhin feststellten: Arbeitssystem, Wohnung, Be- schieht? Im Barockzeitalter, das zum ersten Male den Städtebau zahlung werden in der Anteils wirtschaft" grundsäglich neu geregelt. Denn nicht zur Erzielung eines hohen Reingewinns betreibt die Gesellschaft das Gut( es werden höchstens 3 Proz. Dini­dende verteilt), sondern um Kosten zu sparen, um allmählich das Gut zu verkleinern und ein Stück Land nach dem anderen den Siedlern zu überlassen. Alle Arbeiter und Angestellten sind im Berhältnis des erhaltenen Lohnes auch am Ueberschuß beteiligt. Um für die 17 Landarbeiterfamilien menschenwürdige Wohnungen zu schaffen, wurde ein Remontegebäude umgebaut nach Art moderner Reihensiedlung; jebe Wohnung hat dre 3immer und Küche und eigenen Eingang, dazu einen Garten von einem Drittel Morgen. Alle Bohnungen find hell und geräumig, so daß sich ein Gutsbefizer als Bertreter des zuständigen Kulturamts äußerte: So gut wohnt ja nicht einmal mein Berwalter!"

Gegenüber anderen Landarbeitern ist die wirtschaftliche Lage der auf Gut Bärentlau Beschäftigten bedeutend erleichtert durch die Wirtschaftsgenossenschaft, die nicht nur Lebensmittel, fondern auch Dünge und Futtermittel vertauft. Die Wirtschafts­genoffenschaft Bärentlau fonnte bisher 7-10 Broz. vom Umsatz bar zurüdzahlen. An die Genossenschaft angeschlossen ist eine mühle und eine Bäderei, die mit Darlehen der Treuhand­gesellschaft errichtet wurden; menn dieses Darlehen zurückgezahlt jein wird aus den Gewinnen!), gehören beide Betriebe der Genoffen

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Fuße des Gerichtsberges. Und wiederum zeigt der Architekt seine und der Rarisaue". Er arbeitet hier mit der durchgehenden Achse. Fähigkeit, das Gelände auszunuzen, wie bei der Schönen Aussicht" Hinter dem Schlosse Wilhelmshöhe wird diese durch die Wilhelms. höher Allee festgelegte Achse fortgeführt in Form eines Rasen. ausschnitts im Bergwald, zuletzt, in seiner obersten Partie, als eine Rastadenanlage, die ein phantastischer Kulissenbau, das ,, Ottogon" trönt, das seinerseits in eine Byramide ausläuft mit der Roloffalfigur eines ertules darauf. Dieses, aus unge­heuren Blöcken aufgeschichtete Riesenschloß Ottogon", das einem rein ästhetischen, teinem praktischen Zwede dient, ist somit der letzte Abschluß der Stadt Kaffel, die die Kühnheit eines Baumeisters bis auf 600 Meter Höhe hinaufgetrieben hat.

Bart und Schloß bieten natürlich auch im einzelnen viel Interessantes. Das 18. Jahrhundert ist nicht nationalistisch he schränkt. Es nimmt das Gute, mo es zu haben ist. Welch ein Sammelfurium in diesem Bart! Die Antile muß herhalten mit einem Merturtempel, den Ruinen einer römischen Bafferleitung-tünstliche Ruinen!- einem Grab Birgils", einer

,, Pyramide des Ceftius", einer Blutogrotte", die so etwas mie den Eingang zur Unterwelt vorstellt, und einer aus Lehm gebauten Einsiedelei, die sich Hütte des Sofrates" nennt. Die Fürsten , die um 1780 für altrömische Dichter schwärmten, hatten nichts übrig für die zeitgenössischen Deutschen , für Klopstod und Bürger, Goethe und Lessing . Die erbärmliche Klein­staaterei, die das heilige römische Reich deutscher Nation" in über 200 Territorien zerspaltete, tat das ihrige, den Blick für das Schaffen der deutschen Gegenwart zu trüben. Der Weiher vor Schloß Wilhelms­ höhe wird noch heute französisch Ca c" genannt, der strauchige Grünplay dahinter nicht anders als Bowling Green": ein englischer Name galt für vornehmer als ein deutscher im Zeitalter der Weimarer Klassiter. ,, Mulang" heißt noch heute das ehemalige chinesische Dörschen", das Friedrich II. für die Land­wirtschaft am Rande des Parfes erbauen, ließ, um eine Pagode herum. Man sieht darin eine Berfeherung des französischen Wortes Moulin, das in diesem Falle eine Windmühle bedeutet hätte. In diesem chinesischen Dörfchen wurden, um den erotischen Eindruck noch zu erhöhen, mehrere Neger bejchäftigt. Der Preis für diese Spielerei mar nicht gering. Drei von diesen Unglücklichen starben in dem ungewohnten Klima an Auszehrung, einer hat sich aus Heimweh ertränft.

