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Beilage

Dienstag, 29. Oktober 1929

Der Abend

Shalausgabe des Vorwärt

Ausbau des Gesundheitswesens!

Sozialdemokratische Forderungen an die Stadtverwaltung

Das Hauptgesundheitsamt der Stadt Berlin war in den letzten Jahren ausschließlich mit bürgerlichen Vertretern be­setzt. In den leitenden Stellen war kein Sozialdemokrat verantwortlich tätig. Die Sachbearbeiter der sozialdemokra­tischen Stadtverordnetenfraktion haben des öfteren an den Maßnahmen des Hauptgesundheitsamts Kritik üben müssen. In dem nachfolgenden Aufsatz weist Dr. Käthe Franken­thal die Wege, die die Sozialdemokratie im Interesse des proletarischen Berlin zu gehen für richtig hält. Das Hauptgesundheitsamt hat im Verlaufe dieser Wahlperiode zwei Dentschriften herausgegeben. Die eine er schien im Jahre 1927 und befaßt sich mit den Kur- und Ber= pflegungsfägen. Die zweite Denkschrift, die in diesem Jahre erschienen ist, handelt über Stand und Ausbau der städtischen Krantenanstalten. In der ersten Denkschrift wird festge stellt, daß die laufenden Kosten für die Krankenhäuser sehr erheblich gestiegen sind. Es werden ganz richtig die inneren Gründe für Den stärkeren Zustrom zu den Krankenhäusern aufgezeigt: die Woh­nungsnot, Erwerbslosigkeit, sehr erhebliche Zunahme der Bevölke rung usw. Da die städtischen Krankenhäuser Zuschußbetriebe find und auch stets Zuschußbetriebe bleiben müssen, ist es selbstverständ­lich, daß mit einer erhöhten Inanspruchnahme eine Erhöhung des laufenden Bedarfs einhergehen muß.

Bei dem jetzigen Erhebungsjaße von 6 m. fojtet jeder Krante die Stadt etwa 4,50 m. 3 us chuß. Die Zahl der städtischen Ber­pflegungstage ist von 3,5 Millionen im Jahre 1921 auf 4,7 Millionen im Jahre 1928 gestiegen; ein Mehr von 1,2 Millionen Tagen, von denen jeder einen Zuschuß erfordert, muß sich natürlich im Etat auswirken. Dazu fommt, daß etwa 45 Proz. der in städtischen Krantenhäusern aufgenommenen aufgenommenen Patienten Wohlfahrts. patienten sind, die auf Grund der Fürsorgepflichtverordnung

von der Gemeinde verpflegt werden müssen. Diese Patienten be­lasten den Etat mit den vollen Selbstkosten, das sind zurzeit etwa 150 m.

Die Vorschläge, die das Hauptgefundheitsamt in seiner ersten Denkschrift macht, gleichen haargenau den Anträgen, die die Deutschnationalen in jedem Jahre zum Etat stellen und wegen deren Ablehnung sie den Gesamtetat ablehnen.

Millionen, dann folgt Prenzlauer Berg mit einer Bauratz von 1,7 Millionen. Für beide Krankenhäuser war eine Ausdehnung auf 900 Betten vorgesehen, und für beide ist in der Denkschrift die Summe von 9,9 Millionen als voraussichtliche Baukosten angegeben. Weder die Kangordnung noch die Verteilung der Mittel, die die Ge­sundheitsverwaltung vorschlägt, entspricht also dem Willen der De­putation, die Prenzlauer Berg vordringlich behandelt wissen will. Es kommt hinzu, daß in Wilmersdorf jetzt ein tatholisches Krantenhaus erbaut wird. Der Stadtmedizinalrat von Berlin hat sich für den Bau konfessioneller Krankenhäuser start interessiert. Wir werden weiter größten Wert darauf zu legen haben, daß der Neubau von Prenzlauer Berg in erster Linie ge­fördert wird.

Der Ausbau des Krankenhauses am Urban, der einen Bettenge winn von 300 bringen soll, ist in der Dringlichkeitsfolge so gruppiert, daß er im kommenden Etatsjahr taum noch Berücksichtigung finden wird. Wir halten auch diesen Ausbau für durchaus vordringlich und können uns auch hierin mit den Vorschlägen der Gesundheits­und können uns auch hierin mit den Vorschlägen der Gesundheits­verwaltung nicht einverstanden erklären.

