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Nr. 511+ 46.36brona 1. Beilage des Vorwärts
Jahrgang
Clow
Donnerstag, 31. Oftober 1929
Badeanstalt und Einsturzhaus Junger Begelagerer verhaftet.
lich seine große Badeanstalt, die diefem reichbevöfferten Bezirt seit langem fehlte. Das Haus ist im Rohbau fertig, mir aber tro fainer großen, reichgegliederten Baumasse mit hohem Turm von wenigen beachtet sein; denn der Bauplag liegt inmitten des HäuserDiertels Eisenacher, haupt, Müblen= und Belziger Straße und entzieht sich den Biiden der Vorübergehenden. Nur Don der Belziger Straße aus, zmiichen der Hohenzollernschule und ihrer Turnhalle burchblickend, hat man eine Ansicht des imposanten Baues. In flaren, einfachen und dem med dienenden Formen erhebt sich der Turm, der als Bassinträger gedacht ist. In vielfacher Bacinanderschachteluing gliedern sich an ihn die übrigen Bauteile. Das ganze Gebäude ist mit Eisenffinfern Derblendet. Die Badeanstalt wird ein Uförmiges Schwimm
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Der Neubau der Badeanstalt.
eden pon 33% X 12 meter befommen, das von beiden Ge= fahlechtern als Familienbad benutzt werden soll. 1800 bis 2000 Badende fann das Beden im Laufe des Tages aufnehmen. 20 Brausen, 15 Wannenbäder für Männer,
10 Brausen und 20 Bannen für Frauen sind vorgeſehen. Die Umfleiberdume des Cuppinusabes merzen für fich untergebracht, sind nach Geschlechtern getrennt, die Teile lassen sich jedoch je nach Bedarf vergrößern bzw. verkleinern. Auf gleicher Höhe mit dem Schwimmbecken wird das Sonnenbad liegen, eine Neuerung, die sicher viel Anklang finden wird. Besondere Bedeutung bekommt das Bad natürlich für die Schöneberger Schulen, die zum großen
perrt
Das Risse- Haus Belziger Str. 47.
Johann Komáromi
17]
He, Kosaken!
Caus dem Ungarischen
von Cllexander von Sacher Masoch Copyright by Büchergilde Gutenberg, Berlin .
Auch um meinen Großvater, den Zimmermann, wurden die Wirtschaftshöfe lebendig. Fuhrwerte rasselten schon im ersten Morgengrauen hinaus, Bflüge und Eggen flirrten auf der Brücke und auf den welligen Hügelhängen und zwischen den Wäldchen wurde mit dem Pflügen begonnen. Es war Frühling! Frühling!
Nach Schulschluß liefen wir mit Bandi, Brugos' Sohn, in den gräflichen Garten. Wir jagten einander barfuß im duftenden Gras, durchforschten die vorjährigen Berstede der Sträucher, Wege und Eden und stöberten die um die Kapelle liegenden Keller auf, in welchen, ebenso wie in der Kapelle, Gespenster umgingen, wenn hinter den fernen Hunnenhügeln der gelbe Mond aufging und sein Leuchten über die blonden Wände der Tennen und Speicher strich. Manchmal erschreckte uns der Berwalter, wenn er mit rückwärts verschränkten Armen, vor sich hinsinnend, auf einem der Gartenwege daher fam. Er beobachtete uns mit zusammengefniffenen Augen und drohte:
Was treibt ihr da, he?"
Dann schlugen wir uns ängstlich in den nächsten Strauch und liefen atemlos in die Richtung des Glashauses. Denn Brugos war immer auf dem Posten und mehe dem, den er zur Rede stellte. Alle zitterten vor ihm, denn er schindete alle.