Menschenleben spielten ja für die Begründer dieser Anlagen. teine Rolle. Die ganze Herrlichkeit von Wilhelmshöhe wurde nur durch den Verkauf von Landestindern an fremde Mächte ermöglicht. Während ein italienischer Architekt die Herkules. burg erbaute, schoß ein hessischer Söldner im Dienst der Republik Benedig den Parthenontempel in Athen , das schönste Baudenkmal der Antike, in Brand. Als dann zum ersten Male die Wasser über die Kaskaden schäumten, fragte der Landgraf Karl seinen Sohn Friedrich, nachmaligen König von Schweden :

,, Was meinst du, mein Sohn, weffen Statue wird wohl dorf oben am besten ihren Plah finden?"

Worauf der Erbprinz erwiderte:

..Am besten scheint mir ein Galgen dort oben hinzupassen, an dem der Erbauer es büßt, daß er Werke geschaffen hat, an denen fo viele Tränen des Volkes hängen!"

Der fürstliche Bapa soll ihm darauf eine Ohrfeige verjet haben vor versammelten Hoffchranzen. Am tollsten trieb den Menschenschacher jener dicke Landgraf Friedrich II. , der in

rämischer Rüstung auf dem Friedrichsplatz verewigt worden ist. Er nordamerikanischen Freiheitstrieges an England vertauft

hat nicht weniger als 12 000 Landesfinder während des und dafür über 21 Millionen Taler erlöst.,

Die Dynastie, die Wilhelmshöhe geschaffen hat und im 19. Jahrhundert nicht einmal mehr den Geschmack der Vorfahren besessen hat wie die Anlage der neugotischen" Löwenburg beweist, die Verhunzung des Bauplanes, für das Wilhelmshöher Schloß durch die massiven Verbindungsflügel im Jahre 1829 und schließlich die noch verhängnisvollere Berhunzung des Kaffelers Stadtplanes streitet mit der mürttembergischen um den Ruhm, die nichtswürdigste und verrottetste unter allen deutschen Dynastien zu fein. Die Gebrüder Grimm , der Komponist Ludwig um so befremdlicher berührt ein Danfschreiben Goethes Spohr haben unter diesen Landesvätern schwer zu leiden gehabt. an den Kurfürsten Wilhelm I. von Hessen- Kassel, das in der Wilhelshöher Bibliothek aufbewahrt wird. Dafür, daß der Fürst den von dem Dichter selbst gezeichneten ,, Römischen Carneval" an genommen hat, schreibt die Weimarische Exzellenz:

mit wiederholter Anerkennung höchst 3hro. er­habenen Eigenschaften und redlichster Betheuerung, wie fchmeichelhaft es seŋ, Ew. Königl. Hoheit Aufmerksamkeit meinen Arbeiten zugewendet und erhalten zu wissen, zu auf⭑ richtigst empfundener Berehrung zeitlebens mich bekennend Em, Königl. Hoheit unterthänigster M. v. Goethe."

Weimar , 1. August 1819.

Das ist ein Stüd deutscher Tragödie: daß der erste Dichter der Nation so würdelos vor einem der jämmerlichsten, geistlosesten und rückständigsten fleinen Despoten triedht, dessen einziges Bestreben mar, die durch Jérôme, Napoleons Bruder, eingeführten Reformen: Abschaffung der Adelsprivilegien, Aufhebung der Leibeigenschaft, zunichte zu machen und die bescheidenste Ber­faffung zu jabotieren

Hermann Hieber.