Donnerstag 3. Oktober 1929
-Unterhaltung unö Wissen
Beilage des Vorwärts
Smil Siönnelycke: jöd* CßOldijTftt&Gl'
Als Alfrsd Anchoni'en, dessen Hof dicht am Flusse lag, Ge- burtstag feierte, war auch der Friedensrichter von©almorchurft unter den Gästen: er war mit seinem Auto aus der Fähre über den Fluß gekommen und hatte zwei Männer mit, die in der Gegend fremd waren. Einer der jungen Leute von New-Damart, der auch zur Geburtstagsfeier wollte, hatte den Richter und sein« beiden Be- gleiter übergesetzt, hatte die kleine Holzfähre an dem Tau. das über den Strom gespannt war, ans andere Ufer gezogen. Fast zur gleichen Jett kam der Pfarrer. In den Stuben von Alfred Anchonfens Hof waren so viele Gaste versammelt, daß sich der Pfarrer mit einem Stehplatz in der Küche begnügen muht«. Er kam mit ein paar Farmern aus der Kolonie ins Gespräch und ging die ganze Küche durch, um die An- wefenden zu begrüßen. In einer Ecke, an der Tür« zur Schlaf- kammer, war es Halbdunkel, und hier saßen zwischen ein paar jungen Leuten zwei Männer. Sie waren nicht so gut angezogen wie die anderen Gäste und saßen da, als wärmten sie sich am Herd, dem hohen, vernickelten kanadischen Herd, der mit seinen Topfen und Kesseln neben ihnen siedete und dampft«. Der eine der beiden, Frederik Anthonsen, der Bruder des Wirtes, erhob sich, als der Pfarrer zu ihm trat und ihm die Hand reichte. Er hatte eine ge- drungene, kräftige Gestalt, und seine soliden Schultern zeugten von harter Arbeit. Sein Schlips war zerknüllt und zerschlissen, aber der Kragen war rein. Frederit Anthonsen war wohl«in„tramp ', ein Alles- und Nichtstuer, ein Abenteurer und armer Mann. Aber am Geburtstag des Bruders hatte er doch einen reinen Kragen an. Sein Gesicht hätte den erschrecken können, der seine behäbig«, sried- liche dänisch« Sinnesart nicht kannte. Sein Mund war ein durch- triebenes Lächeln, das Zcchnstumpen und Kautabak verdunkelten. lieber die Stirn liefen drei tiefe Furchen, und die harten Prüfungen und Kämpfe des Lebens hatten von den Nasenflügeln zu den Mund- winkeln zwei große Schnitt« gezogen, die ihn älter und barscher machten als er war. Die Augen waren die Kleinodien dieses Ge- fichtes. Sie brannten. Glühten von Leben und Lust. Er sah wie Fünfzig aus und war doch kaum mehr' als in den letzten Dreißig. Wenn er die Augenbrauen hochgog, bekam fein Gesicht geradezu einen feinen, lauschenden Ausdruck, etwas Leidendes... Das stand ihm gut und machte aus dem rauhen Gesellen einen hübschen Mann. Seine Stimme war so durchdringend, so knarrend trocken wie nur bei Leuten, denen der Whisky, das fli«ßeni>e Feuer des Whiskys täglich die Kehle beizt. Sein Lachen klang herzlich und sarkastisch zugleich, es schnarrt« wie«in Stock an einem Geländer, und er knickte m den Hüsten zusammen, als tär« ihm Lustiges bis in den Magen hinab wohl. Und der Pfarrer war«in ungezwungener und witziger Mensch, der gern eine gut« Geschichte hörte, und er wollte nun wissen, wo Frederik Anthonsen so lang« Zeit gesteckt hatte. ,,Oh,— mancherorts, Herr Pastor,— im Westen... überall ein bißchen...* „Und nun sind Sie zum Geburtstag Ihres Bruders herge- kornmeu. Sagen Sie mir, was haben Sie in all der Zeit gemacht?' ,T>H,— mancherlei... Ich war auch in den Minen.' Er lacht« unwillkürlich vor sich hin, ein kleines, ergötzliche«, sarkastisches Lachen. „Wo?' sagt« der Pfarrer und blieb ernst. „In Timmin-!" „3n Timmins? Waren Sie in Tiimmins? Hören Sie, Fre- denk Anchonifen, das müsien Sie mir erzählen!' „Ich.,. ich komme eben von dort." Die Augen des Pfarrers wurden lebendig von Interess« und Neugierde. Cr setzt« sich neben Frederik Anthonsen und den anderen. „Dos ist mein Kamerad Will Jones," sogt« der Goldgräber und stellte den Mann dem Pfarrer vor.