Man wird endlich zu der Frage Stellung nehmen müssen, wie in Berlin die Krankenhäuser gebaut werden sollen. Die Bedeutung von Licht und Luft wird theoretisch durchaus in den Vordergrund gestellt. Im Krankenhaus Moabit nähert sich jetzt der Westpavillon feiner Vollendung. In diesem Bau hat man teilweise das System durchgeführt, das von dem Berliner Stadtmedizinalrat besonders propagiert wird, nämlich Krankenräume mit breiten Schiebefenstern, wie sie von Dosquet angegeben werden. Diese ermöglichen es, jederzeit den Krankenjaal in eine Art Liegehalle umzuwandeln und machen selbstverständlich besondere Liegehallen überflüffig. In Moabit entsteht nun ein Ruriofum, nämlich Dosquat- Räume mit vorgebauten Liegeballons. Man muß schon feststellen, daß dieser Bau so ziemlich den Gipfel an Systemlosigkeit vorstellt, den man erreichen kann. Die Dosquet Bauten darüber sind sich die Fach­leute einig haben eine sehr beschränkte Bermendungsfähig feit und eignen sich feineswegs für die allgemeine Krankenver­forgung.

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Mit mehr Glück hat man in Berlin die Errichtung von Bauten gefördert, die sozialhygienischen Zwecken dienen sollen. Im Hauptgesundheitsamt ist durch Umbau die zentrale Beratungs- und Behandlungsstelle für Geschlechtsfranke errichtet worden. Wenn man diese Stelle in ihrem früheren Zustande kannte, wo sie in völlig un­zulänglichen Räumen im Polizeipräsidium untergebracht war, muß man allerdings feststellen, daß hier eine wirkliche Verbesse= rung eingetreten ist. Die Behandlungsräume sind hell und aus. reichend mit Wasser und allen erforderlichen Einrichtungen ver sehen. Zu jedem Behandlungszimmer gehören drei Umkleidekabinen, so daß ein schnelles Arbeiten gewährleistet ist, wobei es jedoch ver­mieden ist, daß eine Massenabfertigung stattfindet. Es hat vielmehr jeder Patient die Möglichkeit, sich in einer geschlossenen lung ist der Patient mit dem Arzt und dem ärztlichen Hilfspersonal Kabine auszuziehen und auch bei der Untersuchung und Behand allein im Raume. Bevor die Patienten zum Arzt gelangen, werden sie von der Fürsorgerin in Empfang genommen. Der ganze Aufbau dieser Stelle beweist, daß man in Berlin endgültig mit der Reglementierung und sittenpolizeilichen Maßnahmen ge brochen hat. Geschlechtstranfenfürsorge bedeutet hier Seuchen­bekämpfung und persönliche Fürsorge.

Säuglingsfürsorge, die früher in durchaus unzureichenden Im Bezirk Tiergarten ist durch die Initiative unserer Bartsi bie Räumen untergebracht war, umgebaut und modernisiert worden. Auf dem Gebiete der Säuglingsfürsorge haben wir mehrere moderne und allen Anforderungen entsprechende Einrichtungen, vor allem auch das Mutter- und Säuglingsheim in Neukölln, das als Muster­anstalt gelten kann. Daneben haben wir allerdings noch eine große Reihe von Fürsorgeeinrichtungen, die so unzulänglich untergebracht find, daß fie taum ihren 3wed erfüllen tönnen.

ein Problem, das auch die neue Stadtverordnetenversammlung noch stark beschäftigen wird. Die Sozialdemokratische Partei hat immer den Kampf geführt für eine großzügige Arbeit auf diesem Gebiete und für eine gerechte Verteilung der Mittel unter Berüd­fichtigung der proletarischen Bezirke. Käthe Frankenthal,

