Sonnabend 26. Oktober 1929
Unterhaltung und ÄNissen
Seilage des Vorwärts
John galstvorthy: dt
In einem jener Winkel unseres Laiides, wo gewöhnlich die ganze Atmosphäre vom Rauch der Fabriken verdunkelt ist, war heute die Finsternis geschwunden. Ein frischer Wind hatte den schwarzen Himmel reingesegt oder oieUnchr das Dach der Hölle gesprengt und trieb lange Züge von gelblichen Wolken über das vom Dunst noch leicht oerschlsicrt« Blau des Firmaments, Sogar die Sonn« schien, blaß und kraftvoll schaute sie oerwundert herab. Und unter den Sonnenstrahlen, die so selten den Rauch durchdrangen, sah es aus, als wenn die kleine Stadt mit ihren Schlackenhaufen und den hohen Schornsteinen zu neuem Leben erwachte. In den ineinandermün- denden Höfen und Gäßchen, wo die Frauen arbeiteten, stieg von jeder kleinen Esse Rauch auf, der sich in der Höhe ungewöhnlich rasch verzog: auch die Frauen fühlten sich in leichter, gehobener Stim- mung. denn der Sonnenschein war bis in die Gäßchen gedrungen und erhellte die dunklen, rußgeschwärzten Balken der Dächer über ihnen und über den kleinen offenen Schmiedefeuern, ihren täglichen Arbeitsgenossen. Seit sieben Uhr schon waren sie fleißig. Ihre Füße setzten die ledernen Lungen des Blasebalgs in Tätigkeit, der die kleinen Kohlenhaufen zur Glut entfacht«: ihre Hände hielten einen dünnen Cisenstab in« Feuer, bis sich das rotglühende Ende zu einem Haken krümmen ließ, während sie es mit dem Hammer bearbeiteten: mit der Zange bogen sie es zu dem Glied einer Kette, worauf sie den Ring zusammenhämmerten und ohne einen Augenblick auszu- setzen, schoben sie den Eisenswb wieder in die Glut. Und bei der Arbeit schwatzten und lachten sie— ab und zu vernahn, man auch einen Seufzer. Alle Altersstufen und Typen schienen vertreten zu sein, von einer, die so braun, kräftig und gesund aussah wie eine provenzalische Bäuerin, bis zu dem müden, blassen, schwindsüchtigen Ding, von alten siebzigjährigen Frauen mit dünnem, unordentlichem Grauhaar bis zu fünfzehnjährigen Mädchen. In den Hütten arbeite- ten gewöhnlich«in«, höchstens zwei: in den größeren Schmieden dagsgen brannten vier, selbst fünf kleine Feuer und vier oder fünf ruhige Blasebälge waren in Bewegung, und kein Augenblick ver- g-ing, ohne daß ein rotglühender Haken als neues Glied zu der wach- senden Kette gefügt ward, kein« Sekunde oerstrich, ohne daß ein lsichter Rauch aus den Essen durch das dunkle Gebälk zur Freiheit emporstieg, gleich wie die Frauen am Feuer zwischen den schmutz!- gen. weißgetünchten Wänden langsam ihr Leben aufzehrten, Aber heut« bei dem weihflimmernden Sonnenlicht lag noch etwas Besonderes in der Luft: da» Fieber der Erwartung! Und um zwei Uhr schlug die Stund « der Erfüllung. Das Schmiedefeuer wurde gelöscht und aus Höfen und Gäßchen eilten die Frauen her- vor, in ihren zerlumpten Arbeitskitteln oder in den Sonntagsklei- der«, die nicht viel besser waren: in Hauben, Hüten oder barhäuptig: mit Kindern auf dem Arm und Kindern unter dem Herzen strömten sie nach der Hauptstraße und stellten sich dort hinter der Musikkapelle auf. Ein seltsamer Schwärm— geschwätzig wie Elstern und bunt wie Eichelhäher; schwarzweiß, braun, grün und grau gesprenkelt. So liefen sie schwatzend und lachend scheinbar ziellos durcheinander: 'Tausende und