Nr. 503* 46. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Sonnabend, 26. Oktober 4929
Wo liegt die Schuld? Oer Prozeß in Krankfuri wird forigefeht.
, L. K. Jtonffurt d. d. 0., 25. Oktober. (Tigenbericht.) Es soll in diesem Prozeh nichts beschönigt werden; die Haltung der jungen Reichsbannerlcutc verdient vom Standpunkt ihrer Organisation gewih in mancher Hinsicht eine scharfe 2? c r � nrteilung. Es muh ober gesagt werden: an dem Ausgang des verhängnisvollen Abends trägt der Verstorbene Rademacher ein gerüttelt Wah von Schuld. Wäre nicht e r durch tragische Verkettung von Ilmständen das Opfer geworden, zweifellos hätte dann der eine oder der andere der jungen Reichsbonnerkameraden sein Leben verloren. Nicht umsonst sagten zwei Zeugen von dem Getöteten, daß er ohne weiteres imstande gewesen wäre, drei von den vier Angeklagten durch dos Kupeefenster zu werfen— solche Kräfte besah er, und sie fügten hinzu: er war im trunkenen Zustand ein Messerheld, er suchte Händel , war kaum zu bändigen und für die Umgebung eine Gefahr. Rodemacher war am 12. August a n° getrunken. Im Gegensatz zu Radcmacher schnitt der Angeklagic Iaschek als Mensch vorzüglich ab. Viel Kopsz«rbrcchcu verursachte dem Gericht die Frag«, aus welchem Grunde die Angeklagten in dos Kupee, in dem sich Radsmacher befand, gegangen waren. Jedenfalls nicht bloh, um diesen zur Rede zu stellen; das sollte nur nebenbei ge- schehen; die Hauptsache für sie war, auf bequemen Plätzen die Rocht zu verbringen. Unter keinen Umständen dachten sie auch nur entfernt an di« Möglichkeit eines blutigen Zlusgangcs; niemand war bestürzter als sie selbst. Hätten sie geahnt, mit wem sie es zu tun bekommen sollten, sie hätten es bestimmt unterlasse� den Mann zur Rede zu stellen. Iaschek versetzte den Messerstich als er sein.?« Freund in groher Bedrängnis sah und seinen.Kopf in der eisernen Umklam- m e r u n g des überstarken Fleischers fühlte. Der K r i ni i n o l a s s i st e n t, der den Angeklagten Iaschek vernommen hat, bestätigte, daß der Breslaüer Reichsbannermann die Polizei in ihren Ermittelungen tatkräftig «nter stützt und auch den Iaschek herbeigeholt hat. Dieser leugnete anfangs, mar aber hinterher geständig, weint« und schien ganz gebrochen; das Geschehene tat ihm wirklich leid. Er erklärte, daß er sowohl wegen des besseren Platzes mitgegangen fei, als auch aus oem Wunsche heraus, seinen Kameraden beizustehen. Polizeibeamter Müller erklärte, daß Hohn sich selbst als Beteiligter gemeldet habe. Hahn gab auch ohne weiteres sein blutiges Hemd heraus und beruhigte seine Kameraden. Wer war Rademacher? Nun erfährt man endlich auch etwas Über die Persönlichkeit des ums Leben gekommenen R a d e m a ch e r. Der Gastwirt Bach- oxinn und der Rcichslmnncrntann Albert Gertik aus Glogau wissen viel über ihn zu erzählen. Beim Gastwirt hat Rodemocher äster verkehrt. War er nüchtern, so war. ihm nichts anzusehen, im b e- trnni kenen Zustande aber mar. er gefährlich. Er besah- geradezu immense Kräfte. Ein 32 Zentner schweres Auto konnte er mit Leichtigkeit zur Seite wersen, wenn er es hinten anfaßte.„Wäre er mit de» oier Angeklagten fertig geworden?" fragte der Verteidiger Dr. Hirschberg.„Drei von ihnen hätte er ohne weiteres durch dos tzupeesenstcr hinausgeworfen," lautete die Zlntwort. Gertik konnte Rademacher sehr gut; er stand politisch auf der rechtsradikalen Seite, ohne Mitglied einer Organisation zu sein. Wenn er betrunken war, muhte man sich vorsehen. Zlls ihn eines Tages auf der Straße ein Fußgänger unoerhofst anstieß, beschimpfte er ihn trog dessen Entschuldigung in gemeinster Weise und lies ihm mit erhobenem Messer noch. Hatte der Zeuge ihn nicht fortgerissen, die Sache wäre schlecht aus- gelaufen. Ein andermal fiel er über zwei Reichsbannerleute her
