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Kundgebungen im Regen. Schwache Beteiligung. Aber wüste Schlägereien. Der Reichsausschuß für das Volksbegehren Halle am Sonnlagmiliag seine Anhänger nach dem Luslgarleu zu- sammengerusen. Die Ralionalsozialisten prunkten zur gleichen Zelt im Berliner Sportpalast mit einem 4. Rlärkertag. Bei beiden Veranstaltungen ist es zu Zusammenstößen gekommen. Der Polizei gelang es in allen Fällen, die Unruhestifter auseinanderzutreiben oder sestzunehmen. Im Lustgarten war die Beteiligung kläglich. Bor der Museumstreppe sammelten sich etwa 900 bis 1000 Demonstranten. Stqhlhelm hatte nicht mehr als etwa 300 Uniformierte aufgeboten, die vor der Museumstreppe Aufstellung nahmen. Vom ganzen Lustgarten war nur. der Platz vor dem Museum bis zum Denkmal besetzt, vor dem Dom und rund um das Schloß war alles leer. Die Einheitsfront der Nationalsozialisten und des Stahlhelms scheint auch schon wieder durchbrochen zu sein. Die Nationalsozialisten ließen die Stahlhelmredner zunächst nicht zu Worte kommen, sie brüllten fortgesetzt:Deutschland erwachs, Juda verreder Die Stahlhelmer antworteten mit ihrem Feldgeschrei. Nachdem endlich Ruhe ein- getreten war, sprachen Major o. Stefani. der deutschnationale Land- tagsabgeordnet« Steinhoff und ein deutschnationalerArbeiterführer'. Die Polizei hatte die Straßen rings um den Lustgarten durch stark« Postenketten gesichert und alle Demonstranten, die Stöcke trugen, zurückgewiesen. Hierbei kam es schon zu einigen Fest-

3)08£ocorno des Jltiantih.

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3)er englische tTlMHerpräsideni TTtardonald und der amerikanische Siaaispräsldenl Stooner.

stellungen. Nach Schluß der Kundgebung oersuchte ein Trupp Stahl- helmer sich in der Straße Unter den Linden zu sammeln und geschlossen weiterzumarschieren. Die Polizei griff energisch zu, verhastete einige Demonstranten und trieb die anderen mit dem Gummiknüppel aus- einander. Auch in der Kleinen Präsidenten-, Charlotten- und Leip- ziger Straße mußten mehrfach Zusammenrottungen der Stahl- helmer auseinandergetrieben werden. Die Kundgebung der Nationalsozialisten im Sport- palast wies stärker« Beteiligung auf, weil die Nationalsozialisten aus dem ganzen Reich ihre Anhänger zusammengezogen hatten. Die Veranstaltung zog sich bis in die späten Nochmittagsstunden hin. Auch beim Abmarsch dieser Demonstranten kam es mehrfach zu Zu- sammenstößen. Die Hakenkreuzler durchzogen die Straßen, pöbelten in bekannter Manier Passanten an und schlugen auf sie ein. Ein größerer Trupp Nationalsozialisten zog vom Sportpalast zur Bülow- stroße, durchrannte dort die Polizeikette und stürmte bis zur Pots- damer Brück« vor. Do» der Potsdamer Brücke liefen die National- sozialisten dann am Schöneberger Ufer entlang und wollten durch die Linkstraße das Gebiet der Bannmeile durchbrechen. Die Polizei konnte auch hier wieder schnell genug ausreichende Kräfte zum Pots- damer Platz entsenden. Dort wurden die Nationalsozialisten mit dem Gummiknüppel auseinandergetrieben. Die Kommuni st en dursten bei den Zusammenstößen selbst- verständlich nicht fehlen, sie veranstalleten in einzelnen Bezirken, so auf dem Reutcrplatz in Neukölln, Kundgebungen. Die Polizei griff energisch durch, als auch hier eine Reibe Teilnehmer, mit Stöcken bewaffnet, erschien. Die Polizei nahm insgesamt 121 Zwangsgestellungen vor, und zwar 98 rechtsstehender Organi- sationen, 20 Kommunisten und 3, deren Parteizugehörigkeit sich nicht feststellen ließ. Nationalsozialisttscher Terror. Am Sonnabend waren Nationalsoziali st en auf dem Grundstück der Reichsbannerwassersportabteilung In Köpenick , Wendenschloß st r. 1, zerbrochen Schilder und beklebten Türen und Zäune mit Plakaten für das Volksbegehren. Am Sonntagabend, als zehn Mitglieder der Reichsbannerruderriegc die Straßenbahn bestiegen, wurden sie mit Schimpfworten wieReichsbannerstrolche' begrüßt. Ein Kamerad wurde vom fahrenden Wagen herunter. gestoßen mit dem Bemerken, daß siir Reichsbannerstrolche kein Platz sei. Der Straßenbahnwagen wurde durch das alarmierte Ueberfall- kommando zum Halten gebracht.

