Morgenausgabe
Rr. 475
A 239
46.Jahrgang
öchentlich 85 Bt. monatlla 3,60 m. tm voraus zahlbar, Boftbezug 4,32 m. einschließlich 60 Bfg. Boftzeitungs- und 72 Bfg. Boftbeftellgebühren. Auslands abonnement 6,- M pro Monat *
Der Borwärts erscheint mochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel„ Der Abend", Illustrierte Beilagen Bolf und Zeit" und„ Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wiffen", Frauen ftimme". Technit". Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts
Donnerstag
10. Oftober 1929
Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.
Die statpalttg. Ronpareillezetts 80 Pfennig. Reflamezeile 5- Reichs mart. Kleine Anzeigen das lettge brudte Wort 25 Pfennig( zulässig zwet Fettgedruckte Borte), jedes weitere Bor 12 Bfennig. Stellengesuche das erite Bort 15 Bfennig, jedes weitere Bor 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben sablen für amet Borte. Arbeitsmart Seile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Lindenstraße 3, mochentäglic oon 81%, bis 17 Ubr.
Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin .
-
Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Wallstr. 65. Diskonto- Gesellschaft, Depofitenkasse Lindenstr 3.
Rheinischer Stahlhelm verboten
Eine Verfügung des preußischen Innenministers.- Auflösung durchgeführt.
Der Amtliche Preußische Pressedienst meldet: Der preußische Minister des Jamern, Grzesinsti, hat unter dem 8. Oktober folgenden Erlaß an die zuständigen Polizeipräsidenten gerichtet:
„ Auf Grund des§ 1 des Gesetzes vom 22. März 1921 ( RGBL. S. 235) in Berbindung mit der Verordnung zur Ausführung dieses Gesetzes vom 12. Februar 1926( RGBL I S. 100) wird mit Zustimmung der Reichsregierung der Stahlhelm, Bund der Frontfoldaten e. V., mit allen seinen Einrichtungen und einschließlich seiner sämtlichen Unter- und und Hilfsorganisationen, namentlich des Jung- Stahlhelm und des Bundes Scharnhorst für den Bereich der Rheinprovinz und der Provinz Westfalen aufgelöst.
Form, Anlage und Durchführung der am 21. und 22. September 1929 im Raume von Werden- Kupferdreh- Cangenberg und Kettwig- Belbert- Neviges von den Landesverbänden„ Rheinland " und Industriegebiet" in Gegenwart des 1. Bundesführers Seldte veranstalteten ebung bestätigen den nach Organisation und Betätigung des Stahlhelms befiehenden Berdacht, daß jedenfalls in den genannten beiden Provinzen der Stahlheim eine Vereinigung darftellt, deren Zwed im Widerspruch zu den eingangs genannten gefehlichen Bestimmungen sieht. Die Beobachtungen laffen feinen Zweifel, daß die Mitglieder dazu ausgebildet werden, eine Truppe zu jhaffen, die in der Lage sein joll, als solche nach militärischen Gesichtspunkten fämpfend auf 3.u
freten.
durch ihre engen Beziehungen zum Stahlhelm, B. d. F., e. V.
Die Durchführung der Beschlagnahme und Einziehung obliegt den örtlichen Polizeiverwaltungen."
am
In Ausführung obenstehenden Erlasses haben die Polizeipräsidenten in Köln , Düsseldorf , Effen, Elberfeld , Biele feld , Dortmund , Bochum und Redlinghausen 9. Oktober dieses Jahres die Auflösung der betreffenden Organija tionen durchgeführt.
Die Auflösung durchgeführt.
Nach dem Eingang der Berfügung des Ministers des Innern hatte heute nadymittag die politische Abteilung der Kriminalpolizei eine große Anzahl von Beamten eingesetzt, um die Anweisungen zur Auflösung des Stahlhelms und feiner Unterorganisationen be. fchleunigt durchzuführen.
Regierung und Volksbegehren.