und verwickelte sie in eine Keilerei. Auch die Gastwirtsinhaberin Fuchs weiß einen itzorsall zu schildern, bei dem Rademacher auf einen Mann mit einem Messer losgegangen sei. Seinen Kost- gonger bedrohte er mit einer Kosseekanne, weil, er von ihm das Kostgeld verlangt«. Der Vorsitzende stellt« schließlich aus den Akten fest, daß der Verstorben« viermal wegen Diebstahls bestraft mar; darunter einmal wegen Koineradsäsostsdiebstahls und ein andermal kamen noch Eigentumsoergehen auf Angehörige im Dienste hinzu. Im Juli 1924 erhielt er eine Straf« wegen fahr- lässiger Tötung während einer Autofahrt.?lls er hie Strafe verbüßen sollte, mar er drei Jahre lang unauffindbar. Der Sanitäter Skoppin, der dem Verletzten auf dem Wege von Iolabs- darf bis Frankfurt a. d. O. Hilfe geleistet hatte, bezeugte, daß Rade- mocher stark nach Alkohol roch. Er hotte seinem Käme- raden Lehmann bald nach der Rückkehr in Breslau davon Mit- teilung gemacht. In ganz anderem Licht« als der Verstorbene steht der An- geklagte Iaschek. Die Frau seines Arbeitgebers, die rechts steht, schildert ihn als äußerst ruhigen, willigen und freundlichen Menschen. Er weigerte sich eines Tages, ein Huhn zu schlachten. Iascheks Arbeitgeber wollte nicht glaichen, daß er jemanden mit dem Messer gestochen haben könnte. Auch die Schwester des Angeklagten stellte ihm das beste Leumundszeugnis aus. Wenn es irgendwo einen Streit geben sollt«, so ging er stets davon. Ein eben so gutes Zeugnis stellte der Arbeitgeber Pfeiffer dein An- geklagten M a l f ch a r e k aus, der bei ihm 4H Jahre gearbeitet hat; dieser ist auch bereit, ihn wieder einzustellen Margen wind die Beweisaufnahme geschlossen; das Urteil ist in den Nachmittagsstunden zu'erwarten.
Die Eisenbahnkataflrophe. Die Prüfung der Schuldfrage. München , 25. Oktober. (Eigenlxricht.) Die vorläufige Untersuchung über die U r s a ch c d e s E i s e n- bahnun glück? bei Nürnberg ist bereits abgeschlossen. Als Ergebnis wird bohnamtlich mitgeteilt, daß das Unglück auf vorschriftswidrige Fahr dien st leitung und auf Ueberfahren des Ausfahrtsignals durch den München — Berlin I'-Zug 39 herbeigeführt wurde, ohne daß für dieses Ueberfahren ein ausdrücklicher schriftlicher Befehl vorgelegen hob«. Die g e- r i ch t l i ch« Untersuchung ist bereits im Gange. Die Prüfung der Schuldfrage Hot folgeichen Sachverhalt ergeben: Der von München kommend« O-Ziig war vor dem Bahnhof Reichelsdorf , den er fahrplanmäßig ohne an- zuhalten hätte passieren müssen, wegen der hinter der Station Reichelsdors beginnenden Gleisarbeüen und der damit verbundenen Eingleisigkeit der Strecke angehalten morden, und zwar ordnungsgemäß durch" Stellung" des Einsah rtsigintls auf Halt. Ebenso war auch das Ausfahrtsignal auf dem Bahnhof Reichels- dorf ouf.Haltstellung gebracht worden. Der Lokomotivführer des von München kommenden Zuges hat mm am Einfahrtsignal von Reichclsdorf folgenden Befehl erhalten:„v 39 hat an dem auf Holt stehenden Einfahrtssigrm! vorüber und im Bohnhofsgleis ein und durchzufahren". Der Zug fuhr aber nicht nur an dem Emfahrtstgnol, sondern an dem ebenfalls auf Halt stehenden Aus- fahrtsignal vorüber und stieß so hinter Reichelsberg an der Weich« zum Ucberholungsgleis auf den von Nürnberg kommenden v-Zug-. Die Verhaftung des Fahrdienstleiters Linhubcr» der Station Reichelsdors erfolgte, um der Gefahr einer
