Mein Staub
verstob;
wie ein Stern
strahlt mein Gedächtnis.
( Endzeilen des Phantafus".)
Der Dichter Arno Holz , der heute der Flamme übergeben wird, hat fanatisch an seinen Nachruhm, an seine ewige Be deutung für die Literatur geglaubt. Bielleicht war ihm dieser Glaube Ausgleich für ein Schicksal, das ihm alle irdischen Baben farg bemaß, die es geringeren Geistern freigebig spendete. Müssen wir am Grabe des Dichters auch diesen legten Trost verneinen, oder dürfen wir ihn zugestehen? Der 22jährige Arno Holz erblickte die höchste Aufgabe des Dichters darin, ganz Gegenwart, ganz Zeitgeist zu sein:
modern sei der Boet,
modern vom Scheitel bis zur Sohle!
Sargen mir auch schon mit ihm ein Stück Literaturgeschichte ein? Oder bleibt dieser bizarrste, dieser endloseste aller deutschen Dichter auch für die Ueberlebenden nehmt das Wort ohne den häßlichen Beigeschmack nach Konfektion,, modern"?
-
Die Frage nach dem Unsterblichen eines Dichters läßt fich nur beantworten aus seinem Berhältnis zu den großen Strömungen, zu den lebendigen Kräften der Gegenwart und Zukunft. Das bedeutet im 20. Jahrhundert mag das Bürgertum uns überheblich schelten in allererster Linie: aus seinem Berhältnis zum Freiheitstampf Der arbeitenden Menschheit.
-
-
Auch an der Bahre, zumal eines Fanatikers der Aufrichtigkeit, wie Arno Holz , soll man nicht färben und vertuschen. Es hätte feinen 3wed, den toten Arno Holz umulügen in einen allzeit gefinnungstreuen Kampfdichter des Proletariats. Es wäre vergebliches Beginnen, den Dichter in einen Bolitiker, den schöpferischen Gestalter in einen Parteimann umzudeuten. Arno Holz war Künstler, und die Kunst ist allzeit. legtes Ziel seines Ringens geblieben. Aber dieses, sein eigenstes Gebilde, hatte vielfache Schnittpunkte und Berührungsflächen mit den sozialen und politischen Strömungen der Zeit. In den Kristallflächen seiner Dichtung brachen und spiegelten sich die Lichter der Umwelt. Und darauf auf die Berknüpfung der Dichtung mit dem Lebendigen ringsum tommt es entscheidend für die Frage an, ob einer nur ein Wort und Versartist gewesen ist oder ein Mann, der sein Zeitalter bewegte und vorwärts trieb. Bon dieser Art war Arno Holz , denn in ihm wirfte eine unermüdliche Rebellennatur. Sie fand ihr erstes Kampfziel- vor anderthalb Menschenaltern- in der Literatur eines muffligen Spießbürgertums. Das gehörte alles zusammen in den achtziger Jahren: die Studornamentif unästhetischer Brokenbauten, die Plüschgarnituren in guten Stuben und die Muschelauffäße, die Trumeaus und Etageren, und auf den Etageren die in Goldschnitt gebundenen Lnrit bände harmloser Dichtergeschöpfe, die den Lenz, den Bein, den Rhein , die Bögelein und das Abendrot belangen. Das gehörte alles zum Milieu des gesättigten Spießbürgers, der int feiner häuslichen Bequemlichkeit nicht gestört werden will durch Erinnerungen an das Maifenelend und die Maffenausbeutung, auf denen feine Behaglichkeit legten Endes beruht.
In dieses Idyll braufte und pfiff die Kunstrevolution der achtziger Jahre. Nur die Aeltesten von uns haben sie per. fönlich erlebt. Die Jüngsten begreifen vielleicht nicht einmal, marum das eigentlich mar. Ihnen ist fast unausdenkbar, daß damals den Menschen erst ins Ohr geschrien werden mußte, Kunst ist nicht ein gegenwartsfernes Ding an sich, nicht ein Zurüdträumen in eine verlogen- idealifierte Bergangenheit, sondern die Kunst febt und wirkt im Kampf und Ringen der Gegenwart.
-
Heute ist es fast umgekehrt. Wenn heute die Biscatoren jedes Drama, ehe fie es aufführen, erst auf den Leisten ihrer Leitfäße schlagen und an den Thesen der Komintern linientreu zurechtstugen dann muß man umgekehrt betonen. daß Leitartikel und Dialogfaffung noch feine Dramen. daß gereimte Parteiprogramme teine Lyrit sind. Diese auf Maschinen gequälte Runstrevolution wirkt unendlich nüchtern und vedantisch, gemeffen an dem hinreißenden Rhythmus und Sturmschritt, in dem die Kunstrevolution der Naturalisten vor vierzig Jahren heranbraufte. Damals sang Arno Holz : Ich pfeif auf euern Fahneneid ich pfeif auf eure feigen Bossen! Im schwarzen Schulbuch unfrer Zeit find meine Verse rote Glossen!
