Freitag 11. Oktober 1929
Unterhaltung und Wissen
Beilage des Vorwärts
Srederik tPoulfen:
3)as gute S
(Schluß.) „Ctem liegt in ihrem Bett und hat es gut," sagte die Mutter, „jetzt wollen wir dir aus den Sachen helfe», mein armer, lieber Junge. Ach, Irini, siehst du die blutigen Streifen auf seinem Rücken? Nimm ein Stück Leinwand vom Gesims in der Schlaf- kammer. Im Küchenschrank ist Del im der Flasche. Du wirst gut verbunden werden, Jannakis, du mein Augapfel." .Me gut du bist, Mutter, und ich kann es dir nicht vergelten." .Still, mein liebes Kind! Nur weil du lebst, nur weil ihr lebt, ihr meine kleinen Duellen, lebe ich auch noch. Sonst wäre Charos mein Bräutigam." Ein Abgrund öffnete sich vor Mitsos. Für die anderen würden Tränen rinnen wie Bergbäche im Frühling, während er im Spinn- web des Totenreiches gequält würde. Ach, diese Esel, wie er sie alle haßte! Er wollte nicht wieder hinein. Ruhelos und hungrig trieb er sich auf dem Landweg umher. Er verfluchte sie alle, während ihre gegenseitigen Liebeswort« in seiner Seele brannten. Cr wanderte und wanderte, im Sonnenschein und bei Sonnen- Untergang, in der Finsternis und bei Mondschein. Wenn er den Kopf rückwärts drehte, erblickte er die Gipfel des Taygetos , schwarz von treibenden Wolken selbst bei Mondlicht. Er dachte an das Volkslied: Was sind die Berg« so schwarz, So von dunklen Farben verhülli? Bekriegt sie der Wind? Peitscht sie der Regen? Kein Wind bekriegt sie, Kein Regen peitscht sie: Charos zieht vorbei mit den Toten. Plötzlich erinnerte er sich auch an den Schluß: Di« Seele bittet Charos, in» Dorf zu ziehen und an der kühlen Duelle zu rasten. Charos antwortet: Dort können wir nicht rasten, Di« Mütter würden Wasser schöpfen lind ihre Kinder sehen, . Die Gatten würden sich erkennen \ Und nicht zu trennen sein." Seine Frau aber würde sich nicht an ihn schmiegen, sie würde eh» noch Charos bitten, ihn fester an den Sattelknauf zu binden und weiter zu reiten. Und kein« Träne würde stießen, keri Schluchzen würde ihn erquicken. Mitsos kam an den Fluß Magula und stand ratlos auf der Brücke. Ungern wäre er zur Nachtzeit durch Sparta gegangen. Herberge suchen wollte er auch nicht. Weshalb sollten die Leute sich wundern? Aber er war müde wie ein Bettler, und wie ein Bettler mußte er ein Nachtlager suchen. Er schlich sich in die Felder, riß und stach sich an den Kaktushecken, fand endlich einen strohgedeckten Schuppen am Fluß und warf sich nieder. Die Nochtkällc ließ ihn vor Sonnenaufgang munter werden. Der Mond war verschwunden, Mitsos bahnte sich einen Weg durch die Dunkelheit zum Fluhufer hin. Er wusch Gesicht und Hände in dem kalten Wasser. Als er wieder aufstand und den Kopf hob, hatte er eine Erscheinung, die Ihn starr machte vor Entsetzen. Der Himmel hatte sich geöffnet. Durch einen Spalt im Westen blickte er direkt in den weißen Himmel hinein. Ein Aufblitzen, der Spalt wurde größer, eine Tür öffnete sich, und Engel mit weißen Flügeln schwebten hervor. Mitsos ertrug es nicht länger. Er fiel nieder auf sein Angesicht und betete. Er war wie Paulus auf dem Weg nach Damaskus . Er fühlte Reu« und gelobte Besserung. An seiner Seite gluckst« das Wasser de, Flusses und dieser friedliche gleichmäßige Laut tat ihm wohl.