Morgenfeier der Arbeitersänger. Im Saolbau Friedrichshain veranstaltet« der De u t s ch e Ardeitersängerbund Gau Berlin Bezirk 9 am Sonn- tagvormlttag seine Bezirtsmorgenfeier. Ein Massenaufgebot von Sängern und Zuhörern füllte Bühis« und Saal bis auf den letzten Platz. Schön und stimmungsvoll klangen die Bolksgesäng« aus alter und neuer Zeit. Launig« Weisen von Liebes Freud und Leid von Silcher , Donati und Schumann, lyrische Tonmalereien von Schubert ldi« Nacht, Grab und Monds und dann die Leber unserer Tag«. Schönlanlz Sonnenhyynis, LenH-üs Glockmlied, das Arbeiterlied von Pringsheim und Vanzetlis sehnsüchtiger Freiheirsrus. Die Ge- schichte emes Volkes, die Geschichte«iner Menschheit liegt in den tief« empfundenen Worten, die stärksten Widerhall in den Herzen fanden.

Karl KrauS :Die Llnüberwindlichen" Volksbühne.

Kommt Karl Kraus von Wen noch Berlin , dann gerät«ins an- sehnlich« Gesellschaft kluger Leute in Aufregung. Sie haben seine Fackel' gelesen, aus her Dreck und Schwefel auf Korruption und Borniertheit prasieln. Kraus will die Uebelstände in Politik. Moral und Literatur mit einem Radikalismus verpulvern, der den» Bürger mächtig in die Krone steigt. Er will nicht nach abgekarteter und abgestempelter Parteitendenz fchreiben. Er zerplatzt vor Be- sessenheit. Sein« Pamphlete wirken wie Gistmedizinen. Di« einen erbrechen sich, die anderen sind begeistert. Das DramaDie Unüberwindlichen' ist natürlich kein gewöhn- iiches Theaterstück nach Regeln und Berechnung, sondern eine Kunst- gattung für sich und auch besonders von der Dauer des ungekürzten Rheingold". Im Juli 1928 zünden die Wiener ihren Iuftizpalast an. Das tat, sagen die einen, die rotte Rott«: das tat, schreien die anderen, ein verzweifeltes Dolk. Kraus will beweisen, wer es tat: in Wien blüht Bartasiy, der Revolverjournalist und Erpresser,' der Heraus- geber derPfeif«', ein Kerl mit Zuchthausantezedentien. Steckt ihn die Polizei ins Loch? O nein! Der Polizeipräsident liebkost ihn mit Einerseits und Andererseils. Einerseits hat die Polizei Angst vor Barkassy, weil sie Dreck am Stecken ku>t. und tuscht. Andererseits braucht sie ihn, damit Barkassy kuscht und den Dreck nicht umrührt. Stinkt die Sache zu gemein, dann schiebt die Polizei ihren Liebling über die Grenz«. Auf jeden Fall wird beiderseitig geschoben, bei Polizei und Preßstrolchen. Barcus. der Herausgeber desPfeils", der den Kon- turrenten von derPfeife" umbringen will, ist ehrlich. Er wird des- halb von der Polizei als ein Schlemihl behandelt. Und als hundert Wiener Bürger, verschossen, versäbelt, zertrampelt von der Polizei, unter der Erde liegen, kann die Polizei Weihnacht feiern, stille Nacht, hoilig« Nacht, Versöhnungsfest. Barkassy, der so hundsföttisch mau- schelte und erpreßte, wird den Polizeipräsidenten nicht mehr stören. Doch, er wird. Er ist schon da, im Gehpelz, in weißen Ga- Maschen, den Melonenhut ins Nackenfett zurückgeschoben. Mau wird ihn verhaften? Man wird nicht. Man wird sich vertragen und wieder zusammenleben. Der Revolverjournalist wird weiter er-

