40 Jahre Kampf.
Das Jubiläum der Frankfurter Bolfsstimme".
Frankfurt a. M., 28. Oftober.( Eigenbericht.)
Zur Feier des 40jährigen Jubiläums der ranfurter Bplist immme" und der Einweihung des prächtigen Neubaues veranstaltete die Frankfurter Sozialdemokratie in Berbindung mit den Gewerkschaften, den Kulturrerbänden und dem Reichsbanner einen großen Demonstrations 3ug. Unter roten und schwarzrot. goldenen Fahnen zogen viele Tausende von Frankfurter Arbeitern an dem schönen Neubau in der Bockenheimer Landstraße vorüber. Zehntausende säumten die Straße. Die Kundgebung fand ihren Abschluß in einer Bersammlung im Hippodrom, wo Philipp Scheidemann zu den Massen sprach.
Am Vorabend pereinigte eine gesellige Zusammenkunft alle tätigen Genossen. Bom Parteivorstand waren Otto Wels und Landtagspräsident Bartels erschienen. Wels führte in seiner Ansprache aus:„ Wir feiern hier ein Fest, dem der Parteivorstand seine Glüdwünsche entbietet, er repräsentiert die ganze Sozialdemokratische Partei . In der legten Zeit mehrten sich zehnjährige Jubiläen. Die Boltsstimme" aber ist eine alte ämpferin, die fchon seit 40 Jahren im Rampf für den Sozialismus steht. Unser Ziel ist es, die„ Boltsstimme" und die gesamte deutsche sozialdemokratische Presse zu einem Organ zu gestalten, das nach dem Wort Lassalles die schneidigste und glänzendſte Waffe im Emanzipationskampf des Proletariats wird, denn der Kampf, den wir heute führen gegen die Radikalen von rechts und links, it nicht leichter, sondern schwerer geworden." Unter den Anwesenden wurde besonders der Staatspräsident a. D. Ulrich ge= felert, der vor 40 Jahren der erste politische Redakteur des damals noch für Offenbach und Frankfurt a. M. gemeinsamen Partet organs war.
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Die Boltsstimme" ist am Sonntag mit einer 128 Seiten starten Festnummer erschienen, zu der eine große Anzahl bedeutender Perfönlichkeiten des öffentlichen Lebens Beiträge beigesteuert haben. Die Nummer zeigte zugleich die technischen Möglichkeiten des neuen Druckereibetriebes.
Ein„ Landvolk" Prozeß.
Der große Prozeß, der die Klärung der blutigen Vorgänge bei der Landoolittundgebung am 1. August bringen soll, hat heute begonnen. Zur Sicherung der Verhandlung, die voraus. sichtlich drei Tage in Anspruch nehmen wird, ist eine halbe Hundertschaft Schupo aus Kiel eingetroffen. Das Interesse des Bublikums ist nicht so groß, wie man erwartet hatte. Insgesamt find 107 Zeugen geladen. Als Berteidiger für alle Angeklagten fungiert Rechtsanwalt Lütgebrune- Göttingen.
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Neue Vorstöße der Großagrarier.
Anträge der grünen Front im Reichstag.
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Die 3nflationsbegehrer verbreiten ein Flugblatt mit der Ueberschrift ,, Unser Reichspräsident Friedrich Ebert ".
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1929
Bessedowski, der ehemalige erste Sowjetbotschaftsrat in Baris, erzählt im ,, Matin" und in dem Blatt Miljukows Amüsantes über Stalins Außenpolitik gegenüber Frankreich , darunter folgendes: Als Bessedowski im Oktober 1927 aus Totio nach Mostau gerufen wurde, um den Posten in Paris zu übernehmen, gab ihm Stalin eine Audienz. Es sei, sagte er u. a., für die Sowjetregierung cin harter Schlag, daß es unmöglich war, Ratowski in Paris zu halten. Man habe diesem mehr als einmal gefagt, daß er feine Aktivität in Paris herabmindern müsse; er habe es aber nicht getan.
