1929
Der Abend
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Spätausgabe des„ Vorwärts"
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Nr. 498
B 248 46. Jahrgang
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Braun lehnt Erklärung ab.
Nur auf bestimmte Fragen kann bestimmte Antwort gegeben werden.
Zu Beginn der heutigen Verhandlung vor dem Staatsgerichtshof gab Ministerialdirektor Dr. Badt folgende Erklärung ab:
Der preußische Ministerpräsident ist der Auffaffung, daß eine authentische Interpretation seiner im Landtag abgegebenen Regierungserklärung nicht nötig ist, und zwar um so weniger, als es sich heute nur handelt und auch nur handeln kann um die einstweilige Verfügung. Wenn die Klägerin den Wunsch hat, darüber hinaus irgendwelche Erklärungen des Herrn Ministerpräsidenten zu erhalten, fo war bei den mehrtägigen Debatten im Landtag Zeit genug, eine solche Erklärung herbeizuführen. Wäre die Frage damals gestellt worden, so wäre sie zweifellos beantwortet worden. Wenn aber die Klägerin nicht den verfaffungsmäßigen Weg
Rücktritt der Regierung.- fommt die Auflösung?
Weimar , 23. Oftober.( Eigenbericht.) Zu Beginn der heutigen Landtagsükung nahm zuerst Staatsminister Dr.. Paulsen das Wort und gab folgende Erklärung ab:
., Ich habe dem Präsidenten des Landtags mitgeteilt, daß sämtliche Mitglieder der Regierung in der Kabinettssitung am Dienstag abend von ihren Aemtern zurückgetreten sind."
Nach dieser Erklärung beantragte der volksparteiliche Abgeordnete Bauer die sofortige Aufhebung der Sikung, um dem Aeltestenrat Gelegenheit zu geben, zu der neu
Das gestürzte Kabinett.
Unfer Bild zeigt die Minifter des Kabinetts Briand , das gesternabend in Paris geftiral rurde. Neben Briand der Präsident der Republik, Herr Doumergue .
rat tagt noch.
paris , 23. Oftober.( Eigenbericht.) Der unerwartete Sturz des Kabinetts Briand hat die hiesigen politischen Kreise in die schwerste Verwirrung gestürzt. Man ist nicht nur über die Nachfolgerschaft Briands völlig auf die vagsten Vermutungen angewiesen; auch die Gründe, die zum Sturz des Kabinetts führten, scheinen noch nicht völlig geklärt. Briand hat erklärt, unter feinen Umständen einem 12. Kabinett ein dreizehntes folgen zu laffen.
gewählt, sondern es vorgezogen hat, den Umweg über eine klage beim Staatsgerichtshof zu wählen, und innerhalb dieses Umweges wieder den weiteren Umweg eines Antrages auf Erlaß einer scheinba en einstweiligen Verfügung befchriften hat, um den Ministerpidenten innerhalb dieses Schnellverfahrens zu irgendwelchen Erflärungen zu zwingen, so sieht der Ministerpräsident feinen Anlaß, ihr auf diesem Wege zu folgen. Sollte aber wider Erwarten der Staatsgerichtshof für die demnächstige Entscheidung in der Hauptfache die Beantwortung irgendeiner Frage noch für zwed- In Rechtsfreisen wird in erster Linie die Kandidatur Tardieus mäßig halten, so rät der Ministerpräsident an, ihm bestimmf formulierte Fragen schriftlich auf dem üblichen Wege zuzuleiten. Er wird dann dafür Sorge tragen, daß bis zum Termin eine schriftliche Beantwortung erfolgt.
Ministerialdirektor Dr. Badt führte dann weiter aus, eine einstweilige Verfügung könne mur gefällt werden, wenn eine Ent scheidung in der Sache selbst erfolge. Eine Entscheidung in der Sache selbst sei aber wegen der zwingenden Vorschrift des Paragraphen 6 der Geschäftsordnung des Staatsgerichtshofes, der eine vierzehntägige Ladungsfrist vorsieht, unmöglich. Also erscheine der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Berfügung schon heute reif zur Abweisung, zumal es sich nicht um eine echte einstweilige Verfügung handele. Zudem sei teinerlei Grundlage für eine Entscheidung nach Artikel 19 der Reichsnerfassung gegeben. Durch eine einstweilige Verfügung würde ein Präzedenz fall geschaffen werden, der unheilvolle Wirkungen ausüben und zu einer Er schütterung aller verfassungsrechtlichen Grund lagen führen könnte. Eine einstweilige Verfügung des Staats: gerichtshofs würde eine Borwegnahme der Kontroll tätigteit des Preußischen Landtags bedeuten, zu bez biefer verfaffungsmäßig berufen ist, und zu der er auch das Mittel des Mißtrauensvotums und der Minifterverantwortlichkeit hat. Eine einstweilige Verfügung würde auch den Disziplinargerichten vorgreifen. Die Folge würde sein, daß alle Regierungstundgebungen gemissermaßen unter der obersten Zensur des Staatsgerichtshofs ständen. Es tönnte auch vorkommen, daß der Staatsgerichtshof die Handlungsweise eines Ministers für verfaffungsmäßig erkläre, während das Parlament sein Mißtrauen ausspreche. Wie sollte ein Urteil pollstreckt werden, bei dem sich ein Minister in Uebereinstimmung mit dem Staatsgerichtshof, aber im Gegensatz zum Barlament befinde? Der Redner betonte dann nochmals nachdrücklich, daß der 8 4 des Boltsbegehrens nur den 3 med einer Brandmartung ber gegenwärtigen Minister haben könne.
