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BERLIN  Donnerstag 31. Oktober

1929

Der Abend

Erfchetst täglich außer Sonntags. Bugleich Abendausgabe des Vorwärts. Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat.

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Spätausgabe des Vorwärts

46. Jahrgang

nzeigenazeis: Die einfpaltige Nonpareillezeile so Pf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Bosscheckoute: Vorwärts- Verlag G. m. b. H., Berlin   Nr. 37 536. Fernsprecher: Donboff 292 bis 297

Beamtenbank in Stockung.

Sie schließt die Schalter.- Beamte ohne Gehalt.

Heute vormittag hat die Bank für Deutsche Beamte ihre Zahlungen eingestellt.

Die Nachricht von der plötzlichen Zahlungseinstellung tam dem größten Teil der Bankkunden völlig unerwartet. Zahlreiche An= gestellte und Beamte, die ihre Gehälter von ihren Dienst­stellen direkt der Bank überweisen ließen, standen heute früh, als sie Teilbeträge abholen wollten, vor verschlossenen Türen. Die Erregung war ungeheuer und es tam zu turbulenten Szenen. Die Polizei mußte schließlich eingreifen, um die Ruhe wieder her: zustellen. Besonders vor der Hauptkasse in der Wilhelm. straße 46 und am Belle Alliance Blah hatten sich zahl­reiche Beamte eingefunden, die ihrer Empörung in erregten Worten Luft machten.

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Wie wir hierzu erfahren, soll die Bank für Deutsche Beamte seit einiger Zeit mit der Zentralbank   in der Schüßenstraße in Fusions: verhandlungen stehen. Diese Verhandlungen sollen sich gestern aber zerschlagen haben, so daß sich die Direktion der Bant für Deutsche Beamte gezwungen sah, die Zahlungen einzustellen.

Auch von der Kriminalpolizei ist inzwischen eine Untersuchung eingeleitet worden. Beainte der Dienststelle F 2 des Polizei­präsidiums haben sofort die Ermittlungen aufgenommen.

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Wie uns auf telephonische Anfrage von der Direktion der Banf mitgeteilt wird, soll die Schließung der Kassen lediglich dar­auf zurückzuführen sein, daß ausstehende Gelder heute vormittag plötzlich zurückgehalten wurden. Dadurch ist gerade zu Ultimo eine 3ahlungsstod ung eingetreten. Die Direktion hat die Bank­Leiter zusammenberufen und wird mit ihnen beraten. Die Direktion ist sehr optimistisch und hofft bereits heute nachmittag die Kaffen wieder öffnen zu können. Weiter wird behauptet, daß für alle Einzahlungen ausreichende Sicherheit vorhanden wäre. Man wird

abwarten müssen, ob dieser Optimismus berechtigt ist.

Es muß als ein unerhörter Standal bezeichnet werden, daß die Bank, nachdem fie vom Staat und den Kommunalbehörden die Gehälter für ihre Mitglieder empfangen hat, die Schaller schließt und die ihr angeschloffenen Beamten glattroeg aufs Trockene jetzt. Es muß dringend gefordert werden, daß dieses rigorose Vorgehen der Bankverwaltung unverzüglich seine Sühne findet. Sofortiges Eingreifen der betreffenden Behörden muß im Intereffe der Hunderte von geschädigten Eriftenzen gefordert werden.

Wir haben wiederholt vor den Geschäftspraktiken der Bank für deutsche Beamte gewarnt, denn schon seit zwei Jahren war mancherlei in die Deffentlichkeit durchgesidert, was die Geschäfts polifit der Verwaltung in merkwürdigem Lichte erscheinen ließ.

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Offiziös wird darauf hingewiesen, daß die Beamtenverbände mit dieser Bank nicht in Berbindung stehen, weder der Deutsche Beamten­bund noch der Deutsche Beamtenwirtschaftsbund und der Revisions­verband der Beamtengenossenschaften. Die Bank für deutsche Be amte arbeitete vielmehr auf privater genossenschaftlicher Grundlage, Beamte gehören ihrer Leitung nur als Einzel­personen an. Das Stammkapital der Bank beträgt etwa 600 000 m., die Haftfumme etwa 5 bis 6 Millionen.

Die Hugenberg- Pleite.

3mmer noch fein endgültiges Resultat.