Die bauliche Gestaltung der gesundheitlichen Einrichtungen ist

Diese Borschläge sind, kurz zusammengefaßt Verschlechterung der Privatdozent Dr. H. Küstner, Oberarzt der Universitäts- Frauenklinik Leipzig

tariflichen Bedingungen, Verlängerung der Arbeitszeit und Herabs brüdung der Gehälter und Erhöhung der Erhebungsfäße. Da der Erhebungssatz für die Wohlfahrtskranken, für die die Stadt die. vollen Kosten trägt; belanglos ist, weil er ja nur eine Umbuchung zwischen Wohlfahrts- und Gesundheitsetat bedeutet, würde die Be­Taftung sich vorwiegend auf die Krankenkassen auswirken. Da die Rassen aber keine Zuschußbetriebe sein dürfen und nicht über ihre finanziellen Möglichkeiten hinausgehen können, würde sich zuletzt eine Abwälzung der Lasten auf die versicherte Bevölkerung ergeben. Die Vorschläge des Hauptgesundheitsamts zur Verbilligung des Be­triebes sind für die sozialdemokratische Fraktion nicht disfu tabel. Die zweite Denkschrift befaßt sich mit dem Betten mangel. Sie ist außerordentlich optimistisch in der Beurtei lung der in den letzten Jahren erfolgten Verbesserung. Seit dem Jahre 1923 hat die Bettenzahl um 2700 zugenommen. Davon find aber nur die Hälfte neu erstellte Betten; die andere Hälfte ist ge­schaffen durch lleberbelegung der bestehenden Krantenräume, ferner. durch Belegung von Tagesräumen und Personalräumen. Es iſt selbstverständlich, daß die letzteren Betten nicht als Vermehrung zu zählen sind; sie sind als ein sehr unzulänglicher Notbe helf anzusehen und müssen schleunigst wieder verschwinden. Die Einwohnerzahl Berlins hat sich seit dem Jahre 1923 um 378 000 vermehrt. Wenn wir die Bettenzahl nur auf der jetzt bestehenden Höhe von 6,5 pro Tausend halten wollen,

dann hätten seit dem Jahre 1923 allein für den Zuwachs der Bevölkerung 2450 Betten neu geschaffen werden müssen.

Da aber nur 1350 tatsächlich neu erstanden sind, hat sich die Betten­versorgung nicht verbessert, sondern verschlechtert. Es ist wieder­holt darauf hingewiesen worden, daß die Zahl von 6,5 pro Tausend unzureichend ist und Berlin zum mindesten in den nächsten Jahren auf die Zahl von 7 pro Tausend kommen muß.

Es wird errechnet, daß bis 1935 5490 Betten bereitgestellt werden müssen. Wo und wie diese Betten erstehen sollen, ist eine sehr wichtige Frage. Die Gefundheitsdeputation hat fich mit dieser Frage eingehend beschäftigt. Wenn auch die Kranten häuser nicht nur den Bedürfnissen ihres Bezirks dienen, sondern durch den zentralen Bettennachweis belegt werden, so ist es doch unbedingt erforderlich, daß die dichtbevölkerten proletarischen Stadtteile in erster Linie mit Betten versehen werden. Es kann der Bevölkerung nicht zugemutet werden, daß sie ihre Angehörigen in weit entfernt liegende Anstalten geben, wo sie sie nur unter Aufwendung von großen Opfern an Zeit und Fahrgeld besuchen tönnen, Besonders schlecht versorgt ist der Osten. In Fried­ richshain und Kreuzberg liegen die ältesten Krante häuser Berlins . Der große Bezirk Prenzlauer Berg besitzt überhaupt fein Krankenhaus Die Deputation stellte sich auf den Standpin't. daß in erster Linie der Ausbau schon vorhandener Anstalten erfolgen foll, weil die Bettenerstellung in solchen Anstalten, wo die technischen und wirtschaftlichen Anlagen bereits vorhanden sind, fich relativ billig geftalten läßt. An neuen Krantenhäusern wurde projettiert in erster Linie Prenzlauer Berg und in zweiter Linie Wilmersdorf . Diese Beschlüsse scheint das Hauptgesundheitsamt bei Ausarbeitung der Denkschrift völlig vergessen zu haben. Wir finden hier in der Dringlichkeitsfolge vorgeschlagen in erste: Linie Wilmersdorf , zweitens den Ausbau von Urban mit 300 Betten Vermehrung und an dritter Stelle den Neubau in Prenzlauer Berg . Es wird ge fchätzt, daß bei Neubauten ein Krankenhausbett ohne Grundstüc sich auf 11 000 m. stellt, während z. B. beim Erweiterungsbau des Urbanfrankenhauses das neu zu erstellende Bett auf 7000 m. ge­schäßt wird. Die Dringlichkeitsfolge, die für das Etatsjahr 1930 von der Gesundheitsverwaltung vorgeschlagen wird, weicht noch viel mehr von der Ansicht der Deputation ab. An Neubauten ist hier aufgeführt an erster Stelle Wilmersdorf mit einer Baurate von vier

