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Kommunalpolitik der Sozialdemokratie.

Gemeinwirtschaft in den Kommunen.

R. Br. Halle, 12. Oftober.( Eigenbericht.) Die Reichskonferenz für Kommunalpolitik setzte heute ihre Be­ratungen fort. Bor Eintritt in die Tagesordnung sicht der Kongreß den Werbefilm der Altonaer Genossen, der ihre vorbildliche Aufbauarbeit gibt. Borsigender Stelling begrüßt unter herz­lichem Beifall den wieder und hoffentlich dauernd genesenen Genossen Paul Löbe und verliest ein Begrüßungstelegramm Severings, der durch wichtige Dienstgeschäfte am Erscheinen verhindert ist.

Stadtrat Erust Reuter- Berlin

referiert nun über Gemeinwirtschaft in den Kommunen": Es ver­stehe sich von selbst, daß die öffentliche Wirtschaft im Wahlkampfe eine große Rolle spielen werde. Man müsse sich darüber klar sein, daß gewisse Standalaffären von gewissen Leuten nicht aus Reinlichkeitsbedürfnis aufgebauscht werden, sondern daß es sich hier um übelste Wahlma che gegen die öffentliche Wirtschaft handelt. Die Gemeinwirtschaft der deutschen Städte und Gemeinden ist das Produkt einer langen geschichtlichen Entwicklung, die Erweiterung der Gemeinschaft ist allen modernen Industrieländern in verschiede nem Grade und in verschiedenen Formen gemeinsam; sie ist die unvermeidliche Folge der industriellen Entwicklung. Neben die großen Versorgungsunternehmungen ist in zunehmendem Maße die Bodenvorratswirtschaft und der Wohnungsbau der Gemeinden getreten.

Aufmerksames Studium der Entwicklung der öffentlichen Finanzen zeigt, daß der Bedarf an öffentlichen Geldern sich nicht nur in Deutschland , sondern auch in anderen Ländern hauptsächlich auf die Gemeinden verschoben hat. Unsere Gegner sagen oft, daß es in Amerita teine wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand gebe und die Entwicklung dort einen ganz anderen Weg genommen habe. Dem aufmerksamen Beobachter fann nicht entgehen, daß

auch in Amerika die Entwicklung von der Privatwirtschaft zur öffentlichen Wirtschaft

geht. Selbst in New Yort sind unzeichen dafür vorhanden. In einer Demokratie ist es eben auf die Dauer unerträglich, daß größere Privatunternehmungen durch ausgesprochene Monopolwirtschaft mit dem öffentlichen Bedarf Schindluder treiben. Man darf sich jedoch teinem Zweifel darüber hingeben, daß die Gemeinwirtschaft in der nächsten Zeit von den Anwälten des Privatkapitals mehr denn je bekämpft werden wird; sie fürchten das hineinwachsen der Arbeiterschaft nicht nur in die politische, sondern auch in die wirt. schaftliche Macht. Die Sozialdemokratie wird demgegenüber die öffentliche Wirtschaft mit allen Mitteln verteidigen und an ihrem Aufbau tatkräftig arbeiten. Unter allen Umständen muß der Steige­rung der finanziellen Belastung der Gemeindebetriebe unter dem Druck des derzeitigen unzureichenden Finanzausgleichs ein Ende gemacht werden. Die Gemeindebetriebe sollen zwar ange­messene Gewinne abwerfen, fie dürfen aber nicht zu einer inbiretten Besteuerung der Bevölkerung mißbraucht werden. Die private Wirtschaft versteht es glänzend, fich vor sogenannten Standalen zu schützen, dort werden nämlich alle unsauberen Sachen im stillen Kämmerlein erledigt! Wir wollen von den technischen Fortschriten der Privatindustrie lernen, er

zu verteidigen. Sie ist das sichere Fundament einer vorwärts­drängenden Entwicklung. Mit ihr stehen und mit ihr fallen wir. Und da wir nicht fallen wollen, werden wir auf dem Wege des Auf­stiegs weiter poraneilen.( Stürmischer Beifall.)