Das endgültige Ergebnis des Hugenbergschen Infla tionsbegehrens steht immer noch nicht fest. Heute mittag lagen aus Orten und Kreisen mit 25 687 945 Stimm­berechtigten 2311 458 Gintragungen vor. Der Durch schnittsatz ist 8,99 Proz.

Böß in Bremen  .

Bon Bürgermeister Scholtz empfangen.- Abends in Berlin  .

Bremen  , 31. Oktober. Der Schnelldampfer Bremen   mit Oberbürgermeister Böß an Bord traf am Donnerstag vormittag um 9.40 Uhr auf der Reede von Bremerhaven   ein und machte um 10.45 Uhr am Columbus­tai fest. Nach der Ankunft des Schiffes begab sich Bürgermeister Scholh an Bord, um den Oberbürgermeister zu begrüßen. Böß traf etwa gegen 13 Uhr in Bremen   ein und will sofort seine Reise nach Berlin   fortfehen, wo er gegen 19 Uhr erwartet werden fann.

Rockefeller fauft- Ruhe in Amerifa

Abwärtsbewegung gestoppt.- Die Pfandhäuser blühen.

New York  , 31. Oktober.

Umschwung in der Entwicklung dar. Die Abwärtsbewegung gilt als Die gestrige Haltung der New- Yorker Börse   stellt einen vollen endgültig überwunden, nachdem die Kurse zum Teil bis zu 30 Punkten wieder angezogen haben. An einer weiteren Kon­ferenz führender Bankiers im Hause Morgan, die am Mittwoch stattfand, nahmen auch Owen Young   und der Präsident der National City Bank of New York  , Mitchell, teil. Im Anschluß daran wurde eine Erklärung veröffentlicht, die bejagt, daß sich die Bedingungen inzwischen erheblich gebeffert hätten. Berschiedene große Ge­sellschaften fahren fort, günstige Bierteljahresberichte über die ihnen nabeſtehenden Firmen zu verbreiten, um zur Wiederher­ftellung des Vertrauens der Deffentlichkeit beizutragen.

Die Wirkung diefes Vorgehens macht sich bereits bemertbar. Nicht unwesentlich zu dieser günstigeren Entwicklung beigetragen hat ein Schritt John D. Rockefellers sen., der am Mittwoch durch sein eigenes Bureau mitteilen ließ,

er und sein Sohn seien der Auffassung, daß die gegenwärtigen Preise der führenden Werte an der New- Yorker Börse   ihrem fatsächlichen inneren Wert entsprächen

und daß er und sein Sohn demzufolge seit Tagen in bedeutendem Umfange Antäufe vornehmen. Er beabsichtige, angesichts des Umstandes, daß die Vernichtung der Börsenwerte durch die wirt schaftliche Konstruktion des Landes nicht gerechtfertigt sei, in dieser Börsenvorstandes, während des Wochenendes eine Handlungsweise fortzufahren. Die Entscheidung des New- Yorker brechung der Börsengeschäfte durchzuführen, um dem überarbeiteten Personal Gelegenheit zu einer Ausspannung zu geben, wird von den führenden Banten sehr begrüßt, da die Ruhepause Dom Freitag bis zum Montag nach ihrer Auffassung die Zuversicht in der Deffentlichkeit weiter verstärken werde.

11nter=

An diesen Panittagen, haben die Leih- und Pfand.. häuser glänzende Geschäfte gemacht, nicht nur in New York  , sondern im ganzen Lande. Seit drei Tagen find

ganze Seiten der Zeitungen mit Inferaten über Berkauf von Autos, Wertsachen und Edelsteinen unglücklicher Spekulanten gefüllt.

Der Zusammenbruch an der Börse wird einen starken Rückschlag auf die gesellschaftlichen Verhältnisse im Lande haben. Man bereitet eine neue Liste der Milliardäre vor. Nach deren Fertigstellung wird man feststellen können, daß viele neue Ge­

Bolle Deckung!

Soffentlich wird inzwischen nicht allzuviel retufpiert." ( Bugenberg über die Stimmenzählung.)

