Zweierlei Richterehre.
Republikanische Richter beleidigt- Geldstrafe, monar
chiffifche Richter beleidigt- Gefängnis.
Wir berichteten jüngst über einen Prozeß gegen den Direktor des Heeresverpflegungsamtes Waldemar Müller. Dieser mon archistische Beamte hatte in einem öffentlichen Lokal die republitanische Verfassung beschimpft, indem er erklärte, er spude auf die Republik . Ferner hatte Müller den ihn feststellenden Polizeiwachtmeister als ,, Lumpen" tituliert und schließlich noch über den Re= publikanischen Richterbund geäußert:
Es ist eine Schande, daß es in Deutschland einen Repu blikanischen Richterbund gibt. Das sind alles Juden, Lumpen und Schurken, vor denen man feine Achtung haben kann.
Vor dem Großen Schöffengericht Berlin- Mitte erhielt Müller wegen Republikbeschimpfung 500 Mark Geldstrafe, wegen Beleidi gung des Wachtmeisters und der republikanischen Richter, für die der Vorstand des Republikanischen Richterbundes Strafantrag gestellt hatte, zusammen 300 Mart Geldstrafe. Die Bezeichnung der republikanischen Richter als Lumpen, Schurken usw. wurde also mit 150 Mark in bar geahndet.
Ganz anders verhielt sich jüngst das Liegnizer Gericht, vertreten durch den Einzelrichter Amtsgerichtsrat Kunze. Hier war angeklagt der Redakteur der Bunzlauer Volksstimme", Genosse Matthies. Gegenstand der Anklage bildete ein Artikel unseres Bruderblattes, der die sehr aktive Teilnahme Bunzlauer Richter an einer öffentlichen Versammlung kritisierte, in der gegen den Bürgermeister wegen seiner sozialistischen Einstellung gehezt und eine Resolution gefaßt wurde. In dem Artikel stand der Say:
Das Volf begehrt nicht.
ML# 3&
Eintragungsziffer fläglich.- Ein renitenter Bürgermeister.
Die Eintragung hatte am 25. Oftober d. J. folgendes Ergebnis: wollte. Ein Bürgermeister, der ein so böses Beispiel gibt, mag Ub
Bezirk Mitte.
Tiergarten
Wedding
790
1 022
515
Brenzlauer Berg
608
559
1 016
1 242
235
894
Zehlendorf
329
Schöneberg
1140
Steglitz
919
Tempelhof
216
Neukölln
403
216
234
392
133
392
229 Zusammen 11 484
Die Gesamtzahl der bisherigen Eintragungen in Berlin beläuft Was ist der Eid auf die Verfassung, wenn 25 Grundsay wird, daß diejenigen, die die demokratische rFeiheit tödlich also nach zehn Tagen auf 155 575 gegen 874 407, die beim lich schmähen, unter Berufung auf die Demokratie einen schmäh. Fürftenablommen im gleichen Zeitraum gezählt wurden. lichen Mißbrauch mit ihren staatsbürgerlichen Pflichten treiben?"
Ferner sagte der Artikel, daß durch Teilnahme der Richter an der Versammlung und Zustimmung zu der Resolution„ der Richterstand herabgewürdigt" worden sei. Wegen des Artikels hatte ein Richter namens Iäschte Privatklage angeſtrengt. Der Angeklagte erhielt mit der Begründung, daß die Teilnahme an der Versammlung verfassungsmäßiges Recht der betreffenden Richter gewesen sei, eine Gefängnisstrafe von drei Monaten. Er ist nicht vorbestraft.
Nehmen wir das gleiche zugunsten des Herrn Waldemar Müller an, so ergibt sich die Gleichung:
Wüstefte Beschimpfung republikanischer Richter= 150 mart Geldstrafe. Sachliche, wenn vielleicht auch über das Ziel hinausschießende Kritik an dem Verhalten reaktionärer Richter drei Monate Gefängnis.
Woraus man wohl fängnis
entnehmen muß, daß es in Deutschland zwei verschiedene Sorten Ehre gibt: eine wohlfeile republi= tanische Ehre und eine teuere monarchistische!
Schluß mit den Zwangsliquidationen. Um die Freigabe deutschen Eigentums in England. Von allen früheren Kriegsgegnern hält England allein noch an dem System der im Versailler Vertrag festgelegten Beschlagnahme und Liquidation deutschen Privateigentums feft. Allerdings häufen sich seit der Unterzeichmung des Young- Planes die Stimmen in der Deffentlichkeit, die endlich ein Ende dieser Gewaltpolitik
fordern.
