Einzelbild herunterladen
 

Mittwoch

2. Oftober 1929

-

Unterhaltung und Wissen

-

Beilage des Vorwärts

Mahatma Gandhi   Rekonstruierte Vorgeschichte

|

Zu seinem 60. Geburtstag am 2. Oktober die Inder durch loyales Verhalten ihre politische Stellung verbessern fönnten, und er hoffte, daß die britischen Machthaber diese braunen Untertanen nicht mehr als Menschen zweiter Klasse ansehen würden. Im Jahre 1914 tehrte er nach Indien   heim und bildete auch dort eine Sanitätsabteilung für die englischen Truppen; sogar im Jahre 1918 sette er sich noch für die Engländer ein und warb für die Auf­ftellung eines indischen Armeekorps, nachdem Lord Chelmsford   auf einer Konferenz in Delhi   die Notwendigkeit neuer Hilfstruppen für die britische Kriegsführung dargelegt hatte.

-

Stephen C. Simms, der Direktor des Museums von Chikago, darf das Verdienst für sich in Anspruch nehmen, als eifter die prä

borde Geschichte der Menschheit plaſtiſch veranschaulicht zu

haben. Er hat die berühmte, im französischen   Departement Dor: und mit einer Gruppe von Menschen bevölkert, die eine Familie dogne gelegene Grotte Le Moustier in Chikago wieder aufgebaut der Neandertalrasse verkörpern, der ältesten Menschenrasse, deren Spuren man gefunden hat. Um die Ausführung der originellen Idee haben sich als Berater und Sachverständige Arthur Koith und Elliot- Smith von der medizinischen Fakultät der Londoner   Univer­fität, sowie der Professor am Museum in Paris  , Marcel Boule, und der Abbé Breuil  , der auf den Gebiet vorgeschichtlicher Archäologie als besondere Autorität gilt, sehr verdient gemacht.