IMMUNITAT  

Wie verleumdet es sich gut, Wenn man nichts risfieren fuf!

sellschaften darin enthalten sind, daß dagegen viele alte und bekannte Persönlichkeiten fehlen. Unter den Opfern des Börsensturzes be­findet sich, wie die Blätter berichten, auch Schatjekretär Mellon, der schwere Berluste erlitten haben soll

Der Beschluß des Börsenvorstandes, die Börse erst wieder am nächsten Montag zu eröffnen, bedeutet besonders für die 50 000 2n­gestellten, die unmittelbar mit der Börse zu tun haben, eine wohl­verdiente Ruhe nach einer 60 bis 70stündigen fast un unterbrochenen Tätigkeit.

Regierungsfrise noch ungelöst.

Clémentel an der Arbeit. Herriot lehnt ab. Paris  , 31. Oftober.( Eigenbericht.) Der radikale Senator Clémentel beabsichtigt nach Ertlärungen gegenüber Breffevertretern, sein Rabinett bis heute abend fertigzustellen. Allerdings scheinen seine Bemühungen, deren Erfolgsaussichten durchaus noch offen stehen, nirgends auf besondere Begeisterung zu stoßen. Namentlich im Lager seiner eigenen Partei scheint Clémentel feine allzu starke Unterstützung zu finden. Die Geister im radikalen Lager sind durch den Mißerfolg Daladiers und seinen Konflikt mit Briand   noch allzusehr überreizt. Auf jeden Fall hat Clémentel sich schon bei Herriot  , den er zur Mitarbeit aufgefordert hatte, bereits eine glatte 2 bsage geholt. Ueber­haupt ist sich die radikale Kammerfraktion noch nicht über ihre Haltung gegenüber der von Clémentel versuchten Mehrheitsbildung der republikanischen Berföhnung" schlüssig geworden, zumal nicht ersichtlich ist, wie weit Clémentel seine Versöhnung nach rechts aus­

dehnen will.

Vorläufig hat Clémentel immerhin die Unterstützung Briands erhalten. Nach der großen Informationspresse soll er auch schon Cherron für das Finanzministerium, Loucheur für das Arbeitsministerium, de Jouvenel für das Kriegsministerium, Dumesnil für das Marineministerium und Lavalle für das Justizministerium gewonnen haben. Alle diese Kandidaten rekrutieren fich auffallenderweise ausschließlich aus dem Senat. Das Innen­ministerium und das Kultusministerium gedenkt Clémentel zwei radikalen Abgeordneten anzubieten, doch habe er dafür noch keine Randidaten gefunden.

Im Anschluß an die abermalige Ablehnung der Sozialistischen Partei, sich an einem Linkstabinett attiv zu beteiligen, het der ftellvertretende Generalsekretär der Partei, der Abgeordnete Frot, seine Demission eingereicht. Er begründet seinen Rücktritt damit, daß er den negativen Beschluß der Partei als außerordentlich schädlich für den Sozialismus und die demokratische Idee in Frankreich   anfehe.

Weg mit der Spionage!

London  , 31. Oktober. Der politische Korrespondent der ,, Daily Mail" schreibt: Durch das Streben der sozialistischen   Regierung nach Ersparnissen ist der britische   Geheimdienst gefährdet. Im Etat des Foreign Office find alljährlich 250 000 Bfund Sterling eingefeßt, über die nur selten Anfragen gestellt werden und über die seitens der Re­gierung niemals Auskunft erteilt wird. Beamte des Foreign Office, des Kriegsamtes und der Admiralität sind gegen jeden Versuch, den Geheimdienst abzuschaffen, der während des Krieges großartige Leistungen erbracht hat. Man erwartet, daß, die Regierung ein Kompromiß schließen wird. Staatssekretär Henderson hat, wie ver­lautet. in diplomatischen Kreisen sondiert, um zu erfahren, ob es möglich wäre, in dieser Angelegenheit mit anderen Ländern zu einem Einvernehmen zu gelangen.

,, Daily News" verbreitet sich in einem Leitartikel über das gleiche Thema und meint, der praktische Wert der kostspieligen Spionagedienste, die von den meisten Ländern unterhalten würden, sei sehr zweifelhaft. Auf der anderen Seite verursache die Spionage zwischen den beteiligten Ländern unvermeidlich böses Blut. Es wäre daher ein wesentlicher Beitrag für den Welt­frieden, wenn es gelänge, durch Berhandlungen einen allgemeine: Berzicht auf die Spionage zu erreichen.