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Nr. 469» 46. Jahrgang Sonntag, 6. Oktober �929

Finanzkapital und Bankfusion Oer Wandel der Macht zwischen Rank- und Lndustrietapital.

Die Entivicklunst der kapitalistischen Industrie entivickelt die Äou» Aentratwn im Bankwesen. Das konzentrierte Banksystem ist selbst ein wichtiger Mowr Für Erreichung der höchsten Stufe kapitalistischer Äon» «zytration in den Kartellen und Trusts... In den gegenseitigen ÄvhangigkeitsbeAiehungcn kapitalistischer Unternehmungen entscheidet vor allem die Kapitalstärke darüber, welches Uirternehmen von dem anderen in Abhängigkeit gerät. Eine weit fortgeschrittene Kartellierung wirft von vornherin dahin, daß auch die Banken stch Fusammenschließen und stch vergrößern, um dem Kartell oder Trust gegenüber nickst in Abhängigkeit?.u geraten. Die Kartellierung selbst befördert so den Zusammenschluß der Banken, wie umgekehrt der Zusammenschluß der Banken die Kartcllierung." (Hilferding:Das �i na n.zka vital". 14. Kapitel.) Der Tag, an welchem die Fusion der Deutlcheu Bank mit der Disconto-Gesellschaft bekannt wurde, dürfte für Genossen Hilferding als Wirtschaftstheoretiker, als Verfasser desFinanzkopital", ein Tag größter theoretischer Freude gewesen sein. Man kann sich keine andere Tatsache denken, die in stärkerem Maße als Bestätigung der Richtigkeit der theoretischen Gedankengänge vomFinanz- kapital" gelten könnte. Diese Gedankengänge wurden von verschiedenen Seiten schon vor dem Kriege heiß umstritten. Die Entwicklung in der Nachkriegszeit schien durch die Verschiebung der kapitalistischen Kräfte so. daß die Hilfcrdingsche Auffassung über die Eritwicklungs- tendenzer» des Finanzkapitals anscheinend ihre Geltung verlor. Also wäre dies keine Schilderung der n o t w e n d i g en hochkapitalisti- schen Entwicklung gewesen, sondern im besten Falle eine unzulässige Verallgemeinerung einiger Entwicklungstendenzen, deren Geltung örtlich und zeitlich beschränkt war. Gewiß waren es keineewigen Gesetze", die von Hilferding in seincin, vor 20 Jahren abgeschlossenen Werk niedergelegt wurden. Das Finanzkapital " war aber mehr als nur eine Beschreibung bestimmter historischer Tatsachen: in ihm wurde mit kühnem Voraus- greifen der zukünftigen Entwicklung die wirtschaftliche Form ge- schildert, die dem hoch entwickelten und sich organisierenden Kapitolis- mus eigen werden muß. Jetzt wird diese Theorie durch eine Reihe von Tatsachen, von welchen die letzte deutsche Banksusion die mar- lantestc ist, glänzend bestätigt. Noch mehr: die Bedeutung dieser Tatsachen kann nur auf Grund der imFinanzkapital" dargelegten Theorie der hochkapitalistischen Entwicklung richtig ver- standen werden. ImFinanzkapital" wurde die zunehmende Abhängigkeit der Industrie von den Banken sest- gestellt.Ein immer wachsender Teil des Kapitals der Industrie gehört nicht den Industriellen, die es anwenden. Sie erhalten die Verfügung über das Kapital nur durch die Bank, die ihnen gegen- über den Eigentümer vertritt. Ai »dererseits»ruß die Bank«inen immer wachsenden Teil ihrer Kapitalien in der Industrie fixieren. Sie wird damit in immer größerem Umfang industrieller Kapitalist. Ich nenne das Bonkkapitol also Kapital in Geldform, das auf diese Weise in Wirklichkeit in industri - «lies Kapital verwandelt ist, das Finanzkapital. Ein immer größerer Teil des in der Industrie verwendeten Kapitals ist Finanzkapiral, Kapital, in der Verfügung der Banken und in der Verwendung der Industriellen."(Hilfer- ding a. a. O.) Krieg rnid Inflation Umwertung der Werte. Dieses Verhältnis zwischen dem Bant- und Industriekapital hatte sich schon während des Krieges in allen am Zkriege beteiligten Ländern wesentlich verändert. In der Finanzierung der Umstellung und Erweiterung der Industrie während des Krieges haben die Banken mir eine untergeordnete Rolle gespielt(es sei denn, daß es sich um die Vermitlung der Anlcchen für fremde Länder handelte, worauf die außerordentliche Bedeutung der amerikanischen Morgan- Gruppe beruht). Der Geldmarkt war durch die Kriegsanleihen und die staatlichen Notenemissionen völlig beherrscht. Dies war in allen Ländern der Fall, am stärksten aber in Deutschland , wo auch die Entwicklung der ersten Nachkriegsjahre am stärksten in ihren typischen Zügen ausgeprägt wurde. Typisch war während der Nachkriegsjahre die Entwertung des Geldes im Vergleich mit den Sachwerten, also auch die Schwächung des Geldkapital» im Vergleich mit dem Kapital in der Güterform, namentlich in der Form der Produktioi«mittel. Typisch war weiter die oerstärkt« innere Kapitalbildung, die auch die Verstärkung der Unabhängigkeit der Industrie von den Banken, eine gewisse Emon- zipation des Industriekapitals von seiner Beherrschung durch das Bankkapital bedeutete. Es liegt auf der Hand, daß die Macht- Positionen des Bonkkopitols, das für seine Erhaltung keine geeignete Form der Sachwerte hat, infolge der Entwertung des Geldes in hohem Maße geschwächt werden mußten. Nach der Stabil!» sierung standen die Banken und nicht nur in Deutschland , sondern auch in Ländern, wo keine so starke Inflation war. und die Stabilisierung ohne besondere staatliche Maßnahmen zustande kam viel schwächer da. als sie e» vor dem Kriege waren. Viel schwächer nicht nur dem Industriekapital, sondern auch den staat- lichen Banken und der Börse gegenüber. Seitdem schien die Emanzipation des Industriekapitals noch weitere Fortschritte gemocht und die B a n k e n i m m e r stärker in eine dienende Stellung verdrängt zu hoben. Die innere Kapitalbildung nahm«inen immer stärkeren Umfang an,

