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Nr. 495 46. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Großfeuer in der Urbanstraße.

Oberstockwerf eines Fabritgebäudes ausgebrannt.

Ein Großfeuer von ungewöhnlicher Ausdehnung beschäf. tigte geffern abend sieben Löschzüge in der Urban­fraße 70a stundenlang. Das 5. Stockwerf des Seiten­flügels und Quergebäudes brannten in furzer Zeif völlig aus. In dem 5. Stockwert des großen Fabrikgebäudes befinden sich die Lagerräume der Metallwarenfabrit von M. Keßner, Der Matraßenfabrit F. Brandt, der Projektions­maschinen Gesellschaft und der Firma Berliner Bau­mertftätten für Innenarchitettur. Sturz vor 19 Uhr bemertten Hausbewohner des Bordergebäudes in den Lagerräumen der Berliner Bauwerkstätten starken Feuerschein. Fast im gleichen Augenblick zersprangen laut flirrend zahlreiche Scheiben und gewaltige Flammengarben schossen aus den Fenstern heraus. Die Feuerwehr rückte auf den Alarm Groß­feuer" sofort mit sechs 3ügen an die Brandstätte. Bis zum Ein­treffen der ersten Löschzüge hatte der Brand eine ungeheure Aus­dehnung angenommen und nur unter großen Schwierigkeiten konnten die Löschtrupps gegen den Brandherd vordringen. Das 5. Stoɗwert und der darüberliegende Dachstuhl wurden ein Raub ter Flammen.

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lim 20.15 1hr gelang es der Feuerwehr, in die Räume ein­zubringen, und der Gefährdung der beiden Geschosse soweit Einhalt 31 gebieten, daß das Signal Feuer aus" gegeben werden fonnte. Die Löschzüge blieben jedoch weiter an der Brandstätte, ebenso blieben die Schlauchleitungen in Tätigkeit, da das Feuer immer wieder an den verschiedensten Stellen aufflammte. Eine Besichtigung des Dachgeschosses ergab, daß sowohl das fünfte( Dach-) geschoß sowie das darunter liegende Lagergeschoß bis obenhin vollkommen voll­gepfropft waren mit Möbeleinrichtungen, Matraßen, Poistern, Sperrholzplatten und ähnlichem, leicht brenn­barem Material. In dem von der Feuerwehr gehaltenen Seiten­flügel fand man einen großen Schrant Filmkapseln. Die Feuerwehr nimmt an, daß auch in den brennenden beiden Stock­merten Filme gelagert haben, da sonst eine derartig schnelle Aus­breitung des Brandes nicht möglich gewesen wäre. Dachgeschoß und fünftes Geschoß bilden einen wüsten Trümmerhaufen. Man sieht überall Reste von Möbeln, Schreibtischen, Schränken, Konsolen, Bettstellen, dazwischen die Reste von Matragen und Bolstern . Die Feuerwehr war bis in die späten Abendstunden mit den Aufräumungsarbeiten beschäftigt. Es wurde dann eine Brand­mache zurückgelassen, die bis zum frühen Morgen den Brandherd zu beaufsichtigen hat.

Dienstag, 22. Oftober 1929

Der neue Bülowplatz

Groß Destillation

Tuchlager

Jene Gegend um den Bülomplatz herum, die durch ihre engen, winkligen. alten Bauten reich an düste­ren Schlupfwinkeln des unterirdischen Berlins mar. wird sich zu einem der schönsten Plätze entwickeln. Die Volksbühne hat all­mählich eine roürdigere bau­liche Umgebung erhalten. Unser Bild läßt noch einmal zurückblicken auf die Zeit des Scheunenviertels. Ein Zeuge, der noch übrig ist von den alten, baufälligen Häusern wird gezeigt. Das Haus liegt im Zuge der Linienstraße. Die bei­den mächtigen Nachbarn bringen seine Armseligkeit erst recht zum Ausdruck. Zusammengedrückt steht es zwischen den mächtigen Brandmauern. Auch sein Widerstand wird gebrochen

werden. Noch einige Bauplätze harren ihrer Gestaltung, dann wird auch der Büloroplatz Zeugnis ablegen von dem neuen Geist, der die Stadt roachsen läßt nach Gesichtspunkten, die das Wohl aller Be­wohner berücksichtigen. Das roerktätige Volk hat sich hier mitten im Herzen Berlins einen Tempel der Kunst und einen Platz, der seiner würdig ist, geschaffen.

finanziell einen erheblichen Wert darstelle. Durch die Aufhebung dieses Vertrages durch den Magistrat seien die Werte, die das Ab: tommen an sich repräsentierten, imaginär geworden.