Er mar ein niederer, beleibter Mensch mit einem Bollmondgesicht und nadelspiz ausgezmirbeltem Schnurrbart, Sein Bauch war so groß, daß er seine eigenen Stiefel nicht fehen fonnte und die Dienstleute erzählten, daß er ihn mit einem Strid aufband, um sich bewegen zu fönnen. Jedes zweite Jahr wurde der Bauch von den Aerzten in Ujhely aufgeschnitten, um den vielen Sped herunterzuholen. Bor etwa zehn Jahren hatte er seine Schafherde verkauft, die er, gerüchtweise, vom Grafen allmählich zusammengestohlen hatte und von ba an trug er den Kaufpreis der Schafe- vierzehntaufenb Gulben stets bei sich in seiner Rodtasche in einer ziegenlebernen Börje. Er hatte auch ein Notizbuch mit Leber
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Teil in der Nähe liegen, so daß Klassen während einer Turnstunde das Bad benutzen können. Auch eine medizinische Abteilung mit 40 Bädern ist vorgesehen. Man hofft das Bad Ende März
1930 fertig zustellen und am 1. April 1930 eröffnen zu können. 1100 000 Mart find für den Bau veranschlagt, die auch nach den bisherigen Ergebnissen ausreichen werden.
Der Beginn des Baues stand unter feinem guten Stern. Das Ausheben der großen Sandmassen beim Badeanstaltbau soll die Ursache gewesen sein für das Nachgeben der Fundamente des Hauses Belziger Straße 47. Dieses Haus ist auf fumpfigem Baugrund errichtet, seine Fundamente ruhen auf Pfahlrosten, die vielleicht infolge Grundwasserfenfung nicht mehr intatt find. Natürlich besteht die Möglichkeit, daß der fehlende Druck der Sandmassen des benachbarten Baues ein verstärktes Nachgeben der Pfähle zur Folge hatte. Schäden, Risse in den Mauern, abfallenber Buzz usw. zeigen sich jedoch schon seit 10 Jahren. Die Leidtragenden find jedenfalls die Mieter des Hauses, die Pfingsten dieses Jahres, mie wir seinerzeit berichteten, alle ihre Wohnungen räumen mußten, weiter die Schüler der Hohenzollernoberrealschule, deren Schulhof und Turnplag verkleinert ist; denn die Polizei hat den gefährdeten Leil gesperrt, und der Besizer und die Benutzer des Tennisplates, der an der anderen Seite des Hauses liegt und ebenfalls gesperrt ist. Das Haus ist inzwischen durch mächtige Stüßpfähle geftügt, ein Zaun mit Warnungstafel Derhindert ein Betreten. Der Polizeiposten, der in der ersten Zeit diese Schußmaßnahmen überwachte, ist jedoch längst eingezogen. Bergebens find alle Anfragen der Mieter, die gern ihre alten Wohnungen wieder beziehen möchten, der jetzige Zustand scheint tonstant zu sein; denn die Neufundamentierung wird so ungeheure Summen verschlingen, man spricht von 250 000 Mart, daß ein Aufbringen durch den Hausbefizer unmöglich erscheint. Zieht man andererseits die Schäden in Betracht, zu denen immer noch| eine Gefährdung der Schüler hinzutritt, so muß nachdrücklichst gefordert werden, daß eine Wenderung eintritt. Entweder Stüßung der Fundamente oder aber Abbruch der die Nachbargrundstüde gefährdenden Ruine.
einband und wenn er dieses Büchlein und den Bleistift einmal hervorholte, war Gefahr im Anzuge. Er sah weiter mie ein Adler und erkannte die Knechte auf unglaubliche Entfernung hin, wenn er seine schläfrigen Blide über die Gegend schweifen ließ. Obwohl er immer blinzelte wie ein Kurzfichtiger. Wenn er bemerkte, daß irgendein Tagelöhnermeib im Graben des Wiesenpfades Nesseln mähte, die ja doch niemandem nüze waren, ließ der alte Schinder den Wagen anhalten und sagte mit sanfter Güte zu dem Weib:
,, Was treiben Sie denn da, Seelchen?"
,, Diese paar Nesseln pflücke ich, gnädiger Herr.. Der Alte framte auch schon das Büchlein und den Bleistift hervor. Das arme Weib begann zu jammern. Gnädiger Herr, ich will es nicht mehr tun," und kniete vor ihm nieder.
Brugos achtete nicht mehr auf sie. Er befeuchtete den Bleistift, frigelte etwas in das Notizbuch und fügte gütig hinzu:
,, Dafür werden fünf Gulden von der Kommention ab gezogen. Borwärts, Mathias!"