große Jndustriekonzerne traten als selbständig« Macht auf dem Geldmarkt auf, in Amerika werden Industriegesellschaften zu den größten Spekulanten auf der Vörie einer der Gründe, weshalb die amerikanischen Banken einschließlich des staatlichen Banksystems jede Mach über die Börse verloren zu haben scheinen. Die Reaktion. Zuerst in Amerika , dann in Deutschland . Es schien im Hochkapitalismus also auch anders zu gehen, als es imFinanzkapital" als notwendige Entwicklung geschildert worden war. Wenn aber die Entwicklung imFinanzkapital" richtig gesehen wurde, so mußte von der Seite der Banken eine Gegen- bewegung in Form der verstärkten Konzentration zustande kommen. Und sie kam zustande, zuerst in Amerika , wo das Bankwesen einerseits stark zersplittert ist, andererseits aber die Banken sich nicht so geschwächt fühlten, um die einsetzende Entwicklung resigniert und tatenlos zu beobachten. Am IS. September d. I. ist dort eine Bank- fusion perfekt geworden, aus welcher die größte Bank der Welt mit Ressourcen von etwa 10,5 Milliarden Mark entstanden ist(die Aufsaugung derCorn Exchange Bank and Trust Company durch dieNational City Bank"). Und dies« Fusion war die fünfzigste in den letzten vier Jahren! Kurz danach wurde die West durch die Meldung von der Fusion der Deutschen Bant und der Disconto-Gesellschoft überrascht, die zwar, noch der absoluten Größe der Ressourcen der beiden Banken gemessen, weit hinter den größten amerikanischen Bank- susionen steht, die ober nach dem Anteil am Bankwesen einer nationalen Wirtschaft ganz einzigartig in der gesamten Bankgeschicht- dasteht. Sic ist auch deshalb besonders bezeichnend, weil hier eine besonders starke, aus den gegenwärtigen deutschen Berhältnisscn entstehend« Chance, sich dem Industriekapital gegenüber zur früheren Machtstellung durchzusetzen, ausgenutzt wird. Dr Sehls Selbstgespräch vor den Industriellen. Diese Chance für die Banken besteht in der Tatsach«, daß die deutsche Wirtschaft jetzt in starkem Maße auf die Einfuhr