„Guten Tag," sagt« der Pfarrer auf Englisch und gab dem Fremden die Hand. Der trcxknet« seine Hand erst an der Jack«, bevor er den Pfarrer begrüßte. „Kommen Sie auch gerade aus den Minen?" Frederik Anthonsen antwortete für seilten Freund: „Will ist von North-Bay mit mir gereist, ja sogar ein paar Meilen nördlich von North-Bay. Wir sind mit dem Zug gesahren, der von Nippigon kommt, denn ich meinte, daß hier im Osten Ar- beit zu bekommen wäre. Wir hoben noch nichts gefunden, ober ich glaube, Alfred wird uns etwas verschaffen. Wenn nicht, gehen wir in den Wald.' Plötzlich stand der Wirt, der hohe, gesunde, magere Alfred Anchonsen vor ihnen: „Kommen Sie herein und esien Sie etwas mit, Herr Pastor!' sagte er. „Danke, danke!" sagte der Pfarrer.„Ich sehe, es haben ein paar andere noch nicht gegessen. Ich bleibe hier in der Ecke fitzen. Ihr Bruder soll mir von seiner Zeit in den Minen erzählen!" „Ja, in Timmins! da wird er schon was erlebt haben!" Alfred Anchonsen lächelte und ging weiter. „Will versteht nicht dänisch, de. macht es nichts,-daß ich die Geschichte erzahle. Ich kenne ihn nicht weiter, ich habe ihn unter» wegs getroffen, und dann... da machten wir Gemeinschaft. Er war auch mif dem Wege nach Osten!" „Wo haben Sie ihn getroffen?" „Oh, an der Eifenbahnlinie zwischen Earlton und Temagomi, oben in der Nähe der Seen. Er hatte auch nicht viel zu beißen, — und da teilten wir, was wir hatten. Er sagte, er käme aus Elk-Lake, wo er Zimmerarbeit gehabt hätte, ober ich Hab' ihn im Verdacht, daß auch er... lalala... aus Timmins kommt. Wir gingen zu Fuß bis Rorth-Bay, weil ich fürchtet«, daß wir nicht genug Fahrgeld hatten. Das ist ein gutes Stück von Temagami bis Rorth-Bay, kann ich Ihnen sagen!' „Woher ist Ihr Freund?" „Danach dürfen Sie mich nicht fragen, Herr Pastor. Irgendwo unten aus den Staaten. Er sprach davon, daß er eine Schwester in Dermillion hätte, unten am Erie-See , er.. Frederik Anthonsen wurde von einem lauten Schnarchen unter- brachen. „Na, das ist Will, er macht«in Schläfchen," sagt« er.„Man kann es»hm nicht verdenken, daß er müde ift. Wie wir gewandert sind!" Der Pfarrer wandte sich und betrachtet« den Schlafenden. Der war, trotz seiner jungen Jahre, fast grauhaarig. Er hotte ein Loch in der Pjaiige. „Jones war mit im Krieg." erklärte Frederik Anchonsen,„ober er ist mit einer Kugel durch die Wange davongekommen, wie Sie sehen.'» „Erzählen Sie mir, Frederit Anchonsen, wie Sie nach Timmins kamen. Das muß ja interessant gewesen sein?" „Naah... offen gestanden... das war es nicht. Es war hart!" „Ja aber, warum wallten Sie denn da in die Minen?' „Weil ich mußte.' „Mußte? Was heißt das?" „Ja... Sie müsien schon entschuldigen. Herr Pastor... hahaha.. Do bemerkte der Pfarrer, daß dos Lachen des Goldgräbers ein wenig nervös war, und er wurde ernst und dachte: dos ist doch nichts zum Lachen? Er lacht, wenn die Erinnerung an etwas Hartes, Grausames ihn überwältigt... Ein« große Frage be- schästigte den Pfarrer: Was hatte Frederik Anthonsen nicht alles mitgemacht?!(Schluß folgt.)