Mein Großvater erzählte, daß einer seiner Feinde ihm einmal von Batak oder sonst woher per Geldanweisung einen Heller geschickt habe. Brugos war feineswegs erbost, sondern minkte den Tagknecht zu sich und übergab ihm die Anweisung: ,, Lauf mal auf die Post und hole mir das Geld." So ein Mensch war noch nicht geboren, der ihn aus dem Gleichgewicht bringen konnte. Viele haßten ihn, am meisten natürlich die Kosaken, die sich jetzt zur großen Abrechnung mider ihn richteten. Seit Jahren loderte dieser Haß zwischen ihnen. Obgleich es wahrscheinlich schien, daß Brugos um all ihre Pläne wußte. Wenn nicht anders: durch Witterung.
Nur ein einziger bildete eine Ausnahme: mein Großvater, der berühmte Zimmermann.
Jezt, als es Frühling wurde, und die Wälder zu treiben begannen, sah man die zwei fast immer beisammen. Entweder fuhren sie mit der Bricstal auf die Felder hinaus oder sie gingen auf den Pfaden des gräflichen Gartens auf und ab, beide mit rückwärts verschränkten Armen. Mein Großvater ging meist einen halben Schritt neben Brugos, mit abgezogenem Hute, mährend seine grauen Haare um feine flare Stirn spielten. Immer führten sie ernste Gespräche. Ein anderes Mal untersuchten sie die große Tenne, deren Dach mein Großvater mit seinem Sohne und den übrigen Zimmerleuten erneuern sollte.
Die Rojaten waren noch immer nicht zurück. Ruhe lag über der Gegend. Aber diese Ruhe war nur scheinbar
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als erfolgreicher Kriminalist.
Durch die Aufmerksamkeit eines Briefträgers war es der Polizei möglich, in einer Laubenkolonie in der Nähe des Bahnhofs Biesdorf einen 18jährigen jungen Menschen zu verhaften, der nach seinem eigenen Geständnis in diesem und dem vergangenen Jahr in den Abendstunden Mädchen und Frauen angefallen hatte.
Im vergangenen und in diesem Jahre wurden in der Wuh!- heide zwischen dem Bahnhof Biesdorf und der Pflege= anstalt Wuhlgarten in mehreren Fällen Frauen und Mädchen, die allein gingen, von einem jungen Burschen angefallen. Der Uebeltäter versuchte sie zu Boden zu reißen und zu verge= waltigen. Dank der kräftigen Gegenwehr und der lauten Hilferufe der Angefallenen war es aber immer nur bei einem Versuch geblieben. Alle Nachforschungen, auch mit den Hunden, blieben zunächst erfolglos. Da ereignete sich vor einigen Tagen ein neuer Ueberfall auf eine Frau. Ein Briefträger, der zufällig des Weges kam, sah einen jungen Burschen davonlaufen und nahm die Verfolgung auf, konnte ihn aber nicht mehr einholen. Er merkte sich aber das Laubengelände, in dem der Bursche verschwunden war. Man hatte auch eine ungefähre Beschreibung erlangen fönnen. Kriminalbeamte der Dienststelle E: 4 forschten auf dem Laubengelände nach und stellten dort einen 18 Jahre alten Maschinenbauer Hans W. Die Eltern des Jungen Tunichtsgutes wohnen in Berlin , haben aber auf dem Gelände eine Laube. Unter der Vorspiegelung, daß er draußen schlafen wolle, um etwaige Einbrecher zu verscheuchen, hatte Hans sich dort häuslich eingerichtet. Bon seinem wahren Treiben wußten die Eltern nichts. Meist allein, mitunter mit ein paar Freunden, lauerte W. den Frauen und Mädchen auf und belästigte sie. Er ist in vollem Umfange geständig und gibt selbst zu, daß er im Sommer 1928 und jetzt so piele Ueberfälle dieser Art verübt hat, daß er sich auf Einzelheiten nicht mehr besinnen kann. Mit ihm hat man end
lich den Burschen unschädlich gemacht, der in der Gegend starke Beunruhigung hervorgerufen hatte. W. ist dem Untersuchungsrichter zugeführt worden.
Der junge Mensch gibt also zu, daß er sehr viele lleberfälle verübt hat. Die ganze Gegend war monatelang in Unruhe: Ein Postbeamter muß erst den Kriminalisten spielen. Wo aber, so muß man nun doch fragen, war die Polizei?
Autounglück auf der Heerstraße.