aber Tausende von abgerackerten, durchfurchtet, Gö- sichtern, denen die schwere Heimarbeit und der Hunger ihkeil Stempel aufgedrückt hatten, aber kaum eins, das Brutalität oder Gemeinheit verriet. Offenbar war es nicht so einfach, Vnital oder gemein zu sein bei einem Lohn, der kaum dazu ausreichte, Leib und. Seele zufanunenzuhalten. Mehr als tausend inenschl'chc Wesen, die sich am ärgsten plagten und am schlechtesten bezahlt wurden. Neben dieser selssamen, aufrührerischen Bersammlung. die, von einem Geist beseelt, im Begriffe war, einen Protestumzug gegen ihre elenden Lebensbedingungen zu veranstalten, stand auf dem Pflaster «ine sunge Frau, in ärmlichen Kleidern und ohne Hut, deren Gesicht mit den dunklen Augen, den hervorstehenden Backenknochen und dem struppigen Haar doch einer gewissen Schönheit nicht entbehrte. Sie gehörte nicht zu ihnen: aber wie durch eine Ironie des Schicksals war sie die einzige, in deren Blick der Geist des Aufruhrs funkelte, ein stolzer, unsteter, fast leidenschaftlicher Blick war es— ein Blick der Rebellion. Aus all den tausend anderen Gesichtern sprach keine Verbitterung, keine Erregung, nicht einmal Enthusiasmus, sondern zum Teil zeigten sie ruhige Gleichgültigkeit, zum Teil die lebhaste Erwartung von Rindern, die zu einem Feste gehen. Die Musik fing an zu spielen und der Zug setzte sich in Ve- wegung. Man lacht«, schwatzte, ließ die Baimer wehen und versuchte Schritt zu halten und allmählich nahmen alle Gesichter den gleichen Ausdruck an: die Zukunft existiert« nicht, nur die Gegenwart — die glückliche Gegenwart, zu den Mißklängen der' Blechmusik einhcrzu- marschieren und auch eine ungewöhnliche Gegenwart: dieses Ge- lächter, diese Bewegung der Meng« unter sreiein HifNinel! Wir übrigen— etwa ein Dutzend Außenstehende, ebenso wie die groß« Dame mft den grauen Haaren, die sich für das Volk interessierte— niarschierten zusammen mit den wenigen hilfsbereiten Leuten, die den Zug in Ordnung hielten. Ein wenig selbstbewußt, versuchten wir unter den Augen der Zuschauer eine gewisse, aber nicht allzu auffallende Strammheit zu zeigen. Diese Zuschauer, fast alle Männer, billigten den Umzug, wie es hieß, obwohl ihre Ge- sichter, bleich von der schweren Arbeit in Schmieden und Werk- stätten, ganz gleichgültig aussahen. Stillschweigend stimmten sie' diesem ungewöhnlichen Ereignis zu, als verwunderten sie sich, daß die Fronen auf eigene Faust vorgingen; wunderlich, beinah- gefährlich schien es ihnen. Zwar gingen einige schwerfällig nebenher zwischen dem Zug und den kleinen, trostlosen Hütien und schmutzigen Fabrikschuppen und einer oder zwei begleiteten ihr« Frauen, um den Säugling zu trogen. Dann und wann kamen auch bessere Leute vorbei, eine Dame, ein Beamter, ein Eisenhändler; sie�reßten die Lippen zusammen und gaben sich das Ansehen, als nähmen sie keinerlei Notiz von dieser Verkehrestörung und hielten die ganze Angelegenheit nur für einen schlechten Scherz, den man schon ßst-rs inszeniert hatte. Unter Gi�ächter und fnrtwährcradem Hin- und Herreden zog die bunte Sdter weiter, stieß und schob sich vorwärts in jener ielt- somen Verzückung, von der man sich willenlos treiben läßt, glück- selig, im Sonnenlicht hinter der mörderischen Musik herziehen zu könnan, ohne sich recht darum zu kümmern, wohin und wozu. Jedes- mach wann die Kapelle ihr Spiel unterbrach, sahen die Reihen bald so schlecht und unordentlich aus wie die zerschlissenen Fahnen und Gewänder der Frauen: aber nicht ein einziges Mal riß gänzli be Zuch?losigkcit ein, als wüßten sie, tuß sie die eigentlichen Hüter angeborener Menschenwürde waren, gerade weil sie zu den Arm- faligjten der Christenwelt gehörten. Jq der allerersten Reihe marschierte«tu hochaufgeschossenes,