,, Ruhige, braune Augen. Ein kleiner, schwächlicher Mann, das Gesicht mager, die Ohren groß, abstehend. Der Körper in rauhe, weiße Stoffe gekleidet, mit nackten Füßen. Er nährt sich von Reis and Früchten, trinkt nur Wasser, ruht auf dem kahlen Boden, schläft menig, arbeitet unaufhörlich. Der Körper spielt teine große Rolle. Was sofort ins Auge fällt, ist der Ausdruck großer Geduld und großer Liebe. Er ist sanft und höflich selbst mit seinen Gegnern." So be­schreibt Romain Rolland   Mahatma Gandhi  , den großen indischen Rationalisten und den Apostel einer neuen Ethit, der jetzt seinen 50. Geburtstag begeht. Sein richtiger Name lautet Mohandas   Das war Gandhis   letter Versuch, England auf loyale Weise zur Der aus Europa   gebürtige Bildhauer Frederick Blaschke aus Karamtschand Gandhi. Mahatma  , wie man ihn allgemein in Indien   Aufgabe der bisher geübten Methoden der Kolonialpolitik zu be= New York  , der der von Professor Field geleiteten Expedition des nennt, bedeutet ungefähr: große Seele" oder Heiliger". Bon eng- wegen. Als die Engländer ihre im Krieg gegebenen Versprechungen Museums von Chikago angehörte, hat die Gruppe, die die berühmte lischer Seite- die ihm gewiß nicht wohlgesinnt ist hat man diesen nicht hielten, war Gandhi   endlich davon überzeugt, daß auf Dankbar französische   Grotte der Steinzeit belebt, entworfen und modelliert. Mann zuweilen mit dem heiligen Franz von Assisi   verglichen; sein feit in der Politik nicht zu rechnen sei. Er stellte sich an die Spitze der Auf den Wänden des Saales, in dem die Grotte steht, hat der rcines Leben und seine gewaltige Wirkung auf das große indische extremen Nationalisten, nahm Freiheitsstrafen ohne Widerspruch in Maler des Museums von Chitago, Corwin, in vortrefflich gelunge­Volt haben zu diesem Vergleich herausgefordert, der einem Europäer Rauf und entwickelte in der Bekämpfung der britischen Herrschaft eine nen Freskobildern die wilde, primitive Felsenlandschaft dargestellt, zunächst schwer fällt, wenn er Gandhi   zum erstenmal sieht. Denn Energie, die man dem schwächlichen Mann niemals zugetraut hätte. die die an der Grotte vorüberfließende Vézère überragt. Die prä­der indische Nationalheld ist, grob gesagt, häßlich, sieht halb ver- Bon der Gewalt der Waffen hielt Gandhi   nichts; er predigte eine historische Familie in der Grotte von Moustier, die jetzt die von hungert aus und macht, da er gewöhnlich mit nadtem Oberkörper Art indischer Tolstoi die Abkehr von der Gewalt, verlangte aber Chikago geworden ist, besteht aus dem etwa fünfundfünfzigjährigen auch in der Deffentlichkeit auftritt, teinen sehr großartigen Eindrud. von allen Indern, nicht länger mit den Engländern zusammen- Bater, einer dreißigjährigen Frau mit einem Säugling im. Arm, Aber nur ein Mensch mit eben dieser körperlichen Beschaffenheit zuarbeiten, die Steuern zu verweigern, teine englischen Waren zu einem Knaben von zwölf Jahren und einem Greis. Der Vater ist konnte den Weg zum Herzen des hungrigen indischen Boltes finden. taufen und besonders auf die englischen Textilien zu verzichten, damit gerade von der Jagd heimgekehrt und hält noch die primitive Stein­Wenn sich in einem indischen Dorf 100 Männer versammeln, so sehen der britische Imperialismus feinen Vorteil mehr aus der Verwaltung waffe in der Hand, mit der er das zu seinen Füßen liegende Renn­95 ebenso mager wie Gandhi   aus, so fehlen diesen wandelnden Ge- Indiens ziehen könne. Das war, europäisch ausgedrückt. die Pro- tier erlegt hat. Der Knabe nogt mit sichtlicher Gier an einem rippen gleichfalls viele Zähne im Mund und Haare auf dem Kopf. flamation des passiven Widerstandes. Mit dieser Methode wurden Knochen, und der vor dem Feuer fauernde Greis ist damit be­Die Bewohner des reichen" indischen Landes sind arm, und nach große Erfolge erzielt, aber der endgültige Sieg konnte nicht errungen schäftigt, ein Tierfell durch Entfernung der Fettschicht zur Decke her­jahrhundertelanger Knechtschaft sind sie mißtrauisch gegen die schönen werden, und schließlich ist Gandhis   System zusammengebrochen. Man zurichten. Es wäre, zumal nach den in Glozel gemachten Er­Reden wohlgenährter Männer, die die Not der Unterernährten nicht weiß heute in Indien  , daß Englands Herrschaft nur gewaltsam ge- fahrungen, gewagt, in diesem Modell eine unbedingt zuverlässige verstehen können. Gandhi   dagegen dürfen sie Glauben schenken, stürzt werden kann, ist sich aber bewußt geblieben, daß der wirt- Rekonstruktion einer prähistorischen Familienszene erblicken zu denn man sieht ihm an, daß er Fleisch von ihrem Fleisch und Blut schaftliche Boykott ebenfalls eine scharfe Waffe ist. Gandhi   setzte sich wollen, die auf rund 50 000 Jahre zurückblickt. Zum mindesten von ihrem Blut ist. besonders für den Wiederaufbau der Heimindustrie ein, für die Be- aber sind die von Blaschte modellierten Figuren nach genauen nugung des alten indischen Spinnrades, mit dem auch in seiner Messungen der Abgüsse von Schädeln aus Knochenresten der Nean­Schulsiedlung gearbeitet wird, um dem ganzen indischen Volk ein dertalrasse hergestellt. Man wird beim Anblick der das Chikagoer Beispiel zu geben, auf welche Weise die englischen Webwaren ersetzt Bildwerk veranschaulichenden Illustrationen gewiß nicht zu behaup­werden können, und tatsächlich ist die Einfuhr von Textilien nach ten wagen, daß unsere Vorfahren geschmeichelt sind. Mit ihren Indien   wesentlich zurückgegangen. tierischen Gesichtern, den affenähnlichen Armen und den halslojen, tief in den Schultern eingejuntenen Röpfen geben sie sich als Ver­treter einer Menschheit zu erkennen, die bei Beginn des Diluviums sich noch nicht von der Erdscholle loszulösen vermocht hatte, die noch von den Wassern der Sintflut durchweicht war".