Verdunkelung vorzubeugen. Es soll verhindert werden, daß sich Linhubcr und der'Lokomotivführer Maurer des O.Zuge? 39 auf außergerichtlichem Wege miteinander verständigen können. Mauerer befindet sich als Leichtverletzter im Nürnberger Kronkenhaus. Schwanzlose Flugzeuge. Probeflüge in Tempelhof . Vor einem großen Kreis von Interessenten und Pressevertretern fanden gestern ouf dem Flugplatz T e m p e l h o j Flüge mit schwanzlosen Flugmaschinen statt. Di« Tragflächen dieser Maschinen sind in Pfcilspitzensorm angeordnet, deren äußerer Winkel etwa 110 Grad beträgt. Das sonst am Schwanzende befindlich« Seitenfteucr sitzt hier an den F l Ü g e l e nd e n. Bei dem Modell der Rhön -Rositten - Fluggesellschaft wird auf ein Fahrgestell verzichtet. Ein DKW.-Motor ist hinter dem Führersitz eingebaut und gibt dem Flugzeug in 1000 Meter Höhe eine Geschwinidigkeit von etwa 120 Kilometer. Durch den Verzicht auf dos Fahrgestell ist der Start zwar nur mit Hilfe einer Katapultvorrichtung möglich, verringert aber ver- Hunden mit der durch die Schwanzlosigkeit erzielten Einheit von Trag- und Steuerflächen den Luftwiderstand erheblich, so daß eine größtmögliche Flugleistung erzielt wird. Unter ähnlichen Gesichtspunkten wurde von Langguth das erst« eigenstabile schwanzlose Flugzeug hergestellt, die sich in der Luft ohne Betätigung des Steuers von selbst stabilisiert, so daß ein Fliegen nicht viel schwieriger als Autoftenern ist. Und wie der Erbauer versichert, von jedem noch kurzer Zlnweisung erlernbar ist. Beide Flugzeuge zeigten in gut gelungenen Probeflügen ihre Verwendbarkeit. Elends-Wohnungen. Es kommt natürlich auch bei feudalen Leuten einmal vor, daß sich nn Hause unliebsame Schäden bemerkbar machen, die in hygienischer oder allgemein gesundheitlicher Beziehung das Mißfallen der Bewohner erregen. Aber bei den armen Teufeln kommt weist zuviel derlei auf einmal zusammen, und so oerdichtet sich der gegen- fettige Haß zwischen Mieter und Hauswirt bis zur Unerträglichkeit. Im Haufe WettinerKorsolZin Neu-Tempelhof Hausen mehrere Parteien unter mehr als primitiven Umständen. Das völlig ver- wahrloste Haus wurde vom neuen Pächter vor einigen Iahren trotz feiner Wackligkeit und Klapprigkeit zum Wohnhanse umgewandelt. Da sitzt kein Fenster und keine Tür mehr richtig, da gibt es Fenster, die stntt der Scheiben nur ein paar lose zu- sammengefügte Balken besitzen und die darnberliegenden Wohnun- gen mit dem genügenden Luftzug und der Feuchtigkeit versorgen, durch die morschen Decken tropft der Regen und die Leute müssen bei schlechtem Wetter wie weiland Spitzwegs„armer Poet" cntrveder den Regenschirm oder den Waschzuber als Regentonne aufstellen: dazu versagt« vor mehreren Tagen die Wasserspülung und sie mußten tagelang warten, bis die Sache wieder in Ordnung gebracht wurde. Vor ihren Fenstern hoben sie statt eines blühenden©Örtchens eine Müll- undAbsailgrube. in der sich Ratten und anderes Getier prächtig entwickeln und ihnen, sobald sie Eßwaren im Hause haben, auch gelegentlich Besuch abstatten. Eine große Autoreparaturwerkstatt sorgt den ganzen Tag für den nötigen Spektakel,«in Teppichrcinigungsinstitut jür den nötigen Staub und Schwefelgestank. Die Wohnungen sind teuer, trotz ihrer ganz unzulässigen Besehasfenheit, ein jeder räjonmert und frißt tagaus, tag- ein Gram und Aerger in sich hinein, denn wo sollen sie hm. Auch diese Frage tritt in nächster Zeit ernsthast an sie heran, denn der ganze Krempcl soll nun endgültig dem Erdboden gleichgemacht wer- den. Einer der Mieter hat schon eine Abfindung bekommen und mutzte heraus; natürlich kann er keine neue Wohnung finden und nun beneidet er heimlich noch die„giücklichen" anderen in seinem srüheren Elendsquartier. Einer unserer ältesten Leser, Karl Peter?. Fichtenau , AiSmarckstr. ZS, begeht Keule seinen 70. Geburtstag. Am 9. Oktober konnte seine Gattm die gleiche Feier begehen.