Der von uns fürzlich angekündigte Angriff der Großagrarier auf die Reichsregierung zur Erzielung neuer Subventionen für die Landwirtschaft und zur Beeinflussung der deutschen Agrarpolitit zu gimsten der Großagrarier ist jeßt erfolgt. Die Deutschnationale, die Christlichnationale Bauern und Landvolfpartei und die Deutsche Bauernpartei haben im Reichstag pier übereinstimmende 2nträge eingebracht, deren geistiger Vater der Präsident des Deutschen Landwirtschaftsrates, Dr. Brandes, sein dürfte. Der Kernpunkt der Anträge ist die Erhöhung des Zolles auf Futtergerste und ein Zuschuß von 20 millionen Mart zur Förderung des Roggenerports und zur Berbilligung des befenders für Futterzmede bestimmten Roggens.
Frankreich mit der Stabilisierung des Franken wieder zum Finanzund Kreditzentrum der Welt werde; dadurch erhalte die Frage der Regulierung der Schulden entscheidende Bedeutung. Nur so werden langfristige Finanzoperationen in Frankreich möglich werden. Der Erfolg dieser Denkschrift war, daß Bessedowsfi im Oftober 1928 nach Moskau berufen wurde und hier vor Stalin erscheinen mußte. Der Allgewaltige erflärte ihm, daß seine Dentschrift nichts anderes als menfchemistisches Geschwät sei. Es handle sich nicht um einen Gewinn von 50 Millionen Rubel durch Kreditperbillt= gung, sondern um die grundsätzliche Linie in der Schuldenfrage. Wenn Rußland den Franzosen seinerzeit die Regelung der Schuldenfrage vorgeschlagen habe, so nur gewissermaßen als
Löfegeld vom drohenden Krieg.
Das war ein Manöver. Vollständig ausgeschlossen sei ein ständiges Busammenarbeiten mit der tapitalistischen Welt. Was tut's, fagte Stalin, daß wir bei den anormalen Krediten überzahlen, dafür er halten wir die vollständige Selbständigkeit unseres Birt fájaftssystems im Kampf mit der fapitalistischen Umfreifung aufrecht. Die Eurafristigen Warenfredite brauchen wir nicht, und mir werden fie auch nicht bekommen. Ein richtiger Belschewit muß zu manöverieren perstehen. Er muß wissen, daß der einzige Zwed dieses Manövrierens das Abwarten des Augenblicks ist, der für günstigsten ist das ist eben die Periode des neuen Aufschwunges eines revolutionären Krieges.
Erst von Litwinow habe man erfahren, daß Tschitscherin sein Gespräch mit Herbette, aus dem hervorging, daß Frankreich im Falle der Nichtabberufung Rakowskis mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen drohe, falsch niedergeschrieben habe. Da mals habe man, um Rakowski nicht aufzugeben und den Bruch mit Frankreich zu vermeiden, sich bereit gezeigt, die Schuldenfrage mit Frankreich zu regeln. Da Rafowifi doch nicht zu retten gewesen jei und ein Abbruch der Beziehungen überhaupt nicht gedroht habe, müsse man sich jetzt aus der Affäre ziehen, falls die Fran zojen versuchen sollten, wegen der Schulden zu verhandeln. Sowohl aus politischen Motiven wie auch aus Geldmangel tönne man an die Franzosen nicht zahlen, um so mehr als Paris die Beden 3usammenstoß zwischen den beiden Systemen am deutung als finanzielles Zentrum verloren habe. Man müffe versuchen, die Franzosen durch politische Zugeständnisse zu ge winnen, etwa durch eine Berbesserung der Beziehungen zu Bolen oder durch endgültiges Abtreten Bessarabiens an Rumänien !
Im Sommer 1928 schrieb Bejfedewsti in einer Denkschrift über die französisch- russischen Beziehungen nach Mostau, daß
Belledowifi versuchte seine Argumente porzubringen, hat aber damit wenig Erfolg. Litwinom aber fagte ihm por seiner Ab. reise nach Paris : Auf Frankreich pfeifen wir eigentlich",- er fagte es auf ruffisch drastischer:„ Auf Fronfreich spuden mir eigentlich.
