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Morgenausgabe

Nr. 467

A 235

46.Jahrgang

Böchentlich 85 31. monatlich 3,60 im voraus zahlbar, Boftbezug 4,32 m. einschließlich 60 Bfg. Boftzeitungs- und 72 Bfg. Boftbeftellgebühren. Auslands abonnement 6,- M. pro Monat.

Der Borwärts erscheint mochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend, Saluftrierte Beilagen Bolt and Zeit und Rinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen", Frauen timme". Technit". Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts

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au Sonnabend

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

5. Oftober 1929

Groß- Berlin 10 Pf.e Auswärts 15 Pf.

De staipattige Ronparet legefle Bfennig. Reflamezeile 5.- Reichs mart. Aleine Anzeigen das fettge Drudte Wort 25 Pfennig( aulässig met Fettgedruckte Borte), jedes weitere Bor 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes mettere Bort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben ablen für zwet Worte. Arbeitsmart Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme imhaupt eschäft Lindenstraße 3, wochentäglich oon 81, bis 17 Ubr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin .

Vorwärts- Verlag G.m.b. H.

Macdonald in New York .

Begeisterter Empfang.

Condon, 4. Oftober.( Eigenbericht.)

Ramsay Macdonald ist in New Bort am Freitag­nachmittag eingetroffen. Ein Berichterstatter des Daily He­rald", der Ministerpräsident Macdonald auf seiner amerikanischen Reise begleitet, gibt über den Empfang des sozialistischen Ministerpräsidenten Großbritanniens in New York folgenden interessanten Bericht:

Als die Berengaria" mit Macdonald an Bord sich dem Hafen yon New York näherte, begann ein rauschender Empfang. Flug­zeuge donnerten über unserem Kopf, und aus ungezählten Schiffen tönte der Schreider Sirenen. Am Pier wartete der amerita­nische Staatssekretär Stimson , um Macdonald zu begrüßen, hinter

ihm schien ganz New York Aufstellung genommen zu haben. Während unserer langjamen, einer Prozeſſion gleichenden Fahrt durch den von Wolkenkratzern umfäumten Broadway spielten sich erstaunliche Szenen ab. Die Polizei mußte uns durch die während aus jedem Fenster stürmische Begrüßungsszenen ertönten. wimmelnde, hochrufende und erregte Menge einen Weg bahnen, Bon oben regnete es dauernd konfetti auf uns herab. Man hatte den Eindrud, als ob alle armrekorde bereits gefchlagen worden seien. Als wir aber das Rathaus erreichten, verdoppelte fich der Jubel der Begrüßung. Tief bewegt durch den Empfang er­hob sich Macdonald, um seinen Dank zu bezeugen." Macdonald wurde in feierlicher Zeremonie zum Ehren­bürger von New York ernannt.

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Die Trauerfeier für Stresemann .

Ehrung des Toten durch den Reichspräsidenten.

Das Programm für das Staatsbegräbnis des Reichsaußenministers steht nunmehr endgültig fest. Am Sonnabend nachmittag um 5 Uhr wird der Sarg mit der sterb­lichen Hülle Stresemanns nach dem Reichstagsgebäude übergeführt und in dem Plenarsihungsjaal aufgestellt. Der Saal wird schwarz drapiert und neben grünen Lorbeerbäumen mit Blumen ausgelegt. Die Trauerfeier wird von musikalischen Vorträgen des Phil­harmonischen Orchesters umrahmt sein. Die Spitzen der Behörden, die Minister und Staatssekretäre, die Vertreter der Länder­regierungen, ein begrenzter Kreis von Parlamentariern und die fremden Miffionen werden von der Reichsregierung zu der Trauer­feier eingeladen. Im Anschluß an diese Feier wird der Sarg auf die Freitreppe des Reichstages gebracht und auf einem hohen Poftament aufgestellt werden. Hier nimmt der Bizepräsident des Reichstages, Abg. von kardorff, im Namen der Volkspartei von Stresemann für immer Abschied.