- Etwas späte? stand er auf und ging. � Erst als es ganz hell geworden war, sah er sich wieder um. Der ganze Schneerücken des Taygetos war in der klaren Morgensanne sickstbar. Einen Augenblick streifte ihn wohl der Gedanke, daß er vorhin den ersten Sonnenstrahl aus dem Schnee gesehen horte. Aber er wies den Gedanken von sich. Dann wäre ja nichts daran gewesen. Die Engel hatte er doch gesehen. Und Engel wanderten ja nicht auf Berggipfel umher, sie waren in Luft und Himmel zu Hause. Als er den roten Höhenzug diesseits des Eurotasslusses erreicht hatte, drehte er sich um und überblickte dos Tal. Spartas klein« weiß« Häuser lagen da, umrahmt von grünem wogenden Korn, in dessen Fläche dunkle Dlivenbäume und helle Maulbeerbäume Muster bildeten. Der Drangendust aus den Gärten Spartas kam ihm entgegen zugleich mit dem Geräusch rinnenden Wassers. Mitsos faltete die Hände um seinen Stab und dachte, daß sein Land gut und schön sei. Wahrlich, er war stolz darauf, Lakonier zu sein. Um die Mittagszeit erreichte Mitsos Wafio. Der Bauer Eafiris trat gerade aus dem Stall, nachdem er nochmals versucht hatte, die verfluchte Kuh zu melken. Am vorigen Abend hatte er die Kuh noch«ntschuldigt. Sie war wohl müde von der Wanderung des Tages. Am anderen Morgen war die Erklänmg schon etwa» schwieriger, warum aus dem einen Strich nur ein wenig Milch tröpfelte und au» den anderen drei gar nichts. Aber als es zum dritten Mal« schlecht ging, schäumten seine Lippen und das Licht de? Wahrheit erstand vor seinem inneren Auge. Da Safiri» Unerwartet Mitsos vor sich sah, vollführte er die schrecklichste Gebärde des Fluches: er str«ckt« die Arme aus wie zum Willtommensgruß, beugte sie und schleuderte etwa» Unsichtbares Widerliches rückwärts über die linke Schulter. Dieser Gruß kann in zweifacher Weis« beantwortet werden: der Feige schleicht mit einem Achselzucke» davon, der Ehrenhaft« nimmt einen Stein oder ein Messer zur Hand. Mitsos aber tat keine von beiden, er stand ganz ruhig da und reichte da» Geld hin— 260 Drachmen— und bat s«ine Kuh zurück. Da» war ja sehr merkwürdig. Der Bauer kratzte sich im Racken und begriff, daß er noch einmal geneppt werden sollte. Waren die Hörner mit Edelsteinen gefüllt? Oder waren Goldstücke ins Euter eingenäht, so daß da keine Milch herauskam? Safiri» blickte auf die Drachmen, stierte Mitsos ine Gcsickst und sagte: „Ich möchte gern die Kmh noch einige Toge�behalten." .Wo» soll dos heißen? Eben verfluchtest du mich und jetzt, wo ich komme und alles wieder gutmach«» will, willst du die Kuh nicht fortgeben? Bist du verrückt geworden?" .Nein, da- nicht, aber ich kann mich nicht ja schnell von der
Kuh trenne«. Ich habe sie lieb gewonnen, als ich mit ihr abzog. Sie hat so liebe Augen. Jedenfalls will ich sie noch em wenig de- halten." Was der ander« auch einwandt«, es half nichts. Mitsos mußl« ohne seine Kuh wieder nach Mistra. Mit erhobener Stirn und leuchtendem Anlitz trat Mitsos in sein Haus und ging an Jannakis' Bett. Er erzählte von dem Himmelsgesicht und von der Kuh. Das erst« klang recht glaubhaft, das zweite dagegen erregte dos Mißtrauen von Jannakis. Mitsos mußte beim heiligen Michel schwören, bevor der Sohn ihm glaubte. Die Frauen kamen herein, und jetzt erst merkte Mitsos, daß er hungrig war. Länger als oierundzwanzig Stunden hatte er nichts gegessen. Trotzdem bat er sie sanft, sich nicht imnötig zu beeilen. Er könne warten. Während die Hansfrau und Irini!k» der Küche arbeiteten, sprach Mitsos sich mit seinem Sohne aus. „Jannakis, ich bin ein großer Sünder gewesen, aber mm will ich Buße tun. Du bist so gut und fromm, Jannakis, hast du keine Lust, Mönch zu werden? Dann kannst du für deinen Vater beten, auch wenn ich tot bin. Du bist niein einziger Sohn, aber ich will gern ein Dpfer bringen." Jannakis dacht« ein wenig nach dann antworteke er:„Ich