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1929
Erfdetut tagli
Der Abend
asser Sonntag
Sugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition; Berlin SW 68, Lindenstr. 3
Spalausgabe des„ Vorwärts"
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Nr. 478
B 238 46. Jahrgang
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Nationale Geschäftemacher.
Das Bankrottspiel einer Hugenberg- Bank.
Den nachstehenden, für die Geschäftspragis deutsch nationaler Politiker tennzeichnenden Artikel, entnehmen wir der Nummer 2 der sozialdemokra tischen Zeitschrift Das freie Wort".
Die Gemeinnützige Siedlungs- Attiengesellschaft Landbank sah fich am 8. Januar 1926 gezwungen, beim Amtsgericht Berlin- Mitte den Antrag auf Verhängung der Geschäftsaufsicht 311 stellen. Aufsichtsratsvorsitzender der Landbank war Geheimrat Sugenberg; dem Aufsichtsrat gehörten ferner an: der frühere deutsch nationale Reichstagsvizepräsident, Geheimrat Dietrich Prenzlau, jezt allbekannt als verfrachter General direktor der Raiffeisenbank, Kapitänleutnant Mann, Landesökonomierat Wegener usw.
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Der Antrag auf Geschäftsaufsicht hatte taum Aussicht auf Erfolg. Der vom Amtsgericht Berlin- Mitte bestellte Sachverständige erklärte zusammenfassend in seinem Gutachten: Borliegend find nach Ansicht der Unterzeichneten die Voraussetzungen für eine Geschäftsaufsicht nicht gegeben. Dieselbe fann auch der Schuldnerin nichts nügen, wenn nicht eine fräftige Hand unterstützend einspringt oder der Staat sich finanziell der Sache annimmt. Selbst ein Kontursverfahren fann hier in Ermangelung aller Mittel nicht in Frage tommen, es sei denn, daß zur Bestreitung der notwendigen Bedürfnisse und der Kosten des Verfahrens ein Vorschuß Don menigstens 150 000 Reichsmart zur Verfügung gestellt wird."
Die Landbank( Aufsichtsratsvorsitzender Geheimrat ugen. berg) war also bankrott, superlativisch bankrott, denn der ge= richtliche Sachverständige nahm an, daß die Eröffnung des Ronfurses mangels Masse nicht stattfinden könne. Immerhin entwarf der Vorsitzende der Landbank ein Schreiben an das Amtsgericht Berlin- Mitte vom 28. Januar 1926, handschriftlich persönlich mit den Anfangsbuchstaben gezeichnet von den Direktoren der Landbank Paschte, Tetens und Strezemfti morin der Antrag auf Eröffnung des Konkurses der Landbank gestellt wurde. Dieser Konkurs der Landbank( Aufsichtsratsvorsitzender Geheimrat Hugenberg) wäre ein
Musterexemplar eines befrügerischen Bankrottes
gewesen und hätte die dafür Verantwortlichen, Borstand und Auffichtsrat, ins Gefängnis oder Zuchthaus bringen müssen: es lagen ungefähr fämtliche Kontursverbrechen ver, die es überhaupt gibt.
Die Geschäftsführung der Landbank( Aufsichtsratsvorsitzender Geheimrat Hugenberg) fann sich getrost neben die. der Raiffeisenbank stellen; sie nehmen sich beide nichts. Aus der Fülle der abenteuerlichen Geschäfte der Landbank nur ein paar Beispiele: Die Landbank besaß in Eduardsfelde, Provinz Posen , ein Gut.
Dieses Gut tauschte sie gegen ein Gut in Havelberg ein und verfaufte es an einen Gutsbefizer W. Nach allerlei Verrechnungen blieb W. aus diesem Gutskauf 370 000 Mart schuldig. Die Landbank gab dem W. weiterhin Kredit im Jahre 1917: 210 000 Mart, 1918: 150 000 Mart, 1919: 150 000, 1920: 1699 000 Mart, 1921: 5 190 500 Mart, 1922: 1 154 100 Mart, insgesamt war
Das neue Heim des 3dA.
Ein gewerkschaftliches Meisterwerf.