Der Trauerzug wird über das Brandenburger Tor , Unter den Linden entlang durch die Wilhelmstraße geleitet, wo vor dem Auswärtigen Amt im Gedenken an den Toten eine Pause von 2 Minuten gemacht werden soll. Hindenburg wird als erffer bis zum Reichspräsidentenpalais zu Fuß hinter dem

Sargherschreiten.

Die Welttrauer um Stresemann.

Der umflorte Konferenzstuhl in Locarno . Bom Generalsekretariat des Völkerbundes begeben sich der Generalsekretär Sir Eric Drummond , der Untergeneralsekretär Defour Féronce und der stellvertretende Chef der Nachrichten abteilung Dr. Mag Beer nach Berlin , um an der Trauerfeier für Stresemann teilzunehmen.

Aus Locarno wird berichtet: Auf dem Gebäude, in welchem die Konferenz von Locarno tagte, wurden die Fahnen zu Ehren des verstorbenen deutschen Reichsaußenministers auf Salb mast gesetzt. Der Stuhl, auf dem Dr. Stresemann bei der Unterzeich nung des Locarno- Battes saß, wurde nit Trauerflor umhüllt. Im österreichischen Bundesrat, der ungefähr dem deutschen Reichsrat entspricht, hielt zu Beginn der gestrigen Sitzung der Vorsitzende Schorsch einen Nachruf auf Stresemann.

Im amerikanischen Bundessen at widmet: Senator King aus Utah Dr. Stresemann einen Nachruf und erklärte, der Tod Stresemanns sei ein Unglüd nicht nur für Europa , sondern für Die ganze Welt. Der Dahingeschiedene Reichsaußenminister sei einer der bedeutendsten Männer der Neuzeit gewesen. Die jezige, weitgehnede Friedensarbeit der europäischen Nationen sei zum großen Teil Stresemann zu verdanken.

Bon vielen Staatsoberhäuptern und von allen Minister­präsidenten der Welt sind telegraphische Beileidsfundgebungen in Berlin eingelaufen, darunter vom König Georg von England, Rönig Christian von Dänemart, Präsident Masaryk , wom Präsidenten des irischen Freistaates Cosgrave, von Primo de Rivera , Manu Rumänien, vom tanadischen Mi nisterpräsidenten Mackensie King, vom tschechischen Außen­minister Dr. Benesch usw. Im Namen der Stadt Wien hat auch Bürgermeister Gen. Seiz telegraphiert.

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Postschedkonto: Berlin 37 536.

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Gemeinde und Sozialismus.

Generalangriff gegen die öffentliche Wirtschaft.

Der Kampf des Privatfapitals gegen die öffentliche Wirt­schaft ist in Deutschland seit Jahren im Gange. Seit jener gemeinsamen großen Rundgebung aller wirtschaftlichen Spizenverbände gegen die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand im Jahre 1926 ist kaum eine der Industrie-, der Bank- und Handelstagungen vorbeigegangen, auf der nicht die schwersten Angriffe gegen die öffent­liche Wirtschaft gerichtet worden sind und ein Rückzug fordert wurde. Das Privatfapital hat sich nicht auf Rejo­der öffentlichen Hand von wirtschaftlicher Betätigung ge­lutionen und eine hemmungslose Agitation gegen die öffent­fordert wurde. Das Privatkapital hat sich nicht auf Reso­liche Wirtschaft beschränkt, sondern es hat sehr real mit allen Mitteln wirtschaftlicher und finanzieller Macht versucht, die Ausdehnung der öffentlichen Wirtschaft zu verhindern und die öffentlichen Unternehmungen in ihrem Bestand zu ge­fährden.

Das eigentliche Angriffsobjekt in diesem Feldzug bildet die Wirtschaft der Kommunen. Der tommunalen Op 20 sidh Wirtschaft, die auf breitester demokratischer Grundlage ruht, die von Männern, die vom Vertrauen des Boltes getragen find, geleitet wird und deren gemeinwirtschaftliche Ziel­fegung tagtäglich der Bevölkerung der Kommunen zum Be wußtsein tommt, dieser von einer neuen Wirt inschaftsgesinnung getragenen tommunalen Wirtschaft gilt die eigentliche Kampfansage der Privat­wirtschaft.

Erinnerung an Thoiry.