ScherenfchniUe aus dem Wefertande fflameln
Still, beschaulich, etwas abseits vom Getriebe der großen Welt, noch wenig erfaßt von der— ach so ersehnten—„Fremdeninduslnc". schlängelt sich die Oberweier zwischen Hann.-Münden und Preußisch- Minden durchs grün« Gelände. Wenige.Städte und Städtchen dehnen sich an ihren Ufern, gering an Umfang und Bedeutung bis — ja, bis auf die«in«!— Athen mag vom Ruhm seiner Akropolis zehren, New Port sich im Glanz der höchsten Wolkenkratzer sonnen, Paris den Eisfelturin besingen— Hameln , das uralte, gemütliche, aus unzähligen Sagenbüchern uns grüßende, lebt und zehrt vom Ruhm seiner Natten! Zwar nicht von dem der lebenden, die sich, wie allerorts, auch hier herumtreiben, in den Wesermühlen eifrig gefagt werden. Was Hamelns Ruf und Stolz begründet, sind. die Ratten des allen großen und kleinen Deutschen — und manchem Ausländer— wohlbekannten Rättenfängers von Hameln . Macht nicht die Sage das Städtchen selbst fast zur Legend«? Erstaunt blickst du auf: Hameln , gibt's das wirtlich noch? Ja, gleich dem bekannten Buxtehude ist es realiter vorhanden, jenes sonnt sich am breiten Elbstrom und dieses an der schmalen Ober- weser. Leibt und lebt ein veritablcs und geschäftiges Dasein.— Wenn in der blauweißen Morgenfrische man von dem Berg« herab- schaut, der über Hameln thront, dessen waldige Kuppen einen rot- quadrigen Aussichtsturm und den sachlich kürzen Namen„Klüt" trögt, dann sieht man liebliche Dächer, Giebel und Türme au» dem Nebel der Flußniederung auftauchen, dann merkt man verwundert, daß selbst schwarze Schlote in die still« Luft starren, schwarzer Rauch ihren Essen entquillt und hier wie allerorts Proletarier im Donner der Fabriken ihrer Fron nachgehen.— Automobilsabriken, Teppichwebereien, die übliche Eisenindustrie und Ziegeleien kleiner Städte, sie sind vertreten, und eine Puddingpulverfabrik darf auch nicht fehlen. Silbrig und Sanft schlängelt sich das blinkende Band der Weser durch die grüne Ebene. Ein Wehr wirst sich breit vor des Flusses Gleiten, er' wölbt seinen Rücken, zischt zornig auf und stürzt brausend und nie endend über den starren Steinwall hinunter. Weißer Gischt schäumt, es kochen und brodeln die Wossermassen. Wuchtig und breit stehen die Mauerquadern der Wesermühlen über dem Wasser, nutzen die flutende Kraft und mahlen kernigen Roggen und zarten Weizen zu weißem Mehl. Schön und geschäftig ist das alles. Fieih offenbart sich und
Regsamkeit: doch es zählt nicht, es.zählt nicht. Denn was sucht er hier, der Fremdenstrom, der aus der näheren und weiteren Um- gegend das Städtchen Sommertags überschwemmt?— Heber die holprig gebohlte Weserbrück«, daraus sechsrädrig schwer« Bllssig-Auto- bufs«, Hamelns Straßenbahn— dahinrollen, kommt man hinein ins Städtchen, liest erstaunt und leise befriedigt all die Inschriften über den Pforten. Selbst Tartarin aus Tarascon sah es ohne Zweifel: Du bist im Rattenfängerstäbtchen Hameln! Da lockt der Rattenfängerhos und dort der Rottensängerkrug, bieten Zimmer zu zivilen Preisen und wohlgepflegt« Bier« an, wollen sorgen sür das Wohl zweibein-ger und nicht vierbeiniger langgeschwänzter Gäste. Das Gasthaus zur Ratte blinkt einladend mit den Fenstern, und in der Rattendrogeri« gibt's sicher gutes Rattengift, falls Dykerpotts Erben einen Flohbeutel um die besagte Ecke bringen wollen.— Verziert mit schönem altdeutschen Giebel ober besroutet mit moderner Fassade, all diese Stätten sind bereit, in reger Geschäftigkeit blanke Münze aus der altersgrauen Sag« zu schlagen. Führer geleiten dich durchs Städtchen, zeigen dir das Rattenfängerhaus, schön in seinem Fachwcrkbau und der Inschrift, doch mit der Sage kaum verknüpft. Bald aber wird ihm abgeholfen, dem dringenden Bedürfnis. Er besteht und waltet seines Amtes, nämlich der wohllöbliche. Denk- malsausschuh! Hamelns leitende Männer der Fremdenindustrie sehen ein, daß es Zeit ist— hohe Zeit!