pressen. Die Polizei wird weiter kuschen. Barkassy wird die Polizei, die ihm so nützlich ist, weiter protegieren. Die Unüberwindlichen gehen nicht unter. Vier Akte grimmigste Satire. Und Kraus behält immer recht, solange er redet, und sogar, obgleich er viel zu viel redet. Der Sonntagsregisseur Heinz Dietrich K e n t e r hätte streichen und der Dramaturgie des Stücks nützen können. Daß er es unterließ, siel nicht einmal aus. So stark redet Kraus. Man verlangt sogar ein Couplet das der Polizeipräsident singt, cia capo. Typen kommen auf die Bühne, Typen! Das ganze George- Grosz-Haus wird lebendig. Peter Lorre spielt die Journaille, rechthaberisch und geschwollen. Er reißt sich die Worte mit Wucht aus dem Maule Er donnert die Erpressermoral. Und der Polizei- Präsident(Hans Pepplsr) säuselt zum Kontrast. Diese Rolle des Präsidenten ist verdammt schwierig. Feigheit und Fuchseiüum. Brutalität und Sentimentalität sind zu mischen. Um G e r r o n, de-' den Finanzier der Bestochenen spielt, jault ein Ehor, der aus dem Friseur, dem Monicurefräulein und dem Leiblakaien gebildet ist. Dem Millionär werden Glatze und Fingernägel poliert. Er tapst herum in Pyjamahosen und Bademantel. Dann spricht noch die kleine Ruth Willing den Weihnachtsspruch für die verlogenen Wächter der Lolkssicherheit: ein dünnes Silbcrstimmchen klingelt in das Orchester der Bestochenen. Schließlich bekennt ein alkoholi- sierter Polizist, ein patriotischer Blutsäufer, daß er mit Stolz und geschlissener Plempe einem unschuldigen Iudenjungen den Garaus machte. Heinrich Greller grunzt dieses Mcnschcnschweiy, ein überkarikiertes Polizeiexemplar. Der Austritt hat etwas Shakespea- risches. Man wird angeekelt und ist trotzdem ergrissen. Karl Kraus wird zum Ueberrealisten. Man hat in Paris eine ganze Dichtorschulc gegründet, die sich diesen Titel gab. Die Pariser wollen Träumer und Schwänner sein. Der Wiener Ueberrealist will ein verbitterter Staatsanwalt sei». Er kann nicht lächeln, wie etwa der abgeklärte Bernard Shaw , er kann nur geifernd grinsen. Es wohnt in ihm manchmal die bloße Denunziantenluft, doch es wohch in ihm auch der Mut, die mistigste» Charaktere und Uebelstände zu durchwühlen. Max TTodidorf.