ausländischer Kapitalien angewiesen ist. Auf diesem Gebiet reichen dem Industriekapital seine eigenen Verbindungen nicht aus, hier gewinnt die vermittelnd« Rolle der Banken ihre ausschlaggebende Bedeutung. Wer aber das Problem der Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Kapital gelöst hat, dem wird auch die stärkste Kapitalmacht zuteil werden. Damit aber die Banken der Aufgabe, die systematisch« Lenkung des Kapitals in die deutsche Wirtschaft zu bewirken, gewachsen werden, brauchen sie eine innere Konsolidierung, eine Verstärkung ihrer Position gegenüber den ausländischen Kon- trahenten, vor welchen sie die Bürgschaft für die deutsch « Industrie übernehmen, sowie gegenüber der deutschen Industrie, für die sie zu bürgen haben. Daß die leitenden Persönlichkeiten sich dieser Zusammenhänge bewußt sind, zeigen die Slussllhrungen des Dorstandsmitgliedes der Deutschen Bank, Dr. Kehl, auf der Düsseldorfer Tagung des Reichsverbandes der Deutschen Industrie. Diese Ausführungen werden jetzt mit Recht als eine programmatische Erklärung für die neue, aus der Fusion entstehende riesenhafte Bank angesehen. In einem wesentlichcn Teile decken sich die Ausführungen von Kehl vollkommen mit den Sätzen aus demFinanzkapital", die wir als Motto zu unseren Ausführungen genommen I�aben; nur mit dem Unterschiede, daß die Entwicklung, die von Hilferding als vorhanden beschrieben wurde, von Kehl auch als Programm, als der Weg für die Industrie und die Banken, gezeigt wird.. Kehl predigte geradezu neue Zusammenschlüsse mit der ausdrücklichen Bemerkung, daß diese seine Ausführungen auch als ein lautes Selbstgespräch zu verstehen sind, das heißt daß sie auch an d-e Banken geichtet sind. Einen anderen ebenso wesentlichen Teil seiner Ausführungen stellten die Bemerkungen über die notwendige Kapitaleinfuhr und namentlich über die ausländischen Anlagen in deutschen Aktien dar, also über«ine Form der Kapitaleinfuhr, für welche die stärkst« vermittelnde Beteiligung der Banken u n- bedingt notwendig ist. Das Finanzkapital in seiner Vollendung bedeutet die höchste Stufe ökonomischer und politischer Machtvollkomenheit in der Hand der Kapitaloligarchie"(Das Finanzkapital ", 25. Kapitel). Was wir jetzt erleben, ist nichts anderes, als der Versuch einer solchen Vollendung des Finanzkapitals, jetzt aber in einer geschichtlichen Situation, in der viel stärkere Kräfte gegen die ökonomische und politisch« Machtvollkommenheit der Kapitaloligarchie vorhanden sind als in der Vorkriegszeit. Trotzdem hat diese Eni- Wicklung eine ungeheure wirtschaftliche und politische Bedeutung, über die wir uns klar werden müssen. Geor? Decker.

Wie lange noch? Die kommunale Kinanznol wächst. Beratungsstelle soll weiter drosseln. Wir haben gestern berichten müssen, daß es der Weltstadt Berlin in weitgehendem Umfange unmöglich ist, die erforderlichen Neubauten und Erneuerungen in den Verkehrsbetrieben durchzu- führen, da die Beschaffung des erforderlichen Kapitals weder aus eigenen Mittel!», noch auf dem Kapitalmarkt möglich ist. Jetzt meldet dieFrankfurter Zeitung " aus Bonn , daß die Finanznot der Stadt Bonn diese zwingt, die Städtischen Elektrizitätswerk« um den Betrag von 8 Millionen Mark an das Rheinisch-Westfälische Elektrizitötz- werk zu verkaufen. Das sind wieder zwei Fälle in der unendlichen Reihe von finanziellen Schwierigkeiten, die den kommunalen Finanz- und Werksverwaltungen seit Jahren künstlich gemacht worden sind und die auf die Dauer mit Notwendigkeit dazu führen müssen, daß die oom organisierten Privatkapital in Deutschland systematisch verfolgt« Politik der Entkommunalisierung immer wirk- samcr durchgeführt werden kann. Nun meldet ein Berliner Finanz- blatt, daß trotz des Ablaufs der Bindung der deutschen Gemeinde an die Borschristcn der Beratungsstelle am 20. Oktober die Beratungs- stelle ihre Tätigkeit voraussichtlich fortsetzen wird. Man muß heute fragen, wie lange denn eigentlich unter Dul- dung der Reichsregierung die Politik der Beratungsstelle fortgefetzt werden soll, die ganz offensichtlich dazu führt, daß man in den Ge- meinden die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Bevölkerung für Der- kehrs- und sonstige Massenzwecke automatisch wachsen läßt, die Weg« zur Kapitalbeschaffung aber versperrt und so den Expanssons- tcndenzen des Privatkopitals in die Hände arbeitet. Der Enquete- ausschuß hat nach vor kurzem der Tätigkeit der Beratungsstelle im allgemeinen das Todesurteil gesprochen. Er hat sestgestellt, daß die langfristige ausländische Kapitalzufuhr volkswirtschaftlich überhaupt unbedenklich, daß sie für die Stabalitiät der Währung gleichgültig, und daß eine unterschiedlich« Behandlung von privater und öffent- licher Kapitalaufnahme im Ausland nicht zu rechtfertigen sei. Jede Drosselung aus solchen Gründen sei überflüssig, sie wirk« zinsver- teuernd und erhöhe die falschen Kosten bei der Beschaffung von Kapital. Dieses Urteil des Enqueteausschusses macht es deutlich, daß die Beratungsstelle mit ihrer Drosselungspolitik ein« finanzielle und steuerliche Ncbcnregicrung darstellt, deren Zweck in Volkswirt- schatftlicher Betrachtung in dem Sinne nur ein unlauterer sein kann, daß Entkommunalisierungszielc verfolgt werden, und zwar zu-