—, dem wackeren Mann ein Denkmal zu setzen, der so silbrig blanke Taler und raschelnde Scheine noch Hameln hineinbringt.— Die furchtbare;, die ruchlose Tat, da..„hundertdreißig Kinder in Hameln geborn,— von einem Pfeiffer verfurt und verlorn"— ist längst verjährt und oerziehen. Hamelns Mütter fürchten nicht mehr den fremden Mann, der ihre Töchter entführen könnt«, sie hoffen ihn selber herbei, mit Motorrad und sicherer Anstellung begabt, damit Lieschen und Lottchen schnell unter die Haube fänden. Und weil das Denkmal noch fehlt, weil Rattentrug— selbst die jenseits des Flusses liegende, seicht in den Berg verlaufende, Karten und Selterswasser verkaufende Rattensängerböhle nicht dem Bedarf der Fremden genügen, haben sich die lokalen Gewerbe auf die Andenkensabrikation geworfen. Mit löblichem Erfolg! Das Bonmot von den nach Athen zu tragenden Eulen wird erdrückt von jenem, Ratten nach Hameln zu schleppen. Da sind erstmalig die Postkarten, Legion an der Zahl, alle die inunteren Nagetiere verewigend. In
Profil, Vorderfront und Hinterfrontaufnahme, mit blanken, ein- gesetzten Glasaugen und wippenden, angehängten Drahtschwänzchen, mit oeritablen Schnurrhaaren und„naturlicher" Stimme, so man draus drückt... olle sind sie vorhanden. Dann kommt nebenan der unmöglichste Bric-Brac, Mäuse aus Silber und solche aus Porzellan, mit Samtbuckel zun» Nadelkissen oder weiter Oeffmmg vis Äschenbecher, als Spazierstockkrücke oder Uhranhängscl— Ratten in schwerer Menge! Würdig und eindrucksvoll schließen Bäcker und Konditoren den Reigen! So wie man anderwärts frische Brötchen am Morgen er- hält, gibt es in Hameln Ratten. Frilch, warm und knuiprig, br.mn aus Brotteig gebacken mit Borstenschnurrbart, Korinthenaugen und ringlig beigelegtem Schwanz. Berwöhnte Gaumen kommen mit Bisquit-, mit Kuchen-, Marzipan- Zucker- und Schokoladenratten auf ihre Kosten. Die Bäcker werden gleichfalls kommen, der Ratten- Handel blüht. Gebackener Rattenfänger, das fehlt noch...! O du guter Rattenfänger von Hameln, sicher wirst du dereinst heilig gesprochen, das Denkmal ist dir sowieso schon sicher.— Hameln gedenkt deiner— ich auch! Ich Hab von meiner Kuchenratte ans Versehen die Borstenhaare ninteroeschluckt, wohl bekomm's' Li. Tzngenberc:. JCochfats als Semd des tuberkulösen Als Robert Koch den Tuberkelbazillus und in ihm die un- zweifelhafte Ursache der Tuberkulose entdeckt hatte, glaubte man mit der Erkenntnis auch die Heilung der Krankheit in der Hand zu haben. Wenn es gelang, die Tuberlelbazillen im Körper zu vernichten, so mußte die Krankheit von selbst aufhören. Aber die Hoffnung trog. Man fand kein Vernichtungsmittel, keine materia. masvA sterilisans, das nicht zugleich auch den Körper geschädigt hätte: und man erkannte, daß es zwar kein« Tuberkulosekrankheit ohne Tuberkelbagillen gab, aber auch, daß die Anwesenheit dieser Bazillen nicht gleichbedeutend mit Erkrankung ist. Die Bazillen sind nur die eine Ursache der Erkrankung, die andere liegt in der Beschaffenheit des Körpers, seiner„Krankheitsbereitschaft". Rur wenn der Körper dem Wachstum der Bazillen günstige Bedingungen bietet, können diese sich so entwickeln, daß ihre Gistwirkung die Erscheinungen der Tuberkulosekrankheit hervorbringt. Daher haben die neuzeitlichen Heiluirgsbestrebungen zum großen Teil das Ziel, den Bazillen den menschlichen Körper st> ungenieß- bar wie möglich z umachen. Also sewe Beschassenheit im Sinne der Bazillenabwehr zu ändern. Dieser Behandlungsgedanke wieder- holt und bestätigt in einer Beziehung alten Boltsgiauben— nämlich die Gewohnheit, dem Schwindsüchtigen in der Nahrung reich- lich Fett zu geben. Darüber hinaus gehen Versuche, den Salz, Haushalt des Körpers umzustellen. Man weiß, daß die elektrischen Spanmmgen im Körper, die wahrscheinlich für die gesamten Lebens- Vorgänge von ausschlaggebender Bedeutung sind, durch den Gehalt an Salzen in den Gewebeflüssigkeiten bedingt