Der Führer des Wagens getötet.
Gestern abend ereignete fich auf der Heerstraße ein schweres Autounglüd, das ein Todesopfer forderte. Der 57jährige Gastwirt arl Schmidt aus der Planetenstraße 1 in Neukölln befand sich mit seinem Wagen auf dem Heimweg. Vor dem Grundftüd Heerstraße 8, wollte Sch. ein vor ihm fahrendes Auto überholen. Dabei verlor Sch. infolge der hohen Fahrgeschwindigkeit die Gewalt über feinen Wagen. Er fuhr auf den Bürgersteig und pralfe mit ungeheurer Wucht gegen einen Cichim a ft. Das Auto wurde völlig zertrümmert. Schwer verletzt wurde der Berunglüďte von nachfolgenden Automobilisten unter den Trümmern hervorgezogen. 3m Krankenhaus erlag der Berunglückte feinen Berletzungen.
Kurz nach Bekanntwerden des Unglücks war das Gerücht von einem Drahtseilattentat verbreitet. Eine Unterfuchung ergab folgendes: An der Unglücksstelle war am Nachmittag ein Lichtmaft abmontiert worden. Ein Stüd Drahtseil lag teilweise auf der Fahrstraße. Beim Ueberholen des anderen Wagens geriet Schmidt dicht an die Bordschwelle und das Drahtseil verwidelte sich in einem Borderrad. Dadurch überschlug sich das Auto und prallte gegen einen anderen Lichtmast.
Einmal belauschte ich auf dem Gartenwege meinen Großpater, wie er Brugos bat:
Wir alle find Menschen, gnädiger Herr. Entziehen wir den Armen nicht unsere Hand. Wir müssen ja jo alle einmal sterben und auf der anderen Welt wird man von uns allen in gleicher Weise Rechenschaft fordern..
"
Der Verwalter war, ganz gegen seine Gewohnheit, nervös: Ich fann es nicht tun, Balogh, ich kann es nicht tun. Wenn sie mich um Berzeihung bäten, wie sich's gehört
"
,, Und sie sind dennoch gute Menschen, gnädiger Herr, nur etwas leidenschaftlich. Aber das kommt vom schweren Leben." ,, Möglich, Balogh, möglich," erwiderte der Verwalter. Aber sie drohen noch. Und ich dulde feinerlei Unverschämtheit!"
Sie bogen in einen Seitenpfad ein. Ich eilte in die Richtung des Schlosses davon.
Denn ich war häufig auf Besuch bei den Verwaltersleuten, mit Ausnahme der Winterszeit, wenn der Schnee die. Wege verwehte. Bandi ging mit mir in eine Klaffe und an den Nachmittagen, wenn wir die Bücher bereits fortgelegt hatten, spielten wir miteinander. Denn mein Kamerad war etwas schwer von Begriff und seine Mutter, eine Frau, die beim Gehen watschelte, wie eine Ente, hatte mich schon im vergangenen Jahr gebeten, ihm beim Lernen etwas zu helfen. Wir machten uns in den meisten Fällen nicht allzu großes Kopfzerbrechen und liefen nach dem Kaffee- eins zwei drei!-in den Garten hinaus. Erst spät abends famen wir heim.
Der Berwalter hatte auch eine Tochter, sie war schon ein großes Fräulein. Sie hieß Emmi. Sie war schön. Sehr schön.
Ich erinnere mich an ihr leicht aufgestecktes Haar, ihre winzigen Schuhe, ihren süßen Mund, noch so, als stünde ich zwanzig und noch ein paar Jahre von mir werfend, wieder auf jener alten Veranda, als säße Fräulein Emmi im geflochtenen Korbjefsel und lächelte beim Lesen oder während der Handarbeit vor sich hin. Oder sie wird unermartet traurig und dann hält sie das Köpfchen ein wenig schief. Manchmal blickt sie auf und wenn sie mich sieht, spricht fie mich freundlich an:
,, Hänschen, im Mai gehen wir wieder auf die Wiese hinaus malen. Nicht wahr, du wirst mein Ritter sein?" Ich wußte damals noch nicht, was es bedeutet, der Ritter eines so schönen Fräuleins zu sein, aber ihre Aufforderung tat mir mohl ( Fortsetzung folgt.)