Ueber die Bedeutung sozialdemokratischer Kommunalpolitik in Landgemeinden referiert Gemeindevorsteher 3 immer- Düneberg Er fordert für die Landgemeinden dieselben Betätigungsmöglichkeiten, wie sie den Städten gewährt sind. Die Partei hat in der Gemeinde­politik auf dem Lande ganz besonders wichtige Aufgaben. In der richtigen Gestaltung der Urzelle der Gemeinschaft, der Gemeinde, liegt der Schlüffel zum weiteren Aufstieg der Arbeiterschaft. Wer der Partei dient, der dient auch dem Gemeindewohl.

Nach kurzer Aussprache hierüber schloß Stelling die Tagung mit Dantesworten an die Parteiorganisation Halle, die unter be­sonders schwierigen Umständen zu arbeiten gezwungen ist. Aber auch hier in Halle, das haben die zwei großen geftrigen Volkskund­gebungen bewiesen, ist der Aufstieg unaufhaltsam. Man kann mit Stolz auf die Verhandlungen der Reichskonferenz zurückblicken. Im Wahlkampf werden unsere Taten für uns sprechen

Mit dem Versprechen, daß die Sozialdemokratie weiter wie bisher alles daran segen wird, um in den Gemeinden, Kreisen und Brovinzen vorwärts zu stoßen und dem Gelöbnis, alle Kräfte für einen Wahlsieg am 17. November einzusetzen, wurde die Konferenz unter Hochrufen auf die Partei geschlossen.

Am Nachmittag besichtigten die Teilnehmer die Schulhaus- und Wohnungsneubauten der sozialdemokratisch geleiteten Land­gemeinde Unterteutschental.

Von Bolschewißenblindheit geheilt.

Panait 3ftrati und Sowjetrußland.

Der Rumäne Panait 3 ftrati, Proletarier von Geburt und im Leben, später gefeierter Schriftsteller, Sowjetrußlands be geisterter Anhänger, tam im Jahre 1926 auf Einladung der Bol schewisten nach Rußland . Hier lebte er. von den Mächtigsten gefeiert und von den russischen Arbeitern als ehrlicher Freund geliebt und geachtet. Am 1. Februar 1928 verlies er fluchtartig das gelobte Land. Und jetzt, anderthalb Jahre später, am 1. Oftober 1929, ver­öffentlicht er in der Zeitschrift La Nouvelle Revue Française" einen Protestschrei gegen die Macht und Gewalthaber Sowjetrußlands. In diesem Land, sagt er, geht es nicht mehr um Sozia'ismus, son­dern um einen Terror, der das Menschenleben als Material des Bürgerkrieges behandelt, dessen man sich für den Triumph einer neuen und ungeheuren Kaste bedient, die in den Fordismus, die Amerifanisierung, die Coty - Produkte und die Pariser Toiletten vernarrt ist, eine

grausame, herrschsüchtige und kriegerische kaste, die heute berett ift, über ein China herzufallen, das wegt, sich von einer Ronzeffion der Barenzeit zu befreien.

Den Anlaß zu diesem Aufschrei bot ein Prozeß, den Istrati während seiner Anwesenheit in Rußland mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln zu verhüten suchte. Der Jude Russakow hatte fich im Jahre 1905 attiv an der revolutionären Bewegung in Rostow beteiligt und war nach Frankreich geflohen. Im Jahre 1919 wurde er gegen französische Offiziere ausgetauscht ,, und ließ sich in Leningrad nieder. Bater von neunzehn Kindern, Schwieger­Die Beratungsstelle für Auslandsanleihen führt lediglich einen Kampfvater des französischen Schriftstellers Victor Serges, der Lenins gegen die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden. Wir werden

wir werden darüber wachen, daß gewiffe moralische Eigentümlich­feiten, wie fie bei der privaten Wirtschaft üblich find, von der öffentlichen Wirtschaft ferngehalten werden.

Werte ins Französische übersetzte, gründete er zwei Kinder­

darüber wachen, daß es dem ausländischen Kapital nicht gelingt, inhäuser, und arbeitete selbst als einfacher Arbeiter in den Sowjet­irgendeiner Form Machtpofitionen der öffentlichen Wirtschaft zu fabriken. Ende Januar geschah nun das, was das Maß der Ent­erobern. Es gilt, die öffentliche Wirtschaft gegen alle Widersacher täuschungen Istratis voll werden ließ. Eine Freundin der Woh­

nungsinspektorin Gwjertfejewa, Mitglied bes Leningrader Arbeiter und Bauernrates, für ihre militärischen Verdienste mit dem Orden der Roten Fahne ausgezeichnet, gelüftete es nach der Wohnung Russatows. Swjertisejewa provozierte einen Zusammenstoß mit der Tochter Russakows, versetzte ihr im Verlauf der Unterhaltung einen Fauftschlag ins Gesicht und denunzierte den Vater am nächsten Tage in einem Artikel der Leningrader Prawda" als Konter­revolutionär.