will nicht ins Kloster gehen, Vater. In den reichen Klöstern sind die Mönche hofsärtig und weltlich. Die armen Klöster haben keinen Zuspruch Wenn die Mönch« nicht selbst genug Brot haben, hat man kein Zutrauen zu ihnen. In alter Zeit ehrte man die Heiligen, gerade weil sie arm waren. Jetzt ist die Welt gierig und gottlos." „Aber Jannakis, könntest du sie denn nicht bessern, indem du in die Berge hinausgehst und Einstedler wirst und predigst?" „Der Mann, der in die Einsamkeit geht und über die Welt we.int, wird ohne Augen sterben. Mein Vater, ich bleibe hier und tröste die Frauen. Die meisten Frauen sind unglücklich. Sie kommen zu mir, ich spreche mit ihnen und muntere sie auf. Alte Hexe, sagen die anderen Jungen und spucken sie an.— Alte fromme Frauen, die viel ertragen und viel geweint haben, sage ich.— Sprich zu uns, du kleiner Gottesengel, und sage uns, wozu wir leben, klagen die Frauen, wenn ihr Mann sie schlägt oder ihr kleines Kind stirbt. Dann spreche ich zu ihnen von den Prüfungen der heiligen.Männer,
und ihre Tränen versiegen. Deshalb muß ich viel lesen, Bater. Ich muß für jeden Kummer, den sie mir erzählen, eine Geschichte kennen. Denn die Frauen halten es nur aus zu leben, wenn sie etwa, über andere zu hören bekommen, die mehr litten als sie selbst und doch in Frömmigkeit durchs Leben wanderten. Deshalb will ich nicht ins Kloster gehen. Wenn ich als Mönch dasäße und die Hand einer Frau in meiner Hand hielte, würden die Leute mir mißtrauen. Laß mich lesen, Vater, und klug werden, damit ich die Frauen trotz aller Tränen zum Lächeln bringen kann." Mitsos verstand ihn nicht ganz, aber es war doch etwas Großes und Seltsames in den Worten des Jungen, das ihm überwältigte. Er beugte das Haupt und bat: „Segne mich, Sohn Jannakis." Als die Frauen mit dem Essen kamen, lag Mitsos am Bett weinend auf den Knien. Frosini bekreuzte sich und murmelt«: ,/£in Mund voller Honigsüße ösfnet sogar ein eisernes Tor." Einige Tage später kam der Bauer aus Wafio nach Mistra. Tief beschämt stand er vor der Haustür. Er hatte die Kuh ge- schlachtet, hatte sie an allen Ecken aufgeschlitzt, die Hörner und jeden Knochen gespalten, aber nichts entdeckt, was den heimlichen Wert der Kuh erklärt«. Und jetzt weinte er und bat um das Geld oder um einen Teil davon. Mitsos führte Safiris zu Jannakis hinein, der noch im Bett lag, und ließ den Knaben dos Urteil.sprechen. „Ihr sollt alle beiden leiden", sagt« Jannakis,„Bater für seine erste Handlung, Safiris fiir sein Mißtrauen. Die Kuh war nur die Hälfte wert. Die andere Hälfte wird in zwei Teile geteilt, den eine» Teil nimmt Safiris, den zweiten Teil bekoimnen die Armen." So wurde es gemacht. Sie«'Inigten sich dahin, die Geschichte nicht weiter zu erzählen. Sie war ja auch nicht besonders ehrenvoll für die Beteiligten. Jannakis durfte lesen und wurde einer der berühmtesten Ge- lehrten des Landes. Er wählte sich ein« arme Frau: Wenn er zu Besuch nach Hause kommt, strömen alle Frauen und Kinder aus Mistras Gärten zusammen und bringen ihm frisch« Blumen. Mitsos ist alt geworden. Er sieht dem Tode ruhig entgegen. Die Frauen des Hauses werden ihn die«rsten Jahr«, die für den Toten am schwersten sind, beweinen. Wenn die ersten Jahre über- standen sind, so ist es der Seele leichter, sich zu bergen. Vielleicht kann Jannakis' Fürbitte ihm Eingang verschaffen zu jener Pforte, die sich schon einmal, als er noch ein großer Sünder war, vor s«lnen sehenden Augen geöffnet hat. dem Dünischen flbeesetzt von 9. Luschtto!.)
Akan« Sochacsetver: IUI Clljfl?
