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BERLIN Montag 28. Oftober

1929

Der Abend

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Nr. 506 B 252 46. Jahrgang

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Sozialistische Wahlfiege.

Deutschnationaler Zusammenbruch in Baden. - Sozialdemokratische Erfolge in der Tschechoslowakei .

Die Wahl in Baden .

Karlsruhe , 28. Oktober. ( Eigenbericht.) Die Badischen Landtagswahlen, die am Sonntag statt. fanden und völlig ruhig verlaufen sind, führten zu einer tatastrophalen Niederlage der Deutsch­ nationalen Volkspartei . Zentrum und Sozial demokratie vermehrten ihre Stimmen gegenüber der lekten Landtagswahl beträchtlich. Die Nationalsozialisten fonnten ebenfalls einen großen Erfolg verzeichnen. Ab. gegeben wurden insgesamt 932 679 Stimmen. entfallen auf die einzelnen Parteien:

Zentrum

Landtagswahl Landtags­27. 10. 1929 wahl 1925

341 860

283 414

6

R

187 290

34081

160 498 93 750

72887

Sozialdemokratic

Deutschnationale

Deutsche Volkspartei

Demokraten

74318

66 652

Davon

Reichstags­wahl 1928 297 818 204 346

74012 86 401 63 888

30.875 66 808

62355

Wirtschaftspartei.

35 613

22 856

Kommunisten.

55 169

47 343

Linkskommunisten.

1530

Nationalsozialisten

64 106

26 330

.

Banernpartei

28 141

.

Chriftlich- Soziale.

8923

Volksrechtspartet.

6 803

4176

15 162

35 328

Evangel. Volksdienst

5105

15 337

-

-

Die Zahl der Landtagsmandate beträgt fünftig 88 gegen 72 in dem bisherigen Landtag. An Mandaten er. halten: Zentrum 34(+ 6), Sozialdemokraten 18 (+2), Deutschnationale 3(-5), Deutsche Volkspartei 7 ( bisher 7), Demokraten 6( bisher 6), Wirtschaftspartei 3 (+1), Kommunisten 5(+ 2), Linkskommunisten 0( bis. her 1), Nationalsozialisten 6( bisher 0), Bauernpartei 3 (+3), Christlich- Soziale 0, Volksrechtspartei 0, evangel. Volksdienst 3.

Hitler frißt Sugenberg! Das ist das hervorstechendste

Sieg in der Tschechoslowakei . Starter Mandatsgewinn der deutschen und tschechischen Gozialdemokratie.

V. Sch. Prag , 28. Oktober. ( Eigenbericht.) Das heutige Ergebnis der Neuwahl der deutsch - tschechischen Er übertrifft sogar die optimistischen Erwartungen, die von unserer Republif ist ein großer Sieg der Sozialdemokratie. Republit ist ein großer Sieg der Sozialdemokratie. Partei allgemein gehegt wurden. Das gilt ganz

besonders für die tschechische, aber auch für die deutsche Partei, und beide ernten die Früchte ihrer jahrelangen aktiven Zusammen­arbeit in der Opposition gegen die tschechisch- deutsch - flowakische Bürgerblodregierung.

Die hauptsächlichen Leidtragenden dieser Wahl sind die Kom­munisten. Sie find neben den Deutschnationalen die eine Oppo

Beffere Damen.

: D.

Th

Ich habe mich auch an der Abstimmung beteiligt!" Wie, an diesem Voltsbegehren?"

Aber nein, Liebste, bist du komisch! Natürlich an der Abstimmung der Damenzeitung, ob in diesem Winter die Röde lang oder furz getragen werden."

Ergebnis der badischen Wahl. Unter den Fittichen der Inflations. begehrenspolitik haben sich die Hitlerleute ausgebreitet. Ihrer maß los hetzerischen Agitation waren die Deutschnationalen nicht ge­wachsen. Die Deutschnationale Boltspartei hat die Quittung für den Hugenbergkurs, Hugenberg hat die Wähler den Nationalfozia fitionspartei, die entscheidend geschlagen worden ist. Die Kommu liften zugetrieben. 60 000 Stimmen und 5 Mandate vernistische Partei, die die auf dem ganzen Gebiete der Republik lebenden tschechischen, deutschböhmischen, norddeutschen und vol nischen Kommunisten umfaßt, war mit 41 Mandaten die zweit. start ste Partei im Lande und rangierte dicht hinter den tschechi­schen Agrariern. Sie dürfte rund 140 000 Stimmen verloren haben

Fürst Bülow gestorben.