Am 2. Oftober 1869 wurde Gandhi   als Sohn einer Kaufmanns­familie in Borbandar an der indischen Westküste geboren. Er besuchte zunächst indische Universitäten und wurde dann von seinen Eltern nach London   geschickt, um dort die juristische Schlußprüfung zu be­stehen. Politischen Ehrgeiz schien der junge Mann nicht zu haben, der sich in Bombay als Rechtsanwalt niederließ und bald recht zu­frieden mit seiner aufblühenden Praxis sein durfte. Aber Gandhi  war ein unruhiger Geift, dem es in seiner Heimat zu eng wurde. Er ging nach Südafrika   und widmete sich dort fast ausschließlich der Aufgabe, die Rechte der ausgebeuteten indischen Kulis gegen die Engländer wahrzunehmen. Bon 1893 bis 1914 weilte er als Advokat in Südafrika  , und dort vollzog sich allmählich eine bedeutsame innere Wandlung. Als treuer Untertan der britischen Krone war er nach Afrika   gegangen, in der Ueberzeugung, daß bestehende Mißstände des englischen Kolonialsystems auf friedlichem Wege, durch Berhand­lungen und durch Darlegung der Sachlage in London   abgestellt merden tönnten; als halber Revolutionär verließ er den afritanischen Kontinent. Während des Burenaufstandes im Jahre 1899 bot Gandhi  der Regierung seine Dienste an, organisierte freiwillig eine Sanitäts­abteilung und nahm an mehreren Gefechten teil. Auch im Jahre 1906, als die Zulus   in Aufruhr gerieten, tat sich der indische Rechtsanwalt in der Krankenpflege so hervor, daß sein Name in mehreren Kampf­berichten genannt wurde, und Gandhi   erhielt sogar britische Orden. Lord Harding verlieh ihm für seine füdafrikanische Wirksamkeit die goldene Kaiser- i- Hind- Medaille. Gandhi   träumte damals davon, daß

Der Waggon von Compiegne  

Die wiederholten Verhaftungen und Einterferungen Gandhis  haben sein Ansehen im Lande nur erhöht und es ihm möglich ge­macht, sich gegen alte indische Traditionen aufzulehnen, ohne an Autorität einzubüßen. Als die stärkste Stüße der britischen Herr schaft betrachtet Gandhi   die Zersplitterung des Volkes, die durch die Kasteneinteilung bedingt ist. Nach der Religion der Hindus ist es den Mitgliedern der vornehmen Kasten untersagt, mit der untersten Schicht des Volkes, den ,, Unberührbaren  ", in irgendeine Berbindung zu treten. Wer ihnen die Hand gibt, sich mit einem Mitglied dieser Schicht von 60 Millionen Menschen auf eine Bank sezt oder in dem­felben Hause wohnt von einer Eheschließung ganz zu schweigenlichen, der nicht 500 Goldmart hinterlegen tonnte, wieder öffnete: w wird als unrein betrachtet. Gandhi   hat es jedoch gewagt, sich unter die ,, Unberührbaren  " zu mischen, und hat überhaupt religiöse Tole­ranz gepredigt, sehr zum Mißvergnügen der Bramahnen, die eifer füchtig ihre Borrechte hüten. Zweifellos hat seine Wirksamkeit eine Renaissance des indischen Boltes auf religiöfem, sozialem und poli­tischem Gebiet eingeleitet, eine Bewegung, die erst in ihrem Anfangs­stadium steht, aber wohl dazu berufen ist, das Leben dieses Volkes grundlegend umzugestalten. Es ist also verständlich, daß man ihn wie einen Heiligen verehrt. Ernst Rottenberg.