759] In Alto
Bur Mushebung der Bombenwerkstatt.
150
Völkischer
Beobachter
Marganoe
ganse
Margaine
Spreng proff Talvol
Die Polizei:„ Ei, was seh' ich? Trotz aller Not gibt es noch Leute bei uns, die Bombengeschäfte machen!"
bar furz und packend hat Arno Holz das legte Mort aller Rebellion ausgesprochen, in einem nur acht Beilen umfaffen den Zwiegespräch zwischen Baul und Bruder Beter, der gegen den Zeitgeist nach Kruppschen Hinterladern schreit:
Doch Paul fann Peter nicht befeh'n, weil der sein Lebtag nur gelungert, und meint, als wäre nichts gescheh'n: Du, Peter, hast du mal gehungert?
-
Der Dichter Arno Holz hat auch hierin dem Broletariat verwandt den Hunger während der meisten Zeit feines Lebens gefannt. Troßdem ist er den Weg des prole= tarischen Kampfdichters nicht weitergegangen. In ihm war jenes ungesättigte, unstillbare Verlangen, theoretische Forderungen restlos zu erfüllen, jenes schlechthin Deutsche, das ihn trieb, Schöpfer eines nicht mehr zu überbietenden Kunststils werden zu wollen. Der Jagd nach diesem Idol hat er fein Leben geopfert. Seine Werke wurden Monftra, Didichte, Labyrinthe. Freilich Labyrinthe, in denen der Wanderer immer wieder überrascht vor ungeahnten Schönheiten steht, in denen der Lyriker, der Prophet, der Satiriter, der soziale Anfläger Holz sich in wechselnden Gestalten zeigen. Mitten in zarteste Lyrik sind da plöglich hineingestellt urrealistische Berliner Großschnauzen, die mit derber Schlagfertigkeit in eine Situation das richtige Wort hineinknallen. Volksliebe, derber Bolfshumor, stachelige Satire finden sich im Bhantasus" wie in der Blechschmiede" oftmals eingestreut.
"
Braunkohle finanziert Hafenfreuz! Auf Kosten der Brifettverbraucher
627
Bon unterrichteter Seite wird uns gefchrieben: Das Ditelbische Braunkohlensyndikat hat in den lehten Jahren der Deutschnationalen Partei, dem Stahlhelm und der Nationalsozialistischen Partei große Geldmittel zur Berfügung gestellt. Die Summe dürfte fich insgesamt auf 300 000 Mart jährlich belaufen. Als Berbindungsmann zwischen den fubventionierten Parteien und dem Ostelbischen Braunkohlenfynditat fungiert ein Oberleutnant a. D.& ersten.
Die Deutschnationale Partei hat sich für ihre Subvenfionierung dadurch erkenntlich zeigen müssen, daß fie den früheren Regierungspräsidenten von Gersdorf , den Bergwertsdirektor Leopold und Herrn Rademacher an aussichtsreiche Stellen deutschnationaler Wahlliften stellte. In der deutschnationalen Fraktion des Preußischen Landtags fiht als Vertrauensmann des Syndikates der Geschäftsführer des Mitteldeutschen Kohlenfunditates Dr. Wolff.
Die an die Puffchiffen gezahlten Beträge laufen über einen besonderen Fonds des Braunkohlensyndikals.
Sturm im Landtag.