Konferenz der Innenminister der Länder. Am Mittwoch tagte im Reichsministerium des Innern unter dem Vorsitz des Reichsinnenministers eine Konferenz der Innenminister der Länder, die von Severing mit einer Rede über die gegen= wärtige politische Lage eingeleitet wurde. Ir der anschließenden Debatte wurde einmütig die Auffassung vertreten, daß es nicht nur das Recht, sondern die dringende Pflicht der Reichsregierung sei, sich Der Volksbegehren gegen Rechtsutschisten mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zur Wehr zu sehen. In diesem Sinne sagten die Innenminister der Reichsregierung weitgehende Unterstung zu.
bas
Die Reichsregierung wird in Zukunft in Hebereinitimmung mit den Länderregierungen täglich je na ch die Lügenmeldungen ber Volks. Bedarf auf die
Da der Stahlhelm in Dortmund feine große Gefolgschaft befizt, wurde die Haussuchung bei den führenden Perfön. lichkeiten der Bewegung vorgenommen. Beschlagnahint wurden nur solche Gegenstände, die dem Stahlhelm als solchen und dessen Unterorganisationen oder Mitgliedern unmittelbegehren Presse durch sämtliche deutschen Rundbar dienten, wie Fahnen, Abzeichen, Rundschreiben und dergleichen. funtfender erwidern lassen. Die beschlagnahmten Gegenstände werden beim Polizeipräsidium ciner genauen Nachprüfung unterzogen werden.
Im Zusammenhang mit der Durchsuchung der Wohnung des Die Einbeziehung der anderen Organisationen rechtfertigt sich Landessportwarts des Stahlhelms, Major Heider, wurden Gerüchte laut, daß sich die Maßnahme der Polizei auch gegen das Boltsbegehren richte, da Major Heider gleichzeitig Borfizender des Bezirksausschusses für das Volksbegehren ist. Wie wir erfahren, trifft dies nicht zu. Die Gerüchte dürften dadurch entstanden fein, daß Heider beide Aemter verwaltete.
Gemäߧ 3 a. a. D. werden alle Gegenstände der Bereinigung oder ihrer Mitglieder, welche den verbotenen Zweden unmittelbar gedient haben, zugunsten des Reichs beschlagnahmt und ein
gezogen.
Tafel einer der oberen Klaffen des Kreuznacher Gymnasiums Am Tage nach dem Tode des Reichsaußenministers stand an der
in großen Buchstaben: Stresemann weg, Gott sei Dank und Bravo ! Weder von den Lehrern der Klasse noch von der Leitung der Schule ist gegen die Urheber dieser Schändung des foten Staatsmannes bisher etwas unternommen worden. Nicht einmal eine Untersuchung wurde eingeleitet.
Beschimpfung Hindenburgs.
Weil er dem Sarge Stresemanns folgte. Reichspräsident v. Hindenburg hat es sich nicht nehmen lassen, vom Reichstag bis in die Wilhelmstraße hinter dem Sarge Stresemanns herzuschreiten. Niemand hätte erwarten können, daß er wegen dieses Attes der Pietät öffentliche Angriffe erfahren würde. Und doch geschieht es. Der Angriff des nationalsozialistischen Reichstagsabgeordneten Goebbels begnügt sich nicht damit, dem toten Minister ais dem ,, Vater der Not" einen ,, letzten Fluch" nachzusenden, er wendet sich dann auch noch mit folgenden Schmähungen gegen den Reichspräsidenten :
Die Republik freilich läßt es sich etwas tosten, eine allgemeine Bolfstrauer norzuspiegeln. Schleppt man doch sogar den armen, alten Hindenburg hinter dem Sarge her, wie einen unterworfenen Barbaren fürsten hinter dem römischen Triumphwagen. Ein flägliches Schauspiel! Wir haben neulich anläßlich der schweren Beleidigung des Reichspräsidenten durch den nationalsozialistischen Grafen Reventlow die Frage aufgeworfen, was die Deutschnationalen tun wollen, um den von ihnen auf den Schild erhobenen Reichspräsidenten gegen die Beschimpfungen und Berleumdungen ihrer Bundesgenossen zu schützen. Eine Ants wort ist nicht erfolgt, sie wird auch diesmal nicht erfolgen. Auch Hindenburg ist heute vogelfrei, als ob er ein Sozialdemokrat wäre!
- -
Umsturz in Afghanistan . Kabul im Befih der Freunde Amanullahs. Termez ,( Ruff.- Zentralafien) über Moskau , 9. Oktober. ( Sowjetagentur.)
Kabul wurde geffern um 4 Uhr früh von den Truppen Nadir Khans unter Führung seines Bruders Schachwali Khan besetzt. Balsha Safao( Habibullah ) nahm Zuflucht in die Zitadelle Ark. Nadir Khan entfandle in der Richtung Dichelalabad starke Kräfte, um sich den von Habibullah herbeigerufenen Truppen aus Kuhiffan entgegenzustellen.
Kampfder Hugenberg- Lüge!
Gevering gegen Geldte, Hugenberg , Hitler und Co.