Auf diesen Artikel hin wurde Ruffator aus seiner Gewerkschaft ausgeschlossen, aus der Fabrit entlassen und gegen ihn das gerichtliche Verfahren eröffnet.

Jetzt legte sich Panait Istrati für den alten Sozialisten Russatow ins Zeug. Er lief zu Kalinin, drohte mit öffentlichen Versamm­lungen, protestierte wo und wie er nur fonnte. Russakow wurde freigesprochen. Kaum hatte aber Istrati Rußland den Rüden ge fehrt, als eine neue Berhandlung anberaumt, Ruffafom, seine Frau und seine Tochter zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Istrati wandte sich telegraphisch an den Oberstaatsanwalt in Leningrad mit der Forderung, auch ihn ins Gefängnis zu steden.

Dies der unbedeutende Gerichtsfall, der den rumänischen Bol schewiftenfreund von seiner Bolschewistenverblendung für immer turiert hat in Wirklichkeit nur

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ein Duhendfall der sowjetrussischen Juffiz. Panait Istrati aber schreibt:., Dies ist das Gericht des proletarischen Vaterlandes. Dies ist seine Justiz. Sie trifft in unbarmherziger Weise alle Russatoms, die wagen, von der Linie abzuweichen. Sie trifft sogar die ausländischen Revolutionäre, die sich in ihrem Land zum Tode verurteilen ließen, als Verteidiger der Sowjetunion , und die das proletarische Baterland für sich forderte und bei sich als seine besten Söhne aufnahm. Von einem Ende des Reiches zum andern, unter der Knute des faschistischen Kommunismus, stecken die Gefängnisse voller Russakows und anderer Menschen, die der Kommunismus

zuerst für sich gebrauchte und dann ins Gefängnis warf... Ich verlasse die Sowjetunion elender als in den Zeiten, da ich selbst noch einer dieser Arbeiter war, der unter allen Regimen zertreten wird. Die Menschen ausbeuten, sie mit einem schwarzen Stüd Brot leben lassen, ihnen sogar das ärmliche Recht nehmen, auf. mucken zu dürfen, und dann den, der eines Tages hiergegen aufschreit, nur schreit, ein wenig mehr als gewöhnlich schreit, er schießen lassen: das findet man nirgends auf der Welt, nicht ein­mal bei Mussolini .

Der fommunistische Marquis. Bellenbauer in feinem Artillerieregiment. Paris , 12. Ottober.( Eigenbericht.)

Ein merkwürdiger Rommunist stand dieser Tage in der Person des jungen Marquis Louis de place vor dem Kriegsgericht in Epinal Der Angeklagte, der aus einer be tannten Offiziersfamilie stammt, hatte sich ein Vergnügen daraus gemacht, in die Kommunistische Partei eingutreten. Als er nun zum Militärdienst beim 120. Artillerieregiment eingezogen murde, gründete er in seiner Batterie eine tommunistische Gruppe Er erhielt dafür 18 Monate Gefängnis.

Der adlige Kommunist ist übrigens nicht mehr ganz umbescholten Bor etwa einem Jahre machte er einen Mordversuch auf seinen Schwiegervater, den Herzog Beliez, der ihm seine fommunt ftischen Seitensprünge vorhielt. Damals ist er mit drei Mona ten davongekommen.

( Gewerkschaftliches siehe 3. Beilage.)

Berantwortlich für Politik: Dr. Curt Geyer ; Wirtschaft: 6. Rlingelböfess Gevertschaftsbewegung: 3. Steinet; Feuilleton: Dr. John Schilowatt; totales und Sonstiges: Frik Raritäbt: naeigen: Tb. Glode;(& mtlich in Berlin Berlag: Vorwärts- Berlag G. m. b. S., Berlin . Drud: Berwärts- Buchbruderet und Berlagsanstalt Baul Ginger a. Co., Berlin S. 68, Sindenstraße& Sierzu 5 Beilagen and Unterhaltung und Biffen.

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