sind. Besonders die Salze der Leichtmetolle des Kaliums, Natriums, Kalziums, Mag- nesiums und anderer mit Chlor scheinen dabei eine große Rolle zu spielen. Hier setzen die Versuche«in, die mit den Namen Ge r s o n, Sauerbruch, Hermannsdorfer verknüpft find. Diese Aerzte glauben beobachtet zu haben, daß eine möglichst kochsalzarme Ernährung, die zudem durch reichliche Beigabe von Pflanzenkost viel Kaliumsalz« enthält, die Heilungsbedingungen des Körpers bei Tuberkulose oerbessert. Sie geben außerdem noch kochsalzfreie Salzgemische als Arznei. Diese Behandlung soll bei Knochen- und Hauttuberkulose günstige Ergebnisse gehabt haben, also bei Krankheitsformen, dl« an sich weniger das Leben bedrohen als die Lungenerkrankung. Bei der Lungentuberkulose sind die Versuche noch im Gange und es muß dringend gewarnt werden, daß Lungenkranke in ihrer be- kannten Hossmingsfreudigkeit von dem neuen Berfahren Wunder erwarten. Auch die Aerzte, die mit dieser Neuerung sich befassen, verzichten keineswegs auf die bisher. übliche Behandlung mit Frei- lustliegekur oder mit chirurgischen Eingriffen, sie glauben nur, durch ihre Ernährungsweise die bisherigen Ergebnisse noch verbessern zu können. Es muß ferner darauf hingewiesen werden, daß die kochsalz- arm« Ernährung ebenso viel Geduld und Ueberwindung seitens der Pilegeperfon wie des Kranken verlangt. Die Menschen sind nun einmal seit Jahrtausenden an das Kochsalz als Nahrungs- würze gewöhnt. Die Köchin muß also die schwere Kunst erlernen, die sonst mit Kochsalz gewürzten Speisen durch andere Zutaten schmockhast zu machen. Völlig läßt sich das Fehlen des Salzes nicht bei allen Gerichten verdecken. Es muh daher auch der Kranke, zumal wenn seine Eßlust nicht reg« ist, eine beträchtliche Ueberwindung auf- bringen, um die ungewohnt schmeckende Nahrung zu bewältigen.
ä>ag Eichhörnchen beim'Hüffehttmhen Die niedlichen und beweglichen Eichhörnchen sind Meister im Nüsseknacken und die Natur hat ihnen dazu Wertzeuge verliehen, deren sich der Mensch nicht rühmen kann, nämlich bewegliche Zähne. Der bekannte Tierpsychologe Prof. Bastian Schmid Hot das Gebiß der Eichhörnchen genau untersucht und dabei merkwürdige Feststellungen gemacht. Bei der Beobachtung der Tiere und ebenso am Skelett kann man verschiedene Stellungsmöglich- teiten der Zähne erkennen, die durch eigen« Muskeln an den beiden Unterkieferäften herbeigeführt werden. Die unteren Vorderzähne vermögen eine Ruhe-, Angriffs- und Sprengstellung einzunehmen. Bei der Angriffsstellung, bei der auch die Nüsse zwischen die Zähe,« gebracht werden, werden die beiden unteren Nagezähne so gespreizt, wie unsere. beiden Zeigesinger auseinandergehen, wenn wir die Knöchel hart auseinanderlegen. In der Wut, beim Beißen und beim Nagen von harten Gegenständen weichen die Unterzähne des Hörnchens weit auseinander: die Normalstellung ist die mittler« und die Sprengstellung die engste. Steckt man einem wütenden, auf den Röcken gelegton Tierchen rasch eine Wachsnuß ins Mäul- chcn, dann sieht man am Zahnabdruck genau, wie die Zähne aus- einanderstanden: die Sprengung der Schals erfolgt dann durch die plötzliche Verengung der Zahnstellung. Bei etwa 1000 Hasel- und Walnüssen, die der Gelehrte nach der Bearbeitung durch ein Eich- Hörnchen teils in geöffnetem, teils in halb geöffnetem oder nur an- genagtem Zustand untersuchte, fand er, daß das Tierchen ganz ver- schieden arbeitet und bald die Nüsse noch kurzem Nagen einfach wie mit einem Brecheisen aufbricht, bald den Inholt nach und nach mit den unteren Zähnen herausholt. Die unteren Zähne arbeiten häufig wie ein Zahn, indem sie sich fest zusammenschließen, und haben dann die Funktion eines Meißels. So gelingt es dem Eichhörnchen, die Nüsse mit der größten Kunstfertigkeit aufzumachen. Doch kennen wir bisher nur die Arbeit der Unterzähne und wisse» nicht, welchen Anteil die Oberzähne am letzten Knacken der Nuß haben.