Disziplinarverfahren gegen den Stadtfämmerer.

Das Nachrichtenamt der Stadt Berlin teilt folgendes mit: Es sind in den legten Tagen in verschiedenen Zeitungen Bor­

Ronfursbeschwerde der Gflarefs abgewiefen. mürfe gegen ben Stadttämmerer De Lange erhoben

1,8 Millionen 2ftiben und 10,8 Millionen Poffiven.

Die Konfursbeschwerde der Gebrüder Sflaref, in der die Zuständigkeit des Amtsgerichts Berlin- Mitte angezweifelt worden war, weil die Privatfojuldner, nämlich die drei Brüder,

morden in der Richtung, daß er es in seiner Eigenschaft als Bor­fikender des Berwaltungsrates der Berliner Stadtbont an der den Schaden, der durch die Betrügereien der Gebrüder Stfaref nötigen Aufsicht babe feblen lassen und dadurch für

Teufel Morphium.

Ein Friseurladen als Rauschgifthöhle.

Die Kunden des Friseurladens G. in der X- Straße ahnten nicht, daß der Chef dieses Ladens, seine Gehilfen und selbst der Raffierer, Morphinisten waren. Eine regelrechte Morphiumhöhle mar dieses Friseurgeschäft.

Der Geschäftsinhaber mar der Hauptlieferant des Rauschgiftes. Ein fleines budliges Männlein, von Minderwertigkeitsgefühlen geplagt, bösen Stimmungen unterworfen, fand er im Morphium eine Quelle der Freude und Lust. Im Krantenhaus begann es, als er an einer Rippenfellentzündung daniederlag. Zuerst ließ er fich das Gift von einem Arzt verschreiben, dann von einem anderen.

night im Bereiche des Amtsgerichts Berlin- Mitte wohnten, erwachsen ist, mitverantwortlich sei. Der Stadttämmerer hat beshalb Er brauchte mur feinen Lehrling mit einem Briefchen zu Dr. M.

ift abfchlägig befchieden worden.

Das Landgericht hat erklärt, daß die Zuständigkeit gegeben jei da ber Wohnfig ber offenen Handelsgesellschaft 23. in Berlin­Mitte sich befände und da im Interesse einer einheitlichen Durch führung des Konfurses bas Amtsgericht auch über das Bermögen der privaten Inhaber den Konfurs verhängt habe. Interessanter ist da­

gegen die Feststellung des Amtsgerichts, die fich gegen die Erklärung der Sflarels menbei, ihr Geschäft sei nicht überschuldet. In den Entscheidungsgründen heißt es nämlich, daß nach den bisherigen Feststellungen die Aktiven der KG. 1,8 Millionen Mart betrügen, während sich die Baffioen auf 10,8 millionen Mark beliefen. Ebenso wurde die Behauptung in der Beschwerde der drei Brüder zurück gewiesen, daß ihr Vertrag mit der Stadt Berlin , der bis 1935 gehe,

Johann Komáromi:

9].

He, Koraken!

Chardam Ungarischen

von Clexander von Sacher Maroch Copyright by Büchergilde Gutenberg, Berlin .

Die Rojaten natterten mit ihren Wagen über den Feld meg. Den ersten Wagen lenkte der Oberto at persönlich. Und da fie in eine tolle Laune geraten maren, begannen fie wild zu fingen. Wie gewöhnlich, begann der Oberfojat damit, die anderen vliesen es ihm nach, mit dem Winde um die Für drei Guiben, für drei Gulden

Bette:

Kaufe dir ein Tuch, Marie..."

Der Schall ihrer Gefänge reichte bis an das Ende des Dories. Denn die Rosalen liebten es nicht, ohne großen Tumult heimzukehren.

3.

Bon da ab sah ich die Kosaken längere Zeit nicht. Denn wie die Abenbe immer fälter und fälter wurden, und aus den Wolfen der Schnee allmählich zu sieben begann, lebte ich schon seit Wochen im Hause meines Großpaters

mütterlicher Seite.