Mynona: Motorentagung

-

Der Mensch ist wirklich noch ein Vorurteil... einstweilen gibt es erst, wie bereits Lamettrie wußte, l'homme- machine. Längst war der Fußgänger allen Motorfahrzeugen ein Dorn im Scheinwerfer. Um ihn, diesen Dorn, sich auszureißen, beriefen sie ihre Konferenz ein. Welch stattliche Versammlung: Benz, Mercedes, Daimler, Opel  , Wanderer, Adler, Brennabor  , Jewett, Auburn hatten ihre Abgeordneten entsandt. Eine Gigantengarage war festlich illu miniert. Auf der Rednertribüne fehlten die Chargierten der Luft und Wassermotoren feineswegs.

Gegenstand der Besprechung war also die Landplage der üblen Fußgänger, die sich, wie Junkers und ein rundbäuchiger Rotor be­merften, auch in der Luft und zu Wasser unangenehm empfindlich machten. Soweit sie als Chauffeurs, Matrosen, Piloten treue Dienste leifteten, ließ man sie allenfalls gelten. Schon als sogenannte Bassa­giere, Fahrgäste" lagen sie den geflügelten, räderigen, schaufelnden Beherrschern der Erde im Magen. Unleidlich aber wurden sie, wenn sie besondere Wege für sich in Anspruch nahmen oder sich ihnen gar direkt in den Weg stellten.

,, Gott   sei Dant!" tatütatatatete Ford  , Hoffentlich war es fein Arier? Der arische Mensch verwädyft gelungener mit der Maschine, eignet sich mehr zum Auto- Kentauren.- Das nächste Töfftöff hat as nächſte Herr Sportfupee- bitte!"

-

Sportfupee betätigte den Auspuff, er winkte dabei mit dem Stoßdämpfer einer süßen Landaulette zu, die mit ihrem Scheiben­wischer rückflirtete. ,, Neulich" referierte er ratternd, lauerte ich einem leibhaftigen Unterstaatssekretär auf. Ich stand still und ließ ihn getrost über den Fahrdamm schreiten. Kaum war er in der Mitte, da fauchte ich drauf zu, legte ihn um und um, fillte ihn ab." Dröhnendes Beifallhupen von allen Seiten. Aehnlich ließ sich ein Kabriolett brüllend vernehmen. Der Eindecker beklagte sich über den bombensicheren Understand der Pazifistelnden. Ohne Krieg jei es Effig mit der Herrschaft der Maschine über die Menschheit. Schließlich quirlte noch ein U- Boot in gurgelnden Tönen von der so hlorreichen Vergangenheit, wurde aber jählings unterbrochen

-

geplättet, gefünfteilt, fritaffiert: anderthalb Ministerialräte, sämtliche Berkehrsschußleute, ein Dugend stillende Mütter mit ihren Säug lingen, die Prima des Hitlergymnasiums, ein Ertaiser und rund hundert Sowieso- Invaliden schmückten die Strede mit ihren un­appetitlichen Leichnamen. Innensteuerlimousine versuchte, auch einen ebenso beliebten wie beleibten Dichterfürsten abzukillen, prallte aber der Boet und lahmte weiter. an dessen forpulentem Roman ab. Es lebe der Fordschritt!" stöhnte

Der kleine Ford aber faufte zum Gewindeball, auf dem die Schraubenmuttern tanzten, verliebte sich daselbst in ein abrettes Brautomobil, das ihm jedoch bei intimerer Berührung explodierte... wer feuriger Natur ist, sollte sich nie mit Benzin verheiraten.