Mann 7<nmarofru: M /, ii Jh&&&*! ml CCufcfam Ungarischen jewx Cüizxancl&vonS&£f*ej\MBJOcf\. Copyright hy Buchcrgilde Gulenbcrff, Berlin . „Johann, sich nach, was mit diesem Menschen geschehen ist. Wenn er doch noch zum Vorschein kommen sollte, dann schicke ihn gleich zu mir. Ich habe mit ihm zu reden! Nach einer halben Stunde kam mein Onkel zurück, Josef Paczal sei noch nicht wiedergekehrt. Seine Mutter wußte nur soviel über ihn, daß er vor einer Woche gegen den Frost ein blaues Tuch um seine Ohren gebunden habe, dann sei er, mit den Händen in den Hosentaschen, in den Schneesturm hinausgewandert. Er wollte irgendeinen Gevatter in Gatoly aufsuchen. Am dritten Tage jedoch erschien Josef Paczal. Als ich vormittags in die Werkstatt kam, saß er dort, ungezwungen, auf einer Truhe, die von der Soldotenhose eng umschlossenen Beine übereinander gekreuzt. Der Nest seines Hutes, auf den Gipfel seines Kopfes geschoben, die Ohren mit einem schmutzigen Tuch verbunden, und er erklärte meinem Onkel wohlgemut:„Die beiden Luder sprangen mich etwa zum zehnten Male an. Wenn ich dem einen vor die Nase trat. schnappte der ärgere nach meinem Hintern. Die Pest in ihre Knochen, sie haben mir den Hosenboden auch ordentlich zerfetzt..." Er glitt von dem Perschlag herunter, drehte sich um und zeigte sich von hinten. Seine Hose war zerrissen, und die?- mal lugten Strohbüschel daraus hervor. Denn in Ermange- lung eines Stoffes hatte er sich mit Stroh ausoestopft Mein Onkel schüttelte halb bewundernd, halb lächelnd, den Kopf. Josef Paczal winkte ob;„Nun, das ist gar nichts, ich habe gemeinere Falle erlebt. Hauptsache, daß ich recht- zeitig in Eataly ankam. Es war gerade Kindstaufe bei meinem Genatter. dem Schmi»d Bircsik, und wir tranken einen möchtigen Schluck. Auch�drei Zigeuner waren da, und im Alnr-nett'stest brannte der Schnaps." Diesem Gedankenaustausch bereitete da? Erscheinen meines Großvaters ein Ende. �Er winkte Josef nach sich und sie zogen sich in die Stube zurück.
Sic blieben dort eine halbe Stunde. Ihre Meinungen mochten sehr verschieden sein, denn wir hörten durch das Vor- haus yrehrfach die leidenschaftlichen Worte meines Großvaters herüber, was selten seine Art war. Josef Paczal hielt sich wacker, ja, er schrie später keck zurück. Schließlich öffnete i mein Großvater die Werkstattür und sagte mit großer Er- regung zu seinem Sohne:„Komm einmal herein!" Auch ich schlüpfte ihnen nach. In der Mitte des Zimmers stand Josef, das Hemd hatte sich in der Hitze des Gefechts auf seiner Brust geöffnet, und er reckte seine behaart« Brust her- aus und gebürdete sich sehr überheblich. Aus seinem Hinter- teil baumelte noch mehr Stroh herunter. Mein Großvater wandte sich an seinen Sohn:„Dieser Unglückliche hat den Verstand verloren.. „Das stimmt!" rief Josef Paczal dazwischen,„nur haben ihn die Herren und die Verwalter und Brugos genommen, denn ihrethalben haben wir nichts zum Fressen!" Mein Großvater winkte ihm, zu schweigen. Aber da murmelte Urgroßvater von der Ofenbank:„Josef hat recht... Ich bin in allem seiner Meinung.. „Alter, Alter, fürchten Sie sich denn gar nicht vor unserem Herrgott?" Mein Großvater sah ihn vorwurfsvoll an. Das genügte dem Wen. Er blies seinen Schnurrbart auf:„Ruhe, Himmel und Hölle, sonst zeige ich's euch gleich! Es ist wirklich eine Schweinerei, was in dieser Hundewelt alles geschehen darf! Wenn ich einmal