So richtet der liberale ,, Manchester Guardian" einen Appell an die Regierung, die Liquidationen unverzüglich einzustellen und eine freie Regelung der ganzen Frage mit Deutschland zu treffen. Deutsch land besäße auf den Liquidations- leberschuß von 300 millionen Mart ein moralisches Anrecht.
Auch der bekannteste englische Publizist John Galsworthy . sowie der ehemalige liberale Handelsminister Mac Pherion melden sich jetzt zum Wort. John Galsworthy erklärt die englische Liquidationspolitik für einen Rückfall in die Barbarei und
verlangt, daß jetzt endlich den Deutschen der Liquidationsüberschuß
zurückgegeben wird.
Mac Pherson fündigt an, daß er die Freigabefrage schleunigst erneut im Unterhaus zur Sprache bringen werde. Gegen die Auffassung des englischen Schaamtes, daß der Liquidationsüberschuß Deutschland auf die alte 132- Milliarden Rechnung gutgeschrieben werden soll, wendet er ein, daß dann dieser leberschuß eine zusäßliche Reparation auf Kosten von deutschen Privatleuten darstellen würde, deren einzige Schuld darin bestanden hat, daß sie England ihr Eigentum anvertraut hatten." mit der Freigabe werde England ,, einen guten geschäfltichen Schlag führen" und sein geschäftliches Ansehen wiederherstellen.
Die Volkspartei diskutiert.
Drei Richtungen: Kardorff, Schmid, Cremer. Während zwischen deutschnationalen Persönlichfeiten und Vertretern des rechten Flügels der Deutschen Boltspartei Gespräche hinter den Kulissen geführt werden, um die Grundlage für eine Annäherung zu schaffen, zeigen Reden und Auffäße volksparteilicher Führer vor den Kulissen die Gegensäge, die nach dem Tode Stresemanns in der Bolkspartei flaffen.
=
In dem hochindustriellen Neu Gersdorf in der Oberlausitz , das bei den legten Landtagswahlen 8182 Wahlberechtigte hatte, find bis Freitag abend sechs Einzeichnungen erfolgt! das bei den letzten Landtagswahlen 8182 Wahlberechtigte hatte, find
Noch nicht die Hälfte!
Bis zum 24. Oktober haben sich in der Provinz Schles wig Holstein nach den bisherigen Zählungen 47 120 Personen in den Eintragungslisten zum Boltsbegehren eingetragen. Die Zahl der Stimmberechtigten nach den letzten Reichstagswahlen beträgt 993 610. Bisher ist also noch nicht die Hälfte ber not. wendigen zehn Prozent der Stimmberechtigten erzielt!
Der frondierende Bezirkshäuptling. Disziplinarverfahren gegen Bürgermeister Berndt.
Die Erklärung des preußischen Staatsministeriums über das Berhalten von Beamten zum Hugenberg - Begehren war vom Berliner Magiftrat auch den städtischen Beamten dienstlich zur Kenntnis gebracht worden. Der Bezirksbürgermeister Berndt von Schöneberg hat sich geweigert, der Anordnung des Magiftrats zu folgen und die Warnung an die Beamten weiter. zugeben. Diese Weigerung hat er schriftlich begründet und die Be gründung schleunigst an die Hugenberg- Preffe zur Beröffentlichung gegeben.
Bürgermeister Scholz hat daraufhin den Oberpräsidenten um Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Berndt ersucht. Wie wir hören, ist diesem Anfrage stattgegeben und das Disziplinarverfahren eröffnet worden.
Berndt glaubt, daß ihm nichts geschehen tönne, da er deutschiff. Es wäre aber noch schöner, wenn ein Beamter, der gleichzeitig nationaler Reichstagsabgeordneter und daher immun ist. Es wäre aber noch schöner, wenn ein Beamter, der gleichzeitig Abgeordneter ift, nun einfach dienstliche Anweisungen nicht ausführen
Direktoriums strikte ab. Mit deutlicher Spize gegen Staatssekretär Schmid weist er auf Scholz hin:
,, Es ist selbstverständlich, daß man in den Kreisen der Deutschen Bolkspartei in erster Linie an den glücklicherweise auf dem Wege der Genesung befindlichen Reichsminister a. D. Dr. Scholz denkt, wenn man die Führerfrage erörtert, an einen Mann, dessen staatspolitisches Pflichtgefühl vielfach in der Deffent lichkeit verkannt worden ist, obwohl die Politit Dr. Stresemanns, wie den Wissenden bekannt ist, keinen energischeren Bundesgenossen in Partei und Fraftion gefunden hat als ihn."