Diese Anträge der grünen Front sollen der Hebung der Roggenpreise dienen, also ausschließlich den Interessen der östlichen Agrarier, und zwar im mesentlichen auf Kosten der schweinezüchtenden Landmirtschaft des Westens. Unbefümmert darum, daß eine gleichzeitige Aus München wird uns geschrieben: Der Münchener Senfung der Steuern gefordert wird, werden aus Steuermittein 20 Millionen Mart verlangt, während heute noch kein Mensch Boden wird für die Deutsch nationalen immer steiniger. weiß, wie der Reichshaushalt dieses Jahres balanciert werden soll. Auf dem Wenigen, auf dem sie noch zu weiden hatten, sind die Für die Förderung des Kartoffelabsatzes und der Kartoffelver. Nazis rudelweise eingebrochen, so daß das bisher schon wertung werden nicht weniger als 7 millionen Mart jährleine Häuflein deutschnationaler Stadträte am 8. Dezember, dem Ich verlangt, eine Forderung, die nicht mur unangemessen ist, weit Tag der Gemeindewahlen in Bayern , faft ganz einzufchrumpfen für den Abjazz der dreimal wertvolleren Milchproduktion jährlich droht. Das war für die Leitung des Münchener Industriellenver nur anderthalb Millionen zur Verfügung stehen, sondern auch des bandes, die hauptsächlich aus Rechtsradikalen besteht, schon por halb, weil ohnehin der Kartoffelbau jährlich durch das Branntwein Monaten Veranlassung, Versuche zur Bildung eines antimargistischen monopol mit zahlreichen Millionen subventioniert wird. Blocks zu machen, der alle bürgerlichen Parteien auf einer gemeinlamen Kandidatenliste perschmelzen sollte. Dieser Plan, der bie Deutschnationalen vor der öffentlichen Biamage bewahren wollte, fand aber nirgends richtige Gegenliebe. Die fümmerlichen Reste der Demokraten, Deutschen Volkspartei und Wirtschaftspartei fanden einer Wahlgemeinschaft Bürgerliche fich inzwischen zu Mitte" zusammen und die Bayerische Boltspartei als zweistärkste Rathausfraktion übte gegen den deutschnationalen Vorschlag von Anfang an paffive Resistenz.
Würde diesen Forderungen der grünen Front entsprochen, so münde das neue Liebesgaben für die Roggenwirtschaft der Großagrarier bedeuten, in einer Zeit, wo ohnehin der deutsche Steuerzahler in faum mehr vorstellbarer Weise zugunsten der Agrarier belastet ist und in der sich die Aussichten für die Roggen mirtschaft immer mehr verschlechtern. Es ist taum zu erwarten, daß sich im Reichstag eine Front bilden kann, die diesen neuen überspannten Forderungen auch nur entfernt zustimmen wird.
Deu schenverfolgung in Westpolen.
In Westpolen ist die große Bolizeiaktion gegen die„ deutsche Gefahr noch immer im Gange. Eine Anzahl Pfadfinder sigen in Saft, andere werden gesucht, Haussuchungen bei ihren Eltern werden hierzu und zur Erfassung von Anflagematerial veranstaltet, quh Berhaftungen deutscher Vereinsfunktionäre sind gemeldet wor ben, neuerdings die des Beamten beim Bromberger deutschen Sejmbureau, des Danziger Bürgers Günther von Rügen. Schulrat Dr. Heideld, Dr. Burchardt und Mielke werden welter in Haft gehalten.
Der Leiter des Minderheitsschulpesens in Oftoberschlesien, ein Serr Mangold, hat angeordnet, daß
in den Lehrerkonferenzen der deutschen Schulen nur polnisch gesprochen werden darf!
Auf einer Delegiertentagung des Westmarfenvereins in Ratio. wizz sagte der Wojewode Graczynski, der Westmarkenverein habe sehr erfolgreiche Arbeit geleistet, es sei sein großes Ber dienst, daß die Anmeldungen für die deutsche Minderheitsschule jo start zurückgegangen feien!
Aus Rache erfanden die Deutschnationalen nun eine Wahl= lüge und behaupteten, von Abmachungen zwischen Bayerischer Boltspartei und Sozialdemokratie 3u wissen, die auf einen schwarzroten Blod im neuen Münchener Stadtparfament abzielen und schon zu den fonkreten lleberein
Die weißrussische Geimfraktion hat an das Generalsekretariat des Bölferbundes eine Dentschrift gerichtet, in der über die Bedrudung der weißrussischen Bevölkerung Bolens auf schulpolitischem, firchlichem und wirtschaftlichem Gebiet Klage geführt wird.
Börsenmanöver der Reaktion.
Gegen die Einigung der Linken in Frankreich . Paris , 28, Oftober.( Cigenbericht.) Dalabier befragte am Montag, den er als Tag des Abmartens bezeichnete, zahlreiche Fachmänner über die Finanzlage des Landes.