4.

gegen sich selbst bie Gröffnung des Difsiplinarber­fahrens beantragt, damit ihm auf diese Weise die Möglichkeit gegeben ift, fid) gegenüber biefen Borwürfen zu rechtfertigen. Der Leiter der Berliner Anschaffungsgesellschaft, der volts parteiliche Obermagistratsrat und Stadtverordnete Schallbachchmerzen au lindern, hatte ihr ihr Mann eines Tages eine bat gegen ben deutschnationalen Stadtverordneten Major D. Merdel Strafanzeige wegen öffentlicher Beleidigung stellen lassen. Stadtverordneter Merckel hat nämlich eine Broschüre veröffentlicht, in der gleich auf der ersten Seite im Fettbrud ber jetzige Leiter der Anschaffungsgesellschaft ge­nannt und mit der Sflaref Affäre in Zusammenhang gebracht wird. Schallbach verlangt, daß die Broschüre von den Herausgebern zurück gezogen werde, meil durch den Titel ,, Die Sklarets und ihre Helfer" in der Deffentlichkeit ein falscher Eindruck erweckt wird.

Ich hatte die Kosaken schon seit Monaten nicht mehr gesehen. Denn an einem Spätherbstmorgen fletterten sie auf ihre Wagen und fuhren unter hellem Gesang zum Dorf hinaus. In schwarzen Röden, mit hohen Lammfellmügen auf den Köpfen, waren sie dreißig an der Zahl abgefahren, und seit her verirrte sich nur selten Runde über sie in meines anderen Großvaters Haus. In diesen Wintermonaten rodeten die Rofaten Holz in fernen, sehr fernen Gegenden, im Schoße der Urwälder. Der Obertofat führte sie an und die von ihm verpflichteten Rojaten fällten so lautete die Nachricht- bis an die Gürtel nackt, Baumstämme in den Wäldern. Dann wieder fämpften fie tagelang mit den Wölfen, wenn diese zähnefletschenden Bestien, vom Hunger getrieben, sie aus den Felsflüften überfielen. Natürlich blieben die Kosaken obenauf, well fie die Aegte mit viel Geschicklichkeit und noch viel mehr Verwegenheit gebrauchten. Manchmal hielten sie einen Siegesschmaus in den schneeverwehten Wäldern, und von ihrem wilden Lieb hallten die Alpen und Wälder wider. Das verstanden die Rofaten. Denn, obwohl sie im Blute wenig mit den Rosalen gemein hatten, die auf der anderen Seite der Berge wohnten, so waren sie dennoch Kosaken; hervorragendere Kosaken als die russischen. Wegen seiner unverträglichen, leicht erregbaren Natur nannte man meinen Großvater zuerst so, mit diesem friegerischen Namen, und im Laufe der Zeit war diese Bezeichnung auf alle jene über­gegangen, die sich unter seiner Anführung zusammengetan hatten, um mit ihren fnochigen Fäusten das magere Brot zu erarbeiten. Denn die Kosaten gingen jede Arbeit an, und Gott weiß, was ihre wahrer Beruf war bei diesen vielseitigen Unternehmungen?

Dieses Haus steht hinter dem gräflichen Garten, ganz am oberen Dorfende, am Anfang des Wirtschaftshofes. Dar über hinaus folgten in einem ungeheuren Biered die Boh­nungen der Dienstleute, dann die Stellungen und Steigen, die Speicher und Magazine. An falten Morgen rauchten im äußersten Ende des Hofes die Dunghaufen und dahinter Der Oberfosat wäre um diese Zeit Herdenwirt gewesen. folgte der geheimnisvolle Garten des Grafen. Am Morgen, Im Berein mit mehreren Rosalen pachteten sie schon seit wenn ich mit umgehängtem Seitenbeutel zur Schule mußte, langer Zeit die Ebene von Nézpest. Er hatte sechs Pferde, brachen vom Brunnen bes ungeheuren Hofes unter großem auch die übrigen Kojaten stellten vierzig Stück, dazu tamen Gellirr die herrschaftlichen Wagen zu ihren fernen Fahrten die Tiere der Besizer und die so zusammengeworbene Herde auf, die Treiber zogen ihre Lammfelimüßen weit in den weidete vom Frühjahr bis zum Herbst auf dem großen Raden, daß nur ihre Augenbrauen und ihre frostbeschlage- Wiesenplan, dessen Grenzen die fern trauernden Weiden an­nen Schnurrbärte hervorugten, und fnatterten, unter großem zeigten. Drei, vier Pferdeburschen bewachten die Herde. Lärm über die Brücke rollend, in die Welt hinaus. Sie Der Oberkosat ritt mitunter zu ihnen hinaus und lud sie nahmen auch Alerte mit, denn auf diesen Fahrten pflegten sie zu einem Trunt ein oder bedrohte sie mit feinem Stod. Je mit den Wölfen zu raufen An diesen falten Tagen nachdem. Dann sprengte er davon und sie sahen ihn tage trieben die Bichtnechte das Bieh zu den Brunnentrögen und lang nicht mehr. führten es dann wieder in die Stallungen zurück. Die Denn die Kosafen gingen auch andere Unternehmungen Kälber hatten zerzauste Felle, und sie brüllten langgezogen| an. Im Frühjahr zogen sie als Grubenarbeiter in die Jms und traurig vor ihren Trögen. reger Berge und sprengten haushohe Felsblöde mit Dynamit.