zornig werde, schneide ich allen Herren die Bäuche auf!" Josef Paczal stand mit einem orkanartigen Gelächter in der Mitte der Stube:„Jener Bauch wird aufgeschlitzt!" „Mensch! Mensch!" rief darauf mein Großvater,„du rennst!n dein Verderben! Ihr werdet olle im Kerker zu- gründe gehen!" „Das wollen wir mal sehen." Josef Paczal riß sein Haupt in die Höhe...Mit uns ist nicht zu spaßen." Und er ging grußlos hinaus. Aber vorher sagte er nach. zu mir gewandt:„Der Oberkosak zieht dir d'e Haut über die Ohren, du Rotznase! Du hast das ganze verraten..." Von da ab verftrichten die Tage in großer Aufregung. Mein Großvater ging oft in tiefen Gedanken im Zimmer ouf und ab: er wußte nicht, was er beginnen sollte. Scheinbar wollte er den Oberkosaken abwarten, um ihm ins Gewissen zu reden. Mein Onkel arbeitete wieder in der Werkstatt, Urgroßvater märm!« sicki am Komin und murmelte zeitweilig: „Joses Paczal ist mein Mann..." Das Wetter klärte sich. Der Wind hielt üme nud es
schneite nicht. Aber es herrschte schneidende Kälte, und«ms den niederen Rauchfängen stieg der Rauch strahlenförmig zum opalfarbenen Himmel hinauf. Auch die Straße belebt« sich. Wir standen vor Weihnachten . Man hörte noch immer nichts von den Kosaken. Einmal kam auch meine andere Großmutter, die Frau des Ober-- kosaken, zu Besuch. Das war am zweiten Weihnachtstag. Sie kam in einem geblümten Mäntelchen, und sie erwähnte unter vielem Klagen, daß dem Oberkosaken vermutlich ein Unglück zugestoßen sei. Einmal würde man ihn noch er- schlagen, das sei gewiß! Mein Großvater ließ sich nicht weiter auf dieses Thema ein, und so hatte meine Großmutter nicht die geringste Ahnung von den umwälzenden Plänen des Oberkosaken. Bor- läufig verriet er auch an Brugos nichts, obwohl er den Per- walter oft mehrmals am Tage aufsuchte, um die Wirtschaft betreffende Verhandlungen zu führen. Er erwartete unge- duldig den Oberkosaken. Aber der Oberkosak kam nicht. Vor Neujahr schlug das Wetter wieder um und man kannte noch größerer Schneefälle gewärtig fein. Die ruß- schwarzen Wolken verursachten eine solche Dunkelheit, daß man schon am frühen Nachmittag die Lampe anzünden mußte. Um die gleiche Zeit erklangen in den Wirtschaftshöfcn die Abschiedsfieder der Jahreswende. Denn viele Knecht«, Treiber und Pferdejungen verdungen sich am Sankt-Michaels- ! Tag zu fremden Herrschaften, und diese sangen jetzt ganze Tage lang zum Abschied traurige Lieder. Sie summten'diefe Lieder herzzerreißend auf der Straße, in den Gesinde- Mahnungen und in den Ställen, oder drüben hinter der Meierei. In ihren einfältigen Liedern taten sie von ihrer alten Herrschaft gutherzige Erwähnung, ihrer. Herrschast, für die sie so lange g-pflügt und geerntet hatten, nahmen darin Abschied von Verwandten und Bekannten und drückten ihr« große Sehnsucht aus, daß ihr Los vielleicht ein besseres fem werde auf dem fremden Land. Von diesen wehmütigen Lieden, war das ganze Dorf voll und aus den Liedern klangen die Klagen des Elends... So um die Jahreswende denke ich oft an euch, ihr unglücklichen Mensäien... Auch das ging zu Ende. Denn am Neujahrstag brach zum »weiten Male das Unwetter los»nd im blinden Weiß des Schneesturmes verschwanden die abrollenden Wagen der Knechte, Treiber und Pferdejmrgen. Das Dobf lag verkrachen und ich horchte, an der Kammecke kauernd, voll Entsetzen auf den draußen tobenden Sturm. �Fortsetzung folgt.)