In die Garage stürzten die menschlichen Diener, fäuberten ihre fotflügligen Herren und führten fie ins Freie, zur frischen, frön Zum Bräsidenten der Bersammlung ernannte man, unter jauch- lichen Jagd auf/ Menschen. Spaß, wurden sie wieder mal gerädert, zenden Töfftöffs, einen feinen Ford( gegen den allerdings ein paar zionistische Schofar- Hupen ohmmächtig remonstrierten). Der fleine Ford crtlomm die Kanzel und schnarrte die Antrittsrede: Liebe Gefährten," rasselte er und gab ein wenig Gas ,,, der Weltkrieg hat, wenn es deffen noch bedurfte, den Beweis erbracht, daß der jo genannte Mensch nichts Wichtigeres ist, als das Werkzeug der Mo­torenfabritation zum 3wede feines Unterganges. Von den Krea turen, die der Mensch macht, hängt er zu guter Lezt selber ab. Ich frage: Wie lange sollen wir diesen Sklavenaufstand noch erdulden? Als unsere Geburtshelfer, Diener, Opfer, gewinnen sie allenfalls ihren Sinn, statt deffen schwingen sie sich zu unseren Herren auf. Eine Menge abfurter Fußgänger, Fahrgäste, Parasiten schmaroßen an unseren Pferdekräften. Unter allen Umständen sollen wir sie zerbrechen, plattbrüden, zu Mus machen. Ich möchte hier geradezu die Losung austuten: Barbon wird diesem Ungeziefer nicht gegeben! Wer von uns fünftighin die Lentstange wenden und bremsen läßt, um solche Würmer zu schonen, dem wird das Chassis verledert, daß die Pneumatits platen. Fräulein Innensteuerlimousine hat sich zum nächsten Töfftöff gemeldet: Darf ich bitten, mein gnädiges In mich," hupte die Kleine, der ein schnittiger Phaeton unab­lässig mit dem Bosch- Licht zublinzte, fegte sich jüngst ein Börsen­greis. Ich eroberte mir aus allen Pferdekräften den Bürgersteig. Resultat: eine umstürzende Litfaßsäule, ein gründlich zerquetschtes Ehepaar, und mein mit Glassplittern gespickter Börsianer wird feinen Schod zeitlebens nicht mehr los."

Fräulein!"

-

( Besser trostlos als trustlos, sagte Papa Ford, als er's hörte.)

Foffile Perlen. Die Annahme, daß die Fähigkeit, Perlen zu erzeugen, nur den heute lebenden Muscheltieren zutommt, beruht gezeigt, daß regelrechte Berlen auch in sehr alten fossilienführenden auf einem Irrtum. Vielmehr haben neueste Funde in Kalifornien  Erbschichten, die vor Millionen Jahren entstanden sind, nämlich in en reibeschichten, die sich zu Lebzeiten der letzter Dinojaucier bildeten, vorkommen. Diese Berlen sind freilich ziemlich flein und haben durch ihr hohes Alter an Glanz eingebüßt; doch sind sie noch deutlich als richtige Perlen zu erkennen. Ülebrigens wurde auch in England bereits vor einigen Jahren in der Kreide eine fossile Berle aufgefunden,