junges Mädchen ohne Hut, zart und schlank wie sine Tanne, mit blondein, schmutzigem Haar, dessen Rock und Bluse rückwärts etwas offen standen; unausgesetzt wandte es sein hübsches Gesicht und den hübschen schlanken Hals von einer Seite zur anderen; man konnte sehen, wie es seine schönen blauen Augen voll Wildheit nach allen Seiten schweifen ließ, als ob es fürchtete, sich die Freude am bloßen Vorwärtsschreiten zu verderben, wenn es sich zu lange dem geheimen Genüsse eines Augenblicks hingab. Der Geist unseres Marsches schien aus diesen nimmermüden Augen des blassen, glücklichen Mädchens zu strahlen und sich den verzückten Frauen mitzuteilen. Hinter ihin marschierte ein kleines altes Wciblein, von dem es hieß, daß es schon seit vierzig Iahren Ketten schmiedete— und seine schwarzen Schlitzaugen funkelten, während es ein Band im Wind« flattern ließ, und außer sich vor Freude war es über dies« Welt. von der es einzig und allein die humorvolle Seite sah. Unaufhörlich lief es auf eine der Führeriiiiren zu, um ihr klarzumachen, wie dos Dasein über all« Maßen herrlich sei. Und jedesmal, wenn es so redete, brach die Frau neben ihm, die ein schweres Kind trug, in schallendes Gelächter aus. Eine Stunde lang wand sich der Zug planlos durch die melan- cholsschc Straße, bis er bei einem Schlackenhaufen anlangte, den
man zur Rednertribüne erkoren hatte. Langsam zog das bunt zusammengewürfelte Regiment in dieses öd« Amphitheater«in, von der blassen Sonne beschienen. Und wie ich zusah, kam ein« seltsame Vision über mich. Es schien mir, als ob über jeder armseligen Frauengestalt ein« kleine gelbe Flamm« schwebte, ein schwacher, slackernder Schein, der nach aufwärts strebte, den aber der Wind zurücktrieb. Dielleicht war es eine Täuschung des Sonnenlichts? Oder war das Leben in ihren Herzen, der unvergängliche Atem der Glückseligkeit aus»inen Augenblick dem Gefängnis entflohen und flammte auf, vom Winde hin und her getrieben? Mit unglaublicher Geduld standen sie schweigend da und freuten sich am Klang der Worte, die von der Tribüne kamen, ohne aus den Sinn zu achten. Wenn sie auch nicht recht wußten, wozu sie hergekommen waren, und auch nicht daran glauben wollten, daß ihnen der Umzug helfen würde; wenn auch ihr« Demonstration nicht all das für die Welt bedeutete, was ihnen die Redner klarzulegen versuchten: wenn sie selbst auch nur die armseligsten, geringsten, ungebildetesten Frauen im Land« waren— so schien«s mir doch, daß ich in jenen ernsten, zerlumpten Gestalten, so voll von vollem Vertrauen, solche Schönheit sah, wie ich sie noch nie zuvor geschaut. AU die vollendete Herrlichkeit der Dinge, die Menschen ersonnen, die vollkommenen Träume der Aestheten, die P Hantostegebilde der Romantik schienen wie nichts im Vergleich zu dieser Offenbarung unverfälschter Güte, die einfachen Letten eigen ist.