Verhütung von Geburtsschädigungen

Für die Frage der Säuglingsfterblichkeit, fpeziell der Früh Sterblichkeit in den ersten acht Tagen sind Schädigungen des Kindes bei der Geburt von größter Bedeutung. Die Ursachen für die Schädigungen des Kindes liegen beim ausgetragenen reifen Kind sehr häufig in einer Berengerung des mütterlichen Beckens; außer dem haben die Schwierigkeiten, welche die Weichteile der Mutter der Geburt des Kindes in den Weg stellen, eine gewisse Bedeutung für diese Frage. Drittens können Schädigungen des Kindes durch besondere Störungen bei der Geburt( Rabelschnurvorfall, vorzeitige Ablösung des Mutterkuchens, Falschlage des Kindes usw.) eintreten. Einen beträchtlichen Teil dieser Geburtskomplikationen fönnen wir vor Beginn der Wehenstätigkeit nicht im voraus erkennen, so daß burtsleitung, ein Unglüd nicht verhütet werden kann. in manchen Fällen, auch bei sorgfältigster und geschultester Ge­

Die höheren Grade von engem Bed en find wohl meist vorher zu erkennen und die einzige zweckmäßige Geburts­beendigung durch Schnittentbindung kann vorgenommen jenigen Formen von Beckenverengerung, die an der Grenze des werden. Schwierig ist dagegen die Frage zu entscheiden bei den

Normalen sich befinden, da hierbei die Größe des Kindskopfes, die wir nicht vor der Ausstoßung des Kindes bestimmen können, eine sehr wesentliche Rolle spielt. Auch bei solchen Grenzfällen wird häufig die Bornahme der Schnittentbindung vorgeschlagen, doch be­deutet das eine wesentliche, vielleicht nicht immer berechtigte Steige­rung der Gefahren der Entbindung für die Mutter. Wird einmal in solchen Fällen die Schnittentbindung ausgeführt, so muß bei weiteren Schwangerschaften meist der gleiche Weg beschritten wer­den; man fann aber einer Frau nicht unbegrenzt oft eine Schnitt entbindung zumuten. Wir werden also immer bei mäßig verengtem Beden mit einer gewissen Berlustzahl an Kindern zu rechnen haben. Die durch Weichteilstraffheiten der Mutter bedingten Schwierigkeiten lassen sich meist ohne Gefahr für Mutter und Kind durch rechtzeitige Einschnitte beseitigen. Was die falschen Kinds lagen und die durch anderweitige Störungen hervorgerufenen Gefahren für das Kind betrifft, so haben wir nur die Möglichkeit, sie durch zweckmäßige Geburtsleitung zu beseitigen. Der Hauptwert bei allen diesen, das Leben des Kindes gefährdeten Komplitationen liegt in der rechtzeitigen Erkennung der Gefahren und einer dann einsehenden sachgemäßen Geburtshilfe.

Eine wesentliche Befferung der Frühsterblichkeit kann also nur erzielt werden durch eine gute Schulung und ein zwedmäßiges Hand- in- Hand- Arbeiten der die Geburt leitenden Personen. Drei Instanzen tommen in Betracht: Erstens die Hebamme, zweitens der hinzugezogene praftische Arzt und drittens die Entbindungs onstalten und Krankenhauser. Es muß aber, wenn Erfolge erzielt werden sollen, unbedingt gefordert werden, daß die Ausbildung der Hebammen und praktischen Aerzte auf dem Gebiete der Geburts hilfe beffer wird, als es bisher in vielen Fällen der Fall ist. In Großstädten, wo die Möglichkeit dazu gegeben wäre, sollte die Erlaubnis zur Ausübung operativer Geburtshilfe mur an Spezialfrauenärzte erteilt werden. Außerdem müßte den Frauen, bei tenen eine Komplitation zu erwarten ist, die Mög­lichfeit gegeben sein, in Entbindungsanstalten eine Aufnahme zu finden, da die foziale Lage und die Wohnungsnot eine fachgemäße Geburtsleitung im Privathaus bei dem größten Teil der Bevölke­rung nicht gestattet.