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an der Spize eines neuen Bloc national propagiert. In dein Lager der Linken wird unterstrichen, daß, wenn in der gestrigen Abstim mung die Stimmen der Linken ausschaggebend zum Sturz waren, dies doch keineswegs als Mißtrauen gegen die Briandsche Politit aufgefaßt werden dürfe. Die Linke, erklärt die radikale Ere Nouvelle", hat gegen die linion National und gegen die ungesunde Zusammenschung der Regierungsmajorität gestimmt, die Rechte gegen die Politik von Locarno . Heute habe die Stunde geschlagen, ba man mit aller Entschiedenheit zwischen einer Politik ber Linfen und einer Politik der Rechten wählen muß. Ginge es nach dem Willen der Majorität der Bevölkerung, märe es nicht zweifelhajt, mie diese Wahl aus= fallen würde. Die Parlamentarier aber behaupteten, daß die Linke zahlenmäßig nicht start genug fei, die Macht zu übernehmen. Dem sei zu entgegnen, daß die Linke die Macht sehr wohl übernehmen fönnen, weil sie es muß". In ähnlichem Sinne äußert sich die Republique", bas offizielle Organ Daladiers und des linken Flügels der Radikal Sozialisten. Briand glaubt, sich jeder Diskussion über seine Politik entziehen zu tönnen, erklärt das Blatt, das hat zu seinem Sturz geführt, ohne daß ein Mißtrauen gegen seine Bolitif gegeben märe. In Wirk lichkeit ist
so
das kabinett das Opfer der Unklarheiten geworden, in deren Zeichen feine Geburt fland.
Der Sturz des Kabinetts müsse dieser Art von Politik ein für allemal ein Ende machen. Es gelte, alle Kräfte zu mobilisieren, um eine Uebernahme der Regierung durch die Linksparteien zu ermöglichen. Diese Aufgabe der demokratischen Parteien ist klar und präzise gegeben. Wir hoffen so schließt das Blatt daß feine einzige Bartei unter ihnen sich dieser lebenswichtigen Aufgabe entziehen werde."
Der letzte Absatz ist eine flare Anspielung auf die letzte Rede ( Fortsetzung auf der 2. Geite.) Blums, in der die Uebernahme der Macht gemeinsam mit den Ra.
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Die Verantwortung der Sozialisten.
dital Sozialen im gegenwärtigen 3eitpunkt abgelehnt wurde. Nur in einem Punkte sind sich die Blätter aller Parteischattierungen einig: daß die gegenwärtige Krise außerordentlich lang und schwierig zu lösen sein wird.
Daladier- Steeg- Herriot?
Paris , 23. Oktober. Wie der Matin" meldet, hat Briand dem Staatspräsidenten
Domergue vorgeschlagen, den Radikalsozialisten Daladier mit
der Bildung des neuen Kabinetts zu beauftragen. Das Blatt berichtet weiter, daß in den Wandelgängen vielfach von einem Ministerium Steeg mit Herriot als Außenminister und Daladier als Kriegsminister die Rede gewesen sei. Auch die Teilnahme Paul Boncours in einem reinen Lintskabinett jolle gewährleistet sein. Ein republikanisches Konzentrationskabinett mit Tardieu an der Spike würde sogar unter den gemäßigten Abgeordneten wenig Anklang finden. Die meisten Kammergruppen werden im Laufe des Mittwoch zusammentreten, um zu der neugeschaffenen Lage Stellung
zu nehmen.
Das induftrieverbindende Gaargebiet.
Paris , 23. Oktober. ( Eigenbericht.) Die interministerielle Kommission zur Festsetzung der franzö fischen Forderungen für die bevorstehenden deutsch französischen Saar - Verhandlungen hat ihre Arbeiten beendet. Sie fordert, daß die gegenwärtigen, zwischen Frankreich und Deutschland in Geltung befindlichen Schwerindustriellenabkommen auch auf das Saargebiet ausgedehnt werden. Außerdem wird die Aufrechterhaltung des gegenwärtigen 3ollzustandes bis zum Jahre 1935 für das gesamte Saargebiet gefordert.
Unordnung in den Wählerliften!
Eine Unmaffe von falschen Eintragungen.
Nur noch drei Tage, bis zum 25. Ottober einschließlich, liegen die Wählerlisten zur Einsicht aus. Achte jeder auf die Schreibmeise seines Namens und vergewissere sich, ob auch die Geburtsdaten genau stimmen. Gerade in dieser Beziehung sind uns in den letzten Tagen zahlreiche Klagen zugegangen. In einzelnen Bezirken sollen bis 16 Prozent falsche Eintragungen festgestellt worden sein. Wer nicht sein Wahlrecht verlieren will, muß fofort nachsehen und eventuell berichtigen laffen.