Gerdland; ülOtUlS 3 Vli ....... siebenundzwanzig Akte«ms dem Lööben eiller mongdärnen Frau. Dargestellt von den Damen Lya Carenjo und Paula Odeo. Mit bengalischer Beleuchtung. Ein Rausch der Erotik und Ekstase. Ein Rausch von Liebe und Sünde. Erstmalig in Europa , erstmalig in Deutschland , erstmalig in Berlin , erstmalig auf diesem Vergnügungspark!-- Rudo , der Kraftmensch, das Entfeflelungsphänomen, dem es gelingt, sich aus den so gefürchtelen Stahlhandsesscln der Berliner Kriminalpolizei zu befreien. Das soll ihm erst mal einer nachmachen, mein« Herren! Aber in der achten und neunten Abteilung da sehen Sie Ilona, das Weib mit dem Feueratem, die Frau, deren Atem Menschen und Tieren den sicheren Tod bringt, aber trotzdem nicht unhygienisch ist. Das ist die Frau, deren Rachen Feuer speit, das ist die Frau, deren Wiege im heißen Ungarnlande stand. Deshalb ist sie auch so feurig. Treten Sie näher, meine Herren, denn ich kann Ihnen noch etwas verraten: Ilona tanzt auch. In wilden Zuckungen bewegen sich ihr Bauch und ihre Brust. So hat sie es am Hofe des Mahara- dschah von Beludschistan gelernt. Ja, dieser Wüterich, dieser lüsterne Rohling hat sie zu seiner Lüüllüüblingsfrau erkoren Man steht inmitten der Menschen, die sich vor der Rummelplatz- bude angesammelt haben. Man steht und hört die schwülstigen Worte der greisen Frau, deren bellende, heisere, kratzende Stimm« die Menschen dieses Rummelplatzes anlocken soll, der„Variete- Vorstellung" beizuwohnen.. Es ist schon spät. Ein feiner Regen rieselt hernieder. Rur vor dem Glücksrad stehen noch einige Frauen und junge Burschen. Die Boxerbude und die Elskonditorei sind schon vernagelt, denn es ist Herbst und es ist schon empfindlich kühl. Ab«r hier vor dieser Bude scharen sich die Menschen, vor dieser Bude, vor deren nackten, traft- los grauen Bretterwänden grcllbuittc Plakate blaken, vor der eine rote Funzel die zerhärmtcn, armseligen, hungrigen, olles besagenden Gesichter der Künstler mit ihrem schwülen Schein beleuchtet..... „Nehmen Sie Anteil, treten Sie ein.. Ach, nur sehr wenige treten ein, nur sehr wenige reizt diese Vorstellung. Schon wird die Tür geschlossen, da besinnt man sich auf die hungrigen, blassen Augen des Wunderweibes Ilona, aus ihren mageren, unterernährten Körper, der eben auf der Schau, jener Brettsrplanke vor der Bude, zur Schau gestellt wurde. Und man zahlt zwei Groschen und tritt ein. Rudo , der Kraftmensch, läßt sich fesseln, seine«ntkrästeten Muskeln schlackern, während er sich abrackert, sich zu befreien. Die siobenundzwanzig Akt« aus dem Leben einer„mongdärnen" Frau erregen das Gelächter, den Spott und bissige, hämische Bemerkungen der Zuschauer. Diese lebenden Bilder, von der alten, verhutzelten Frau mit der bellenden, sägenden, krächzenden Stimme angesagt, dies« lebenden Bilder, von den Damen Lya Carenjo und Paula Odeo dargestellt, sind in all ihrer primitiven Einfachheit, in all ihrer grauenerregenden Gemeinheit, durch die Billigkeit dieser Dar- stellung direkt ergreifend. Denn das weiß man plötzlich: daß diese Artisten eine Familie sind: Vater, Mutter und Kindex. Man weiß, daß dieser Kraftmensch, der wahrscheinlich ein abgebauter Bureau- angestellter ist, der Vater, diese greise, verhutzelte Frau die Mutter, und diese beiden Mädels die Töchter sind...... Aber nun: Ilona l Alles fetzt sich zurecht. Das ist ja die Attraktion, die Sensation, um derentwillen man hier hereingegangen ist. So gefährlich ist nun der Alem dieser Frau wahrhaftig nicht. Höchstens