gunstcn des Privatkapitals, die auf geradem Wege nicht erreicht werden können. Das auszusprechen wird heute, wo die Konjunktur wieder an einem kritischen Punkt angelangt ist, und-wo offiziell vom Privat- kapital die Parole der Entkommunalisierung ausgegeben ist, zu einer öffentlichen Pflicht. Die Frage muß beantwortet werden, was geschehen soll, um endlich den unterirdischen und illegalen, dos Privatkapital in unzulässiger Weise begünstigenden Schädigungen des Interesses der Gemeinden und ihrer Unternehmungen in ge- botsner Weise entgegenzuwirken.

Tendenz zu leichter Besserung. Oer Arbeitsmarkt in Brandenburg . Der Arbeitsmarkt im Bereiche des Landcsarbeitsamtes Brandenburg behielt die Tendenz zu leichter Besserung auch in der Woche zum 28. September bei. Die Landwirtschast hotte noch Bedarf. Auch der Braunkohlenbergbau war noch zufrieden- stellend beschäftigt. Die Brikettfabriken entwickelten jür den Winter- bedarf ihre höchst« Leistungsfähigkeit. Da die B a u s a i f o n ihvein Ende entgegengeht und die Lagcrbeständ« in den Ziegeleien bereits anwachsen, wurden von diesen vereinzelt Betriebseinschränkungen vorgenommen. In der Metallindustrie war der Lokomotio- bau für Fachkräfte voll oufnahmesähig, für Maschinenschlosser machten stch Anzeichen einer beginnenden Besserung bemerkbar. Die Lage des Arbcitsmarktes im Bekleidungsgewcribc war noch be- friedigend, desgleichen im Baugewerbe. In der Berichtswoche fiel die Zahl der Arbeit- suchenden mit 1206 auf 214 243, d. h. um 0,56 Proz., gegen­über einer Abnahme von 603 gleich 0,28 Proz. in der Vorwoche. Di« Zahl der H a u p tu n t e r st ü tzu n g s« m p s ä n g e r in der vcrsicherungsmäßigcn Arbeitslosenunterstützung betrug 104 334, in der Krisenunterstützung 21 508, zusammen 125 842 Personen. Bon den Houptunterftützungsempfängern in der Arbeitslosenversicherung entfielen auf Berlin 85 692. In der Kriseiffürsorgc kommen aui Berlin 18 850 Unterstützte.___ Gute Entwicklung der Reichspost. Betriebseinnahmen von 2,0 äof 2,2 Milliarden gestiegen. Di« De«tsch« Reichspost veröffentlicht soeben ihren Gc- schäftsbericht über das Rechnungsjahr 1928(April 1928 bis Mär; 19Z9). Der Bericht, der uns noch nicht im Original vorliegt, weist aus die unverkennbaren Fortschritte in der Rationalisierung hin. In allen Betrieben wurde die Mechanisierung, Normung und

Unsere 25 Stück- Packungen enthalten Refo- Filmbilder mit Kino-Kupon