Der frühere deutsche Reichskanzler Fürst Bülow ist am Montag früh in Rom gestorben.( Näheres 3. Seite.)

und

vermutlich an die dritte Stelle herunterrüden.

Das ist nicht zuletzt eine Folge der immeren Zerwürfnisse der bol­schewistischen Führerschaft.

loren, troj stärkerer Wahlbeteiligung, während die National fich die tschechischen Agrarier gut behauptet und dank der fozialisten 50 000 Stimmen und 6 Mandate gewinnen!

Die Sozialdemokratie führte den Kampf gegen lints und rechts, sie war gleichzeitig zu schweren Auseinandersehungen mit den Koalitionsparteien gezwungen. Leider vermochte sie nicht, ihre Stimmenzahl von der Reichstagswahl 1928 zu halten.

Die bisher in Baden bestehende Weimarer Koalition verfügt nach wie vor über eine abfolute Mehrheit von 58 gegen 30 Stimmen. Allerdings hat sich das Kräfteverhältnis im Bergleich zu früher etwas zugunsten des Zentrums verschoben. So. zialdemokraten und Demokraten befizen 24 Mandate gegen 34 des Zentrums. Im alten Landtag war das Verhältnis 22 zu 28. Db die Bolkspartei fünftig an der Regierung beteiligt wird, dürfte von ben Beratungen der kommenden Tage abhängen.

Bon den Parteien der bisherigen Regierungsfoalition haben Unterſtügung der Hausbesizer in den Städten sogar einen erheblichen Gewinn zu verzeichnen. Sonst weist der bisherige Bürgerblod nur Berlufte auf. Das gilt auf tschechischer Seite vor allem für bie Rleritalen uni auch für die chauvinistischen National bemofraten, auf slowalischer Seite für den slowakischen Bolts parieiführer Hlinka und auf deutscher Seite für die Christlich­Sozialen und die Gewerbepartei, meniger aber für die deutschen Agrarier( Bund der Landwirte). Nicht minder interessant ist auf deutschböhmischer Seite die Erscheinung, daß die Deutschnationalen zugunsten der Hakenkreuzler verlieren; also auch in den Sudeten. ländern frißt Hitler Hugenberg auf. Sowohl bei der tschechischen wie auch bei der deutschen Partei ist man mit dem vorläufigen Erfolg überaus zufrieden.

Die tschechische Partei wird jeht die zweite Stelle erlangen. Hinter ihr, in bedeutenden Abstand, folgen die tschechischen National

sozialisten, die wohlgemerkt feine Hafenkreuzler sind, sondern in fozialpolitischer Hinsicht eine durchaus brauchbare Partei, die aller dings leider in nationalpolitischen Fragen noch immer start chauvis nistisch ist. Die tschechischen Nationalsozialisten standen während der Wahl unter der Führung von Benesch, der dauernd als Außen­minister der Regierung angehört hat, während seine eigene Partei zusammen mit den Sozialdemokraten in der Opposition stand. Auch bei weitem nicht so gut wie die Sozialdemokraten. Einen besonders die tschechischen Nationalsozialisten haben sehr gut abgeschnitten, aber

schweren Ansturm hatte die Benesch Partei von der abgesplitterten Stribny- Gruppe, den eigentlichen Faschisten, auszuhalten. Sie hat zwar den Ansturm abgewiesen, indessen dürften die Faschisten mit drei Abgeordneten, darunter dem berüchtigten General Gaida, in das neue Abgeordnetenhaus einziehen, da fie in Brag allein mit 38 000 Stimmen einen gewissen Erfolg erzielten. Diese Stimmen haben die Faschisten in der Hauptsache den nationalistischen Halbe faschisten der Nationaldemokratischen Partei( Kramarsch) ab­genommen. Noch liegen verschiedene

Ergebniffe, aus den entfernteren Provinzen nicht vor.

