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BERLIN Mittwoch

16. Oktober

1929

Der Abend

erfoeint taglio aster Sonntags. Bugleich Abendausgabe des Vorwärts. Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition; Berlin SW 68, Lindenstr. 3

Spalausgabe des Vorwärts

10 Pf.

Nr. 486

B 242 46. Jahrgang

njetgensrets: Die einfpaltige Nonpareillezeile 80 Bf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Boffcheckouts: Vorwärts- Verlag G. m. b. H., Berlin Nr. 87 536. Fernfprecher: Donboff 292 bis 297

Ein Brief Hindenburgs.

Er behält sich seine Entscheidung vor.

Der Reichspräsident hat soeben an den Reichstanzler das nach­stehende Schreiben gelangen laffen:

Sehr geehrter Herr Reichskanzler! Mit steigendem Befremden habe ich die Wahrnehmung machen müssen, daß in dem Kampfe um das Boltsbegehren sowohl von dem Reichsausschuß für das Volks­begehren als auch von den das Voltsbegehren bekämpfenden Parteien und Gruppen meine Person und meine mutmaßliche persönliche Meinung zur Frage des sogenannten Young- Planes in die Agitation hineingezogen wird. Von der einen Seite wird behauptet, daß ich ein Freund des Bolksbegehrens wäre, und von der anderen Seite betont, daß ich mich für die Annahme des young­Planes festgelegt hätte. Demgegenüber stelle ich fest, daß ich niemandem die Ermächtigung erteilt oder sonst einen Anlaß dazu gegeben hätte, meine persönliche Meinung zu diesem Problem be­fanat zu geben. Ich habe im Gegenteil ftets betont, daß ich mir meine endgültige Stellungnahme zu dem Young- Plan bis zu dem Zeitpunkt vorbehalte, in dem diese hochbedeutsame Frage zur Erledigung reif ist und nach Maßgabe der Artikel 70, 72 und 73 der Reichsverfassung zur Entscheidung über eine Verkündung oder eine Austehung der Verfündung verfassungsmäßig zustande gekommener Gefehesbeschlüsse an mich heranfritt, und hieran halte ich nach wie vor fast. Jch bitte Sie, Herr Reichskanzler, hierron Kenntnis zu nehmen und das vorstehende den im Kampf um das Boltsbegehren beteiligten Parteien und Gruppen in der ihnen geeignet erscheinen. den Weise zur Kenntnis zu geben.

Mit freundlichen Grüßen bin ich Ihr ergebener von Hindenburg .

Das Problem der Beihilfe.

Ein hervorragender Jurist schreibt uns zum Beginn des Volksbegehrens:

Die Deutschnationalen haben eine ebenso tiefe wie berechtigte Abneigung dagegen, in privaten Rechtsangelegenheiten die Hilfe raffengenössischer Juristen in Anspruch zu nehmen; sie ziehen ihnen jüdische Anwälte vor. In politischen Dingen indessen läßt die Deutschnationale Volkspartei sich von den Everling, Loh­mann, Wolff und verwandten Geistesriesen juristisch beraten. Die Geschichte des Paragraphen 4 des Volksbegehrens zeigt, was dabei herauskommt. Durch die Aenderung des ursprünglichen Tertes und die hierfür gegebene Begründung hat der Reichsausschuß zu gegeben, daß die erste Fassung auch den Reichspräsidenten mit Zucht­hausstrafe bedroht hat. Die Ilmgestaltung des Wortlautes war dazu bestimmt, Hindenburg zu begnadigen. Aber dieses Ziel ist nicht erreicht worden. Die Baragraphen 3 und 4 des Freiheitsgesetzes" find inzwischen wie folgt formuliert worden.

§ 3.

Auswärtigen Mächten gegenüber dürfen neue£ aften und Berpflichtungen nicht übernommen werden, die auf dem Kriegs­fchuldanerkenntnis beruhen. Hierunter fallen auch die Lasten und Berpflichtungen, die auf Grund der Vorschläge der Pariser Sach­verständigen und nach den daraus hervorgehenden Vereinbarungen von Deutschland übernommen werden sollen.

§. 4.

Reichskanzler und Reichsminister sowie Bevollmächtigte des Deutschen Reiches , die entgegen der Vorschrift des§ 3 Verträge mit auswärtigen Mächten zeichnen, unterliegen den im§ 92 Nr. 3 StGB. vorgesehenen Strafen."

Zum Erweise der Unmöglichkeit dieser Bestimmungen genügen wenige Säße. Das Strafgesetzbuch bedroht im§ 92 Nr. 3 den­jenigen mit

Zuchthaus nicht unter zwei Jahren,

An die ,, Rote Fahne",

die Preisfechterin gegen Korruption.