Die Reaktion hat mit den bunkelsten Manövern begonnen. Die Rationalisten nahmen mit Recht an, daß fie bei einer Einigung. der Linten für lange Zeit von der politischen Macht lassen müssen, daher wurden an der Börse wieder ganz ähnliche Bersuche zur Inszenierung einer Panit und zum Kursbruck gemacht mie 1925, als die Linksregierung drohte. Auch durch Aus= prengung tendenziöser Gerüchte verfuchen die Drahts zieher der Reaktion, die Einigungsbestrebungen der Linksparteien su torpedieren.
Der Nationalrat der Sozialistischen Partei beginnt feine Beratungen erst abends. Das Ergebnis der Ab. ftimmung dürfte alfo erst spät in der Nacht zu erwarten sein.
Neben der Diplomatie. Chiffreschlüffel geftoblen, der Dieb von Sowjetbotschaft begaunert.
Baris, 28. Oftober. Die russische Flüchtlingszeitung Neueste Nachr." berichtet, der
in der italienischen Botschaft in Berlin gestohlene Chiffriercode fei der Sowjet botschaft in Paris vor einigen Monaten für 5000 Dollar angeboten worden. Der Betreffende sei von dem
kommen geführt hätten, der Sozialdemokratie den ersten Bürger meister zu sichern, mofür das jeßige Stadtoberhaupt Dr. Scharnagl von der Bayerischen Volkspartei auf die sozialdemokratische Unter ftügung in feiner angeblichen Aspiration auf die bayerische Minister- schefiften 3annowitsch empfangen worden. Jannowitsch präsidentschaft rechnen fönnte.
Diese Wahllüge wurde in den letzten Monaten von der Rechten cifrig folportiert. Sie ist aber inzwischen durch den Oberbürgermeister Dr. Scharnagl gründlich zerstört worden. In einer Wahlversammlung seiner Barter verwies er die deutschnationalen Be hauptungen in das Reich der Fabel und reklamierte nach wie vor ben ersten Bürgermeisterposten in München für seine Partei. Nach feiner Auffassung wäre es ein Berrat der Bayerischen Volkspartei an ihren fatholischen Grundsägen, wenn sie die Hand bazu böte, daß in dem überwiegend fatholischen München ein Sozialift erfter Bürgermeister würde. Die Legende pon feiner mit fozialdemokra tischer Hilfe angestrebten Ministerpräsidentschaft bezeichnete er als eine gemeine Unterstellung.
Die Neuordnung der Dinge im Münchener Rathaus hängt aus. fchließlich vom Ausfall der Wahl ab. Die Münchener Sozialbemo fratie, die mit 17 Stadträten bisher die weitaus stärkste Fraftion im Rathaus war, geht selbstverständlich ohne jebe Berbin dung mit anderen Parteien in den Wahlkampf und hat die berechtigte Zuversicht, daß es ihr gelingt, die bisherige Herrschaft des reaktionären Bürgerblods zu brechen.
erklärte, er müsse den Code erst prüfen, ließ den Befucher 1½ Stunden warten und photographierte mährend dieser Zeit den gangen Schlüffel Seite für Seite. Er gab ihn dann zurück mit der Bemerkung, daß er ihn nicht für authentisch halte. Der ehemalige Somjetdiplomat Bessedomsti erflärte, über die Richtigkeit dieses Berichtes befragt, daß der Chiffreur der Sowjetbotschaft bereits feit einiger Zeit alle durch die russischen Agenten abgefangenen Depeschen entziffere. Die Sowjetbotschaft hätte sich übrigens im Juni auch den vom englischen Rolonialamt benügten Geheimcode verschafft.
Leg Frieders. Die Defterreichische und die Deutsche Biga jür Menschenrechte e, 23. sowie Justizrat Dr. S. Löwenstein, Justizrat Dr. M. Druder( Leipzig ) und Dr. Richard Breßburger ( Wien ) haben an den Deutschen Reichstag eine gemeinfante Refillon eingereicht, in dem fie unter Hinweis auf die beabsichtigte öfterreichisch- Deutsche Rechtsangleichung dafür eintreten, daß der Reichstag bejchließen wolle, daß die Rechtsfolgen aus Urteilen, deren Grundlage der im Entwurf des neuen Strafgeleges nicht mehr strafbare Tatbestand des fahrlässigen Falscheides im Berordnungs mege unverzüglich aufgehoben werden müsse. Man will auf diese Weise erreichen, daß der Fall Frieders aus der Welt geschafft wird.