Reichsinnenminister Severing sprach am Mittwoch abend| gesellschaften und ihrer Ueberwachungsausschüsse: nur die Reauf der deutschen Belle über das Volksbegehren der gierungen tragen die Verantwortung für ihren auf der deutschen Belle über das Volksbegehren der Rechtsputschisten. Der Vortrag wurde auf alle deutschen Inhalt. Sender übertragen. Fünf weitere Vorträge über das gleiche Thema, von anderen amtlichen Persönlichkeiten gehalten, werden in der nächsten Woche folgen.
Der Reichsinnenminister vertrat in feiner Rede nicht nur seine persönliche Auffassung, sondern die des Gesamtfabinetts. Im einzelnen führte er u. a. aus:
Mir ist in einem Blatte der Rechten die Absicht unterstellt worden, mit der schnellen Festsetzung der Eintragungsfristen die Front der Rechten in ihrem Aufmarsch überrumpeln zu wollen. Diese Unterstellung lehne ich auf das Entschiedenste ab.
wie ich überhaupt dafür Sorge tragen werde, daß Entstellungen und Unrichtigkeiten in der Kritik der Politik der Reichsregierung auch an dieser Stelle fofort berichtigt und Anwürfe gegen die verantwortlichen Träger der Reichspolitif zurüdgewiesen werden! Die Antragsteller des Volksbegehrens scheinen allerdings der Meinung zu sein, daß nur sie das Recht hätten, beliebig agitatorische Behauptungen aufzustellen und daß es der Reichsregierung verwehrt sei, diese handgreiflichen unwahrheiten zu berichtigen. In der vom Hugenberg- Konzern herausgegebenen Zeitung, im deutschnationalen Tag" wurde es am Mittwoch als parteipolitischer Mißbrauch des Rundfunks bezeichnet, daß ich als verantwortlicher Ressortminister es unternehme, die Bevölkerung auch durch den Rundfunk über den wahren Stand der Dinge auf zuklären. Ich benuße diese Gelegenheit, um auch diese Behauptung des angeblichen Mißbrauchs des Rundfunks zu widerlegen. Nach den zwischen der Reichsregierung und den Ländern vereinbarten amtlichen Richtlinien für den Rundfunt steht der Reichsregierung ebenso wie den Länderregierungen ausdrücklich das Recht zu, amtliche Vorträge und Nachrichten nach eigenem Ermessen durch den Rundfunk zu perbreiten. Diese sogenannten Auflagevorträge und Nach richten stehen außerhalb der Verantwortlichkeit der Sende
|
Es ist doch eine Selbstverständlichkeit, daß jede Regierung das Recht, ja die Pflicht hat, gegenüber einer die Oeffentlichkeit fo gröblich irreführenden Propaganda, wie sie jetzt beim Bolfsbegehren gemacht wird, die Bevölkerung über den wahren Sachverhalt zu unterrichten.
Das ist teine Parteipolitif, sondern lediglich amtliche Fest. stellung der Wahrheit. Da das Recht zu solchen amtlichen Rundgebungen in den Richtlinien des Rundfunks den Regierungen ausdrücklich vorbehalten ist, so kann von einem Mißbrauch des Rundfunts gar keine Rede sein. Auf der anderen Seite ist die Reichs= regierung entschlossen, auch den Antragstellern des Volksbegehrens volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, indem sie einen möglich st reibungslosen Verlauf der Abstimmung sichert.
Das Unterfangen der Herren Seldte und Hugenberg ist aussichtslos.
Selbst wenn es ihnen gelingen sollte, auf ihre Vorschläge im Volts. begehren die erforderlichen 4127 889 Stimmen zu ver einigen, so würde das vorgeschlagene Gesetz im Reichstag teine Mehrheit finden, es müßte also gemäß Artikel 75 der Reichsverfaljung einem Volksentscheid unterbreitet werden. Bei diesem Volksentscheid müßte die Mehrheit der Stimmberechtigten, müßten also mehr als 20 Millionen deutsche Männer und Frauen, sich für dieses Gesetz der Herren Seldte und Hugenberg , neben denen auch Herr Hitler steht, erklären. Daß das nicht geschehen wird, nicht geschehen kann, darüber gibt es bei keinem Einfichtigen einen Zweifel. Wenn in einer Versammlung in Hildes heim von einem Beauftragten des Herrn Reichstagsabgeordneten Sugenberg gesagt worden ist: daß Herr Hugenberg selbst mit einem fiegreichen Ende des Kampfes rechne, ersehe. man daraus, daß er zum 22. November einen deutschnationalen Parteitag nach Kassel einberufen habe, so ist das eine mindestens sehr merkwürdige