Es war turz nach der Inflation, damals als nach langer Zeit zum ersten Male fich die Grenzen auch dem gewöhnlichen Sterb als ich nach Paris   fuhr. Die Nase an den Scheiben des Abteils, sog ich die fremde Landschaft in mich hinein. Suchte die Spuren frems den Lebens und fand das eigene heimatliche Leben wieder mit feinen Fabriken, Gruben, Bäldern und Gehöften. Etwas sanfter schien mir die Landschaft, etwas beweglicher die Menschen, etwas heller der Himmel. Bis ich in jene Gegend tam, die der Krieg durchtobt. Nicht viel war mehr zu sehen. Ein paar zerschossene Häuser, eine Kirche ohne Turm und da und dort der zerfetzte Stamm eines mipfellosen Baumes. Damals war es, daß die Menschen in meinem Abteil mich feindlich ansahen und eine Frau warf mir ein giftiges ,, Das haben die Boches getan" ins Gesicht. Einen Augenblick lang wurde ich verzagt vor diesen Worten und ein unbestimmtes Gefühl der Betlemmung erfaßte mich in der Luft des Abteils, die von dem Haß dieses fanatisierten Weibes stickig zu werden drohte. Aber weil die Gewißheit, daß es der Krieg war, der dies alles getan und daß weder ich noch sie, noch irgendeiner von denen, die hier im schmutzigen Abteil dritter Klasse zusammen­saßen, Schuld an all diesem Unglück hatte, so tief in mir verwurzelt war, wie nur die Wahrheit verwurzelt sein tann, sprach ich die Worte, die in den letzten beiden Jahrzehnten so oft eine Situation haben retten müffen: C'est la Guerre.

sprachen wir nicht mehr darüber. Aber als ich in diesen Tagen Es ist der Krieg. Ein Arbeiter wiederholte das Wort. Dann wieder die gleiche Strecke zurückfuhr, mußte ich an die Episode Bäume ihre zerfetzten Stämme gegen den Himmel recken. von damals denken. Wie damals sah ich neben der Strecke einige damals sah ich Häuser, die der Krieg zerstörte. Gras ist über ihre Wie Ruinen gewachsen. nicht ganz genau hinsieht, sieht kaum noch etwas vom Krieg. Und Der Regen hat ihre Härte gemildert. Wer viele wollen nichts mehr davon sehen.

So tamen wir in die Nähe von Compiegne  . Der Zug hielt Deutsche Reichsbahn   lese ich auf dem Waggon, der direkt vor und wie ich aus dem Fenster sehe, steht da ein deutscher Zuz. meinem Abteil steht und oben, die Bezeichnung: 40 Mannschaften oder 8 Pferde. Aber er trägt nicht nur diese für Truppentransporte bestimmte Bezeichnung, sondern es find wirklich Pferde und Mann­fchaften in dem Waggon. Truppen vom Rhein   sind es, die in die schaften in dem Waggon. Truppen vom Rhein   sind es, die in die Heimat zurückkehren. Und plöglich find wir wieder mitten im Krieg. Wir können an gar nichts anderes denken, als an jenen anderen Waggon, in dem hier in der Nähe, im Wald von Compiegne  , der Waffenstillstand abgeschlossen wurde. Und der nun in Paris   im Hofe eines Museums steht und länger als zehn Jahre angeschaut wurde von Fremden und Einheimischen als der Waggon des Friedens. Und der es doch gar nicht war. Und an jenes fitschige Bild bente, das man vor Jahren noch in Paris   und überall in diesem Lande kaufen und sehen konnte. An jenes Bild, das Erz­den anderen in der Bose des Gedemütigten. Und mir fällt ein, berger und Foch   zeigt. Den einen in der Bose des Siegers und daß ich es auf dieser meiner Reise, die mich weit durch das Land geführt, nicht mehr gesehen habe, jenes Bild vom Frieden, der folange fein Frieden war.

dem die jungen Soldaten schauen und herüberwinten. Und alle in Dann fahren wir weiter. An dem langen Zuge vorbei, aus dem Zuge winten zurück. Und es ist, wie wenn im Striege ein Truppenzug durch die Heimat fuhr. Aber es ist nicht der Strieg. hole es nun und denke, als die beiden Züge schon lange den Bahn­Es ist der Friede. Neben mir hat es jemand gesagt und ich wieder­hof verlassen haben, an den Waggon von Compiegne  . Und an den Frieden, den er verspricht.

Erich Grisar  .