Berlin ist um eine Sehenswürdigkeit reicher. Das ist teine Uebertreibung. Man sehe sich nur Hedemannstraße 12, im Erdgeschoß, die bildhaften übersichtlichen Darstellungen über die Leistungen und Entwicklung des Zentralverbandes der Angestellten an. Ebenso übersichtlich und sinnvoll sind auch alle Innenräume, vom Erdgeschoß bis zum 4. Stod, gestaltet.
Die Ortsverwaltung des 3d A. ist so gewachsen, daß fie für ihre Zwecke ein eigenes Haus mit vier Stockwerken im geschäftlichen Zentralpunkt Berlins braucht. Zur Bequemlichkeit der Mitglieder sind im Erdgeschoß des neuen Hauses, das von dem Architekten Albert Gottheiner zu einem Schmuckästchen umgestaltet worden ist, alle Einrichtungen untergebracht, die von den Mitgliedern selbst am stärksten in Anspruch genommen werden. Da ift die Stellenvermittlung, die Unterstützungsabteilung
ZENTRALVERBAND DER ANGESTELLTER
und die Berufskrankenkasse. Alle Räume sind freundlich und zwec
W. der Landbank über 1 million Goldmark schuldig geworden. Er hat darauf knapp 3000 Mark abgezahlt, während der noch immer über 1 Million betragende Rest einfach ausgemäßig gestaltet worden. bucht worden ist. Das war auch das Bernünftigste, was man tun fonnte; denn die Wechsel des W. waren schon erfolglos zu Protest gegangen, ehe man ihm das Eigentum an dem Gut übertrug und ehe man ihm den ersten Kredit eröffnete; schon zu der gleichen Zeit hatte W auch den Offenbarungseid geleistet!
Die Landbank brauchte wieder einmal Geld. Sie wandte sich Deshalb an Frau von Gamp, die Witwe des befannten früheren freitonservativen Reichstagsabgeordneten Freiherrn von GampMassaunen und entlieh sich von ihr gegen eine Vergütung von 80 000 Mart ein Paket 3. G. Farben- Aktien im Werte von etwa 800 000 Mark; diese Aktien sollten bei einer Großbant lombardiert und dadurch der Landbank flüssige Mittel zugeführt werden. In Wahrheit wurden die Aktien einer minderwertigen Kleinbankfirma Blaustein u. Härtel übergeben und bei einer Privatbant nicht etwa für die Landbant, sondern auf den Namen von Herrn Blaustein hinterlegt. Herr Blaustein hat sich dann natürlich eines Tages die Aftien abgeholt, als fie im Kurse stiegen, und
die Landbank hat die Affien nie wieder gesehen. Sie mußte sie wieder beschaffen, und da der Kurs der 3. G. Farben Aktien damals sehr erheblich gestiegen war, hat sie dafür eine große Mehraufwendung machen müssen und dieses Kreditgeschäft mit einem Berlust von 791 351,60 Mark abgeschlossen. Bei ähnlichen Finanz ( Fortsetzung auf der nächsten Seite.)
Der erste Stod ist mit den verschiedenen Abteilungen der Berwaltung ausgefüllt. Hier sind untergebracht die Kartel, das Archib, die Regiftratur, die Bücherei sowie die notwendigen Einrichtungen zur Abwicklung des Berkehrs mit den Mitgliedern, den Behörden und den befreundeten Organisationen.
Im zweiten Stod sind die verschiedenen Sekretariate Außerdem sind hier das der Fachgruppen untergebracht. Jugendsekretariat, das Bildungssekretariat und das Rechtsschutzfefretariat tätig. Die Geschäftsleitung, die Gauleitung und die Buchhaltung befinden sich im dritten Stod. Hier ist auch ein freundlicher Soulraum eingerichtet, der für die Fachkurse diem.
Im vierten Stod befinden sich die Sizungs- und Ver= sammlungsräume sowie eine Kantine.
Diese etwas trockene Aufzählung gibt nur einen schwachen Einblick von der vielseitigen Tätigkeit des 3d2., der heute im Reich rund 200 000 Mitglieder umfaßt, in Berlin allein 35 000 Mitglieder zählt.