Shaw:Oer Kaiser von Amerika". Deutsches Theater. Shaw steckt immer noch alle Witzbolde in die Tasche. Er macht diesmal zwar schlecht« Witze auf die Demokratie, doch es knallt alles, lustig für den Augenblick, und die Raketen blitzen. Anno Neunzehnhundertundneunzig da ist England noch die einzig über- lebende Monarchie. Alles andere auf dem Kontinent ist Republik geworden. Wird dieses Panoptikumstück von einem Monarchen oerschimmelt sein? O nein, dieser Magnus von Großbritannien ist ein Helles Kerlchen. Er führt fein ganzes Kabinett an der Nase herum. Die Herren Minister schieben nicht, trotz chres wbenswerren Willens, sie werden geschoben. Sie werden ins Bockshorn gejagt, als Seine Majestät abdanken, ein Privatmann werden, selbst für die Kammer kandidieren, unter Ismständen selbst Minister werden will. Es gelingt den Ministern nicht, ihren König durch die Demo- kratie zu zerquetschen. Bor der Gerissenheit dieser Majestät werden fast all« klein und häßlich. Eigentlich behalten nur die Weiber in dem Ministerium, es sind gleich zwei, Mund und Herzen auf dein rechten Fleck. Man weiß ja, daß Shaw immer für die Weiber und den Vegetarismus und gegen den Alkohol ist. Und dann kommt noch der Botschafter von Amerika , um dem englischen König die Kaiserkrone über die Vereinigten Staaten an- zubieten. Ja, das geschieht Anno Neunzehnhundertundneunzig. Warum nicht? Dann wird die Erde noch rund sein, aber die Grenzen der Länder werden noch mehr verrutscht sein als heut«. Die Grenzen müssen ja verrutschen, weil ja nicht die Politiker der Welt regieren werden, sondern die tüchtigen Leute, die Kapitalkönige und alles, was zu ihnen paßt. Das ist der schlechte Witz, den Shaw sich leistet. Und darum meint er: Amerika hat alles Interesse, England seine Bründerschast anzubieten. Natürlich wird dos ein Schwindel fein. Der große Bruder wird doch nur den kleineren Bruder ver­schlucken wollen. Wer das Geschäft wird großartig werden, wenn man die großartige Geste macht. Die Leute in Washington wissen schon, was sie tun. Nicht der Titel macht es, sondern die Börsentitel. Anno Neunzehnhundertundneunzig wird alles umgekrempelt. Shaw ist glänzend gelaunt und stellt den Wechsel auf die Zukunft aus. Er schießt«inen Pfeil nach dem anderen gegen die Politiker und Streber ob, er schießt auch einen Bock nach dem anderen, wenn man seine Gedanken vernünftig unter die Lupe nimmt. So will er aber diesmal gar nicht genommen sei». Er spintisiert die komischste Ueberburleske zusammen. Jeder darf sie nach seinem Parteibuch auslegen. Di« meisten meinen, daß Shaw, der im Vorjahre einen glänzenden Katechismus des Sozialismus schrieb, in diesem Jahre, den Jobbern und Spitzbuben und Dummköpfen allzu viel Recht ein- räumt. Möglich, daß aber man lacht. Und zwischen den offi- ziellen Staatsatten spielt noch ein Zwischenakt. Der schwer ver- heiratet«, mit einer spinösen Königin belastete Monarch räkelt sich bei seiner Liebsten. Er kugelt sich mit ihr auf dem Teppich, und während sie ihm mit den Füßchen unter der Rase schläntert, seufzt er beseligt:Ich bin die Majestät, der König." Max Reinhardt hat diesen neuen Shaw selbst inszeniert. Er tüftelt richtig heraus, daß sein Parkett schmunzeln und klatschen wird, wenn die dummen Politiker als besonders dumm karikiert werden. Er will«in System in Gedanken bringen, die gar keine Gedanken, sondern nur Improvisationen sind. Und so läßt er ein Stück spielen, das die Leute ganz ernst nehmen, obwohl sie lachen. Es ist komisch, daß man begeistert über alles ist, was den demo- kratischen Ministern als Verleumdung angehängt wird. Shaw meint: So könnte es unter Umständen sein. Reinhardt will die Leute glauben machen, daß«s so ist. Er erweckt eine falsche Stimmung, obwohl er mit vortrefflichen Schauspielern arbeitet. Werner Krauß spielt den pfiffigen König. Er ist Kavalier und Staatsmann, mehr Geschäftsmann als Monarch. Er ist das, was' sich das Parkett unter einem Fürsten vorstellen soll, der den ganzen demokratischen Plunder entlarvt. Das ganze Ministerium dieses gerissenen Monarchen diskutiert aus der Bühne: Kurl Gerron,«in Robespierre der Zukunft, der doch zusammenknickt, wenn er von seinem König angelächelt wird. Helen« Thimig ist ein« ernst«, großartig« Ministerin für Volkswirtschaft. All««urzelnen Typen werden wie Orgelpfeifen in das Unstnnkonzert hineingestellt. Es Ist«ine prachtvolle Aufführung, ganz nach dem Geschmack des noblen Parketis, das sich in dem Glauben gefallen will, mir von Halunken regiert zu wenden. So kommt es. daß Shaw viel mehr erntet, als er gesät hat. Denn er ist doch ein viel zu kluger Mann, al» daß es ihm einfallen könnte, die halb schon entschlummerten Rieaktionsinstintt« wieder aufzuwecken. M. H.