Aus dem im Paul-zsolnan-Berla». Berlin -Wien , erscheinenden Roman von Hans Eochawwcr„Menschen nach dem Nrieae' verSsfent. lichen wir mit Senedmiguna des Vcrlaaes folgenden Abschnitt: „Wissen Sie, Herr Nock, ich werd« Ihnen mal etwas erzählen. Sie als Regisseur werden vielleicht zu würdigen wissen, was ich berichte. Ick) bin erst cinundvierzig Jahre, und es geht mir seit einer Reihe von Iahren ganz gut. Wirtschaftlich meiiw ich. Ick) leb« ohne Sorgen, ich muß nicht mehr auf meine dicken Finger passen, ob ein Hundertmarkschein zu leicht und zu leichtsinnig durch sie gleitet: will er, so mag er's. Ainen. Dann gibt's Ersatz auf meinem Bankkonto. Ick) bin kein Protz, hören Si«, ober es geht eben leidlich. Nun, verheiratet bin ich nicht. Da hat man denn seltsame Erlebnisse. Du lieber Gott, ich werde meine Unanständig- ketten l'egehen im Leben wie jedermann. Wie jeder Mann. Wenigstens sind mir Ausnahmen nicht bekannt geworden. Aber manchmal... denken Sie sich, manchmal, wenn ich in einer fremden, halbfmnden Stadt bin, allein, denn ich reise niemols mit einer Frau gemeinsam, ist mir zu unbequem, man kaum sich nicht rühmen. Ich verlier« geradezu die Lust, sobald ich weiß,«ine Frau ist neben mir, die ich nicht nach Belieben wegschicken kann. Sie begreifen, dos braucht um des Himmels willen nicht grob zu ge- schehen, es handelt sich mir darum, durch«in Wort, ein gutes Wort, allein zu sein, statt zu zweit— ja, wo wollt? ich hinaus? Ja, also, in einer fremden Stadt allein kann es mir geschehen, daß es mir doch und allem zum Trotz leid tut, eine Freundin nicht mitgenommen zu hoben. Ich bin nicht gebildet, ich Hab« knapp Volksschulbildung, ich weiß den Teufel etwas von Kunststil und Kunstschulen oder Zeitaltern, und Gotik und Barock sind nur Worte für mich, keineswegs Begriffe; was ist der Unterschied im Stil? Wann entstanden diese, wann jene Werk«? Davon Hab« ich keine Ahnung. Aber, wissen Si«, Nock, auch ohne das kommt es vor, daß mich, wenn ich «in gutes Projekt abgeschlossen habe und durch die Straßen schien- dere, eine Kirche packt oder ein anderer Bau: es gibt mir geradezu einen Stich. Ich kaufe nur dam Ansichtskarten von solchen Häusern oder Gotteshäusern; ich bewahre schon ein Schock. In solchen Augenblicken eben bedauere ich, der Freundin nicht zeigen zu tönmen, was mich rührt. Dann denke ich, sie kennt dich nur als einen Mann, der ihr leicht Geld schenkt oder einen Pelz, als eine im Grunde des Berliebtfeins ganz unwürdige Figur, die man»m- armt, mit der man zusammen lebt, um gut leben oder doch besser, als man es sanft könnte. Vielleicht, denk« ich, würde das Mädchen einen richtiger kennen lernen, wenn sie einen so sähe. Na, und dann endet's damit, datz ich in irgendein Kassechous laufe. Und mm hören Sie mal. In allen Kaffeehäusern sitzen stets neben den jungen Lernten und Händlern, die«Waas besprechen, und Frauen, die warten, ältere einsame Männer. Haben Sie die schon einmal beobachtet?" Nock spürt« ein«n fragenden Blick. Holunder hatte sich längst wieder gesetzt; er sprach nicht ganz deutlich, weil er seine Zigarre während der Rede nicht aus dem Munde nahm; dadurch wurde seiner Erzählung in gewisser Weise die leicht« Sentimentalität, die ihr anhaftet«, entzogen. „Weiter, Herr Holunder," sagte Nock. „Na, also, Herr Nock, ich jedenfalls habe sie oft beobachtet. Zw«! Drittel von ihnen sind über die fünfzig weg. Von ihnen wiederum ist höchstens»in Drittel verheiratet. Da liegt der Fall klar. Ts sind Männer, dt« auf«in paar Stunden einem Krach entgangen sind, bis zum Half« überdrüssig der Frau, der Kinder, der Sttiben- lust, d«r Bettenlust, der Stink-, wollt« sagen, her Stickluft dccheim. Da sitzen sie nun und wollen nicht an daheim denken, überhaupt nicht grübeln und glotzen in ihren Kaffee, der nicht viel taugt, oder vielleicht in den Tee oder Glühwein. Und bisweilen essen sie ein Stück flvchen, was schon geradezu kindlich anmutet; bitte, stellen