wurde

zu schicken, drei Mart dazu und schon hatte er ein tüchtiges Quantum Morphium. Mehr als 300 Rezepte in etwa 16 Mona ten erhielt er und mehr als 100 Rezepte seine Frau, denn auch fie war Morphinistin geworden. Um ihre Gallenblasen. Sprihe verabfolgt. Seitdem tam sie nicht mehr davon los. Und unfall erfitt, erhielt auch er als eines Tages der Bruder des Friseurs einen Motorrad­Morphinist. Mit ihm seine Frau. Die Beiden versorgte wieder eine Sprize und ein anderer Arzt mit Rezepten. Wenn man aber Morphium befißt, so ist man nicht fleinlich und gönnt ihn gern auch seiner Umgebung. Arbeit erschöpft: Eine Sprize Morphium gefällig? Und sie erhielt Die Friseurgehilfin, Fräulein B., war eines Tages von der vielen sie. Ein zweites, ein drittes Mal und schließlich wurde auch sie Morphinistin. Die beiden Friseurgehilfen hatten Kopf­

| Diese Berge lagen viele Kilometer weit entfernt, aber im Dorfe flirrten die Fensterscheiben bei diesen luftaufwirbeln den Sprengungen. Alle wußten, daß die Kosaten in der Tiefe der Gruben arbeiteten, und es war sicher, daß auch der bejahrte Andreas Bitor darum wußte. Aber Andreas Bifor war Soldat gewesen und deshalb hob er bei diesem fernen Dröhnen die Nase in die Luft und schnupperte in alle vier Windrichtungen: Das sind Kanonen. Wahrscheinlich zieht Franz Joseph gegen die Preußen, hellige Mutter Gottes, was das noch geben fann!

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Die Kofaten versuchten es noch mit allerlei, solange sie auf dieser Erde lebten. Sie brachen mit ihren Wertzeugen, ein ganzer Trupp, auf und zogen zur Eisenbahn, die an der Brenge des fiebenten Dorfes vorbeifuhr. Und sie wurden den Sommer hindurch Bahnarbeiter. Sie lockerten mit großen Stangen, die in eiserne Haten ausliefen, die Schienen und dann riefen sie alle gleichzeitig: 5000 ruck! Hooo rud!" Diese Rufe schallten weit über die schnurgeraden Schienen, und dann ergriff immer tiefes Mitleid mein Herz. Denn mein Vater nahm mich einmal für eine Woche mit. Ich sah unter dem glühenden Himmel halbe Tage lang den Rosafen zu, wie sie mit schwarzgebrannten, vom Fasten fanti­gen Gesichtern, feuchend, mit wirren Haaren und zitternden Sehnen in großer Anstrengung schafften und mit an den Schläfen vorspringenden Adern alle zugleich riefen: ,, Hooo rud!"

Sie traten nur dann für einen Augenblick bei­feite, den Schweiß von ihren klebrigen Gesichtern wischend, wenn der Schnellzug vorüberfligte. Aus den Fenstern sahen glänzende Herrschaften gleichmütig über sie hinweg, der Schnellzug jagte weiter und nach zehn Minuten zeigte nur­mehr der leichte Rauch seinen Weg an der Grenze des Ho­rizonts. Dann ergriff zumeist unbekannte Sehnsucht mein Herz. Ich wäre gern mit diesen strahlenden Menschen ge­fahren, den fernen, im Horizont versunkenen Welten ent­gegen. Und oft stellte ich mir selbst die Frage: Woher famen sie und wo würden sie einmal aus jenem Zuge aussteigen?... Oder ich legte mich unter dem kleinen Weidengestrüpp, bas die Schienenstrede entlanglief, auf den Rücken und lauschte mit unter dem Kopf verschränkten Armen auf das geheimnis poll rauschende Lied der Telegraphenstangen. Als sprächen die in eine andere Welt eingegangenen Seelen aus irgend­einer Sphäre miteinander. Ich verstand das nicht, fonnte es gar nicht verstehen. Einmal erklärte mir donn mein Bater, daß die Herren und die Generäle fich telephonisch und tele­grophisch unterhielten, von Wien nach Homonna , von Lem­ berg nach Budapest . ( Fortseßung folgt.)