Genf , 4. Oftober.

Ueber die Berhandlungen von Thoiry veröffentlicht das Journal de Geneve" ausführliche Angaben, die am Tage nach dem Frühstück in Thoiry auf Grund einer Unterhaltung niedergeschrieben, aber wegen der eingegangenen Schweigeverpflichtung nie veröffentlicht worden seien. Damals habe Dr. Stresemann erklärt, daß sein Zusammentreffen mit Briand in Thoiry schon eine lange Vor­geschichte habe.

Ich hatte schon im Laufe des Sommers 1926 mehrfach unter haltungen in einer kleinen französischen Stadt vorgesehen, aber das unglüd hat es immer gewollt, daß jedesmal Briand furz vorher gestürzt wurde. Zum letztenmal war eine Besprechung für den 15. Juli 1926 vorgesehen, und wieder wurde das Kabinett Briand 15. Juli 1926 vorgesehen, und wieder wurde das Kabinett Briand durch Herriot gestürzt. Er, Stresemann, habe damals in Bad Wil dungen, wo er sich aufhielt, einen Wutanfall bekommen, wie er gestehen müsse."

Drohungen der franzöfifchen Nationalisten.

Paris , 4. Oktober. ( Eigenbericht.)

Die Kommunen sind im Zuge der großstädtischen Ent wicklung von Verwaltungs- zu großen Wirtschaftskörpern geworden, deren soziales Aufgabengebiet sich rapide erweitert. mit den wachsenden Aufgaben der Kommunen auf dem Ge­biete der Städte hygiene, des Wohnungsbaues, des Nahverkehrs und der Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des alltäglichen Bedarfs, wie Gas, Wasser, Strom, hat auch der kommunale Kapitalbedarf stark zu genommen. Das deutsche Finanzkapital hat aus Gegner schaft gegenüber der kommunalen Wirtschaft die Kapitalbe. schaffung der öffentlichen Hand wenig unterstützt, häufig sogar start erschwert. Das fonnte um so leichter geschehen, da sich als Bundesgenoffe im Rampf gegen die Kommunen der Reichsbantpräsident hinzugesellte. Mittels der Be­ratungsstelle wurde den Kommunen die Kapitalbeschaffung gerade in den Jahren relativ leichter und billiger Anleihe aufnahmemöglichkeiten auf den ausländischen Kapitalmärften unmöglich gemacht oder zum mindesten außerordentlich er schwert. Diese offizielle Anleihepolitik hat nicht nur die fom­munale Wirtschaft geschädigt, sondern zum Schaden der Kommunen auf dem viel weniger aufnahmefähigen inländi­schen Anleihemarkt auch die Kapitalfnappheit verschärft.