Was die Bestimmung des fünftigen Kurses der Bolts partei anbelangt, so will Cremer die Entscheidung von der fünftigen innerpolitischen Entwidlung abhängig machen. Diese Entscheidung wie die Entscheidung über einen neuen bürgerlichen Zusammenschluß hält er heute noch nicht für opportun. ,, Ein solcher Moment kann sehr wohl in einem nicht fernen 3eitpunkt hervortreten, insbesondere dann, wenn die notwendige Finanz- und Wirtschaftsreform fich an Wider ständen festlaufen sollte, die ihr von der Sozialdemokratie bereitet werden, oder wenn die staatspolitische Entwicklung durch um sich greifenden Radikalismus auf der Rechten in ihren Grundfesten gefährdet würde."
Kardorff, Schmid und Cremer sind drei
geordneter bleiben, wenn er wähler findet, aber in dem Kommunaldienst ist er unmöglich.
Hugenberg- Pleite in München .
Hitler drückt ihn an die Wand.
München , 26. Ottober.( Eigenbericht.) Der jämmerliche Mißerfolg des Inflationsbegehrens selbst in München kann auch durch die Versammlung nicht mehr aufgehalten werden, die Hugenberg und Hitler am Freitag abend im Zirkus veranstalteten. Eine große Reklame füllte zwar den 3irfus mit 8000 Menschen. Die Deutschnationalen, verkörpert durch einige hundert Stahlhelmer, spielten aber so gut wie teine Rolle. Die Trennung fam auch dadurch zum Ausdruck, daß Hitler und jein Stab nicht auf der Tribüne neben Hugenberg saßen, sondern unten am Rang der Manege, direkt neben Tirpiz. Die turze Rede Hugenbergs brachte eine große Enttäuschung, da der Inflationsgewinnler seine Worte eintönig von einem Manuskript ablas und seine Depression über das katastrophale Ausmaß der Niederlage seines Voltsbegehrens faum verbergen konnte. Sofort nach Beendigung seiner halbstündigen Borlesung ver= ließ er mit seinem Anhang den Zirkus, worauf Hitler feine Leute mit einer neuen Verbrecherrede entschädigte, die sich in wüsten BeSchimpfungen der Reichsregierung erschöpfte. Gegen 11 Uhr war der ganze Spuf zu Ende. Gleichzeitig hatte auch die Sozialdemo fratische Partei drei überfüllte Bersammlungen gegen die Putschisten des Volksbegehrens abgehalten. Auf der Straße wurden später Reichsbannerleute von Hitler - Rowdys überfallen, wobei es insgesamt 5 Berlegte gab.
Bis Freitag abend hatten sich in München von 465.000 Stimmberechtigten ganze 15 800 in die Stammrolle der Dawes Anhänger eingetragen.
Messerstiche nach Hugenberg- Versammlung. München , 26. Oftober.
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Nach Schluß der gestern abend abgehaltenen Bersammlungen des bayerischen Landesausschusses für das Beltsbegehren und der Sozialdemokratischen Partei, die vollkommen ruhig verlaufen sind, kam es an der Hackerbrücke zu einem 3 usammenstoß zwischen Reichsbannerleuten und Stahlhelmern, wobei zwei Reichsbanner leute durch Messerstiche verlegt wurden. Die an der Rauferei Beteiligten wurden festgenommen und zur Polizei ge bracht.
Hugenbergs Bayernsieg.
Hugenberg, der hat in München si Bor dem Bayernvolf geredt'.- Motto: ,, Nur ein Viertelstündchen Aufgewacht, eh' es zu spät!" Marschmusik und Tuchgebaumel Hat die Menge finnbetört, So daß por Begeisterungstaumet Selfen man ein Wort gehört. Doch dies störte nicht die Braven. Denn sie wußten ohnehin, Daß Export von deutschen Stiaven Sei des Young Plans tieferer Sinn. Kriegsgeschrei und Racheschmüre, Greller Fackeln Biderschein! Als die Massen aus der Türe, Trugen zwei jogar fich ein.
Finanzphantasien.
Quaat und„ DAZ."
14 si d
Jonathan.
Der deutschnationale Reichstagsabgeordnete Dr. Quaan hielt gestern eine Rede, in der er, laut ,, Lofal- Anzeiger"-Bericht, die Be hauptung aufstellte, der Reichsfinanzminister set, um seinen Geldbedarf zu befriedigen, selbst an fremde Eisenbahnen schon herangetreten". Diese Behauptung ist nicht neu, fie iſt auch schon in der Form aufgetaucht, daß den fremden Bahnnen für die angeblich beanspruchten finanziellen Leistungen tarifarische Vergünsti gungen zugejagt worden seien. Wahr ist allerdings an dieser Geschichte tein Wort.