Fall

Sklarek

Die Rot

Sahne

17

vun Sklarek an die Rote Hilfe

Anton, sted den Degner ein, Laß mit dem Gäbel das Pieden sein Und fehre sorgfam für und für

Ohne Rote Hilfe vor der eigenen Tür.

pflichtungen übernommen werden, ein Gesetz voraus. Merkwürdig ist übrigens, daß Herr Hugenberg nicht vorschlägt, sein Gesez mit rückwirkender Kraft auszustatten. Bei den glänzenden Aussichten seines Boltsbegehrens fönnte er so mit einem Schlage die Opposition in den eigenen Reihen loswerden.

Denn wenn schon die Zustimmung zum Young- plan einen Landesverrat darstellt, so ist ein solcher erst recht durch die Annahme des Dawes- Planes begangen worden, die nur durch die Abgabe von 48 deutschnationalen 3a- Stimmen möglich gewesen ist.

Uns tommt es aber hier auf den Nachweis an, daß auch der abgeänderte Entwurf Hugenbergs ebenso wie der erste sich nicht nur gegen die im§ 4 genannten Amtsträger, sondern auch gegen den Reichspräsidenten richtet. Der§ 4 schafft ein neues Amts verbrechen. Die Bäter des verbesserten" Entwurfs haben wohl gedacht, daß der Reichspräsident aus der Schußlinie fet, wenn sie ihn unter den bedrohten Amtsträgern nicht aufführten. Nun ist es aber anerkannten Rechtes, daß bei allen Amtsdelikten die Teilnahme eines Dritten, sei er ein Privatmann oder ein Beamter einer anderen Kategorie, als Anstifter oder Gehilfe denkbar ist. Und so soll es auch nach dem Entwurf des neuen Strafgesetz­buches bleiben; denn sein§ 32 bejagt:

ist also durch die Faffung auch des abgeänderten Gefeßentwurfes erreicht. Nach der Wahl bes jezigen Reichspräsidenten prophezeite ein miziger Abgeordneter, es werde sehr bald dahin tommen, daß die Deutschnationalen das Bild des Gewählten in ihrer Wohnung mit gegen die Wand gefehrtem Geficht aufhängen würden. Die Phantasie des geistreichen Mannes ist hinter der Wirklichkeit zurückgeblieben.

Das Geschenk der Deutschnationalen zum 82. Geburtstage des Reichspräsidenten besteht darin, daß sie ihm die Gewährung. von Einzelhaft, gestreifter Gewandung und Rumford­fuppe in Aussicht stellen.

Einjährige Dienstpflicht.

Frankreich hat feine Angst vor der Reichswehr .

Paris , 16. Oftober. Kriegsminister Painlevé hielt bei einer Beranstaltung des Ber­bandes der Bereinigungen zur förperlichen Ertüchtigung und mili­tärischen Borbereitung der Jugend in der Sorbonne eine Rede. An­laf dazu gab dem Kriegsminister die Tatsache, daß die in den nächsten Tagen einziehenden Rekruten zu dem Kontingent gehören, das

als erstes nur ein Jahr lang unter den Fahnen Dienst fut und im Oktober 1930 entlassen wird. Painlevé erklärte, diese große demokratische Reform stelle einen großen wirtschaftlichen und sozialen Nuzen dar. Bom internationalen Standpunkt sei sie ein deutlicher Beweis des Friedenswillens Frankreichs und ein Beweis, daß Frank­ reich niemals die Initiative zu einem Krieg ergreifen werde. Diese Berpflichtung bedeute aber nicht, daß man sich auf eine passive Resistenz beschränke, wenn ein Angriff Frankreich zwingen würde, zu mobilisieren, dann würde das neue französische Heer durch Zahl und Ausrüstung ein mächtiges Offensiomerkzeug sein. Eine Frage dränge fich infolge der Aussicht auf die Rheinlandräumung aufs neue auf, nämlich: Werde die Landesverteidigung durch das Gesetz über die Einführung der einjährigen Dienstzeit genügend gemährleistet? Bei der gegenwärtigen europäischen Lage wäre ein entwaffnetes Frankreich nicht ein Beispiel, sondern eine Versuchung. Bainlevé bezeichnete die Hypotheje eines plötzlichen Angriffes eines 100 000 Mann starten Berufsheeres als die am wenigsten wahrscheinliche und am wenigsten gefährliche. völlige Niederlage würde gewiß eine derartige Verwegenheit bestrafen. Immerhin mache diese Hypothese auf den Mann auf der Straße den größten Eindrud. Man müsse zwar wachsam sein und weitblickend, aber es brauche deshalb keine Panit zu entstehen. Danach beschäftigte sich der Kriegsminister noch mit dem Grenz­schuß. Die leichteren Befestigungsarbeiten, also die Anlegung von