So fehlt einstweilen noch ein Teil der Slowakei und selbstverständ­lich aus dem weit abgelegenen Karpathenrußland. lleberdies war die telephonische Berbindung nach diesen Provinzen die ganze Nacht durch schwere Unwetter unterbrochen. Auch heute, am tschechi schen Nationalfeiertag, laufen die Ergebnisse sehr langsam ein und dürften erst am späten Nachmittag endgültig folgen.

Nach den bisherigen Ergebnissen dürfte die deutsche Sozial­demokratie, die 102 000 Stimmen, d. h. rund 20 Proz., gewonnen hat, von 17 auf 20 Mandate steigen, die tschechische rechnet mit einem Zuwachs von 7 bis 8 Mandaten, also von 29 auf 36 oder 37, vielleicht auch mehr, je nach ihrem Abschneiden in den Agrarbezirken in der Slowakei . Die Kommunisten haben sowohl an die tschechische mie an die deutsche Partei start verloren. In ihren nordböhmischen Hochburgen Reichenberg und Asch sind sie von den deutschen Sozial­demokraten endlich wieder überholt worden. Ihre Mandatsverluste hängen nicht zuletzt davon ab, wie sie in der Slowakei abgeschnitten haben, wo fie dank der allgemeinen Rückständigkeit festen Fuß gefaßt hatten.

Die bisherige Regierungsfoalition, die schon durch den Tuka­Prozeß und den Abfall der Slowaken auseinandergefallen war, ist jetzt vollständig erledigt.

Es müssen neue Wege zur Bildung der Regierung beschritten werden. Sicher ist die Rückkehr der Nationalsozialisten ins Kabinett, und auch für die tschechische Sozialdemokratie dürfte die Stunde geschlagen haben, wo sie wieder mit tschechischen Agrariern und den Nationalsozialisten in der Regierung zusammen fizzen wird. Fretlich mischen sich in den Jubel des Sieges auch die Sorgen um die fünftige Umgestaltung der Regierung. Die mit der deutschen Partei, mit der sie gemeinsam in fruchtbarer Oppo tschechische Partei möchte, wenn irgend möglich, nur zusammen fition gestanden hat, in die Regierung eintreten. Die Voraussetzungen find dafür zweifellos unvergleichlich günstiger als früher. Aber noch find erhebliche Schwierigkeiten, besonders nationalpolitischer Art, zu überwinden. Darum dürften die langwierigen Verhandlungen zwischen der deutschen und der tschechischen Parteileitung unverzüglich aufgenommen werden.

Einzelergebnisse.

Nach grober Schäzung gewinnen die tschechischen Agrarier 88 000 Stimmen und befizen jezt insgesamt 1 058 000 Stimmen; die tschechischen Sozialisten gewinnen 303 000 Stimmen, das find fast 50 Broz. und besigen mun 934 000 Stimmen. An dritter Stelle stehen die Kommunisten mit 796 000 Stimmen, sie haben einen Verlust von 137 000 Stimmen zu verzeichnen. Nun folgen die tschechischen Nationalsozialisten mit 675 000 Stim­men, das ist ein Plus von 66 000, die deutschen Sozialbem o- traten mit 513 000 Stimmen, das ist ein Plus von 102 000; da: in kommen die deutschen Agrarier und die deutschen Demokraten mit 428 888 Stimmen.

Die Verluste laffen sich derzeit ziffernmäßig noch nicht feststellen. Die Christlich- Sozialen und die Gewerbepartei haben 314 000 Stim­mer, das bedeutet ein ungefähres Minus von 50 000, die flowakischen Rleritalen erhalten 490 000, gleichfalls ein Minus von 50 000, die tschechischen Klerifalen 611.000, mas ein Minus von 80 000 be­deutet, die deutschen Nationalsozialisten 203 000, das ist ein Plus von 35 000, die tschechischen Nationaldemokraten 254 000, das heißt ein Minus von 30 000.