Die„ DA3." beschäftigt sich mit dem kommenden Nachtragsejat für das laufende Rechnungsjahr und bemängelt, daß er nicht als bald dem Reichstag vorgelegt werden soll. Sie vergißt dabei, daß die Gestaltung des Nachtragsetat von der Annahme des YoungPlans abhängt, über deren Ausführung die Berhandlungen bekannt lich noch nicht abgeschlossen sind.
Herr von kardorff hat in einem Auffaz die sofortige Repräsentanten für die in der Volkspartei miteinander auf die Absicht eines Bombenattentates gegen das
Annäherung an die Deutschnationalen vertreten, damit ein neuer Rechtskurs in Deutschland eingeleitet werden könne. Staatssekretär Schmid hat sich als Führer für einen ausgesprochen schwerindustriellen Kurs der Volkspartei in Erinnerung gebracht.
Gegen beide wendet sich der volksparteiliche Abgeordnete Dr. Cremer im ,, Berliner Börsen- Courier". Im Gegensaß zu Kardorff empfiehlt er äußerste taktische zurück haltung gegenüber den Deutschnationalen:
ringenden Richtungen.
Der Vampyr von Düffeldorf.
Neuer Ueberfall auf eine Frau.
Geffern abend gegen acht Uhr wurde eine etwa dreißigjährige Frau Meurer im Stadtteil Flingern , als sie von der Arbeit nach Hause zurückkehren wollte, auf dem Hellweg von einem noch unbefannten Täter angesprochen und zu Boden geschlagen. Die Berletzte weist schwere Wunden am Kopfe auf und mußte fofort ins Krantenhaus gebracht werden, wo sie operiert wurde. Sie schwebf in Lebensgefahr. Die Mordkommission, das UeberfallEine Durchsuchung des Geländes blieb aber ohne Erfolg.
,, Ein politischer Kurswechsel hängt von dem Vorhandensein einer Deutschnationalen Partei ab, die ein anderes Geficht zeigt, als das des Herrn Hugenberg und bereit ist, die Rolle einer fonservativen Partei auf dem Boden der Refommando und der Staatsanwalt eilten fofort an Ort und Stelle. publit zu spielen, während die gegenwärtige deutschnationale Führung es von sich weist, diesen Boden auch nur zu betreten. Die Gesundungskrise, die dort im Werden ist und vielleicht mit dem Zusammenbruch der an das Boltsbegehren geknüpften Hoffnungen schneller zum Ausbruch) fommt, fann durch gutes 3ureben und Annäherungsversuche von der Deutschen Volkspartei her nicht beschleunigt, sondern wahrscheinlich nur hintan ehalten und verschleppt werden."
Zur Führerfrage in der Bolfspartei äußert Cremer sehr deutlich. Er lehnt den Gedanten eines
Ein weiteres Telegramm meldet: Benige Stunden nach dem bereits gemeldeten, im Staddteil Flingern verübten Morbüberfall auf die 30jährige Frau Meurer wurde um die Mitternachtsstunde eine Frau Wanders, Angestellte einer Speifewirtschaft, im Hofgarten mit stark blutenden Kopfwunden bewußt los aufgefunden. As sie das Bewußtsein wiedererlangt hatte, gab sie an, daß sie auf dem Heimweg durch den dunklen Hofgarten von einem Wegelagerer, der sich hinter einem Baum verſtedt gehalten haben müsse, von hinten niedergeschlagen worden sei.
Zu den Behauptungen der Roten Fahne" daß die Polizei Reichstagsgebäude vorher aufmerksam gemacht worden sei, aber nichts dagegen getan hätte, erklärt das Polizeipräsidium, daß die Polizei jeder Anzeige und jedem Fingerzeig auf irgendwelche verbrecherischen Pläne st ets mit allem Eifer nach= gegangen fei. Von dem Plan eines Attentats auf den Reichstag habe die Polizei nicht einmal eine Andeutung erhalten.
19 Todesurteile in drei Tagen. 3m Lande, wo die Todesstrafe abgeschafft ist. Mostau, 26. Oftober. ausgesprochen worden. Die Todesurteile werden damit begründet, In den letzten drei Tagen sind durch die GPU. 19 Todesurteile daß in der letzten Zeit die gegen sowjetistische Bewegung ſtarf u genommen habe. Die Berurteilten hätten sich mit reichen Bauern in Berbindung gesetzt, um mit deren Hilfe einen gegen die Sowjets, gerichteten Verband zu gründen.(!)
Wie weiter gemeldet wird, werden im Laufe des Sonnabends im Astrachan - Prozeß weitere zehn Todesurteile erwartet.