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Die französischen Nationalisten benutzen den Tod Strese manns bereits am Freitag zu einer neuen maßlosen Heze. Man Allen diesen Schwierigkeiten zum Troß hat jedoch die solle doch nicht übertreiben, schreibt die nationalistische Liberté", kommunale Wirtschaft in den letzten vier Jahren eine und Stresemann als einen Friedensapostel hinstellen. Wie lange starte Fortentwidlung genommen. Modernisierung werde es noch dauern, bis man wieder genötigt sei, die Deutschen und Rationalisierung haben die Erträge der Werke bedeutend als wahre Hunnen" zu ertenzen. Der Intransigeant" gesteigert. Die Kommunalisierung bisher privater Kon­schreibt triumphierend, mit Stresemann sei der Mann verschwunden, zessionsbetriebe oder gemischtwirtschaftlicher Unternehmun­der Briands Vertrauen gehabt habe und der es sich deshalb habe gen hat sich weiter fortgesetzt. Die Leistungen der öffentlichen leisten können, das Räumungsversprechen Briands mißzuver Wirtschaft hier sei nur aus Berliner Berhält. stehen.(!) Die Räumung werde nicht bedingungs, niffen auf technische Großtaten und organisatorische und los erfolgen, sondern wie Maginot in seiner Rede in Bar- le- Duc kaufmännische Neuschöpfungen wie das Klingenberg- Wert, Klargestellt habe, nur unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, daß der die Berliner Verkehrs- A.- G. und die Berliner Brennstoff­Gesellschaft hingewiesen werden selbst von Gegnern der Young- Plan vorher tatsächlich in Gang gefeht werde. Das Gesellschaft hingewiesen Journal des Debats" endlich meint, mit Stresemann veröffentlichen Wirtschaft vorbehaltlos anerkannt. schwinde ein Staatsmann, der seinem Volke nie die volle Wahrheit Im Laufe dieser Entwicklung ist allerdings die kurz gesagt habe. Der es verstanden habe, eine doppelseitige Politit zu fristige Verschuldung der Städte zwangsläufig stark ange betreiben, national nach innen zur Besänftigung der Deutschnatio fchwollen. Infolge der schlimmen Verfassung des deutschen nalen, friedlich nach außen zur Beruhigung seiner Internationalen Kapitalmarktes stößt die Beschaffung des gegenwärtigen In­Gegenspieler. Jetzt aber, wo dieser Minister des Gleichgewichts nicht vestitionsbedarfes auf die allergrößten Schwierigkeiten. In mehr sei, werde Deutschland schon die unverhüllte nackte Wahrheit dieser Situation sieht das Finanzkapital den richtigen Zeit­sehen und spüren. punft gegeben, um einen neuen Gesamtangriff gegen die kom­munale Wirtschaft zu eröffnen. Dr. Kehl, ein führender Mann des neuen Bankentrusts, hat auf der Tagung des Reichsverbandes der Industrie erklärt, daß die öffent lichen Werte die Konsolidierung ihrer furzfristigen Schulden durch Abgabe von Teilen der Substanz vornehmen sollten; er hat gemeint, daß für die Beteiligung an fommunalen Unternehmungen sich sowohl die deutschen , als auch die ausländischen Kapitalisten interessieren würden. Das Ziel ist tlar: Man hofft, die reife Ernte mähen zu fönnen, man will die Kapitalbeschaffungsschwierigkeiten der öffentlichen Unternehmungen ausnußen, um diese wieder voll oder wenigstens zum Teil in privaten Besitz hinüber­zuspielen.

Sicherung des Achtstundentags.

Gesetzentwarf über das Washingtoner Abfommen. Amtlich wird mitgeteilt: ,, Der Reichsarbeitsminister und der Reichsminister des Auswärtigen haben unter und der Reichsminister des Auswärtigen haben unter dem 1. Oktober dem Reichsrat einen Gesetzentwurf vor.

gelegt, in dem die Zustimmung zu dem Washing torer Uebereinkommen über den Acht stundentag ausgesprochen wird.

Das Zustimmungsgeset soll gleichzeitig mit dem Ar beitsschutzgesetz und dem Bergarbeitsgesen in Kraft Die Städtetage haben auf diesen Generalangriff gegen treten, weil die Ratifizierung erst erfolgen kann, nachdem die fommunale Wirtschaft eine eindeutige Antwort gegeben. Die meisten deutschen Botschafter und Gesandten in den die Uebereinstimmung des deutschen Rechts mit dem Jn. Wenn selbst ein Mann der Rechten wie der Duisburger europäischen Hauptstädten find zur Trauerfeier nach Berlin gereist. halt des internationalen Uebereinkommens burch die Ver. Bürgermeister Jarres in seinem Referat über die wirt­Aus Anlaß des Ablebens Dr. Stresemanns find zahlreiche Be. abschiedung der vorgenannten materiell- rechtlichen Geschaftliche Bedeutung der gemeindlichen Unternehmungen auf die großen wirtschaftlichen Leistungen der rein öffentlichen teidskundgebungen von den Regierungen und Parlamenten der sehe herbeigeführt ist. Der Gesekentwurf macht die Nati Unternehmungen hinweist, offen deren Ueberlegenheit und Länder, von Organisationen und Privatpersonen in Berlin einfizierung durch Deutschland nicht abhängig von der gleich deren billigere Tarifgestaltung gegenüber den privaten oder getroffen. zeitigen Natifizierung durch andere Staaten." gemischtwirtschaftlichen Betrieben zugibt und den Fortbestand