unappetitlich. Höchstens peinlich. Höchstens Mitleid- erregend. Wenn man sieht, wie diese sicher tuberkulöse Frau nach langen, zeremoiiiellen Vorbereitungen Benzol schluckt, um«s dann in einer großen Flamme wieder von sich zu geben, so beschleicht einem ein kleines Grauen. Dann tanzt sie. Diese Hüpfereien auf den nackten Brettern, die hier die Welt bedeuten sollen, dies« Hüpfereien nach irgendeiner piepsenden, jammernden Melodie wirken so unsagbar traurig, jo namenlos schmerzlich, weil man ahnt, daß Ilona nicht zu dieser Familie gehört, daß sie nicht den roten Wohnwagen der Artisten bewohnt und nach der Vorstellung einsam die dunklen Straßen ent- lang wandern wird.... Sie tanzt, aber ihr Tanz ist ein Elends- tanz, ein Tanz um die Sichel des nahen Todes(die roten, hektsschen, tuberkulösen Fkecke auf dem leickienblassen Gesicht zeugen davon...) lind dann ist's au?. Und man geht. Man überquert den großen, gähnend leeren Rummelplatz. Dann gebt man hinaus aus die Straße. Man wartet ein Weilchen auf den Autobus, der durch digse nordöstlichen Gefilde nach dem Westen fährt. Aber da wartet noch jemand: eine Frau. Eine Frau mit einem blassen Gesicht, mit trüben, matten Augen, um deren Schultern ein billiger Pelzkragen liegt. Es ist Ilona. Sie bläst ihren Atem in die getrampften Hände. denn es ist kalt. Und der Regen rinnt hernieder. Dann kommt der Autobus. Man steigt«in. Man sitzt der Frau mit dem Feueratem gegenüber. Man will ihr etwas Gutes sagen, will sie fragen, ob man wo« für sie tun kann. Aber man schweigt vor dieser namenlosen Einjamkeit, vor diesem Elend
rmnatwnr. Autorennen In der Wüfte Do» Kamel gehört als Transport» und Verkehrsmittel unlöslich .zum Orient. Das Kamel ist dort unten in Sonne und Sand das Arbeitstier, es ist der Tröger aller Lasten und über den Haus- gebrauch hinaus ist es für den Europäer ein Stück Romantik des Morgenlandes. Nach Ueberlieferungen der islamisch m Völker wählte Adam, der erste Mensch, den Ruhm für sich und seine Nachkommen. denn er wählte aus alle den Gedanken, die Gott ihm zeigte, für sich das arabisch« Pferd. So kamen die Menschen zum Pferd, und di« Araber zu ihrer Pferdezucht, aber die Engel, die Boten Gottes, die bekamen von Gatt selbst das Kamel verehrt. Und die Völker de« Orients sind stolz aus das Können des arabischen Pferdes und sind froh über die Duldsamkeit des Kamels. Das Kamel lebt nicht nur in seinem ganzen tierischen Sein im Orient, es lebt auch als Symbol im Wortschatz und in den Sprichwörtern der Völker. Sagt doch «in türkisches Sprichwort:„Der Tod ist ein schwarzes Kamel, das vor jeder Tür Hall macht." Kamelrennen gab es schon zu Zeiten Mohammeds und sie haben sich erhalten bis auf den heutigen Tag. Kameltämpfe aber zog man erst in neuerer Zeit auf, als man schon etwa« von europäischem Sensationshunger verspürt hatte. Die alten verwitterten Karawanenführer, die so«ingetrocknet dreinschauen wie die Mumien aus den Pharaanengräbern, rechnen nach Kamelstunden. Da» heißt, sie schätzen jede Entfernung nach der Zahl der Kilometer, die ein Kamel in einer Stunde zurücklegt. Dann aber kamen Mtzlich unh unerwartet ein paar auf Technik eingeschworene Franzosen, bauten Raupenwagen und gingen auf Wüstenfahrt. Die Durchquerung der Sahara mit dem Automobil sollte gelingen, vielerorts standen lebende Wegweiser, jede Oase sandte Patrouillen entgegen und jedes Fort stellte Dorpostenkettcn aus. So schafften es die Raupenwagcn zum Wohle der französischen Autamobilindustric und für Frankreichs