Oer Gchauspieldirekior." (Städtische Oper. Berlin hat drei große Opernhäuser, und die Zweifel, ob nicht zwei genug wären, wallen nicht verstummen. Aber das große Berlii, hat kein Haus für kleine Opern, keine Stätte sür intime Opernkunst, keine Kammeroper. Die Städtische Oper, die Mozarts Schauspieldirektor" hervorgcsucht hat, sucht sich zu Helsen , so gut es geht: in die Riesenbühno ist ein zierliches Rokokobühnchen«in- gebaut, das sich freilich in die Dimensionen des Hauses nicht glück- licher fügt, als in solchap Rahmen die moderne Zimmereinrichtung, die beflissener Regiewitz zum Spieler der Mazartzeit beigesteuert hat. Mozart steht als Hauptfigur in diesem harmlosen, unerheb- lichen und nicht sehr erhebenden Theaterstück: lange nach seinem Tode hat ein Autor vergessenen Namens sich's zu der Musik«in- fallen lassen, um diese aus der zeitlichen Fessel eines höfischen Gelegenheitsspiels für die Opernwelt und Ewigkeit zu retten. Ein Stück Theater von damals wird gezeigt: Mozart selbst als Kapellmeister: sein Chef Emanuel Schikanedcr, der berühmt ge­wordene Dichter derZauberjlöte", die Rivalität zweiererster Sängerinnen" liefert den unterhaltsamsten Teil der Handlung. Hier wird es ein fröhlicher Wettkamps zwischen Margret Pfahl und Lotte Schöne, ein Kampf ohne Besiegte: zwischen ihnen steht ein nicht eben mozartisch singender(noch aussehender) Mo, zart: und das Wienerisch, das gesprochen wird, scheint manchmal ein bißchen weit hergeholt. Man hatte sich vielleiäsi lieber auf die Potsdamer Milieu spielende Bearbeitung von Rudolph Genäe be- sinnen sollen, die unter dem RennenDer Kapellmeister" 1896 in Berlin mit Erfolg gegeben worden ist. Immerhin erfüllt die Auf- führung des unwichtigen Werkchens ihren Zweck, dem Ballettabend der Städtischen Oper cinlsn freundlichen Auftakt zu geben. K. F.

Coppelia", Batteti in zwei Akien. Die Musik ist von Delibes . 1870«dar die Uraufführung in Paris . Dort gibt man es noch heute, im alten Stil,-mit Gaze- röckchen und Spitzentanz. Für die Ausführung in der Charlotten- burger Oper hat Lizzi M a u d r i k die Handlung modernisiert und eine neue Choreographie geschasfeu. Das Spiel behandelt den alten Stoff vom künstlich hergestellten Manischen, dem sein Schöpfer, hier der gelehrt« Puppenmaäzer Coppelius, eine menschliche Seele ein- flößt. Dieses lebendig geworden« Wesen, Coppelia genannt, wächst, aber seinem Erzeuger über den Kopf und durchkreuzt seine Pläne. Der erste Akt gibt Frohsinn,rhythmisch gegliederte Heiterkeit". Im Geist des allen Balletts, aber in neuen Formen, aus der Stim- mung einer bewegten, tanzfreudigen Menge urwüchsig erblühend. Ein ununterbrochener Wirbel. Wir werden hineingezogen in den Wirbel und fragen nicht mehr nach Sinn oder Unsinn der Hand- lung. Gipselpunkte: die Soli und Zweitänze des Bürgermeister- töchterchens Swanilda und ihres Bräutigams Franz. Diesen tanzte Jens K e i t h, der für den erkrankten Edgar Frank eingesprungen war. Der größte Humorist der deutschen Tanzbllhne. Jede Bc- wcguug voll Temperament und Geist, Liebenswürdigkeit und Komik. Die Swanilda gab Alice Uhlen. Und sie war das groß« Erleb- nis des Abends. Keine Balletteuse, keine moderne Tänzerin irgend­einer Schule. Ein Lied aus des Knaben Wunderhorn, ein Wald- vogel. Der zweite Akt im Atelier des Coppelius. Gespenstisches Halb- dunk«!. Geheimnlsoolle Dinge in unheimlichen Ecken und Nisschen Die Handlung nicht tänzerisch gelöst. Blieb meist im Pantomimischen stecken und schleppte zuweilen. Man sollt« sich scheint mir nicht so sehr um restlose sachliche Klärung bemühen. Es wird doch nicht alles klar. Die Hauptsache bleibt und blieb auch hier der Tanz. Und es gab ausgezeichnete Tänze. Georg G r o k e, ein dämonischer, eckig zappeliger, llettergewandter, krallenfingriger Hexenmeister Coppelius. Ruth Abromo witsch,«ine nuancen- reiche interessante Coppelia. Keith flatterte dazwischen und die Uhlen als eifersüchtig« Braut. Ein solches Tanzspiel läßt man sich gefallen. Es bringt gewiß nicht letzte Erfüllung künstlerischer Sehnsüchte. Aber auch kein« Bor- splegelung falscher Tatsachen. Es wird hier nicht auf seelische Tiefen gedeichselt. Amüsement, anspruchslos, aber von der allerbesten Sorte, künstlerisch durchweg vornehm. Ein sauber und geschlosien arbeitendes Ensemble. Glänzende Solisten, kluge Choreographie, geschmackvolle Bühnenbilder(von Georg K I r st o). Die erste Leistung unserer Ballettmeisterin Maudrik, der wir vorbehaltlos zustimmen können. J. S.