Safematten, die mit Maschinengewehren versehen feien, werde bis November 1930 im nördlichen Lothringen und im Elsaß vollendet sein. Weitere stärtere Befestigungen würden in den nächsten vier Jahren gebaut werden. Painlevé betonte dabei, daß er für Modernisierung der Kampfmittel schon Sorge zu tragen wisse, denn er habe doch im März 1917, als noch niemand an die Wirkjam­feit der Tanks glaubte, 4000 fleine Tankwagen herstellen lassen, die dann im darauf folgenden Jahre eine entscheidende Rolle spielten. Am Schluffe feiner Rede appellierte der Kriegsminister an den guten Willen des französischen Heeres und bezeichnete die Rekruten­frise, die in den letzten Jahren festzustellen war, als behoben. Er habe zu ehemaligen Frontfämpfern, die ihn eines Tages fragten, wie sie die Liebe zum Frieden mit ihrer militärischen Pflichterfüllung vereinen fönnten, geantwortet: Für ein Heer gebe es eine noch ruhm­reichere Aufgabe, als Siege daponzutragen, nämlich Siege un nötig zu machen dadurch, daß das Heer im voraus die Unruhe­3uftifter entmutige.

Wegen einer Tat, deren Strafbarkeit durch besondere Eigen­fchaften oder Berhältnisse begründet wird, find Anstifter und Gehilfen strafbar, wenn diese Eigenschaften oder Verhältnisse bei ihnen oder beim Täter vorliegen."

Nun vertritt nach Artikel 45 der Reichsverfassung der Reichs­präsident das Reich völkerrechtlich. Er schließt im Namen des Reiches Berträge mit auswärtigen Mächten. Er entfendet also Minister und sonstige Bevollmächtigte zu Berhandlungen, die auf die Errichtung solcher Verträge abzielen. Ohne seine

führt noch Abmachungen getroffen werden. In der Bevollmächtigung der Unterhändler, in der Zulassung ihrer Be tätigung, in der Unterlaffung ihrer Abberufung liegt unzweifelhaft zum mindesten eine Beihilfe und zwar eine sehr wesentliche Beihilfe zur Tat,

der vorsätzlich ein ihm von seiten des Deutschen Reiches oder eines Bundesstaates aufgetragenes Staatsgeschäft mit einer anderen Re gierung zum Nachteil dessen führt, der ihm den Auftrag erteilt hat. § 90 des Entwurfs eines neuen Strafgesetzbuches droht Zuchthausstimmung tonnen weder Unterhandlungen ge­ftrafe einem Beauftragten des Reiches oder eines Landes an, der ein Staatsgeschäft mit einer ausländischen Regierung wiffentlich zum Nachteil seines Auftraggebers führt. Beide Vorschriften haben einen guten Sinn. Aber unsinnig ist es, die Uebernahme neuer Laften und Berpflichtungen mit der Begehung eines Landesverrats zu identifi­zieren. Unsinnig ist es, zu behaupten, daß der Young- Plan, der Deutschland geringere Zahlungen auferlegt, als der mit Hilfe der Deutschynationalen angenommene Dames- Plan, neue Verpflichtungen begründet. Und unsinnig ist es, Reichskanzler, Reichsminister und Reichsbevollmächtigte mit Strafen zu bedrohen für den Fall der Ausführung eines verfassungsmäßig zustande gefommenen Gesezes, denn die Zeichnung von Verträgen mit auswärtigen Mächten jetzt, wenn darin neue Lasten und Ber­

die das Boltsbegehren als andesverrat geahndet wissen will. Wenn die Herren vom Reichsausschuß dies nicht glauben wollen, mögen sie sich bei den ihnen in ihren persönlichen Angelegenheiten zur Seite stehenden Sachwaltern( siehe oben) erkundigen, die ihnen die Richtigkeit dieser Darlegung bestätigen werden.

Der Wunsch des Grafen Reventlow, den Revolver der Buchthousandrohung auch auf Hindenburgs Brust gerichtet zu sehen,

Bünger gegen den Novembertag.

Weil Killinger es befiehlt.

Dresden , 16. Oktober. Dem Sächsischen Landtag ist heute eine Regierungs­borlage zugegangen, durch die dem 9. November in Sachsen der Charakter als gefeglicher Feiertag genommen wer den soll. Bei der gegenwärtigen Zusammensetzung des Landtags, der am Dienstag nächster Woche zu seiner Herbsttagung zusammen­tritt, besteht die Möglichkeit der Annahme der Borlage, Ein deutsch­nationaler Antrag will auch den 1. Mai als gesetzlichen Feiertag beseitigen.