Sie sich so einen Fünfundsünfzigjährigcn vor, dem etwas Apfelkuchen mtt Sahne an der Mundecke hängt. Na, also. Zwei Drittel jener zwei Drittel aber, die über die Fünfzig hinaus sind, gehören den Junggesellen an. Man ahnt es sofort. Sie knautschen an Ihrer Zigarre wie ich, halb zufrieden, halb unappetitlich, bisweilen blicken sie in eine Zeitung, die sie gar nicht interessiert, oder sie suchen ver- geblich in Witzblättern nach einem neuen, nicht zu anständigen Wi!.;, den sie weitererzählen könnten. Dder sie holen ein Stück Papier aus der Tasche, reichlich zerknittert, ähnlich wie Iungens Bindfaden aus der Hosentasche ziehen, und bedecken das Papier mit Zahlen. Kann ja sein, daß das Ziffern ihres Umsatzes, ihres Verdienstes sind. Ernsthafte Zahlen also, kann ja sein. Dach ich glaube eher, es ist Humbug. Sie langweilen sich nur, die armen Kerls, der Tag ist vorbei oder wenigstens der Arbeitstag, niemand hört sie mehr mtt an, keiner empfängt sie, das Nein« Hotelzimmer ist ihnen ein Graus, sie kennen es auswendig, da sitzen sie also in ihren, Cofä und tun, als täten sie. Glatzen, müde Schädel alle miteinander, und natürlich nicht nur Kaufleut«. Einigen sieht nwn an, daß sie das Cafe und die Stadt kennen, das sind die Sicheren. Für sie ist trotz ihrem Alter und ihrer zweifelhaften Beschaffenheit Abwechslung möglich. Aber die meisten sind fremd. W»s sollen si« denn be- ginnen? Gott , vor lauter Langeweile nehmen sie sich ein Mädchen. Und nun hören Sie mal. Kürzlich saß ich in einer großen deutschen Stadt in einem Cafe. Stand auf. Ging hinter einem Mädchen her. Ich hotte zuvor gerade bedauert, allein zu sein, dachte etwas an sin Mädchen, das ich leiden kann, und darum sind wir bisweilen zusammen, ich weih nicht, ob's ihr angenehm ist, hob' mir das Fragen danach abgewöhnt. Aber plötzlich wendet« sich das Mädchen um. Es war ein ganz junges Geschöpf, kern» von der Straße, und «rst siebzehn, achtzehn Jahre alt. Wissen Sie, ich schwankte geradezu zwischen Begierde und Väterlichkeit. Und sah herausfordernd aus. soweit ich das kann, also vielleicht etwas frech, aber auch so, als wäre da etwas Zärtliches und so, als empfing« das Mädckzen zum ersten- mal einen solchen Blick. Während ich e» so anschaute, verliebte- ich mich gerade.Kl und dachte, schade, daß sie nichts von dir wird wiflen wollen. Sie aber wandte sich ab mit einem Ausdruck, ja, wie fall ich Ihnen das sagen? Als- sei sie bereits aller Erlebnisse satt, als empfände sie alles bereits als widerwärtig; sie wurde in diesen wenigen Sekunden um Jahre älter im Gesicht. Ich, wissen Sie, bekam einen solchen Schreck. Sie können sich's kaum denken. Na es endete damit, daß wir zusammen im das Hotel gingen. Und dort—" Holunder stand wieder auf, streift« erneut die Asche van seiner geliebte» Zigarre, schnüffelt? etwas:„Und dort, wissen Sie, siegt« das Väterliche. Ick) kann das nicht ausführlich erzählen. Es würde sich auch lediglich schlecht anhören. Ich bin sowieso sehr wettläusig gewesen. Das Däterliche jedenfalls siegte. Sie tot mir leid. Natür- lich hatte sie Hunger. Tat etwas hochmütig. Wenn man auch so schön ist. Außerdem hatte st« wohl Angst. Ich freute mich anfangs sehr, si? zu einem Kuß bewegen zu diirfem. Aber dann... Gott , wie jung sie war. Ich mochte nicht. Ich rief nur: essen Sie, junges Fräulein, essen Sie, nur los. Und'sie schluckt«, immer der Reihe nach Suppe, Tränen, Broten, Tränen. Als da» Kompott kam, er- zählt« ich ihr einen Witz. Wissen Sie, so einen, wj« Sie ihn Ihrer Mutter erzählen dürfen. Sie lochte, die Kleine. Na. und dann ging sie fort. Mißverstehen Sie mich nicht, das olle« fiel mir nur «in, w� ich von ihr träumte vorgestern. Im Grund« lag mir mir daran, Sie auf diese Leute in den Kaffeehäuser» aufmerksam zu machen. Sehr wahrscheinlich hoben Sie selber schon-darauf geachtet. Nur, Sie verstehen doch, ich wollte Ihnen zeigen, daß auch ich mich zu orientieren weiß. Daß auch ich nicht nur den Blick besitze für da» Geschäftliche, sondern«ftich für b» Welt. Richtig, da» noch. Immer, wenn ich dies« einsamen Männer da hocken sehe, den?' ich, wer wird zugegen sein, wenn sie krank sind."