Man kann sich auch nur schwer eine Vorstellung machen von der farbenfrohen und doch so zweckmäßigen und wirklich praktischen Ausgestaltung der Räume. Da ist z. B. der Raum, wo u. a. alle Einladungen und Rundschreiben hergestellt und adressiert werden. Innerhalb drei Stunden können hier die Adressen und Einladungen für 3000 Funktionäre des 3d2. expeditionsfertig gemacht werden,
Da ist
so daß in dringenden Fällen innerhalb weniger Stunden der gesamte Funktionärförper zusammenberufen werden kann. eine andere Einrichtung, die es ermöglicht, jeden Angestellten durch Lichtzeichen sofort zu benachrichtigen, daß er in einem anderen Stod und einem bestimmten Raum verlangt wird. Es würde zu weit führen, alle die wirklich sinnvollen und auch fünstlerisch vollendeten Einzelheiten aufzuzählen und zu schildern.
Wir können dem 3dA. zu seinem neuen Verbandshaus nur gratulieren.
Herr Wilhelm piec.
Der Revolutionär in Filzschuhen.
Die Rote Fahne " beschimpft in der üblichen Manier den Genoffen Künstler, um andererseits die Erhabenheit von Wilhelm Bied, dem ,, lauteren Revolutionär", zu feiern.
Herr Wilhelm Pied ist Berufsrevolutionär, aber in Filzschuhen und mit dem Blick nach der sicheren Kante. Herr Wilhelm Pieck gehörte in seiner sozialdemokratischen Zeit dem Verein Arbeiterpresse und seiner Unterſtügungsvereinigung an. Nach der Revolution von 1918 verblieb er in dieser sozialdemokratisch- freigewerkschaftlichen Einrichtung. Er schätzte die Lebenskraft und die Zukunft der Sozialdemokratie so hoch ein, daß er die ziemlich hohen Beiträge risfierte. Er blieb auch nach der Umorganisation der einzige Kommunist unter den vielen Mitgliedern.
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In seinem ,, revolutionären" Geschäft ist Herr Wilhelm Piec der lautere Revolutionär, der fest an die Machteroberung seiner Partei in Deutschland , an die Zerschmetterung der Sozialdemokratie und ihrer Einrichtungen glaubt im Privatleben zog er es vor, bei einer ausgesprochen sozialdemokratischfeformistischen Einrichtung pensionsberechtigt zu werden, bis diese Einrichtung ihm am 1. Februar 1929 vor einem halben Jahr!- eine Abfindung für seine Beiträge zahlte, um das unnatürliche Verhältnis zu lösen.
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So sehen die ,, lauteren Revolutionäre" aus. Revolutionäre mit bem großen Maul, aber ihr Glaube an die anständige sozialdemo Pratische Arbeiterbewegung, die sie bespucken, ift größer als ihr Glaube an ihre eigenen Phrasen!
Wahrheit Bruhn, M. d.R.
Die Judenfreundschaft des Hakenkreuzlers.
Wir pflegen uns mit der Wahrheit" des Herrn Bruhn sonst nicht zu befaffen. Diesmal müssen wir von unserer Uebung abweichen, weil der deutschnationale Reichstagsabgeordnete und antisemitische Matador bezeichnenderweise ohne seine persönliche Unterschrift- an der Spize seines Blattes eine Erklärung über seine Beziehungen zu den Stlarets abgibt. Ueber die auffälligen Infernte der Stlarets in der Wahrheit" läßt Herr Bruhn sich folgender maßen aus:
,, Herr Bruhn tennt die Stfarets von einer Zeit her, als diese überhaupt noch fein Geschäft hatten, für das sie inserieren konnten. Sie haben nach Uebernahme der KG. so wie in anderen Zeitungen auch in der Wahrheit" inseriert. Daß die Stlarets in der Wahrheit mehr inserierten, war auf ihre persönliche Bekanntschaft mit Herrn Bruhn zurückzuführen."
Herr Bruhn erklärt, daß seine persönliche Bekanntschaft mit den Sflarets zu einer Bevorzugung mit Inseraten, das heißt, zu seiner persönlichen Bereicherung, führte. Etwas unverständlich ist daher, wenn der Artikel in den Schluß ausmündet:
,, Nur insofern fann Herrn Bruhn ein Vorwurf gemacht werden, daß er sich mit Juden in persönlichen Verkehr einließ. Gut, diesen Vorwurf wird er hinnehmen müssen. Weiter ist aber auch nichts zu bemängeln."
Dies verkündet der Mann, der ein Borkämpfer des Radau Antisemitismus in Reinfultur war, dessen Blatt den Kampf gegen die Juden in persönlich zugespigter Form führte!