Kolonialinteressen. Sannen» käfer hieß eins dieser siegreichen Automobile, und Sonnenkäfer ist setzt ein in Paris sorgfältigst bewahrtes und oielbestauittes Heiligtum der Nation. Doch diese Raupcnwagen sind nicht nur die Vorläufer der Trans-Sahara-Bahn, sie sind auch die technisch« Opposition gegen die Kamelleistung. Bisher war es einzig und allein Kamel- schicfsal, ruhelos durch die Wüste gejagt zu werden. Doch jetzt werden bald schmucke Brüder der Raupenwagen aus lustige Raserei durch die Wüste sausen: denn man baute inzwischen in der Sahara Automvbilstraßen , so lang, daß man von Berlin nach München auf ihnen hin- und zurückrelstn könnte. Ueber diese Straßen ober werden nun die Automobilreifen jagen, sie werden dl« große Zerreißprobe bestehen in Rennen, zum Triumph der Rekordfexerei. Und nun wissen wir, das Kamel wird in weiter Zukunft über- ftSssig. Ein Stück unserer Romantik ist bedroht. Wir können nicht an die ausgebauten Automobilstraßen denken, ohne an die Kameb- süße zu denken, di« ohne Eindrucksspur über den Sand dahin» schreiten. Das Kam«! ist ein Tier ohne Freundlichkeit und doch ei» Wesen voller Seele. Das Lama ist steile Linie, das Pferd ist Gong » werk, das Kamel ist Ausdruck. Die Kamele haben große vorwurf»- voll« Augen, ganz gleich, ob sie im Zoo eine dicke Dame tragen. deren kunstseiden« Schlüpser neckisch sichtbar werden, ob ein oerdienst- voller, halbverhungerter deutscher Gelehrter aus ihrem Rücken hockt oder ob«in leberkranker Engländer sich aus ihnen nach einem Wüstensanatorium transportieren läßt. Die Kaniele bleiben Aus? druck, wenn sie in Bagdad mit schlecht gestauter Ladung die Straßen versperren oder in Teheran am Weg« liegen und Mehlkloß« kauen. Die Kamele sind interessant, ob sie sich in einer Oase Sandflöh« ab» suchen oder ob sie in einem Zoo wegen Räude das Fell verlieren. Hinzu kommt neuerdings noch die Entdeckung ihrer Stimm«. Bicher hatte man nur das Löwengebrüll poetisch ausgewertet und dann und wann erzählt, daß auch Elefontenschreie di« Erde erzittern machten. Doch inzwischen kam der Tonfilm, und da erlebten wir den Triumph der Kamelstimme. Der Schrei des störrischen Kamels war wirkungsvoller als Conrads Beidts Organ. Das besteht immer noch aus Mundaufmachen und Grammophonplattengeräuschen, aber das Kamel brüllt, daß die Parkettsessel bibbern. Jetzt aber jagen Automobile durch die Sahara. Ihre Hupen» töne werden sich vermehren, die Komelstimmen werden abnehmen. Die Technik legt Seen trocken, leitet Flüsse um und macht die Wüst« zur Autombilstroß«. Die Technik siegt und unter anderen ver- wandelt sie das einst so brauchbare Schiff der Wüst« in einen stundenweise enilohnlen Tonfilmstatisten. Ein neues submarine» Gebirge wurde von dem Expedttions» schijs„Carnegie" aus dem Grund« des Stillen Ozeans entdeckt C« erhebt sich zu einem 3000 Meter holzen Kamm, der noch 1000 Meter -i nter dar Meeressläch« liegt. Diel« Bodenerhebung wurde mit dem Echolot festgeslelll, das es erlaubt, vom Schiff aus von Minute zu Minute die Tiefe zu messen, ohne daß das Fahrzeug deshalb, wie in frülxren Zeiten, jedesmal anhalten müßte. Geschwindlakelt der Eisenbahnen. Die Eisenbahnen hatten in ihren Ansängen eine Geschwindigkeit von 16 Kilometer in der Siuirde. Heule legt ein Schnellzug in Deutschland und Frankreich bis zu 88 Kilometer zurück. In England gibt es Züge, die eine Geschwindigkeit von IM Kilometer haben; in den Dereinigten ......*— Kaaneter Gc........
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Geschwindigkeit.