Das war noch alte form. Zunächst revolutionierte der unsichere Anfänger erst den Inhalt: ,, Ihr sollt nicht fortschau'n, ihr feigen, Spießer, von dem Unheil. das ihr angerichtet habt. Ich zwinge euch, es anzufeh'n. Sentimen Dresden , 29. Dftober.( Eigenbericht.) tales Mitleid wird nicht angenommen. Anklage und Haß In der Dienstagfißung des Sächsischen Land. fallen euch ins Ohr gellen." Aber mit diefem haß erbächst tages fam es zu stürmischen Szenen. für den Dichter eine neue Liebe, erschließt sich eine neue Bor Beginn der Sigung verlas Abg. Edel( S03.) einen Protest Schönheit. Mit der Liebe zu den Armen und Getretenen ent- feiner Fraktion gegen das geschäftsordnungswidrige Verhalten der deckt der Dichter, daß auch Mietfaserne und Hinterhof, daß Mehrheit des Rechtsausschusses anläßlich der Beratung der Vorlage ruch Maschine und Asphalt für das Dichterauge ihre Schön- über die Aufhebung des Mais unb November- Feiertages. Die jo heit haben. Indem er sich in die Tiefen der Großstadt verzialdemokratische Frattion wandte sich insbesondere dagegen, daß den fenft. bemerit Holz. daß auch in diefen Dingen Berichterstattern der Minderheit für die Fertigstellung ihrer schrift Roelie ist: die Geburtsstunde des Naturalismus hat lichen Berichte nicht die nötige Zeit gelassen werde. Troß dieses Pro testes schlug die Mehrheit des Landtagsvorstandes vor, die Borlage galchlagen. über den 9. November und den 1. Mai auf die Tagesordnung der nächsten Sigung des Landtags am Freitag zu feßen.
Damit schuf sich ein neuer Runftinhalt. feine neue Sunstform Wesentlich: Form und Inhalt standen in innigem Rusammenhang. ließen sich nicht voneinander trennen. Hatte der Naturalismus fich aufgebäumt gegen eine füßlich verlogene. afterfünftlerische Weltbetrachtung, fo mukte er felber den Blid fest auf die rauhe Mirflichfeit und damit auf das mannigfache foziale Elend richten. Aber her ist Arno Holz. der Bahnbrecher des Naturalismus, mert würdig hinter feinen Nachfolgern. zumal hinter deren BeDeutendstem, hinter Gerhart- hauptmann , zurüdge bileben. In feinen Jugendgedichten, den ,, Liedern eines Modernen", wie er fie felbftbewußt nannte, schwingt der foziale Interton noch allenthalben mit Hier finden sich die Berle, die nun auch in den Kreisen der Unterdrückten und sozial Mißhandelten selber zündeten. Diese Gedichte erwedten in der gegen das Sozialistengefeß rebellierenden Arbeiterschaft das Gefühl der Kameradschaft, der geistigen Berbundenheit mit diesem Kunstrebellen. Rannte der jugendliche Dichter Arno Holz gegen die Hofdichter der Hohenzollern an, stritt er gegen das feigegoistische Bürgertum. fchrie er das Elend fahler Mansardenstuben hinaus, so fühlte das Proletariat seinen eigenen Herzschlag in diesen Bersen pochen. Wunder
Doch der Dramatiter Arno Holz hat den von ihm geschaffenen Realismus auf das Proletariat nicht angewendet. Bon den drei Dramen, die er allein erschuf, spielt eins in der Sphäre der Wissenschaftler, eins in der Sphäre der Künstler, und sein Lustspiel Sozialaristokraten" verspottet die Hohlheit einer sich revolutionär mastierenden literarischen Spießerclique. Er, der der Dichtkunst den Weg ins soziale Milieu mies, vermied selber, diesen Weg zu nehmen. Das ist wohl der letzte Grund, warum sein aufgehendes Gestirn so bald vom Ruhme Hauptmanns verSunfelt ward.
Von Hauptmann wird die Welt in fünfzig Jahren wissen, daß er„ Die Weber " schrieb, den Florian Geŋer" und den ,, Biberpelz ".
Auch bei Holz wird das Revolutionäre fein Un= sterbliches fein. Zeitgefegnete Feinschmecker der Literatur falls es die im Jahre 2000 geben wird werden freilich auch dann noch ihr unerschöpfliches Bergnügen an den Dinosaurierkindern der Holzschen Muse haben. Die Masse des Bolles aber, die Arbeiterschaft, wird in dem Dichter Holz den Mann grüßen, der als unbekannter Jüngling hen Mut fand, der den anerkannten Biteraturgrößen feiner Zeit ab ging, nämlich in eine Welt des Elends und der Ungerechtig feit seine Anflage hinauszuschreien:
Mein Herz schlägt laut, mein Gewissen fchreit, ein blutiger Frevel ist diese 3eit!
Unterhausbeginn.
Bor großen Entscheidungen.
London , 29. Oftober.( Eigenbericht.) Das Unterhaus trat om Dienstag nach dreimonatiger Bause 31 einer der wichtigsten Seffionen zusammen, die das britische Barlament feit langem erlebt hat.