In zweiter Linie kann die Frühsterblichkeit gebessert werden durch Berhütung der Frühgeburten. Wir wissen, daß frühge borene Rinder gegenüber allen äußeren Einwirkungen sehr menig widerstandsfähig sind; auch schon die bei der Früh

Die Schnitt

geburt in den meisten Fällen nur sehr geringe Gemalteinwirtung während der Geburt führt in vielen Fällen zu schweren Gesund. heitsstörungen, evtl. zum Absterben des Kindes. entbindung zur Bermeidung dieser Geburtsschädigung und Um­gehung des Geburtsfanals kommt bei Frühgeburten nicht in Be­tracht. Es läßt sich also durch die Geburtsleitung die Schädigung der zu früh geborenen Kinder nicht vermeiden. Wir müssen daher versuchen, den vorzeitigen Eintritt von Wehen zu verhindern.

Die Schwangerschaftsstörungen lassen sich in den feltensten Fällen voraussehen und daher auch meist nur bedingt ver­meiden; die Schwangere foll sich möglichst schonen, alle seelischen Er. regungen sollen von ihr ferngehalten werden, und auch geringe, aber dafür häufig auftretende Erschütterungen des Körpers( Eisen­bahnfahrten, Straßenbahn, Automobil usw.) sollen bei empfindlichen Frauen vermieden werden, da sie erfahrungsgemäß zur Früh­geburt führen können. Die wiederholt auftretende Früh- und Fehl­geburt bei bleichsüchtigen, körperlich schwachen Frauen oder bei Beobachtung und Behandlung in manchen Fällen verhindern. anderen förperlichen Mängeln läßt sich durch sorgfältige ärztliche

Ganz andere Handhaben zur Berhütung der Frühgeburt bieten uns die chronischen Allgemeinertranfungen der Mutter. Speziell die Syphilis, bedingt in vielen Fällen Absterben der Frucht im Mutterleib vor dem Ende der Tragzeit oder die vorzeitige Ausstoßzung des noch lebenden Kindes. Auch die Schwangerschaftsvergiftungen spielen hierbei eine Rolle. Die Zahl dieser Frühgeburten läßt sich also vielleicht durch eine sorgfältige, weiter als bisher ausgedehnte Schwangerenfürsorge verringern. In den Schwangerenfürsorgestellen müßten die Schwangeren auf Syphilis, mittels der Wassermannschen Reaktion, untersucht werden und auf förperliche Veränderungen aufmerksam gemacht werden, die eine durch die Frucht bedingte Schwangerschaftsvergiftung er fennen laffen. Allerdings erscheint es mir zweifelhaft, ob sehr viele Frauen behördlich eingerichtete Beratungsstellen aussuchen und den Anordnungen des beratenden Arztes folgen werden. Es erscheint mir zweckmäßiger, die Schwangerenberatungs­stellen an die schon vorhandenen Entbindungs. an ftalten anzugliedern, damit im Falle einer bereits vor. handenen oder drohenden Störung der Erkrankung gleich dort die notwendige Behandlung eingeleitet werden kann.

Durch eine sorgfältige Ueberwachung der Schwangeren und genaue Registrierung der förperlichen Befunde laffen sich später dann bei Zusammenstellungen gute Schlüsse über die Fragen, wie häufig die einzelnen Schwangerschaftstomplitationen als Ursachen für Frühgeburt in Betracht kommen, ermitteln. Außer diesem Weg ließe sich noch ein zweiter beschreiten. Wenn bei jedem Neuge. borenen das Nabelschnurblut aufgefangen und auf Syphilis unter­fucht würde, so würden alle Fälle von Erbsyphilis erfaßt werden fönnen. Es ließe sich dieses wohl unschwer in der Allgemeinpraris einführen. Die Hebamme müßte das Blut auffangen und in der nächsten Wassermann- Station untersuchen lassen. Die Resultate würden dem zuständigen Kreis oder Bezirfsargt mitgeteilt werden. Ferner müßte bei sämtlichen totgeborenen, ausgetragenen und nicht ausgetragenen Kindern und ebenso bei allen in den ersten steben Tagen gestorbenen Kindern zwangsmäßig die Sektion vorge­nommen werden, um die Ursachen für die Totgeburt oder die Früh­Sterblichkeit genau ermitteln zu können. Auf diese Art und Weise ließe sich zunächst einmal ein gutes Uebersichtsmaterial gewinnen, aus dem weitere Schlüsse zur Hebung der Geburtenschädigungen und Einschränkung der Zahl der früh, d. h. in den ersten acht Tagen, sterbenden Kinder gezogen werden tönnen.