In Abwesenheit Macdonalds, der auf der Rückreise von Kanada
ist, liegt die Führung der Arbeiterfraktion in der Hand Snow.
dens, der beim Eintritt in den Sigungsfaal non der Fraktion und einem Teil der Liberalen lebhaft begrüßt wurde. Auch Hender son, dessen Führung in der Außenpolitit als einer der ftärkstent Attioposten der Arbeiterregierung betrachtet wird, fand lebhafte Be grüßung. Aus dem parlamentarischen Auftakt, bem lebhaften Frageund Antwortspiel zwischen Regierung und Opposition ging hervor, daß die Sigungsperiode im Zeichen der Arbeitslosenfrage stehen dürfte.
Es lagen neun Kleine Anfragen an Thomas, ben Minister für Arbeitsbeschaffung, vor. Der Lord- Großsiegelbewahrer Thomas offizieller Titel schnitt diese Fragen mit den Worten ab, daß er zu Beginn der nächsten Woche eine Erklärung über die Arbeitslosenpolitik der Regierung abgeben werde. Man ist sich in der Arbeiterpartei wohl bewußt, daß
vom Inhalt dieser Regierungserklärung in großem Maße die Wirksamkeit der Taffit der gegenwärtig start deprimierten Oppofition und vielleicht sogar das weitere Schidfal der Regierung abhängig
fein wird. Snowden, der als stellvertretender Ministerpräsident
Sprach, entwickelte das Attionsprogramm der Regierung bis Weihnachten. Als feine wichtigsten Buntte bezeichnete er den Gefeß entwurf zur Berbefferung der Witwen- und Waifen verforgung, das Arbeitslosenversicherungs- und bas Fabrit gefeß sowie alle 20 bänderungsanträge zum Gewerkschaftsgeset der konservativen Regierung.
Im übrigen war die erste Sigung im wesentlichen von Anfündi gungen der Minister über bevorstehende gesetzgeberische Maßnahmen ausgefüllt. Der Arbeitsminister, Frau Bondfield, teilte mit, daß das Arbeitslofenversicherungsgesetz mit größter Beschleunigung vor: gelegt werden wird, ähnlich sprach Bergbauminister I irrner.
Akademischer Heimwehrterror.
Als die Tagesordnung im Landtag befanntgegeben wurde, er hoben die sozialbemokratischen und fommunistischen Rebner gegen biefes Borgehen schärfften Protest. Die sozialdemokratischen und tom munistischen Rebner, die zur Geschäftsordnung( prachen, insbesondere Die sozialistischen Studenten brachten an dem Kiost vor der, die Abgeordneten Ebel, Kautsch und Liebmann, marfen der Mehrheit por, daß ihr Berhalten eine Beugung der Gefäftsord. Technischen Hochschule ( den ihnen die Gemeinde Wien bewilligt nung und einen Bruch von Recht und Gerechtigkeit bebeute, weit hat, weil die. Hakenkreuzter an der Hochschule Anschläge der sozialiſt. es den Berichterstattern der Minderheit unmöglich gemacht merde, ichen Studenten nicht zuließen) einen Anschlag an, in welchem sie ihre schriftlichen Berichte, auf deren Erstattung fie nach der Geschäftsfür den Bürgerfrieben, für Demokratie und gegen Faschis. mus und Reaktion eintreten sowie die Heimwehr angreifen. Gestern ordnung ein Recht haben, so rechtzeitig fertigzustellen, daß sie bei der Beratung im Plenum vorliegen tönnten. Da die Entrüstungs. haben die Heimwehrstudenten den sozialistischen Studenten den Einrufe immer lauter wurden, unterbrach der Präsident des Bandtags, tritt in die Hochschule zu verwehren versucht. Es kam zu edel( So.), der sich nicht mehr verständigen fonnte, die Sigung. fleineren Plänteleien, die pormittags die Sperrung der Hochschule Als nach etwa einer halben Stunde die Sigung wieder begann, fegte zur Folge hatten. Die Heimwehrstudenten zogen hierauf vor die die Geschäftsordnungsdebatte von neuem ein. Es sprachen mur Ber- Universität. In den Gängen der Universität fam es zwischen ihnen treter der Linken. Kein Bertreter der bürgerlichen. Barteien wagte und sozialdemokratischen Studenten zu Tätlichteiten, wodurch die die Methoden der Mehrheit zu rechtfertigen. Auch jetzt wurden die Borlesungen unmöglich gemacht wurden. Entrüftungsrufe der Linken immer lauter, fo daß schließlich der Präsident die Sigung schloß, ohne daß über die Tagesordnung der nächsten Sizung ein Beschluß herbeigeführt werden konnte.
Die Heimwehrstudenten sind zu ihrer Aktion durch eine Rede des Universitätsrettors Gleichspach, der vor einigen Tagen zum Eintritt in die Heimwehr aufforderte, ermuntert worden.